Kapitel 4
Der Galaterbrief
übersetzt von Carl Weizsäcker
- Ich sage aber so: so lange der Erbe unmündig ist, ist kein Unterschied zwischen ihm und einem Knechte, obwohl ihm alles gehört,
- sondern er ist unter Vormündern und Verwaltern bis zu der vom Vater verordneten Zeit.
- So ist es mit uns: so lange wir unmündig waren, waren wir geknechtet unter die Elemente der Welt.
- Als aber die Erfüllung der Zeit kam, da sandte Gott seinen Sohn, geboren vom Weibe, unter das Gesetz gethan,
- damit er die unter dem Gesetze loskaufe, damit wir die Sohnschaft empfiengen.
- Weil ihr aber Söhne seid, hat Gott den Geist seines Sohnes ausgesandt in unsere Herzen, der da ruft: Abba, Vater.
- So bist du nun nicht mehr Knecht, sondern Sohn. Wenn aber Sohn, dann auch Erbe durch Gott.
- Aber damals, da ihr Gott nicht kanntet, habt ihr den Göttern gedient, die es dem Wesen nach nicht sind.
- Jetzt, da ihr Gott kennt, oder vielmehr von ihm erkannt seid, wie möget ihr wieder umkehren zu den unvermögenden armseligen Elementen, denen ihr wieder von vorne zu dienen Lust habt?
- Tage haltet ihr und Monate, Festzeiten und Jahre?
- Ich fürchte, ich möchte umsonst an euch gearbeitet haben.
- Werdet wie ich; ich bin was ihr seid; Brüder, ich bitte euch. Einst habt ihr mir nichts Leids gethan.
- Vielmehr ihr wisset es, wie ich aus Anlaß leiblicher Schwachheit das erstemal bei euch das Evangelium verkündete,
- da habt ihr die Prüfung, die euch durch mein Fleisch zu Teil ward, nicht mit Geringschätzung und Abscheu erwidert, sondern ihr habt mich wie einen Boten Gottes aufgenommen, wie Christus Jesus.
- Wo ist nun euer Seligkeitsrühmen? kann ich euch doch bezeugen, daß ihr womöglich euch die Augen ausgerissen hättet, sie mir zu geben.
- So bin ich wohl euer Feind geworden, weil ich wahr bin gegen euch?
- O sie eifern nicht im guten um euch; nein, sie möchten euch hinausbannen, damit ihr für sie eifert.
- Der Eifer im guten aber soll allezeit lebendig sein; er soll es nicht blos sein, wenn ich bei euch bin.
- Meine Kinder, um die ich abermals Geburtsschmerzen leide, bis Christus möge in euch Gestalt gewinnen:
- ich möchte wohl jetzt bei euch sein, und es in neuen Tönen versuchen; ich weiß nicht, wie ich es bei euch angreifen muß.
- Sagt mir doch, die ihr unter dem Gesetze sein wollt, hört ihr denn das Gesetz nicht?
- Es steht ja geschrieben: daß Abraham zwei Söhne hatte, einen von der Magd, und einen von der Freien.
- Aber der von der Magd war fleischmäßig gezeugt, der von der Freien aber durch die Verheißung.
- Das ist allegorisch gesagt. Es bedeutet die zwei Bündnisse, das eine vom Berge Sinai, das zur Knechtschaft zeugt, das ist Hagar;
- Hagar bedeutet den Berg Sinai in Arabien. Das entspricht dem jetzigen Jerusalem; denn dieses ist in Knechtschaft samt seinen Kindern.
- Das obere Jerusalem aber ist frei, das ist unsere Mutter.
- Denn es steht geschrieben: Freue dich, du unfruchtbare, die nicht gebiert; brich in Jubel aus, die nicht kreist; denn die einsame hat viele Kinder, mehr als die, die einen Mann hat.
- Ihr aber, Brüder, seid nach Isaak Kinder der Verheißung.
- Aber wie damals der nach dem Fleisch Gezeugte den nach dem Geist Gezeugten verfolgte, so auch jetzt.
- Aber was sagt die Schrift? Wirf die Magd hinaus und ihren Sohn, denn der Sohn der Magd soll nicht erben mit dem Sohne der Freien.
- Also, Brüder, wir sind nicht der Magd Kinder, sondern der Freien.