Zinzendorf, Nikolaus von - Reden über den 2. Artikel - Die erste Rede.

Zinzendorf, Nikolaus von - Reden über den 2. Artikel - Die erste Rede.

Ich glaube.

Du glaubest, daß ein einiger Gott sei, du thust wohl daran, die Teufel glauben's auch und erzittern. Jac. 2, 19.

Ein klarer Beweis, daß es nicht genug sei zum Seligwerden, daß man von einem einigen Gott weiß.

Also hat Gott die Welt geliebet, daß Er Seinen eingebornen Sohn gab, auf daß Alle, die an Den glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Joh. 3, 16.

Und das Evangelium ist zu dem Ende, daß ihr glaubet, Jesus sei Christus, der Sohn Gottes, und daß ihr durch den Glauben das Leben habet in Seinem Namen. Joh. 20, 31.

Darinnen ist unser Glaube von dem Glauben der Teufel unterschieden.

Wir glauben an Seinen Namen, der heißet Jesus; denn Er wird Sein Volk selig machen, Er wird Sein Volk erretten von ihren Sünden. Matth. 1, 21.

Man muß den Namen recht kennen lernen.

Der Herr sahe voraus, daß die Menschen dafür halten würden, es sei zur Seligkeit genug, an Gott glauben, darum thut Er hinzu: Glaubet an mich. Joh. 14, 1.

Glauben, daß ein Gott sei oder nicht, stehet nicht bei uns. Wir glauben von Natur.

Zwar gibt es wohl etliche Menschen, die im Herzen wünschen, daß kein Gott wäre, Ps. 14,1. damit sie desto freier sündigen könnten.

Sie können aber nicht glauben, daß keiner ist.

Ihre spitzigste Vernunftshöhen können die Idee von Gott nicht aus dem Gemüth bringen, noch die Erkenntniß des großen Oberwesens verhindern und dämpfen.

Es ist der Grund gar zu tief in die Natur und das Gemüth geleget.

Daß man weiß, daß ein Gott sei, ist ihnen offenbar, denn Gott hat es ihnen offenbaret.

Weil nun der Seelenfeind den Menschen nicht wehren kann, daß sie Notiz von Gott nehmen (er muß es selbst thun), so beredete er sie gern, daß das der seligmachende Glaube sei, den er hat.

Man lasset es gelten, daß ein einiger Gott sei, und man hat Ehrfurcht vor Seinem Namen, weil Er züchtigen kann, strafen, heimsuchen, verdammen.

Daher sündigt man nicht mehr so frei, und das gibt weltehrliche, rechtschaffene Leute.

Aber von Christo wissen und glauben wenig Menschen etwas Reales.

Man darf hierbei nicht erst über die Christenheit hinausgehen.

Was die Nationen glauben, die Mahomet's Lehre folgen; was die Juden glauben, einen einigen Gott, diese mit Ausschließung Jesu, jene mit Übergehung Seiner rechten Natur, obgleich mit tiefer Ehrfurcht; das glauben auch viele derer Christianer, die den glorwürdigsten Namen Jesu nennen bei allerlei Umständen, und die sich nach Ihm nennen lassen, nur etwas mehr obenhin.

Jesus, der große Jesus, den alle Engel Gottes anbeten sollen, vor dem sich alle Kniee auf Erden beugen, und alle Thronen ihre Kronen in den Staub legen sollen, wird zwar wohl im Munde geführet, wenn es in einem Lande oder Stadt so Brauch ist, denn auch dieses hat seine Mode.

Es ist aber allemal was Rares, wenn ein Mensch, den sein Verstand, Ansehen, Habe oder Geschicklichkeit auch nur einigermaßen über den Pöbel hinaussetzet, des Heilandes oft erwähnet.

Es meinen die Meisten, daß nichts weiter zu einem ehrlichen und rechtschaffenen Mann erfordert werde, als eine Ehrerbietigkeit vor Gott zu haben.

Wo es aber in einem Lande oder Stadt so weit gekommen ist, daß sich diejenigen Menschen, von denen die andern abhängen, und auf die es ankommt, des Heilandes schämen und Seines Zeugnisses, da kann man drauf rechnen, daß es, nach dem Ausdruck des Propheten Daniels, auch bald dahin kommt, daß Christus nicht mehr ist. Cap. 9, 26.

Denn es ist schon ein Unglück in der Christenheit eingerissen, daß man nur mit Gott zu thun hat, und wenig von Christo handelt, als wenn Er nicht auf der Welt gewesen wäre, noch in der Bibel auf allen Blättern stände, oder als wenn Er nicht viel zu bedeuten hätte, und man ohne Ihn glauben, leben und selig werden könnte.

Daher kommt es, daß man die Reden vom Heilande für trivial, das ist, auf die niedrige Schulen gehörig, weisen aber und großen Leuten für unanständig hält.

Manche, die sich auch mit dem Heilande zu thun machen, denken und reden ganz kaltsinnig von Ihm.

Andere, die unter den Christen für die frömmsten und besten gehalten werden, glauben, man müsse bei der Erkenntniß Gottes mehr Ernst brauchen, als gewöhnlich ist; man müsse Gott, weil Er uns könne vor Gericht ziehen, verehren, fürchten, und nicht mehr mit Sündigen beleidigen, sondern vielmehr wegen unzähliger Wohlthaten lieben und Ihm dienen.

Wenn Andere frei in Tag hinein sündigen, so lassen diese das Böse aus Furcht und Respect.

Aber Christus mit Seinem Namen und Verdienst ist nicht bekannt, und ich glaube, wenn eins nicht manchmal erschräke, oder Schmerzen empfände, es sollte lange Zeit hingehen, ehe ihm der Name Jesus entführe.

Es ist Noth, daß wir diese Sache recht zu Herzen nehmen und ins Gemüth fassen, und uns recht bekümmern um Christum, wer Er sei nach Seiner Person, Ämtern und Ständen, und nicht nur selbst davon Kraft erfahren, sondern Ihn auch vor Jedermann bekennen, und keine Gelegenheit versäumen, Seinen Namen auch Anderen bekannt zu machen.

Und das ist aller Zeugen Jesu, die Ihn einmal erkannt und erfahren haben, ihre Hauptsache, daß sie den so unbekannten Heiland der ganzen Welt, sonderlich aber der sogenannten Christenheit immer vor die Augen malen.

Denn wenn sie gleich immer spricht: man muß Ihn kennen, man muß Ihn im Herzen haben, man muß Ihn sich nicht nehmen lassen, so kann man doch sicher darauf fußen: auch die Christianerwelt kennet Ihn nicht. Joh. 16, 3.

Man hat nicht zuerst zu sorgen, wie man die Sünde lasse und fromm werde, sondern wie man Jesum als seinen Heiland erkennen lerne, so wird das Andere von selbst folgen, nachdem uns der Sohn einmal frei gemacht hat; denn Der kann allein von Sünden befreien, Er allein kann auch in den Materien rathen und helfen, wo sonst kein menschlicher Rath noch Kraft hinlanget.

Wir können nicht läugnen, daß wir Sünde an uns haben, 1 Joh. 1, 8. und bis ins Grab an uns behalten.

Deswegen ist der Leih todt um der Sünde willen, Röm. 8, 10. und die Verwesung trifft ihn.

In der Natur und Masse des Menschen steckt die Materie des Sündengifts so fest, daß es ihr am gesündesten ist, wenn sie ins Grab und zur Gärung kommt, damit der Heiland was Bessers daraus machen kann.

Aber ob wir gleich den Leib dieses Todes an uns tragen, so ist doch die Sünde bei Kindern Gottes als ein verbanntes, gekreuzigtes und verurtheiltes Ding, als ein Missethäter und Gefangener anzusehen, der nicht nothwendig wieder aufkommen muß, wenn nur die Seele nicht mehr falsch ist, noch mit der Sünde verstanden.

Der alte Mensch hat sein Urtheil bekommen, daß er an Christi Kreuz sterben und zernichtiget werden soll. Röm. 6, 6.

Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, daß Er die Werke des Teufels zerstöre, 1 Joh. 3, 8. den Zusammenhang der Sünden aus einander reiße, daß es bei den Gläubigen nicht zur Lust, That und Tod komme, sondern das sündliche Verderben unter dem Fuß bleibe, seine Gewalt, Macht und Herrschaft verliere, unterthan sei, sich nicht regen dürfe, oder immer ein neues Abthun zu erwarten habe 1).

Ein Gläubiger hat nicht einmal nöthig, der Sünde Gehör zu gehen, viel weniger sich in einen Kampf mit ihr einzulassen, sondern seitdem die solenne Ehescheidung der absolvierten und keusch gewordenen Seele von ihrem alten Manne durch den Leichnam Christi geschehen, daß er sie fahren lassen muß; so kann nun dem rechten Manne in Ruhe gedienet und Ihm Frucht gebracht werden ins ewige Leben, man will und mag und muß nicht mehr sündigen.

Diese Freiheit ist uns als eine Seligkeit, als ein Privilegium gegeben.

Sie ist aber bei Niemand zu suchen vor der Gnade, viel weniger ist sie über die Gnade zu setzen, sondern die Gnade muß zuerst da sein, und man muß die Vergebung der Sünden in der Qualität eines Gottlosen gekriegt haben, hernach folget das Privilegium, daß man nicht mehr sündigen muß, und darf heilig sein.

Die Vergebung erlangt man durch Glauben an den Namen des eingebornen Sohnes Gottes, ohne diesen ist kein Lehen, keine Gnade, kein Vergeben.

Unser Glaube muß feste stehen auf des Heilands Verdienst, der darum für uns gestorben ist, daß Er uns erlösete von aller Ungerechtigkeit, und reinigte Ihm selbst ein Volk zum Eigenthum, das fleißig wäre zu guten Werken.

Es wird bei allem künftigen Vortrag und Gehör nöthig sein, daß gleichsam diese vier Fragen im Gemüthe zum Grunde liegen.

  • Die erste: Was ist der Sinn des Wortes? wie ist's gemeinet? wie ist das zu verstehen? Darum muß man den Sinn der Sache einfältig ohne Umschweif sagen, daß ein Jeder gleich fassen und merken könne, worauf es ankomme.
  • Die zweite: Hat der Sinn Grund? kommt er mit der Schrift überein? denn außer der heiligen Schrift muß man weder reden noch denken in geistlichen Sachen. Weiß man nun, daß die Wahrheit gegründet ist, so ist
  • die dritte Frage. Bin ich auch so? habe ich das erfahren? Und endlich
  • die vierte: Wie komme ich dazu?

Das muß man auch bei der Lehre von Christo beobachten. Sie muß verstanden, geprüft, gesucht und gefunden werden.

Was heißet also itzt, an den Herrn Jesum glauben?

Göttlich erkennen und für wahr halten, daß einmal vor etwa siebzehnhundert Jahren ein besonderer Mensch auf der Welt gewesen, der Jesus geheißen, und daß derselbe vorher so gewiß Gott gewesen, als Er hernach der Sohn eines Menschen geworden ist; daß Er in Gegenwart vieler Leute, Juden und Heiden, welche es gesehen, für uns Menschen gestorben sei, und zwar am Kreuz, daß Er es gethan habe theils deswegen, damit Er unsere und eines Jeden seine eigene Sünde büßen, und Gott versöhnen möchte, theils darum, damit Er der Sünde Macht und Systema am Kreuz aufhübe, und ihr Regiment zernichtete auf Erden, daß sie nicht mehr herrschen dürfte, sondern unter den Fuß käme.

Der kürzeste Weg zum Glauben ist, Christum aufnehmen, Joh. 1, 12. Wie viel Ihn aufnahmen, denen gab Er Macht, Gottes Kinder, das ist, Leute zu werden, die an Seinen Namen glauben.

Es nahmen Ihn zu Seiner Zeit Viele von Seinem Volke nicht auf. Er galt bei Seinem niedrigen armen Wesen wenig: Wir haben Ihn nichts geachtet, sagt Jesaias am 53. Aber doch war Sein Wort und Evangelium kräftig bei Etlichen, so daß Er einmal über fünfhundert Brüder beisammen hatte, die Ihn anbeteten.

Wir sehen den Heiland nicht leiblich, welches auch nichts hilft, wie an den Leuten Seiner Zeit zu merken war, können Ihn also auch nicht leiblicher Weise aufnehmen, wie die Jünger zur Zeit Seiner leiblichen und sichtbaren Gegenwart auf der Welt thaten; aber das Wort von Christo ist uns eben so nahe, und macht das Geheimnis des Kreuzes so klar, als wenn der Herr noch vor unsern Augen hinge.

Dies Wort und Zeugniß von Ihm müssen wir glauben, und es mit eben der Einfalt und Redlichkeit erwägen und bewahren, als die Alten, sonderlich so bald wir gewahr werden, daß das Wort im Geist geredet wird, und die Kraft Gottes ans Herz kommet, uns wie ein Feuer ergreifet und anzünden will.

Wirkete der Herr nicht auf diese wahrhaftige Art an den Seelen, so könnte und würde Er Niemand des Unglaubens halber strafen.

Aber es liegen uns noch eben die Worte und Sachen vom Heilande, und zwar in eben dem Geiste vor den Augen, dadurch zu der Apostel Zeiten so viele Tausend bekehret wurden.

Glauben wir ihm einfältig, so werden wir die Kraft der Wahrheit erfahren, daß Jesus unsern Seelen auf eine besondere Art nahe, daß Er unser aller Erlöser und Mann ist.

Demselben Wort glauben ist eine Pflicht und das einzige Gesetz, daran die Seligkeit hanget.

Wir müssen glauben an Seinen Hauptnamen Jesus, ein Erretter, Seligmacher, Heilbringer, denn Er muß Sein Volk erretten von ihren Sünden. Matth. 1, 21. Wir müssen glauben

  1. Daß Er ein Heiland der Sünder sei, der für aller Welt Sünde gestorben.
  2. Daß Er als ein Missethäter in der Gestalt des sündigen Fleisches am Kreuz zwischen zween Mördern gehangen hat, und also verachtet, verschmähet, verwundet und zerrissen gewesen, aus Liebe zu den Seelen.
  3. Daß Er uns erkaufet, versöhnet und errettet, und so sehr geliebet, daß Er Sein Lehen für uns gelassen hat, daß Er also, weil Er unsere Seelen so wichtig gehalten, und so theuer gekauft, das erste Recht zu uns haben soll.

An diesen gloriosen Erlösersnamen müssen wir glauben.

Der Vernunft ist dieses eine zu wichtige, ernsthafte und schwere Sache, und sie mag den Glauben, dazu alle Kinder gewiesen werden, ihrem Gefühl und Befinden nach, wohl gewiß nennen: Last des Herrn, von welcher Benennung der alten Weissagungen in der Schrift ein mehreres vorkommt.

Darum wollen so Viele nicht daran, und wenn sie es versucht haben, so bleiben sie leicht wieder zurück, weil sie nicht glauben können noch mögen. Das ist die einzige Ursach, warum so viele Seelen verloren gehen, nicht weil sie gesündiget haben, sondern wegen des Unglaubens, denn ohne Glauben ist's unmöglich, Gott gefallen. Ebr. 11, 6.

Es ist wahr, das Sündigen muß auch aufhören.

Denn wer die Sünde noch herrschen lässet oder herrschen lassen muß, der hat noch keinen Glauben an Christum; der Glaube läßt uns nicht sündigen. Röm. 6, 2.

Es führt des Geistes Freudigkeit der Sünden Lust gebunden.

Aber es ist auch das wahr, daß das Sündigen die neutestamentische Ursach der Verwerfung nicht ist.

Daß man zur Ruhe nicht eingehen kann, ist um des Unglaubens willen. Ebr. 4, 6.

Daher ist der Glaube eine besondere Gnadenwohlthat und Gabe Gottes, daß, wer solchen in Einfalt hat, Gott nicht genug dafür danken und anbeten kann.

Ein Punkt, der Vielen so schwer ist, daß sie lieber Alles thun und leiden wollen; eine Ursach so vieler Religionsübungen, welche viel tausendmal schwerer sind, als glauben, die aber alle nur dazu ersonnen sind, daß sie die Stelle des Glaubens vertreten.

Es ist also die Glaubenskunst ein schmaler Weg und enge Pforte, die so Wenige finden, Matth. 7,14. da es doch in der That auf nichts ankommt, als daß wir uns wollen helfen lassen; denn das ganze Bitten an Christi Statt gehet allein dahin, daß wir uns doch nur sollen versöhnen lassen. 2 Cor. 5, 20. Darnach will die freie Gnade alles das Übrige thun, gehen und machen. (Ein Geheimniß den Meisten verborgen!)

Sie fassen es nicht, entweder weil sie zu leichtsinnig oder zu melancholisch dazu sind, und sich' s lieber sauer werden lassen wollen.

Gott will allen Sündern um Christi willen Gnade schenken, und wirft bei der Gnade natürliche Sünde und Naturfrömmigkeit in eine Masse.

Die wirklichen Sünder haben das erste, meiste und nähere Recht, und kommen eher und leichter zur Gnade.

Wenn ein Bösewicht bekehrt wird, das ist ein einfaches Wunder; wenn aber ein Frommer selig wird, ist's ein doppeltes Wunder und außerordentlich Glück.

Die Schrift sagt: Christus sei auch für die Gottlosen gestorben; Röm. 5, 6. und Er selbst spricht in dem Sinn: Er sei nicht gekommen, die Gerechten zu rufen. Luc. 5, 32.

Von Natur sind wir zwar Alle gleich Sünder, und gleich gottlos vor Gott; aber es wird dieser Zustand durch Vernunft und Erziehung so versteckt und verborgen, daß sich die Leute oft selbst nicht mehr kennen.

Einer verurtheilt den Andern, von ganzem Herzen, als einen Sünder, und daß er sich selber mit verdammt, ignoriert er.

Du bist der Mann des Todes, sagte Nathan zu David, der einen Andern zu verurteilen gedacht hatte.

Mancher, der keine Gelegenheit und Reizung zur Sünde gehabt, und daher nicht so wahrnehmen können, ob es im Herzen so oder so aussiehet, sollte er Zeit, Gelegenheit, Unterricht und Vermögen dazu haben, vielleicht machte er's gröber, als alle Andere; denn im Herzen stecken die Sünden wahrhaftig alle mit einander, nur verstellter, verborgener, betrüglicher und gefährlicher. Ja es äußert sich bei solchen Leuten größere Feindschaft gegen den Heiland, größerer Unglaube, größeres Ergrimmen über die Zucht der Gnade.

Es ist überhaupt eine schlechte Methode, die Menschen aus den Handlungen allein zu beurtheilen; aber die ist noch schlechter, aus Unterlassung dieser oder jener Handlung den Schluß machen, es sei nichts von dem bösen Sinne vorhanden.

Der Herr siehet das Herz an. 1. Sam. 16,7.

Die Thaten gehören ins weltliche Gericht, und müssen da verurtheilet und bestrafet werden, welches auch nicht mehr als billig ist.

Aber im göttlichen Gerichte gehet es tiefer aufs Herz und auf den Grund bei bösen und guten Sachen.

Darum müssen wir Alle als Sünder zu Jesu kommen, und uns, dem Herzen und Sinne nach, angeben als Gottlose, Hurer, Trunkenbolde, freche, wilde oder falsche Leute, und daß der Sinn verändert werde, die Gnade und die mit Blut erworbene Gerechtigkeit suchen, deß, der die Gottlosen gerecht macht.

Der Unschuldigste, der Frömmste, der von der Mutter her vielleicht noch unbescholten wär', so daß man wegen der guten Erziehung ihn als einen Engel müßte halten, von dem man nie was Böses gehöret noch gesehen, der ist mit Menschen aus der liederlichsten Sorte hierunter in gleicher Taxe und Verdammniß.

Keiner ist wegen seines bißchen Guten besser, und Keiner wegen seines vielen Bösen schlimmer.

Alle brauchen eine Gnade, ein Erbarmen und eines Heilandes Blut; vor Gott gilt nichts, weder unser Laufen und Rennen, noch unsere Buße und Besserung, sondern allein Sein Erbarmen und Versöhnopfer am Kreuz.

Diese theure Wahrheit kann man zur Sicherheit und Leichtsinn mißbrauchen, das ist wahr, aber es ist und bleibt darum doch die lautere Wahrheit.

Sie macht auch Einigkeit in der Religion, aber ist bis dahin fast die eigentliche einzige Controvers von Realität.

Das macht auch die Hauptführung der Seelen so kurz und leicht.

Ein Jeder hält sich für einen Sünder in seiner Art, und beugt sich vor der Gnade, so ihm widerfahren, die bei Allen groß und verdienet ist.

Es sind so gar verschiedene Arten der Menschen, und der Satan hat sie durch so vielerlei Gestalten und Formen des Bösen gefesselt, oder mit mancherlei Schein des Guten betrogen, daß man sie gewiß nicht aus einander wickeln könnte, wenn nicht auch eine allgemeine Krankheit wäre, auf die eine Arznei paßte.

So aber kann man den Seelen nun sagen, daß alle Menschen Gnade brauchen, sowohl ruchlose als ehrbare, daß sie Alle Christi Blut brauchen, welches allein den zukünftigen Zorn tilgen, den Satan und die Hölle überwinden, das Herz reinigen, den Schaden kurieren, die Liebe zur Sünde aus der Wurzel reißen und Alles gut machen kann.

Wir sind Sünder bei den besten Werken und Sachen sowohl, als bei den größten Sünden.

Und hilft ohne Christo kein guter Vorsatz, weder von Sünden zu lassen, noch fromm zu sein und Gutes zu thun.

Drum muß man sich nur um den Glauben an Christum recht bekümmern, alles andere aber so geschwind fahren lassen, und vergessen als ein Kind. Und Jesus muß unser Glaube werden, unsere Liebe und Hoffnung, das einzige Object und Zweck unsers Lebens, alle Gedanken, Reden und Begierden müssen Seiner voll werden; so sind sie recht, und gelten vor Gott um Seinethalben.

Bei dem Glauben dürfen wir nicht zittern wie die Teufel, sondern können herzlich und zuversichtlich sein wie die Kinder.

1)
In den Schmalkaldischen Artikeln heißt es: Der Heiland läßt die Sünde nicht walten und überhand gewinnen, daß sie vollbracht werde, sondern steuret und wehret, daß sie nicht muß thun, was sie will; thut sie aber, was sie will, so ist der heilige Geist und Glaube nicht dabei. Denn es heißt, wie St. Johannes sagt: Wer aus Gott geboren ist, der sündiget nicht, und kann nicht sündigen. Und ist doch auch die Wahrheit (wie derselbige St. Johannes schreibt): So wir sagen, daß wir nicht Sünde haben, so lügen wir, und Gottes Wahrheit ist nicht in uns. Vid. Libr. Conc. Edit. Reinecc. p. 511.
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