Wiclif, John - Angeblicher Brief an Jan Hus aus dem Jahre 1387
1) Heil und was noch Süßeres gedacht werden mag in der herzlichen Liebe Jesu Christi.
Theuere Brüder in dem Herrn, welche ich liebe in der Wahrheit, und nicht allein ich, sondern auch Alle, welche die Wahrheit kennen gelernt haben. Ich meine aber die Wahrheit, welche in uns bleibet, und durch Gottes Gnade ewig mit uns sein wird. Ich freute mich sehr, als Brüder von euch kamen und Zeugniß gaben von eurer Wahrheit, daß auch ihr in der Wahrheit wandelt. Ich habe vernommen, lieber Bruder, auf welche Art der Antichrist euch betrübt, indem er viele und mannigfache Leiden den treuen Nachfolgern Christi zufügt. Es ist freilich kein Wunder, daß solches euch geschieht, da das Gesetz Christi nun fast auf dem ganzen Erdkreise Unterdrückung erleidet von seinen Gegnern, und jener große, rothe und vielköpfige Drache, von welchem Johannes in der Apokalypse spricht, aus seinem Munde dem Weibe einen gewaltigen Strom hat lassen nachschießen, um sie zu ertränken. Doch der treue Herr wird seine einzige und ihm treue Braut gewiß erretten. Laßt uns also stark werden in dem Herrn, unserem Gotte, vermöge seiner unendlichen Güte, in dem festen Vertrauen, daß er seine Geliebten in dem guten Vorsatze nicht werde lassen wankend und schwach werden, wofern wir ihn nur, wie wir zu thun schuldig sind, von ganzem Herzen lieben. Denn die Widerwärtigkeiten würden nicht überwiegen, wenn die Bosheit nicht überhand nähme. Darum soll keine Trübsal oder Bedrückung um Christi willen uns überwältigen, sintemal wir wissen, daß, welche der Herr zu Kindern annimmt, die züchtiget er. Denn der Herr der Barmherzigkeit hat beschlossen, daß wir in diesem Leben durch Leiden sollen geübt werden, damit er unser in dem künftigen Leben schonen möge, da er das Gold, welches er als der höchste Goldkünstler sich wählt, der Läuterung durch Feuer unterwerfen will, um es hernach in dem allerreinsten, ewigen Schatzhause aufzuheben. Wir sehen, daß die Zeit, welche wir hier haben, kurz und flüchtig ist; dagegen ist das Leben, welches wir dort hoffen, ein ewiges und seliges. Darum laßt uns arbeiten, so lange wir Zeit haben, auf daß wir mögen würdig erfunden werden, einzugehen in jene Ruhe. Was sehen wir denn Anderes in diesem Leben, als Schmerzen, Angst, Verdruß, und, was die Gläubigen am meisten schmerzen muß, wir sehen, daß das göttliche Gesetz verachtet und mit Füßen getreten wird. Laßt uns also aus allen Kräften dahin trachten, daß wir mit Verleugnung unseres irdischen und vergänglichen Sinnenlebens, jene bleibenden und ewigen Güter erlangen. Laßt uns zurückblicken auf den Wandel unsrer Vorväter und schauen auf die Heiligen des alten und neuen Bundes, wie sie auf dem Meere dieser Welt Ungemach und Widerwärtigkeiten, Gefängnis und Bande erduldet haben, wie sie gesteinigt, zerschnitten und mit dem Schwerte hingerichtet worden. Sie sind umhergegangen in Schaf- und Ziegenfelle gehüllt u. dgl. m., was der Brief an die Hebräer ausführlicher beschreibt. Sie gingen alle den schmalen Pfad, in die Fußstapfen Christi tretend, der da sagte: „Wo ich bin, da soll mein Diener auch sein.“ Wir also, die wir eine solche Wolke von heiligen Zeugen der Vorzeit um uns haben, wir wollen, so viel an uns ist, von uns werfen jegliche hemmende Last und uns umringende Sünde und mit Geduld laufen den uns vorgezeichneten Wettlauf, indem wir hinblicken auf Jesum, den Anfänger und Vollender unseres Glaubens, welcher, der Berechtigung zur Freude ungeachtet, das Kreuz auf sich nahm und der Schmach nicht achtete. An ihn wollen wir denken, der solchen Widerspruch der Sünder ertragen hat, damit wir nicht ermatten und muthlos werden, vielmehr laßt uns herzlich von dem Herrn Hülfe erbitten, um gegen seinen Feind, gegen den Antichrist, ritterlich zu streiten. Laßt uns sein Gesetz lieben von ganzem Herzen und nicht trügliche Arbeiter sein, sondern in allen Dingen, soviel der Herr Gnade schenkt, treulich handeln und im Streite für Gottes Sache uns wacker beweisen, in der Hoffnung einer ewigen Belohnung.
Du aber, Huß, mein in Christo sehr lieber Bruder, der mir zwar persönlich, jedoch nicht im Glauben und in der Liebe unbekannt ist (denn die Weite des Erdkreises vermag die nicht zu trennen, welche die Liebe Christi verbindet), sei stark in der Gnade, die dir verliehen ist. Kämpfe als ein guter Streiter Jesu Christi mit Wort und That, und rufe ihrer auf den Weg der Wahrheit, so viel du nur immer kannst, denn weder wegen irriger und trüglicher Satzungen, noch wegen der Irrthümer des Antichristes soll die Wahrheit des Evangelii verschwiegen werden. Entkräfte vielmehr die List des Satans und stärke und befestige die Glieder Christi; denn der Antichrist wird, so der Herr will, bald ein Ende nehmen. Es gereicht mir zu großer Freude, daß Gott in euerem Lande, so wie anderwärts, die Herzen Einiger so befestigt hat, daß sie nicht nur Gefängnis und Verbannung, sondern auch den Tod mit Freuden erdulden, um des Wortes Gottes willen. - Außer diesem habe ich nun nichts weiter zu schreiben, Geliebtester; ich bekenne aber, daß ich sehr gern dich und euch alle, die ihr das Gesetz Christi liebt, in dieser Liebe bestärken möchte. Daher grüße ich sie von Grund meines Herzens, besonders deinen Mitgehülfen am Evangelio, und bitte, daß ihr für mich und die ganze Kirche beten wollet. Der Gott aber des Friedens, welcher den großen Hirten der Schafe mittelst des Blutes des ewigen Testamentes, unsern Herrn Jesum Christum aus der Zahl der Todten zurückgeführt hat, mache euch geschickt zu allem Guten, daß ihr thun möget seinen Willen, und schaffe durch euch, was vor ihm wohlgefällig ist, durch Jesum Christum, welchem sei Ehre in Ewigkeit. Amen.
Quelle: Amos Comenius
Joh. Lasitii de ecclesiastica disciplina fratrum Bohemorum etc.
und in
Historia fratrum Bohemorum
Anm. Dieser Brief ist aus einer Quelle des 17. Jahrhunderts zitiert. Allerdings wäre Wiclif zum Zeitpunkt des Schreibens wohl schon tot gewesen, was eher gegen seine Authentizität spricht, zumal Hus dann erst 18 Jahre alt gewesen wäre. Ich bin derzeit auf der Suche, um diesen Brief verifizieren zu können. Andreas