Zeller, Samuel - Acht Betrachtungen über Bibel-Abschnitte - 7. Die falsche Bekehrung.

(Apostelg. 8,5-25.)

Ein Flicken ist möglich; ein Lappen von neuem Tuch kann man auf ein altes Kleid setzen; aber der Lappen reißt wieder und der Riss wird ärger. Man kann, so unfasslich es ist, ohne Hochzeitskleid in den Saal kommen; aber man wird hinausgeworfen. Man kann in den Schafstall kommen, ohne durch die Türe einzugehen, aber man wird genannt ein Dieb und ein Mörder. Man kann eine Pflanze im Reiche Gottes sein und doch ausgerottet, ausgerissen werden und verdorren. Dies wird bestätigt durch das Beispiel des Zauberers Simon; er wird hinausgeworfen; man spürt es, wir lesen nichts von Bekehrung. Es ist, wie bei Saul, kein Bußgebet, nur Gram über das Verlorene, über das Königreich, - nur das wüste kranke Festhalten an zeitlicher Ehre. Keine selige Bußfertigkeit über die Sünde, kein „Vergib mir!“ sonst kannst du mich vernichten; aber komme du mit mir, bleibe du bei mir!

Ein furchtbares Beispiel einer falschen Bekehrung, deren es leider mehr gibt, als man denkt, haben wir am Zauberer Simon, ein Beispiel davon, dass man sitzen kann an der Tafel mit den Reichsgenossen, im Garten Gottes stehen und doch abgehauen werden. Es darf ein jedes, das ein Wirken Gottes an sich spürt, wohl zusehen, dass keine Simonsgeschichte daraus werde. Es gibt der Täuschungen gar viele, seit Eva sich getäuscht hat. Du hast vielleicht auch die ersten Keime einer Gnadenerweisung gespürt und meinest wie Eva: „Ich habe den Mann, den HErrn!“ Petrus sieht auch etwas bei Simon, aber die Enttäuschung ist groß; er muss über ihn aussprechen: „Dass du verdammt werdest mit deinem Geld!“

Niemand flickt ein altes Kleid mit einem Lappen von neuem Tuch. - Es scheint so selbstverständlich und doch wirds so wenig verstanden. Wir neigen alle, bis Jesu Geist uns eines anderen überzeugt, zu dem Irrtum, ein Anders- oder Besserwerden für das ewige Leben selbst zu halten. Etwas anders? Nein ganz anders, neu werden! Wir müssen von neuem geboren werden! Wir sehen an Simon altes Wesen, alte Sünden, aber auch neues Wesen und neue Sünden; beide sehen sich ähnlich und sind doch dasselbe.

Es kommt manche Seele nach Männedorf in verlorenem Zustand; die Ähnlichkeit mit Gottes Bild ist verwischt, eine bloße Karikatur von Gott. Hier im Saal wird manches wegradiert und weggeputzt; aber der Mensch gleicht dann oft dem HErrn so wenig wie vorher: „Du bist voll bitterer Galle und verknüpft mit Ungerechtigkeit; ich sehe die Tücke deines Herzens, möge der HErr dir vergeben deine Ungerechtigkeit.“

Simon hatte Zauberei getrieben und dadurch etwas großes aus sich gemacht; - das ist Tränke für den alten Menschen, wenn ihm so flattiert1), wenn ihm so Weihrauch gestreut wird. Gar manches Herz wird verführt durch die Verstellungskunst der Herzen; Simons Herz war furchtbar ehrsüchtig und es war seiner Seele lieb; das tat ihr wohl, dass man auf ihn achtete, dass Leute zu ihm kamen! - sage, was ist dein Zustand und dein Leben anderes, als dieselbe Zauberei? Warum hat dein Heiland sagen müssen: „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so könnt ihr nicht ins Reich Gottes kommen?“ Was ists anderes, als die Simonsgeschichte, dass man sich selber an Flaschenzügen hinaufzieht? Es ist der große Fehler des adamischen Wesens, dass man zu Großes von sich selbst hält; viele von den Taten unserer Tage kommen von nichts anderem, als dass man groß werden will. Der Simon steckt furchtbar groß in jedem unbekehrten Herzen; er kam ins Paradies. „Sterben?“ - sagte die Schlange - „O bewahre, sondern ihr werdet sein wie Gott.“ Etwas gelten wollen, das ist der Grundschaden unserer Seele. - Ich weiß, dass seiner Zeit die Veranlassung zu meinem Leberleiden nichts war, als dieses Simons Heidentum.

Das Zentrum dieses sündigen Wesens heißt geliebt sein wollen; - Hass, Zorn, Neid sind lauter Strahlen um das Pünktlein: „Geliebt sein wollen.“ Wir sind seit dem Fall Adams alle in der Gebundenheit der Liebessucht, Dank begehren! - Das Herz kann ohne dieses Futter gar nicht sein!

Es würde mich zu weit führen, wenn ich alle die Abscheulichkeiten und Schlechtigkeiten weiter ausführen wollte. Man sieht an Simon, welches die größere Sünde war; er konnte die Zauberei wegwerfen, aber der alte Simon blieb. Bei Simons-Bekehrungen bleibt die Wurzel im Herzen und nur das Obere wird abgeköpft; bei der wahren Bekehrung reißt der HErr die Wurzel aus und wird mit dem einzelnen nach und nach fertig. Großes kann mit einem Menschen geschehen sein, ohne dass er deswegen bekehrt ist.

„Da ward auch der Simon gläubig,“ Segenszeiten, Erweckungszeiten haben in der Kirche großen Vorteil; Gesellschaft, Gemeinschaft erleichtert sehr. Daheim ist manches allein, hier stehen viele zusammen, - und man wird auch gläubig; o habe Respekt vor diesem „auch,“ - es ist noch nicht alles. Was still, was einzeln geht, was nicht ins Schlepptau genommen wird, ist tiefer und hält auch. Es ist nicht recht, alle Schuld auf Kirche und Gemeinschaften zu werfen, wenn falsche, tückische Herzen darunter sind.

Simon wird auch gläubig, ist er jetzt nicht selig? - O, da hören wir eine Bedeutung des Wortes „gläubig,“ die wir bedenken sollen, wenn uns die Lust kommt, abzusitzen aufs Ruhebänklein der Gläubigen. Wie können uns doch die größten Segnungen leer lassen, wenns nicht ins Herz geht! Es muss eine Herzenssache sein, der Glaube muss im Herzen wohnen. Man tut dem Reich Gottes Eintrag, wenn man nicht auf den Herzensboden sieht, wenn man nicht in die Tiefe bringt. Wir sehen an Simon, was ich war und du warst; dann sehen wir die Veränderung, die an Simon geschah, und wir haben recht nötig, uns dabei zu prüfen, was mit uns schon geschehen ist. - Was dann mit Simon geschah, darüber schweigt die Bibel, wie über den Feigenbaum, der noch ein Jahr Frist bekam. Wenn die Bibel schweigt, hat sie gute Ursache, die, - uns anzutreiben, dass wir mit Furcht und Zittern unser Seil schaffen sollen.

Eine Anzahl wird gläubig und Simon auch, das ist doch ein köstliches Stück, gläubig sein, ists nicht herrlich Wer glaubt, hat das ewige Leben. Seht, meine Lieben, wie wir die Schrift lesen müssen. Der Glaube, ein so köstlich Gut, wird uns da nicht verkleinert - aber gezeigt als nicht das größte Gut, als das Gut, das nicht ausreicht, wenn nicht hinzukommt, was 1. Kor. 13 enthalten ist.

Wir müssen dem Glauben die rechte biblische Stellung anweisen. „Was soll ich tun?“ ruft ein Verzweifelnder - und der Apostel weiß ihm nichts besseres, größeres, wirksameres zuzurufen, als: Glaube an den Herrn Jesum Christum, so wirst du und dein Haus selig! Genügend für den einen, nicht für den andern, nicht für einen Simon? und vielleicht nicht für dich! Es gebührt uns nicht, am Wort der Schrift herumzuzimmern und zu sagen: Es war ihm nicht Ernst. Da steht: er wurde gläubig. Sonderbar! Das, was anderen das ewige Leben bringt, ändert ihn nicht; das, wodurch andere den heiligen Geist empfangen haben, ändert ihn nicht! Schaut, meine Lieben, wie die Schrift allem den rechten Platz anweist; ohne Herzensdemut ist der Christ eine leere Schale, ein leeres Gefäß.

„Und hielt sich zu Philippo.“ O armer Trost! Hast du nicht mehr als das, so bist du nicht geborgen. Es gibt solche Freunde heutzutage genug, deren Wort uns höher steht, als das unseres Gottes. - Lasst uns in der Stille unser Herz prüfen und das Grundübel erkennen. Das Grundübel unseres Herzens ist ohne Ausnahme der Hochmut. Darum stellt der HErr uns die Kinder hin und heißt uns Kind werden. Bitten wir um Demut, und der HErr wird uns herrlich ans Ziel bringen durch Kreuz und Leiden, durch Wohl und Wehe.

Simon tritt in eine Gemeinschaft. Ach, wie spielt das in unseren Tagen eine so große Rolle! Unvermerkt kann das täuschende Gefühl in das arme Herz. kommen, als sei man schon etwas, weil man einer Gemeinschaft angehört, die eine strenge Disziplin walten lässt, die genau nach der Schrift lebt; man kann bei den Seligen sein, dabei aber doch höchst unselig sich fühlen. Die Gemeinschaft des Philippus hilft Simon nichts, denn sein Herz wird nicht anders.

Der Kulminationspunkt2) des armen Simon war: Ale er die Zeichen sah - verwunderte er sich. Unter diesem Wörtlein liegt eine ganze Masse, ein ganzes Grab von Elend, und da schweigt die Bibel; aber wir, die wir unser Herz kennen, dürfen weiter gehen. O das unselige Endigen in Verwunderung; das ist das Kennzeichen der Unterscheidung zwischen falscher und wahrer Bekehrung. Die falsche Bekehrung bleibt beim Verwundern stehen; - die falsche Bekehrung sucht etwas, die wahre jemand! Die falsche Bekehrung sucht für das alte Tier andere Speise, aber das alte Tier lebt! Es ist bei der falschen Bekehrung kein innerer Tod vorgegangen, es ist kein Zerbrochensein des Herzens da. - Nicht was du tust, ist allemal entscheidend, sondern was mit dir noch nicht geschehen ist. Der HErr sagt, der sei ein Narr, der viele Güter gesammelt habe und nicht reich sei in Gott.

Es soll uns nie geschehen, dass wir hoch sitzen und Revue halten über das, was geschehen ist, sondern wir sollen fragen: „Was fehlt mir noch?“ Der HErr aber sagt nicht: Tausend Stücke fehlen, sondern: Eins fehlt dir noch! O, was hilft dir alles, wenn dir das fehlt, was dich selig macht!

Was ist noch nicht geschehen? so muss ich euch denn jetzt auch fragen, wenn es sich um die wahre, gründliche Bekehrung handelt. „Er verwundert sich.“ Dabei blieb es. Und sein noch nie erstorbenes Wesen taucht wieder auf, und er sieht im neuen Wesen neue Mittel und neue Kraft für seine alte Natur.

Was sucht der Mensch von Natur? Viel: Freiheit, Gesundheit, Reichtum, Ehre, Liebe. - Es hat das Sehnen nach Freiheit die Juden seiner Zeit dahin gebracht, dass sie sich gewaltsam von den Römern frei machen wollten. Sie wussten wohl, dass ein Messias kommen sollte, um sie frei zu machen; so laufen sie denn dem Johannes und auch Jesu nach; aber mit welchen fleischlichen Absichten! Waren doch sogar die Jünger nicht frei davon! O, wie wurzelte die Idee von einem Messias, der frei machen sollte, so tief in den Herzen! Und ists jetzt anders? - Ein tiefes Sehnen geht durch die Menschheit; überall das Schütteln an dem Gitter, das Rütteln an den Eisenstöcken, und es geht nur von Not in ärgere Not hinein. „Welche der Sohn frei macht, die sind recht frei!“

Nach Gesundheit jagen! Der Kranke erharrt mit Sehnsucht die Stunde, bis der Arzt kommt. Es wird ihm schon wohler, wenn er ihn auf der Treppe hört. Was ists, dass man sich jedem Quacksalber anvertraut, verbotene, sündige Mittel anwendet? Es ist der Wunsch und Drang gesund zu werden; ein schauerlich Jagen nach Heilung, ohne Rücksicht zu nehmen, wie Gott es will; wenns nur hilft! Einerlei nachher, ob auf das leibliche Leiden dann ein geistliches kommt. Es liegt im Prinzip Gottes, dass wir heil sein sollen; es soll kein Schmerz mehr sein und die Blätter des Lebensbaumes sollen den Heiden zur Gesundheit dienen. Und wo die Lebenswasser hinkommen, wird alles gesund. Der HErr lässt es den Hirten durch die Propheten als eine Sünde vorhalten, dass sie die Kranken nicht heilen. Aber beim Suchen der Heilung wie der Freiheit gibts viel verkehrte Wege.

Reichtum! Welcher Trieb, welches Suchen nach Reichtum! „Die da reich werden wollen, fallen in Versuchung und Stricke rc.;“ ihre Träume gehen des Nachts auf Vermehrung der Güter, ihre Reden haben Geschäftsverbindungen zum Grund. „Gottseligkeit aber ist zu allen Dingen nütze.“

Und Ehre - und Liebe! - Da müsste ich lange verweilen, wenn ich das, was über diese beiden mehr seelischen Güter zu sagen wäre, ausschöpfen wollte. - Was kommen für Wühlereien, für Betrügereien bei dem Suchen nach Ehre vor: „Stimmen kaufen“ bei Wahlen; ist das Freiheit eines freien Volkes? - Liebe? - Der Mensch hat das Bedürfnis nach Liebe. Nicht umsonst wird der Mensch mit dem Schäflein verglichen; es braucht einen Hirten, es ist wehrlos und muss Schutz, Pflege, Obhut haben. Und der Mensch muss Liebe haben! Engel, so hoch sie sind, nennt Jesus nicht Brüder; nur die Menschen nennt die Liebe Jesu Brüder. Die Engel dienen; sie bedürfen der Liebe nicht so, ihnen ists genug, dass sie dienen dürfen, uns nicht. Meine Lieben, wir müssen geliebt sein! Ach, was kommt nicht alles von diesem Trieb der Seele her, von der Liebesbedürftigkeit! wie vieles Schwere rührt von diesem Trieb und von diesen Bedürfnis her! Es braucht schon viel, bis ein Herz es still tragen kann, dass Liebe nicht erwidert wird. O, das arme Herz, das so liebesbedürftig ist, es wird so bald liebessüchtig! - Das arme Herz, das so ehrbedürftig ist, wird so bald ehrsüchtig und dann ists krankhaft. Viel wird getan, nur aus dem einen Wunsch: geliebt zu werden, - und Gott ist die Liebe, Er liebt auch mich.

Allen diesen Bedürfnissen antwortet „die Religion,“ - sagt die Welt. Ich sage: Allen göttlichen Bedürfnissen antwortet Christus. Die falsche Bekehrung besteht darin, dass man alles sucht auch schließlich bei Gott, und Ihn zuletzt oder nie; die wahre Bekehrung besteht darin, dass man Ihn zuerst sucht und dann alles hat.

„Gebt mir auch die Macht!“ Was Simon geworden, haben wir betrachtet, und uns nun vorzulegen die wichtige Frage: „Was bin ich nun?“ Wir haben gesehen, dass das Höchste, wozu es bei Simon kam, war: „Er verwunderte sich,“ - und dass dies auch oft das Höchste ist, wozu es bei den Menschen kommt, während dies doch nur etwas Seelisches ist. Es sollte aber vielmehr zu einer wahren Herzensumwandlung kommen von dem adamischen Wesen in Gottes Natur. Es gibt Krankheitsbekehrungen, Bekehrungen nach erhaltener Hilfe, da man etwaige Änderungen seines Hauswesens vornimmt, aber in tiefsten Grund unverändert bleibt. - Die Gefahr ist in unserer Zeit furchtbar groß, dass das Hören begabter Redner, dass die Gemeinschaft die Bekehrung ersetze, und das Herz erfülle, aber unverändert lasse. Am Jüngsten Gericht wird nicht eine Reihe positiver Sündentaten genannt, sondern eine Kette von Unterlassungen. Es genügt, dass in unserem Herzen ein einziges Stück nicht neugeschaffen sei, und unsere Taufe, wie unser Verwundern über die Allmacht Gottes nützt nichts.

Ein Boden in Simon ist noch nicht verändert, und der bekommt jetzt wieder neue Nahrung, der Zug, etwas zu sein, etwas zu werden. - O, wenn bei unserer Bekehrung nicht eine ganze Umwandlung mit uns vorgeht, so dass wir ganz anders werden, als wir vorher waren; wenn wir nur wieder Liebliches, Köstliches erfahren und genießen wollen, wenn auch auf himmlische Weise, so traue deiner Bekehrung nicht!

Nicht eins darf verzagen, wenn es fühlt, dass es auch bei ihm noch fehlt, sondern nehmt das Wort mit: Tut Buße! Der Mangel liegt oft nicht ganz bloß und entdeckt vor unseren Augen; das Nichtvollbrachte kann lange verborgen bleiben. Gott hat lange Geduld; aber an einem Tag kann Er plötzlich Gehorsam fordern. - Lang, liebe Seele kann deine halbe Bekehrung dir und anderen verborgen bleiben; du siehst die Gemeinschaft und Freundschaft der Gläubigen zu hoch an, du siehst auf Vergangenes, - und das in dir verborgene lieblose, böse Wesen kommt erst bei gewissen Anlässen heraus. Petrus wusste lange nicht, wie er stand, Hiob kannte den letzten Fetzen nicht, der noch in seinem Herzen war, - du weißt es auch nicht, nur Satan und Gott: - Nie machen die Verhältnisse uns, sie zeigen uns nur, wie wir sind. Petrus wollte es ja nicht glauben, als Jesus es ihm sagte. O, was sind das für heilige Momente, wo so das Tiefste in unserem Herzen offenbar wird!

Kreuz, Verführung, lockende Sünde, die man kaum als Sünde erkennt, Anerbietungen können verborgene Sünden herausbringen. Ehrsüchtig, ruhmsüchtig, liebessüchtig, groß sein wollen, das hatte den Simon noch nie verlassen.

Die Wanzenbrut ist: sich nicht beugen, nicht demütigen wollen. Eine Bekehrung so glänzend sie sei, wenn eines fehlt, gibt Gott nicht viel darum; durch die ganze Geschichte tönt das Wort: „Tue Buße!“ Eine Bekehrung, die nicht den tiefsten Herzensgrund, der von Adam an in uns liegt, umwandelt, ist keine Bekehrung. Der tiefste Schade ist der Hochmut, so lange der noch, nur auf neue Weise, Nahrung sucht, ist unsere Bekehrungsgeschichte nur ein halbes Ding. Unvermerkt steigt man auf alte Höhen, der alte Trotz, der alte Eigensinn bekommt neue Nahrung und das alte Gift wuchert fort. Eines, meine Lieben, entscheidet bei der Bekehrung: Bin ich gebeugt, bin ich gedemütigt worden unter die gewaltige Hand Gottes? Ihr könnet große Männer mit gewaltigen Glaubenstaten sehen, aber eines haben sie noch nie gelernt: Keine Ansprüche machen. Ein solcher war noch nie mit Jesu unterm Kreuz, hat Ihn noch nie angeschaut, wie der Schächer ihn angeschaut hat. - Bei der falschen Bekehrung - wie viel Worte des Sünders, und welches Schweigen Jesu! Das Kreuz macht an und für sich nicht demütig, das sehen wir beim Kreuz; denn der eine Schächer spottet noch und die Nägelmale haben ihn noch nicht demütig gemacht.

Bei der wahren Bekehrung sind große Extreme: Ein sich unter alles werfen, unter alle hinuntergehen, unter alles demütigen, sich schuldig geben, und in der anderen Herzenskammer das Wort des Glaubens: „HErr, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst!“

Sagt, warum gibt es so wenig Christen, die das rechte lebendige Zutrauen zum HErrn haben? - Weil es so wenig ganze Beugungen, ganze Erniedrigung gibt. Je mehr wir uns beugen unter Menschen, desto mehr haben wir Zugang zu den Seelen. Der Maßstab der Offenheit entscheidet. Halbe Demütigung - halbe Gemeinschaft mit Gott; ganzes Beugen, ganzes Zerbrechen - ganzes Aufrichten.

Wie manche Seele gibt es, die Freiheit, Reichtum, Gesundheit, Ehre, Liebe bei Gott suchen, aber Gott selber suchen sie nicht. Das Bedürfnis nach Liebe ist oft Schuld, dass man nicht zu Gott kommt, weil man nur sachliche Liebe, aber keine persönliche will. Meine Lieben, wo die Person Jesu in der Bekehrungsgeschichte mangelt, da ists gefehlt! Und so langsam, so verborgen deine Bekehrung auch vor sich gehen mag, wenn der Geist dich nur überzeugt, dass dein ganzes Verlangen nach Jesu geht, dann, liebe Seele, fahre fort, bis das stille Säuseln kommt. So viele Bekehrungen sind an Sichtbares geknüpft; o liebe Seele, wahre Bekehrung glaubt und bleibt und existiert, ohne zu sehen, ohne zu fühlen.

Dein Herz ist nicht rechtschaffen vor Gott. - Es gibt zwei Worte der Heiligen Schrift, die in kurzen Zügen Gottes Tat, Gottes Werk und Ziel, aber auch die Grundbedingungen des ganzen Werkes darstellen. Die beiden Worte heißen: „Den Demütigen gibt Gott Gnade - den Aufrichtigen lässt Ers gelingen.“ Zwei Grundbedingungen fordert also der HErr: Demut und Aufrichtigkeit. Großes kann durch den Glauben geschehen; der Glaube ist eine Gabe. Berge versetzen, sagt der HErr, sei leicht, nicht schwer. Der Glaube, so mächtig er ist, ist aber doch nicht die Grundbedingung zur Erlangung der Gnade, die das Herz fest macht, sondern Demut.

Dem armen Simon fehlt es an Beiden, an Demut und an Aufrichtigkeit; daher das Schlusswort des Apostels: „Ich sehe, dass du bist voll Tücke und verknüpft mit Ungerechtigkeit.“ Tücke und Ungerechtigkeit sind also die Früchte jenes Mangels an Demut und Aufrichtigkeit, welche die gesunden Zeichen und Charakterzüge eines bekehrten Herzens sind. Eine Bekehrung, die nicht Demut mit sich bringt, ist ein Blendwerk. Simon wollte ehemals etwas gelten, und nun wollte er durch den Empfang einer Gabe wieder etwas gelten. - So lange wir spüren, dass die Lust, geliebt, geehrt zu werden, von der Liebeshand Gottes keinen Todesstreich erhalten hat, so lange lasst uns unserer Bekehrung misstrauen.

Viele werden trachten, wie sie ins Reich Gottes kommen, und werden es nicht tun können; und der Grund dieses Nichtkönnens liegt in der Unaufrichtigkeit. O, wie viel unaufrichtiges Beten, Lieben, Glauben ist eingedrungen in die Seelen! Wir wollen uns heute alle recht prüfen, ob um Jesusliebe und Seelenliebe zu tun ist, denn alles andere ist miserable Arbeit. Lasst uns unsere Seelenliebe danach prüfen, ob wir eben so viel und eben so warm für jemand beten, ob er uns liebt oder nicht, glaubt oder nicht, uns übt oder nicht. Es sind so wenig standhafte Kreuzträger in der weichlichen Christenheit. Gott ist fester, denn so; durch unseren elenden Schatz der Eigenliebe lässt Er sich nicht gewinnen. Lüg' Gott nicht an!

Steh ich in der Seelenliebe? und steh ich im Eliasgeist? Dein Gottesdienst an den Kranken - ist er aufrichtig? Wie wenig Zeugengeist und Glaubensmut am Krankenbett! Was ist die Folge von Hochmut und Unaufrichtigkeit? „Du bist voll bitterer Galle!“ Traut einem verstimmten Christentum, einem gekränkten Wesen nicht; es hat einen Satz von Hochmut. Wer nicht demütig geworden ist, trägt nach. Herzen, die nicht gründlich aus dem Sattel gehoben sind, die nicht wissen, sie haben alles verschuldet, haben keine Woche ganzen Frieden, ganze Fröhlichkeit. O, wer sich nicht beugt vor Gott und Menschen, der ist ein leicht zu beleidigender, leicht zu kränkender Christ, und solche gibts viele..

Aber auch noch „verknüpft mit Ungerechtigkeit.“ Sauls Fall kam her aus den zwei Sünden: Hochmut und Unaufrichtigkeit. Einmal los vom HErrn, einmal ab von der Gnadenspur, ach, da gibts Fehltritte um Fehltritte! Unaufrichtigkeit kann nicht allein bleiben, sie zieht andere Sünden nach sich. Aufrichtigkeit gibt Kraft der Liebe. Manche Seele sucht in der Ausübung ihres Christentums nur wieder den Trieben ihrer Natur Nahrung zu geben. Unruhe, Eigenwirken, Trieb nach Zerstreuung und Unterhaltung können auch noch in den Wegen der Herzen gefunden werden, die gläubig geworden sind. Und alles derartige Wesen hindert die ganze Bekehrung.

Tue Buße und wärst du ein zwanzigjähriger Christ, tue Buße wegen deines noch nie ganz gebeugten Hochmutes! Tue Buße und werde aufrichtig!! - Bin ich aufrichtig vor Gott? Habe ich keinen anderen Zweck, als den Glauben und die Liebe zu stärken, und auch andere Seelen zu gewinnen? Den Demütigen gibt Gott Gnade; den Aufrichtigen lässt Er es gelingen.

1)
jemandem schmeicheln
2)
Höhepunkt, Gipfelpunkt einer Laufbahn
Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/z/zeller_samuel/zeller_acht_betrachtungen/zeller_8_betrachtungen_7.txt · Zuletzt geändert: von aj
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain