Kapitel 9
Der Römerbrief
übersetzt von Carl Weizsäcker
- Ich rede die Wahrheit in Christus, ich lüge nicht - mein Gewissen bezeugt es mir in heiligem Geist -
- wenn ich sage, daß ich einen großen Kummer und beständigen Schmerz im Herzen trage.
- Wünschte ich doch lieber selbst verbannt zu sein von Christus zum besten meiner stammverwandten Brüder nach dem Fleische,
- die da sind Israeliten, denen die Kindschaft gehört und die Herrlichkeit, die Bündnisse, die Gesetzgebung, der Gottesdienst und die Verheißungen,
- welche die Väter für sich haben und aus welchen der Christus stammt nach dem Fleische - der Gott, der da ist über allem, sei hochgelobet in Ewigkeit. Amen.
- Aber nicht als ob ich meinte, das Wort Gottes sei hinfällig geworden. Nicht alle nämlich, die von Israel stammen, sind Israel.
- Auch sind nicht alle darum, daß sie Abrahams Same sind, Kinder. Sondern: Was zu Isaak gehört, soll dein Same heißen,
- das heißt: nicht die Kinder des Fleisches sind Kinder Gottes, sondern die Kinder der Verheißung gelten als der Same.
- Denn ein Wort der Verheißung ist das Wort: Zu dieser Zeit will ich kommen und Sara soll einen Sohn haben.
- Und nicht nur hier, ebenso ist es bei der Rebekka, die doch von Einem Manne, unserem Vater Isaak, empfangen hatte:
- denn ehe sie noch geboren waren, noch etwas Gutes oder Schlimmes gethan hatten, da - damit es bleibe bei Gottes freier Wahl, unabhängig von Werken, ganz nach seiner Berufung -
- ward ihr gesagt: der ältere soll dem jüngeren dienen,
- wie denn geschrieben steht: Den Jakob liebte ich, den Esau aber haßte ich.
- Was sagen wir dazu? Geht es mit Unrecht zu bei Gott? Nimmermehr.
- Zu Moses sagt er: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.
- So kommt es also nicht an auf jemandes Wollen oder Laufen, sondern auf Gottes Erbarmen.
- Sagt doch die Schrift zu Pharao: Eben dazu habe ich dich erweckt, um an dir meine Macht zu zeigen, und meinen Namen kund zu geben auf der ganzen Erde.
- Aber wessen er will, dessen erbarmt er sich, und wen er will, den verhärtet er.
- Du wendest mir ein: was schuldigt er dann noch? Wer kann dann seinem Willen widerstehen?
- Ja wohl, o Mensch: wer bist denn also du, der du mit Gott rechten willst? Darf denn das Gebilde zum Bildner sagen: warum hast du mich gerade so gemacht?
- Oder hat nicht der Töpfer Macht über den Thon, aus demselben Teige hier ein Gefäß zur Ehre, dort zur Unehre zu machen?
- Wenn aber nun Gott, obwohl er seinen Zorn zeigen und seine Macht kund thun will, doch die Gefäße des Zornes, die zum Untergange gerichtet sind, mit vieler Langmut ertrug,
- um dabei kund zu thun den Reichtum seiner Herrlichkeit an Gefäßen des Erbarmens, die er zur Herrlichkeit voraus bereitet hat,
- wie er denn als solche uns berufen hat und zwar nicht nur aus den Juden, sondern auch aus den Heiden?
- Wie er auch im Hoseas sagt: Ich werde mein Volk nennen, was nicht mein Volk war, und meine Liebe, die nicht meine Liebe war.
- Und es soll geschehen, an dem Orte, wo es hieß, ihr seid nicht mein Volk, da werden sie Söhne des lebendigen Gottes heißen.
- Jesaias aber ruft über Israel: Wenn die Zahl der Söhne Israel wäre wie der Sand am Meer, der Rest wird gerettet werden.
- Denn sein Wort wird der Herr ausführen und kurzab vollenden auf der Erde.
- Sowie auch Jesaias zuvor gesagt hat: Wenn der Herr Sabaoth uns nicht Samen übergelassen hätte: wie Sodom wären wir geworden und gleich wie Gomorrha anzusehen.
- Was wollen wir also sagen? Daß Heiden, die nicht nach Gerechtigkeit trachteten, Gerechtigkeit davon getragen haben, die Gerechtigkeit nämlich aus Glauben,
- Israel aber, welches dem Gesetz der Gerechtigkeit nachtrachtete, nicht zum Gesetz gelangt ist.
- Warum? weil es nicht vom Glauben ausgieng, sondern es von Werken aus versuchte. Da stießen sie sich am Stein des Anstoßes,
- wie geschrieben steht: Siehe ich setze in Sion einen Stein des Anstoßes, und einen Fels des Aergernisses; und wer auf ihn traut, wird nicht zu Schanden werden.