Zinzendorf, Nikolaus von - Reden über den 2. Artikel - Die achte Rede.

Zinzendorf, Nikolaus von - Reden über den 2. Artikel - Die achte Rede.

Erworben, gewonnen.

Es ist Alles euer, ihr aber seid Christi. 1. Cor. 3, 22.

Denn dazu ist Christus gestorben und auferstanden und wieder lebendig worden, daß Er über Todte und Lebendige Herr sei. Röm. 14, 9.

Sie waren Dein, und Du hast sie mir gegeben. Joh. 17, 6.

Das sind drei unterschiedene Orte der Schrift, die einerlei Sache klar machen und beweisen, nämlich, daß Seelen, die Jesus Christus erlöset hat, große und mächtige Menschen sind, die sich mit aller Wahrheit, und ohne zu viel zu sagen, dafür ausgeben können, daß Alles Ihre ist. Paulus spricht: Die Apostel sind euer, alle Menschen in der Welt, sie mögen mit euch handeln, wie sie wollen, Alles in der Welt ist euer, Leben und Tod ist euer, was kann man mehr verlangen?

Wenn der Genuß dieses Rechts den Menschen nach ihrer verderbten Art zugelassen wäre, so würde eine große Confusion und Verwirrung daraus entstehen; denn wenn sie sich aller Dinge gebrauchten, wie sie sich der wenigen bisweilen gebrauchen, so würde es schlecht aussehen um die Welt; dafür aber ist gesorgt.

Denn Alle, die noch in ihrem natürlichen Zustande stehen, sind so wenig Herren über Alles, daß sie selbst Knechte der Sünde und des Todes sind.

Diejenigen aber, denen Alles eigen ist, sind durch ein Geheimniß der Welt unbekannt, und stehen unter einem Gehorsam gegen den treuen Erlöser, welchen der Apostel den Gehorsam des Glaubens nennet, einen Gehorsam, der daher kommt, daß wir wissen, daß Er unser Herr ist, daß wir Ihn sehen mit unserm Herzen, als sähen wir Ihn mit unsern leiblichen Augen, daß wir uns halten an Sein Kreuz und Seinen Tod, an die Erlösung durch Ihn; da können wir nicht anders, als Ihn von Herzen lieb haben.

Die Israeliten kurierten sich von dem feurigen Schlangenbiß durchs Aufsehen nach der ehernen Schlange; wir sehen auf Jesum, den Anfänger und Vollender des Glaubens. So machten's zu Seiner Zeit die Kranken und Preßhaften, sie sahen Ihn an mit Augen des Glaubens, sie weinten unter der Trübsal. Mit diesen Augen nehmen wir Ihm das Herz, daß wir und Er in die allerinnigste und zärtlichste Gemeinschaft kommen.

Dabei geschieht's, daß wir das Joch dazu nehmen, die Halskette, davon das Hohelied singet: Wir gehen in Seilen der Liebe, und sie sind zugleich unser Schmuck am Kleide des Heils und an dem Rock der Gerechtigkeit. Es heißt auch das Ordenszeichen, das wir zum Pfande Seiner Liebe und unserer Treue tragen, daß wir nicht thun was uns einfällt, sondern, daß wir durch eine sanfte Regung gezogen werden, keinen andern Sinn und Willen zu haben, als Maria hatte bei aller ihrer Glückseligkeit. Siehe, ich bin des Herrn Magd. Luc. 1, 38. Ich bin Dein Knecht, sagt David, Du hast meine Bande zerrissen.

Ps. 116, 16. Wenn die alten Bande entzwei sind, gehen die neuen an, daß ihr nun bei einem Andern seid. Röm. 7, 4.

Es heißt: Er ist darum für Alle gestorben und auferstanden und wieder lebendig worden, daß Er über Todte und Lebendige Herr sei.

Er ist kommen, das Königreich der Gerechtigkeit aufzurichten, und nun ist Christus zur Ehre Gottes des Vaters, Herr, und wir sind Seine Unterthanen aus drei Ursachen:

Erstlich: Er hat uns erlöset, zweitens: Er hat uns erworben, drittens: Er hat uns gewonnen.

Das sind drei verschiedene Rechte. Die Erlösung geschieht durch einen Preis, der bezahlt wird. Die Erwerbung durch Mühe und Arbeit. Die Gewinnung oder Eroberung durch Streit.

Der Heiland hat uns zuerst: erlöset.

Ich habe mich am vergangenen Sonntage dahin erkläret, daß die ganze Welt erlöset ist. Er hat sich gegeben, sagt der Apostel, für Alle zur Erlösung. 1 Tim. 2, 6.

Und das soll zu Seiner Zeit geprediget werden. Darum sagt der heilige Geist schon durch Zacharias, daß uns, zufolge eines theuren Eides, gegeben sei, erlöset aus der Hand unserer Feinde, Ihm zu dienen, ohne Furcht, unser Leben lang, in Heiligkeit und Gerechtigkeit, die Ihm gefällig ist. Luc. 1, 73-75. Und, in Conformität dieser Worte, sagt der Heiland selbst zu Seinen Jüngern (Marc. 16, 15. 16): Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium aller Creatur; wer da glaubet und getauft wird, der wird selig werden; wer aber nicht glaubet, der wird verdammet werden; warum? darum, daß er nicht glaubet an den Namen des eingebornen Sohnes Gottes. Denn Gott hat Seinen Sohn nicht gesandt, daß Er die Welt richte, sondern daß die Welt durch Ihn selig werde. Wer an Ihn glaubet, der wird nicht gerichtet, wer aber nicht glaubet, der ist schon gerichtet, darum, daß er nicht glaubet. Diese Art Menschen könnte es nicht annehmen, wenn man sie schon wollte selig sprechen, denn ihr Herz denkt anders.

Wir sehen also, was der ganzen Welt im Wege stehet, sowohl allen Bösewichtern und Ungläubigen in allen Nationen, allen Wilden, allen halben Thieren, allen Menschenfressern, als allen honetten Leuten; allzu Vornehmen und Geringen, allen Gelehrten und Laien, allen Gottesdienstlichen und allen Spöttern, allen Bestien und Tugendhaften, allen Philosophen und blöden Gemüthern, mit einem Worte Allen, die nicht selig werden, was dann? nichts als der Unglaube. Denn Er ist für sie Alle dahin gegeben.

Die Erlösung ist nach der heiligen Schrift von mancherlei Dingen geschehen. Von dem zukünftigen Zorn hat Er uns erlöset. Er hat uns erlöset von aller Ungerechtigkeit.

Er hat uns erlöset von der Gewalt des Teufels, von der gegenwärtigen argen Welt. Er hat uns aber auch erlöset, welches ein ganz besonderer derer Ausdruck ist, von unserm eiteln Wandel nach väterlicher Weise.

Erlösung heißt nach dem Schriftsinne eine Handlung, die eine Sache oder Person, die sich in einem unglückseligen Zustande befindet, von demselben losgemacht wird auf eine Weise, dagegen der alte Besitzer nichts einwenden kann, weil sie ihm gleichsam vergütet ist. Die Erlösung der Menschen geschieht durch ein Lösegeld und Ranzion. Denn das ist die Formel, deren sich die Schrift an so vielen Orten, entweder ausdrücklich, oder doch so, daß es die unumgängliche Folge mit sich bringet, also davon zu gedenken, allemal bedient. Eine der wichtigsten Stellen der Schrift, die uns darinnen bekräftiget, ist, wenn Petrus die Leute warnet, sie sollen sich nicht etwa einbilden, als wenn sie mit Gold oder Geld gekauft wären; nein, nicht mit Gold oder Silber, sondern mit dem theuren Blute Christi, als eines unschuldigen und unbefleckten Lammes. 1. Petr. 1, 18. Aus diesem ist's klar, daß eine ganz neue Religion erfunden werden, und daß man die heiligen Wahrheiten des Herrn unendlich zerstümmeln, aus einander zerren, Worte hineinrücken und herauslassen müßte, wenn man den Laut und Sinn des Wortes Lösegeld für die Sünder, diesen heiligen und großen Preis, damit uns alle Seligkeit zuwege gebracht ist, unter einem andern Bilde oder Deutung vorstellen wollte. Die Aufrichtigkeit und Wahrheit ist bei dem Gebrauch der Schrift doppelt nöthig, sonst prostituieren wir unsere heilige Lehre durch den Gebrauch, den wir davon machen. Es ist aber auch wahr, daß es etliche Schriftverdreher so böse nicht meinen. Denn sie halten dafür, wenn sie solche wunderbare, und in ihre Idee gar nicht einpassende Redensarten des heiligen Geistes lesen, sie müssen Ihm einhelfen, sie müssen's etwas verständiger und zusammenhängender machen, als es da steht, der heilige Text habe sich nicht recht ausgedrückt, es müßte anders gemeint sein. Ich bekenne aufrichtig, mir kommen dergleichen Worthalter der heiligen Schrift und der göttlichen Weisheit sehr mitleidenswürdig vor, und die Schwäche ihres Verstandes ist offenbar. Ich glaube einfältig, was die Natur der Worte mit sich bringt, und hoffe gegründet, die ewige Weisheit wird gewußt haben, was sie reden und schreiben läßt, besser als alle Menschen, besser als wir's wissen, die wir es doch erst da lernen müssen.

Wenn wir das voraussetzen, wie es dann vorausgesetzt werden muß, so ist diese Wahrheit vollkommen klar, wir sind wahrhaftig gekauft, wir sind bezahlt, wie man ein Gut von einem Andern kauft; wie man einen Gefangenen loskauft, so sind wir vom Zorn, vom Gericht, vom Fluch, vom Fall und allem Verderben, von Sünde, Tod, Teufel und Hölle erkauft durch eine wahre, auch in Gottes Schatz gültige und ganze Bezahlung; nämlich durch das Blut Deß, der von Gottes Gnaden für uns Alle den Tod geschmecket hat.

Israel ist auf eine rechtmäßige Weise erlöset worden, und seine Gefangenen aufs allerbilligste.

Jes. 1, 27.

Es war unvermeidlich, daß sie erlöset würden durch eine ewige Gerechtigkeit, durch eine ewige Erlösung. Denn sie waren überliefert und verkauft durch einen Ausspruch, der so wenig zu widerrufen war, als die Edicte der Könige in Persien, von denen es heißet, daß sie nicht konnten geändert noch widerrufen werden. Daher auch Ahasverus seinen Befehl gegen die Juden nicht aufheben, sondern zu dessen Entkräftung nur erlauben konnte, daß sich die Juden wehren möchten. Das Recht der Sünde und des Todes stand in den tiefsten Gründen der Ewigkeit fest. Es war vor dem Gerichte bekannt, dessen Aussprüche in ihren unveränderlichen Schranken und Verfassungen durch alle Ewigkeiten gelten.

Nun aber ist's so abgelaufen:

Der Satan, der die Seelen wahrhaftig an seiner Kette hatte, gefangen zu seinem Willen (denn dem sie sich zu Knechten begeben hatten in Gehorsam, deß Knechte waren sie), der kann nichts einwenden, der hat selbsten hinaus geführet den Rath Gottes. Er hat des Judä sein Herz erfüllet, daß er Jesum verrathen. Er hat die Menschen dazu beredt, daß sie Ihn haben ans Holz gebracht, daß sie den Fürsten des Lebens getödtet haben, daß sie die Gefahr Seines Blutes und Todes auf sich und ihre Kinder genommen haben.

Darum muß er sie nun dem überlassen, den sie beleidigt, den sie gekreuziget, und der sie dadurch Alle von Neuem ererbet hat, dem Gott, deß die Rache ist: „Erscheint die Rache Sein, Er will vergelten.“ Er will eben alle Seine Feinde lieben, segnen, die Ihm fluchen, wohlthun Seinen Hassern, bitten für Seine Beleidiger: denn er ist der einziggeborne Sohn eines Vaters, der so denkt. Mit einem Worte, wir sind los vom Teufel.

Die Welt, die uns manchmal von Neuem gefesselt, der wir uns selber verkaufet haben, wie wir dann in gewissermaßen freie Leute sein, die mit sich schalten können, die ist mit dem Satan, ihrem Fürsten und Gott, zugleich geschlagen. Sie ist samt uns ein Knecht der Sünde und des Todes gewesen, und konnte keinen Handel und Wandel treiben. Sie stehet selbst unter dem, der seine Gefangenen nicht mehr halten kann, sondern sie los geben muß ums Blutes des Bundes willen: also kann sie nicht mehr Recht haben, als ihr Herr, als der sie sendet. Und also muß uns auch die Welt los lassen. wenn eine Erlösung geschaffet ist.

Und aus dem Grunde kann der Heiland mit Recht fordern, daß dieselbigen Leute, die Seine sind, zu ihren nächsten Anverwandten, auch zu Vater und Mutter, nicht nur wenn solche zur Welt gehören, sondern auch insofern sie sich dem göttlichen Ruf und Forderung an unser Herz oder Gabe entgegen setzen, frei heraus sagen müssen: Ich kenne dich nicht, ich weiß nichts von dir. 5 Mos. 33, 9. Denn sie haben zwar ein Recht, das andere und nächste Recht an diejenigen, die sie gezeuget und erzogen haben. Aber der Vater, der uns zum Leben erwählet, zur Herrlichkeit berufen, der Seinen eingebornen Sohn für uns Alle dahin gegeben, der den Herzog unserer Seligkeit durch Leiden vollendet, und endlich den großen Hirten der Schafe, Jesum Christum, durch das Blut des ewigen Testaments ausgeführt hat ins Geraume, daß Ihm nun die Schafe alle nach können, wohin Er will, der hat das erste Recht. Er heißt, wie es denn nicht anders sein kann, der rechte Vater über Alles, was Kinder heißt, im Himmel und auf Erden. Eph. 3, 15.

Nun wollen wir das Erwerben besehen.

Es ist der heilige Schriftstilus: Daß das Volk hindurch komme, das Du erworben hast. Das wird im Neuen Testament erklärt und weiter extendiert: da wird die Kirche die Gemeine Gottes genennet, die Er durch Sein eigen Blut erworben hat. Ap. Gesch. 20, 28. Der Grund davon liegt in den Worten: Darum, daß Seine Seele gearbeitet hat, wird Er Seine Lust sehen. Jes. 53, 11.

Es ist bekannt, daß das Wort erwerben allemal gebraucht wird von den Bemühungen des Leibes und des Gemüths, da man etwas entweder im Schweiß seines Angesichts erarbeitet, oder sich's doch sonst sehr sauer werden läßt. Jakob arbeitete vierzehn Jahre um seine Rahel und sechse um seinen Lohn, darauf beruft er sich gegen seinen Schwiegervater: „Des Tages verschmachtete ich vor Hitze und des Nachts vor Frost, und kam kein Schlaf in meine Augen.“ 1. Mos. 31,40. Wenn wir das Leben unsers glorwürdigsten Heilandes betrachten, Seine lange Mühe, die Er in der Welt ausgestanden hat, Seine dreißigjährige Last, die Er getragen hat in der Stille (die kleinen und verborgenen Treuen aber sind denen weit vorzuziehen, die in die Augen fallen), die letzten Jahre Seines Lehramts, da Er oft nicht Ruhe gehabt zu essen, da Er des Tages in Mühe und des Nachts im Wachen war, da Er endlich eine solche Seelen- und Gemüthsarbeit auszustehen bekam, die Ihm den blutigen Schweiß austriebe: so können wir wohl glauben, daß Er Ihm etwas damit erworben hat, warum? weil Seine Seele gearbeitet hat.

Darum wird Er auch ein Knecht genannt; das sind Arbeiter, Leute, die sich's lassen sauer werden. Gewiß, wenn wir unsers Heilands Seine Arbeit betrachten, und sehen, wie leicht wir durch die Welt kommen, so müssen wir uns sehr schämen. Die Leute, die sich's recht lassen anliegen mit ihren Geschäften, haben in ihrer Art viel Mühe und Arbeit; aber was ist's in Vergleich mit der unmenschlichen Mühe des Sohnes Gottes? „der im Elend und im Mühen unserthalb sich ließ erziehen, der nicht hatte, da Er ruhte, schwitzte Blut vor schwerem Muthe.“

Durch diese Arbeit sind wir eigentlich auf eine besondere Weise erworben zu Seinem Lohn, und (wie es sonst ausgedrückt wird in den Propheten) zu Seiner Lust. Jes. 53, 11. Wir finden die Worte in der Schrift vom heiligen Geiste: Meine Lust ist bei den Menschenkindern. Sprüche 8, 31. So hat auch der Heiland Seine Freude an uns, und daß Er sich an uns satt laben kann, das ist der Lohn für Seine unendliche Mühe.

Wollen wir Ihm Seine Freude nicht gönnen? Wollen wir uns nicht lieber mit tausend Freuden dazu hingeben, daß wir dasselbe Lustspiel des Heilands werden?

Weil wir uns doch sonst einmal mit tausend Angst und Noth dem Zorn des Lammes müßten unterwerfen, wenn er entbrennt; da können wir doch nicht entrinnen, da müssen wir doch dran, und müssen unter Seinem eisernen Zepter zerdroschen liegen, wenn wir nicht haben wollen den Friedenszepter küssen. Werden wir Sein Vergnügen, Seine Freude und Lust in dieser gegenwärtigen argen Welt nicht; scheuen wir Sein Bekenntniß vor den armen elenden Menschen und gestehen' s hier nicht, daß wir Seine sind, so müssen wir doch einmal in der Ewigkeit als Ehebrecher, Ehebrecherinnen und Huren, die ihrem Bräutigam ohne Ursach entlaufen sind, zum Schemel Seines Thrones liegen, und werden die Berge und Hügel anschreien, daß sie uns vor Seinem Antlitz verdecken sollen.

Er hat uns aber auch noch gewonnen.

Der Nachdruck im Grundtexte ist hier wichtig: Er führet uns als Seinen Triumph herum. 2 Cor. 2, 14. Denn das ist der natürliche Gebrauch des Wortes an allen Orten, wo es sonst zu finden, es heißt einen herum treiben, belegen, zeigen als einen guten Geruch seines Sieges, wie es die Triumphatoren der alten Zeiten machten, die ihre Feinde gebunden vor ihren Siegeswagen ließen herziehen, als ein Zeichen der Tapferkeit, der Herrlichkeit und Gewalt des Kriegshelden, Königs und Fürsten. So geht's auch mit uns, spricht der Apostel: Gott führt uns zum Triumph herum, durch die ganze Welt, und offenbaret durch uns den Geruch Seiner Ehre, den Ruhm Seiner Herrlichkeit, und zwar auf verschiedene Art; etlichen Menschen zu ihrem Verderben, etlichen Menschen zu ihrer Seligkeit, ein Geruch zum Leben oder zum Tode. Dieser ist gesetzt zum Fall oder Aufstehen der Menschen. Luc. 2, 34.

Dorten sagt einer der alten Patriarchen: Das habe ich mit meinem Schwert und Bogen gewonnen. 1 Mos. 48, 22. Der Heiland hat Ihm auch selbst geholfen mit Seinem Arm, daß der Feinde Vermögen und Blut auf Ihn gespritzt ist. Jes. 63, 3. Er zog einher der Wahrheit zu gut, und die Elenden beim Recht zu erhalten. Scharf waren Seine Pfeile, daß die Feinde des Königs mit Haufen vor Ihm dahin fielen. Ps. 45, 5.6.

Darum heißt's von Ihm: Er zieht aus, daß Er siege und überwinde. Offenb. 6, 2.

Es ist aber nicht nur so ein Sieg, wie man feinde und Rebellen zu Paaren treibt, sondern wie man Bundesgenossen dem Feinde aus dem Rachen reißt, und zur Freiheit bringt, die hernach als Ehren- und Siegeszeichen ihres Freundes, Schutzherrn und Helfers vor Ihm daher ziehen. Nach Deinem Siege wird Dir Dein Volk williglich opfern. Ps. 110.

Seine Feinde müssen's mit Schreien und Angst, aber Sein Volk will's mit tausend Freuden. Die Wagen sind Sein freiwilliges Volk, deren jeglicher Jedermann frei bezeuget, daß er ein williger Diener, ein freiwilliger Zeuge der Herrlichkeit Jesu ist.

So hat ehemals Saul eine Stadt, die in der äußersten Noth war, aus der Hand ihrer Feinde errettet. 1 Sam. 11. So haben allemal die alten Knechte Gottes sich ihrer Bundesgenossen angenommen und sie errettet. Abraham schaffte den Königen, unter denen er wohnte, Ruhe, worüber ihm Melchisedech, der König zu Salem, entgegen ging und ihn segnete. 1 Mos. 14. Eben auf diese Weise that unser König Jesus, der unser war, und wir Sein, der sich in der Ewigkeit schon versprochen, und Seinen Leib verbürget und versetzt hatte fürs menschliche Geschlecht (daher Er auch genennet wird das Lamm, das geschlachtet ist vom Anfang), der uns durch Sein langwieriges Leiden in dieser Welt wahrhaftig verdient hatte, und endlich am Stamme des Kreuzes, unter dem Bilde eines Leidenden, eines Übelthäters, eines Fluchs, der über die Sünde der ganzen Welt ging, im Schweiß Seines Angesichts uns den Proceß gewonnen und den Sieg erstritten hat. Er hat das Gericht zum Siege hinausgeführet, Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße gelegt, und Schau getragen öffentlich; darnach ist Er hingegangen in demselben Siegesgeiste, und hat's geprediget, und hat die Lehre von Seinem Siege bekannt gemacht denjenigen, die nicht glauben wollen, den Ort des Gefängnisses hat Er erstiegen, erobert, und los gemacht Seine Gefangenen durchs Blut des Bundes, das uns noch alle Tage und Stunden hilft.

Weil Er uns nun wahrhaftig von allen Sünden erlöset hat, erworben, gewonnen, so wird von unserer Seite eine Attention daraus erfordert. Wie wollen wir entfliehen, so wir eine solche Seligkeit verachten? Ebr. 2, 3.

Sie ist geprediget, sie ist der Welt kund gemacht so viel Jahre lang, sie wird noch täglich bezeuget auf so unterschiedene Weise, sie stehet im Worte Gottes, das genugsam in Aller Händen ist.

Warum haben wir nicht Alle vorlängst eine Ehre und Freude dran, den Genuß derselben Erlösung, den Genuß derselben Erkämpfung und des Sieges zu haben, den Jesus für uns Alle erlanget hat?

Er ist so nahe da, uns Alles zu gehen, Er ist so willig, daß wir die Erlösung durch Ihn haben sollen, daß ein jeder Mensch wissen soll, auch ich bin erkauft, auch ich bin bezahlt, auch an mich wird nichts mehr prätendiert.

Er möchte uns gern in derjenigen Ordnung (von der nicht dispensiert werden kann) zu erkennen geben, daß wir Sein erkauftes Gut, Seine erarbeitete Braut, Seine erstrittene Freunde, der Lohn Seines Kreuzes, Sein Lustspiel und Kronen sind, damit Er am Tage der Freude Seines Herzens gekrönet ward, an einem Freudentage, den Niemand als Er und Seines gleichen so nennen kann; denn die Krone, darinnen Er im Geiste alle Seine Zeugen und Seelen, als köstliche Kleinode eingeflochten sieht, war hier ein Dornenkranz.

Wie es mit der Freude Seines Herzens ist, so ist's auch mit Seiner Schönheit: die wird im Hohenliede gründlich beschrieben; examiniert man sie nach den menschlichen Ideen, so kommt eine seltsame Gestalt heraus. Aber sie ist dem Herzen wahrhaftig schön; die zerrissenen, verbluteten, verstockten, verstarrten Glieder, mit denen Er, vor Gott und Menschen und Engeln, als ein Scheusal da gehangen, verhöhnt, verspeit und sehr verwundt, die sind es in der That und Wahrheit, welche alle arme Sünderherzen noch heutiges Tag's alleine ritzen und verwunden, die sind es, die auch mir mein Herz gebunden haben.

Denn die Martergestalt des für uns büßenden Erlösers war bei Ihm die natürliche Folge unserer Verdammniß, Elendes, der Scheußlichkeit unserer Seelen: denn Er liebte uns bis in den Tod; Er bekennete sich öffentlich zu uns, und erarbeitete sich's am Kreuz, daß Er uns nicht verstecken, sondern uns Jedermann als ein Siegeszeichen, als Seine Leute ausweisen dürfe, die Er durch die Welt führet, als ein Held bei ihnen stehet, und sie keinen Tag verkennt, bis ans Ende der Welt.

Heute, so ihr Seine Stimme höret, so verstocket eure Herzen nicht. Ebr. 3, 15. Das heißt nicht so viel, daß wir uns zur Sache nöthigen und zwingen sollen, sondern es heißt, wir sollen uns nur nicht verstoßen, welches anzeigt, daß uns aller Vorschub von Ihm gethan wird.

Der Heiland braucht unserer Hülfe nicht. Er fordert nicht, daß wir uns präparieren zu Seinem Reich, Er ist weise genug, Er ist mächtig genug, Er ist nahe genug, uns die Herzen aufzuthun, und sich auf die bequemste und füglichste Weise an uns zu offenbaren. Darauf können wir rechnen.

Die Forderung Seiner Knechte gehet nicht weiter, als: Verstocket eure Herzen nicht, um dieser oder jener spöttlichen Ehre, unruhigen Lust, ungewissen Habseligkeit, schändlichen Trägheit willen. Wenn ihr gewiß fühlet, das ist Gottes Kraft, setzt euch nicht entgegen; laßt nicht die Phantasie über euch herrschen, dieser oder jener Mensch werde euch drüber verachten, spotten, verlassen und das Leben schwer machen; laßt euch nicht diesen oder jenen Nutzen, den ihr entweder verlieren oder erlangen könnt, verblenden und zurückhalten, oder vielmehr wieder ins Verderben zurückreißen.

Es kann kein Mensch, der einen natürlichen Verstand hat, und höret, was von Jesu gezeuget wird, der Sache und Wahrheit beifallen, ohne dadurch hingerissen zu werden.

Wir Christen sind ohnedem, wenn wir nur zuhören, bei den Vorträgen von dem Kreuzestod unsers Erlösers, nicht ganz unempfindlich. Es ist eine in allen Getauften liegende Sache, daß sie nicht hören können, daß Jesus für sie gestorben ist, sie müssen es dann auch fühlen. Und wenn's dann so wieder gehet, wie es kommen ist, so können sie sich damit nicht entschuldigen, wie die Hottentotten: wir haben nichts davon verstanden, gefühlt oder gemerkt; sondern es geht bei Allen und Jeden eine subtile oder grobe Art der Unterdrückung vor, und sie können zur Noth wissen, wie sie jedesmal wieder davon ankommen.

Was wissen dann die Seelen unter uns zu sagen, denen der Heiland zum Leben und zum Friede worden ist, zur Gnade und ewigen Erlösung?

Das wissen sie, daß Er ihnen nachgegangen ist, und sie nicht Ihm; daß Er sie ergriffen hat, und sie nicht Ihn; daß Er sie erwählet hat, und sie nicht Ihn. Er holete mich, sagte David, Er hatte Lust zu mir. 1. Sam. 22, 17. 20. Ich bin von Ihm ergriffen, bezeugt Paulus. Phil. 3, 12. Er hat nach mir gelangt. Ich bin erkannt.

1. Cor. 13, 12.

Es ist freilich eine solche Verfassung, und die Menschen sind gemeiniglich bereits dahin gekommen durch die Verführung in den weltlichen Umständen, daß die natürliche Empfindung und Neigung ihrer Herzen zu dem, was nicht gut ist, die Empfindung des Kreuzes Jesu bei weitem überwieget. Dazu kommt die üble Gewohnheit, vom Blute Jesu Christi von Kind auf, als von einem Märchen zu plaudern, die macht es einem, gegen die heranwachsenden Jahre hin, so verächtlich, daß man nicht mehr weiß, was man davon denken und halten soll. Doch kann das Alles die Regung im Herzen nicht ganz unterdrücken.

Es ist aber dabei noch ein ander allgemeines Verderben. Ein jedes Alter der Menschen bringt seine besondere Abhaltungen, Hindernisse und Widerstände mit sich; dadurch denn der Heiland mit Seiner Erlösung und Gewinnung der Seelen nach und nach, wo nicht gar vergessen, doch dem Herzen unangenehm oder fremde wird.

Es ist erstaunlich, daß vielen Leuten, wenn sie gleich zuhören, darauf merken, und es ihnen noch so deutlich vorgetragen wird, doch Alles lauter Geheimniß ist. Zu der Zeit, da die Wahrheit noch in Bildern und Gleichnissen und in den dunkeln Sprüchwörtern eingehüllt lag, welches die Gefahr der damaligen Zeit erforderte: da dachte man, die Menschen verständen es nicht, weil es zu undeutlich wäre. Seitdem redet man schon lange in runden Worten, die den Menschen gar geläufig sind, mit solchen Ausdrücken, daß ein Jeder den Sinn greifen kann; man redet auch nicht ohne der Menschen Gefühl zu rühren: aber Alles umsonst.

Das Gefühl selber ist etwas Zweifelhaftes, so daß, ob man es gleich dieselbe Minute nicht läugnen kann, und es bleibet einem auch wohl was nach, doch die eigentliche Wirkung der Wahrheit oft ehe als in einer halben Stunde vorbei und dahin ist, bis wieder etwas Neues kommt, das auch nur einige Minuten rührt, und zu seiner Zeit wieder dahin rauscht.

Ich weiß nicht, was ich mir von diesen meinen Reden versprechen soll. Denn

1) Habe ich keine Zeit zum Ausarbeiten,

2) Begehre ich euch nichts Großes vorzupredigen, sondern ich traktiere die ganze Sache als einen ungeformten und naturellen Discours, da ich mit eben der Freimüthigkeit, Deutlichkeit, aber auch Gründlichkeit zu sprechen suche, die ein jeder rechtschaffener und in seiner Sache gesetzter Mensch im ordinairen Gespräch zu beobachten hat.

Je simpler mein Vortrag ist, je gewisser trifft das, was ich sage. Daraus entsteht die momentliche Überzeugung der Freunde, die mich hören. Weil aber vermutlich die Stunden und Tage, die drauf folgen, eben dieselbe Methode beobachtet wird, die auf das Gehör des Wortes gewöhnlich zu folgen pflegt, so ist's vermutlich, daß es bei den Meisten auch eben die folgen haben werde.

Dem sei wie ihm wolle, so ist's doch gesagt, gehört, und, ich hoffe zum Zeugniß in euren Herzen.

Ihr seid Alle mit einander erlöset, erworben, gewonnen durch das Verdienst, durch die Mühe und durch den Tod des ewigen Sohnes Gottes unsers Erlösers, unsers Hauptes und Herrn.

Wer nun doch ein Knecht der Sünde bleibt, wer nun unter der Vormundschaft seines alten Mannes des Fleisches dahin stirbt, wer dermaleinst mit den Feinden des Lammes sich in die Berge und Hügel wird hineinkratzen wollen, der wird alsdann wissen, ja er wird es noch eher erfahren, daß es so sein Wille gewesen ist.

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