Zeller, Samuel – Haus-Andachten - X.

Zeller, Samuel – Haus-Andachten - X.

Psalm 77

Aus diesem Psalm wollen wir V. 3 betrachten: „Meine Seele will sich nicht trösten lassen.“ Es gibt Herzen, die sich nicht trösten lassen und die man auch nicht trösten kann, weil man ihnen nicht bietet, was sie wollen. Man findet eine schauerliche Ungenügsamkeit; Menschen, denen der Himmel und Jesus nicht genügt und die eine armselige Kreatur suchen, um das Herz zu stillen. Selig aber ist die Seele, die alles, was nicht hinanreicht an das ewige Erbe, nicht annimmt, und immer ruft: „Noch nicht genug! Meine Seele will sich nicht trösten lassen.“ In Verzweiflung führt der eine Weg; ins ewige, selige Leben der andere, in den Besitz Jesu. Es gibt eine falsche und eine selige Trostlosigkeit, eine weltliche und eine göttliche Traurigkeit. Wie Heilung von Schwermut noch keine Bekehrung ist, so ist es auch mit allem, was Gott schickt; es kann gar leicht Täuschung dabei sein. Man sieht Kain alsbald für den Messias an (1 Mos. 4,1). Simeon wartete auf den Trost Israels, so sehr sich auch sonst alles rüstete, um äußere Freiheit zu erlangen; ihm war damit nicht gedient, er suchte mehr. Wir fragen uns daher sehr billig: „Was fehlt mir noch?“ Du siehst dein Gebetsleben an, du kannst mit andern beten, und es tut dir wohl, wenn du eine Gebetserhörung erfährst; aber man kann beten, ohne ein Gebetsleben, lieben, ohne ein Liebesleben, glauben, ohne ein Glaubensleben zu haben. Beten und Gebetsleben ist zweierlei. Es gibt ein Tröpflein des Gebets und der Liebe, und ein Regnen in Strömen: ein Fünklein des Glaubens, und ein Glaubensfeuer, das alles Irdische und Weltliche zerstört.

Lasst uns einmal prüfen, wie steht es mit unserem Gebetsleben, Liebesleben, Glaubens- und Gnadenleben? Viele haben schon erfahren, wie man glauben, beten und lieben kann; sie stehen mit den Füßen oder knien im Gnadenstrome, aber sie schwimmen noch nicht, und da gilt noch: „Meine Seele will sich nicht trösten lassen.“

1) Wie ist dein Beten beschaffen? Es wird viel und doch zu wenig gebetet. Bei vielen ist nur die Morgenröte, noch nicht die helle Sonne; bloß die Besserung, noch nicht die Heiligung. Ich will mich nicht bei dem Gebetsleben solcher aufhalten, die nur morgens und abends beten; dies trägt das Armutszeugnis in sich. Es sind wohl auch solche da, die noch untertags beten; es ist das gut; - aber heißt das ein Gebetsleben? Ein Christ hat es viel schöner: wo er geht und steht, hat er den HErrn, er ist ununterbrochen mit Jesu in Berührung. Bei vielen ist der Gebetsfaden so kurz, - wo fehlt's? Ja, wenn sie ihr eigenes Elend und Anliegen hergesagt haben, dann sind sie fertig. Die Not lehrt wohl viele beten und führt zu Jesu; aber sie gibt nicht das Gebetsleben, führt nicht in Jesum. Viele spüren keine Kraft beim Beten; aber so ist es nicht bei dem Gebetsleben, denn das gibt Kraft zum Tragen und Überwinden. Was vielen Familien fehlt, ist dieses Gebetsleben. In wie vielen Häusern ist das äußere Leben gar schön: es wird gebetet bei Tisch, Hausandacht gehalten; es weht Einem etwas an, und doch fehlt eine gewisse Lust: die Gebetslust

Der Odem des HErrn weht in einem Gebetshaus. O dass doch ein jedes Haus derer, die hierher kommen, ein Gebetshaus würde!

2) Wie steht's mit deiner Liebe? Du hast vielleicht schon erfahren, dass du liebst und von Jesu geliebt wirst, und auch andere lieben, vielleicht auch für andere etwas tun kannst! doch dies ist nicht die völlige Liebe. Du meinst wunder, wie viel du schon erreicht, wenn du einen Feind, dem du früher ausgewichen bist, nun ruhig kannst vorübergehen lassen. Es ist etwas in dir vorgegangen; aber ist hier Feindesliebe? Von der ersten apostolischen Zeit weiß man viel von Wundern; aber dieses alles ist nicht so viel, wie die große Liebe, die die Christen hatten, von denen die Heiden sagten: „Seht, wie sie sich so lieb haben.“ Der Unterschied zwischen Gottesdienst und Baalsdienst ist die Siebe. Der HErr antwortete, als Elias betete, mit einem Liebesfeuer, mit dem Feuer, das Holz und Erde verzehrt, alles Irdische wegnimmt, damit das Herz sich ganz Ihm ergeben kann. Wenn wir vor der Schatzkammer der Liebe Gottes stehen, so müssen wir sagen: Wie kalt bisher an Liebe! An Menschen geht man kalt vorüber und bekümmert sich nicht um ihre Not. Wo ein Liebesleben ist, löst der HErr die Zunge, denn die Liebe muss fragen. Das Sprichwort sagt: „Die Liebe ist erfinderisch,“ und wenn auch die Liebe Christi dies nicht ist, so ist sie doch gar tätig und brünstig. O wie muss ein Bann auf das bisherige Geistesleben fallen, wenn wir sehen, wie furchtbar arm wir an Liebe sind. Wie wenige sind wie David, der sagt Ps. 132,3.5: „Ich will mich nicht auf das Lager meines Bettes legen, bis ich eine Stätte finde für den HErrn, zur Wohnung dem Mächtigen Jakobs.“ Nicht zufrieden sollen wir sein mit dein bisherigen Maß der Liebe und des Gebets, sondern sollen nach mehr verlangen. Das Gebet ist der Atem der Seele, und ohne Liebe lebt man nicht, ja die Liebe ist das Leben der Seele. Ruft nur fort: „Meine Seele will sich nicht trösten lassen,“ und fortgebetet, bis aus dem Rauschen ein Regen wird (1 Kön. 18,41. u. 45).

3) Wie steht es mit dem Glauben? Von der letzten Zeit spricht der HErr: „Meinst du, dass ich werde Glauben finden auf Erden?“ „Die Liebe wird in vielen erkalten.“ O ganz parallel mit der Armut der Liebe geht die Armut des Glaubens. Nehmt nur die vielen Sorgen! dieses Gott in seine Wege eingreifen! Wie wenig kindliches Zutrauen zu Gott! Es heißt doch: „Der Gerechte lebt seines Glaubens.“ Ein Glaubensleben tut not; aber nur der Geist Jesu Christi kann es schaffen und tut es auch. Spitzen der Berge sehen wohl hie und da hervor, aber sonst ist noch gar viel Wasser der Sündflut, und noch lange dauert es, bis die Erde trocken ist. Dort lebt ein Mann, der berühmt ist wegen seines Glaubens; die andern Christen staunen, loben und danken; aber denken nicht daran, ihm nachzufolgen. Du kannst denselben Glauben bekommen. Die Gaben sind wohl verschieden, aber nicht der Geist; er ist derselbe. „Elias war ein Mensch wie wir* (Jak. 5,17). Man muss beten; aber dann auch glauben, dass kommt, was man gebetet. Du bist daheim, siehst da den geistigen Mangel und zagst. Wo ist da deine Ruhe in Gott, dein Glaube, dass er zu rechter Zeit das Eis zerschlagen werde? Statt dessen viel Mutlosigkeit, die im Gebet hindert. Wo ist da das Glaubensleben, das zum wahren Christentum gehört, das lobt und dankt schon vor der Erhörung und dem Siege?

4) Du hast Gnade erfahren; nicht nur einmal, sondern täglich übergibst du dich Jesu und lässt dich reinigen durch sein Blut. Es ist dies schön und köstlich; aber ist dieses der Geist der Gnade, von dem Röm. 5,20 steht: „Wo die Sünde mächtig geworden ist, da ist doch die Gnade viel mächtiger geworden?“ Meine Lieben, Gnade schöpfen, wenn man unrein ist, ist gar selig, aber das Gnadenleben, dieses Schauen auf den HErrn und sein Opfer, muss noch mehr wirken.

Woher kommt es, dass man viele Christen 30 Jahre lang in denselben Sünden, dem gleichen Wesen kann fortleben sehen? Es fehlt das Gnadenleben, das ein Herrschen über die Sünde, ein Freiwerden davon ist. Die Gnade versichert uns nicht nur der Vergebung, sie gibt auch Kraft zum Überwinden und Freiwerden (Röm. 5,10). So wir Gott versöhnt sind durch den Tod seines Sohnes, da wir noch Feinde waren, vielmehr werden wir selig werden durch sein Leben, so wir nun versöhnt sind. Wohl dir, wenn dein Herz versöhnt ist! Aber Eins fehlt dir noch: du musst auch selig werden durch sein Leben; seine Liebe muss dich dahin bringen, auch die Sünde zu beherrschen. Zur Zeit der Reformation lag alles in Finsternis; da ließ Gott das Licht seiner Gnade helle leuchten und viele griffen zu, zur ganzen Gnade. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Tod Jesu uns versöhnt, aber sein Leben uns auch gerecht und frei machen muss.

Prüft euch recht, wie steht es um euer Gebets-, Liebes-, Glaubens: und Gnadenleben? Da tuts vielen not, zu rufen: „Meine Seele will sich nicht trösten lassen.“ Wenn wir zurückblicken auf die halben Mauern, so wollen wir uns wohl freuen über Das, was der HErr schon getan; aber wir wollen auch hinblicken auf das, was uns noch fehlt, und mit einem Mut und Eifer weiterbauen, dass es auch von uns heißt, wie von dem Volk bei Nehemia 4: „Sie gewannen neuen Mut zum Weiterbauen.“ Der HErr wolle in allen wirken, dass sie recht anhalten im Bauen; Er gebe, dass alle sich fleißig mit Elias bücken zum Gebet (1 Kön. 18), dass aus dem Rauschen ein Regen werde und ein rechter Gebetsgeist auf alle komme. Amen.

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autoren/z/zeller_samuel/zeller_hausandachten/zeller_hausandachten_x.txt · Zuletzt geändert: von aj
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