Vinet, Alexandre - Die Intoleranz des Evangeliums.
Matth. XII, 30.
Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich.
Diese Worte wurden von Jesus Christus bei Gelegenheit eines seiner glänzendsten Wunder ausgesprochen. Da die Pharisäer behaupteten, dass er es durch die Macht des Teufels bewerkstelligt hätte, stellte ihnen Jesus vor, wie unvernünftig es wäre, vorauszusetzen, dass der Teufel an der Gründung einer, seinen Interessen ganz zuwiderlaufenden, Religion mitarbeite. Soll der Teufel mit ihm selbst uneins werden? sagt er, und fügt, seinen Gedanken verfolgend, hinzu, dass, wenn der Teufel nicht sein Bundesgenosse wäre, wie die Pharisäer es voraussetzten, er folglich sein Gegner sein müsste. Und warum? Darum, weil, in Bezug auf Jesus Christus, man notwendiger Weise das eine oder das andere sein muss, weil, wer nicht für ihn ist, eben dadurch wider ihn ist.
So geschah es, meine Brüder, dass Jesus Christus, bei Gelegenheit einer besonderen Tatsache, eine große Wahrheit verkündigte, welche sich allerdings durch das ganze Evangelium hindurchzieht und welche aus dem Zusammenhang der christlichen Lehre hervorgeht, allein welche noch nirgends so bestimmt und so feierlich ausgedrückt worden war. Diese Erklärung des Erlösers ist es, welche und heute beschäftigen wird. Unsere Absicht geht dahin, die Beweise dafür zu entwickeln; aber man muss vor Allem die hauptsächlichsten Ausdrücke jenes Ausspruchs erläutern.
Was versteht man unter einem Menschen, der wider Jesus Christus ist? Jeder begreift hinreichend, dass unser Herr damit einen Menschen bezeichnet, für den das Evangelium ein Gegenstand des Widerwillens und des Hasses ist, gleichviel, ob er diese Gefühle in seinem Herzen verschließt, oder ob er sie durch Worte oder durch Handlungen kundgibt. Was versteht man unter einem Menschen, der nicht mit, oder nicht für Jesus Christus ist? Wir haben nicht nötig, uns das Bild eines solchen Menschen vermöge der Einbildungskraft zu entwerfen. Die Welt ist voll von solchen Personen, welche nicht für Jesus Christus sind. Wir erkennen sie in all den Gliedern der christlichen Kirche, welche ihr nur durch die Geburt und einige äußere Gewohnheiten angehören, allein deren ganzes Leben beweist, dass diese Kirche ihnen kein Interesse einflößt. Sie haben eine Religion angenommen, wie man ein Vaterland annimmt, nicht nach freier Wahl, sondern vermöge der Notwendigkeit. Christen von Geburt, sind sie es nicht aus Neigung. Da sie weder die Beweise, welche die Wahrheit des Christentums feststellen, noch die Einwendungen, mit welchen man diese Wahrheit ergreift, geprüft haben, so glauben sie auf den Glauben Anderer; sie haben einige allgemeine Vorstellungen von den Lehren der Offenbarung, und haben sie, ein für alle Mal, zugestanden, um nicht wieder darauf zurückzukommen. Mit einem Worte, die Religion ist für sie Sache des Anstandes, eine bedeutende Tatsache, eine soziale Notwendigkeit, aber nichts weiter; sie bildet weder die Richtschnur ihres Lebens, noch ein wirkliches Interesse desselben. Sie tragen weder durch Wünsche, noch durch Bemühungen zur Förderung des Reiches Gottes bei; sie unterrichten sich nicht einmal, ob es fortschreitet oder rückwärts geht; Alles hat für sie mehr Wichtigkeit, als die Erfolge dieser großen Angelegenheit. Das sind die hauptsächlichsten Charakterzüge der Gleichgültigen.
Also, was sagt rücksichtlich ihrer der Heiland der Menschen? Die nicht für mich sind, sind wider mich. Wir glauben, die Wahrheit dieser Erklärung nicht besser feststellen zu können, als indem wir die Unrichtigkeit der entgegengesetzten Behauptung zeigen, welche diese ist: „Man kann nicht für Jesus Christus sein, und braucht dennoch nicht gegen ihn zu sein; man kann weder sein Freund, noch sein Feind sein; man kann in Bezug auf ihn eine Art von Neutralität beobachten.“ Lasst uns sehen, ob diese Neutralität möglich ist.
Ich bemerke zunächst, meine Brüder, dass es nichts Selteneres in der Welt gibt, als eine wirkliche Neutralität. Der Mensch ist nicht für die Gleichgültigkeit gemacht; er kann, allerdings, weder Hass noch Liebe für Dinge empfinden, die ihm gänzlich fremd sind, und zu denen seine Aufmerksamkeit durch keinen Umstand hingeleitet wird. Aber alles, was ihn nahe berührt, alles, was Einfluss auf sein Schicksal haben kann, oder nur alles, was er ein allgemeines Interesse erregen sieht, wird für ihn der Gegenstand irgend eines Gefühles. Sein Geschmack kann sich ändern; allein, gleich dem Pendel, schwingt er fortwährend von der Neigung zur Abneigung, und von der Abneigung zur Neigung, ohne je in dem Zwischenraume stehen zu bleiben. Da seine Seele für das Gefühl geschaffen, da Fühlen ihr Leben ist, so ist sie, so zu sagen, gezwungen, zu lieben oder zu hassen, und flieht daher die Gleichgültigkeit wie eine Art von Tod. Jeder von uns wird, wenn er in sich selbst zurückkehrt und seine Erinnerungen zu Rate zieht, ohne Mühe diese Anlage erkennen, und dies wird genügen, um ihn vor der Meinung zu bewahren: dass man nicht für Jesus Christus sein kann, und doch nicht gegen ihn zu. sein braucht.
Aber wenn die Bemerkung, welche wir so eben gemacht haben, wahr im Allgemeinen ist, wie sehr wird sie es nicht in dem Gebiete der Religion erscheinen! Eine Religion ist eine Meinung, eine Religion ist eine Lehre; aber, was sie von allen Meinungen und allen Lehren unterscheidet, ist, dass sie beansprucht, das Werk Gottes und für den Menschen alles zu sein. Jede Religion, welche weniger beanspruchte, würde sich selbst Lügen strafen und den Namen Religion nicht verdienen. Daraus folgt, dass, wenn eine Religion wahr ist, man sie von ganzem Herzen lieben, dass, wenn sie falsch ist, man sie von ganzem Herzen verabscheuen muss, denn es handelt sich um eine Sache von der höchsten Vortrefflichkeit, oder um einen verbrecherischen Betrug; um das Werk Gottes, oder um das des Teufels; um eine Sache, die geeignet ist, und zu verderben, oder geeignet ist, uns zu erretten. Ist die Neutralität in einem solchen Falle wohl möglich? Kann man ganz gefühllos bleiben, wenn man einem beherrschenden, absorbierenden, unermesslichen Werke gegenüber steht, welches ohne Unterlass eine Entscheidung nachsucht? Und muss nicht wenigstens hier die Gleichgültigkeit scheitern?
Allein ich gehe noch weiter; ich sage, dass, wenn man gleichgültig bliebe, würde man nichts desto weniger, ohne es zu wollen, eine Wahl getroffen haben. Und wie das, meine Brüder? Weil, da die wahre Religion nichts Geringeres als unsere ganze Liebe verdient, es gegen sie sein heißt, sobald man sich ihr nicht hingibt, und weil, da eine falsche Religion nichts Geringeres als unseren ganzen Hass verdient, es für sie sein heißt, sobald man sie nicht bekämpft. Hier ist jede Mitte unmöglich, und der Gleichgültige muss hören, wie, von der einen Seite, die falsche Religion ihm sagt: Da du nicht gegen mich bist, so bist du für mich; und wie, von der andern Seite, die wahre Religion ihm zuruft: Da du nicht für mich bist, so bist du gegen mich.
Und, um Euch diese letztere Wahrheit deutlicher zu machen, setzt voraus, dass Gott, im Fleische offenbart; auf die Erde herabgestiegen ist, in der Person eines Euch ähnlichen Wesens; dass das Charakteristische dieses Wesens das Ideal der Vollkommenheit, sein Wert das Heil des Menschengeschlechts sei; dass seine Vorschriften die Heiligkeit selbst, seine Gefühle für uns die unbegrenzteste Liebe seien. Ihr erkennt alle diese Attribute in ihm an, und Ihr sagt zu Ihm: Da du das Ideal der Vollkommenheit bist, das Vorbild der Heiligkeit, Gott selbst im Fleische offenbart; da du all dein Blut für das Heil meiner Seele am Kreuze vergossen hast … so kann ich nicht gegen dich sein, aber ich werde nicht für dich sein. Und für wen denn, großer Gott? denn man muss für Jemanden sein, es muss das Herz an etwas hängen; das Herz lebt nur von dem, was es liebt. Für wen wollt Ihr fein, da Ihr nicht für Gott sein wollt? Dem Anschein nach für Euch, ich nehme es an. Aber was ist dieses Euer Ich, getrennt von Gott, anders, als das Fleisch in seiner ganzen Verderbnis und die Sünde in ihrer ganzen Missgestalt? Und wenn man für diese Dinge ist, so wäre man nicht gegen Gott? und wenn man für seinen verderbten Willen ist, so wäre man nicht gegen Gott? und wenn man für den Teufel ist, so wäre man nicht gegen Gott? Nein, meine Brüder, es gibt in der Welt nur zwei Reiche, und ich habe nicht nötig, sie zu nennen; aber ich sage, dass, wer nicht in dem einen ist, notwendiger Weise in dem andern ist; dass, wer nicht mit Jesus Christus ist, wider Jesus Christus ist. Das ist die Neutralität des Gleichgültigen.
Um diese Gleichgültigkeit besser zu würdigen, lasst uns in das Herz des Gleichgültigen blicken, und uns Rechenschaft über die Gefühle geben, welche darin herrschen. Er hat, sagt er, keinen Hass. Gehen wir darüber hinweg; wir werden diesen Hass schon wieder zu finden wissen. Aber ist in seinem Herzen Liebe und Gehorsam? Liebe für Jesus Christus? Gewiss nicht, da er nicht für Jesus Christus ist. Nun wohlan! Jesus Christus Liebe verweigern, heißt, sage ich, ihm alles Üble tun, was ein erklärter Feind ihm tun, oder wenigstens ihm tun wollen könnte. Wenn Jesus Christus in die Welt gekommen wäre, wie ein König in eine empörte Provinz, um den Aufstand darin zu ersticken, und dort das Schweigen des Schreckens herrschen zu lassen, dann könnte er uns eine zitternde Unterwürfigkeit anrechnen und uns Dank wissen für das Üble, was wir ihm nicht tun. Aber diese Unterwürfigkeit, er hat sie nicht gewollt, er will sie nicht; was er allein gewollt hat, was ihn auf die Erde hat herabsteigen lassen, der Zweck, dem er alle seine Arbeit gewidmet hat, das ist die Eroberung unserer Herzen; neben diesem Triumph gilt ihm jeder andere für nichts; und wenn wir ihm, in Stelle unserer Liebe, welche er verlangt, gleichsam zum Spott, eine passive Unterwürfigkeit anbieten, welche er nicht verlangt; wenn wir ihm, in Stelle des Kultus der Dankbarkeit, die er durch all, sein Blut verdient hat, gleichsam aus Gnaden, anbieten, ihn mit unseren Beschimpfungen zu verschonen, ist dieses selbst nicht die größte Beschimpfung, die einzige sogar, für die er empfänglich sein kann? Denn unser Hass, was ist er in seinen Augen anders, als der ausgesprochenere und offenere Ausdruck der Scheidung, welche zwischen ihm und uns stattfindet, als eine etwas bestimmtere Form der Beschimpfung, welche unsere Undankbarkeit ihm fortwährend antut? Oder solltet ihr vielleicht darin, dass Ihr ihn angreifet, ihn bekämpfet, etwas Schlimmeres für ihn suchen? Wahrlich, Ihr schmeichelt Euch! Was könnten Eure erbärmlichen Angriffe dem Verbrechen Eurer Undankbarkeit noch hinzufügen? Ach! sobald Ihr das Unglück habt, ihn nicht zu lieben, so greift an, bekämpft, bekriegt; es ist Euch gestattet. Der Ewige fragt viel nach der Empörung eines Insekts! Tobt und schlagt um Euch in Eurem Staube; wiegelt selbst, wenn es geht, eine ganze Welt gegen den König der Welten auf: Ihr werdet den Lauf der ewigen Ratschlüsse nicht um eine Minute aufhalten, nicht um ein Haar breit rückgängig machen; nur weil der Herr Alles steht, wird er auch Eure lächerlichen Anstrengungen wahrnehmen; allein, was er vor Allem gesehen hat, ist, dass Ihr ihn nicht liebt, und dies ist es, was Euch unter seine Feinde stellt.
Wir haben von der Liebe gesprochen; und der Gehorsam? Findet sich der Gehorsam bei dem Gleichgültigen? Nein, gewiss nicht; denn wer nicht liebt, gehorcht nicht. Es ist wahr, dass eine sklavische Furcht die Erfüllung einiger äußeren Pflichten und einen materiellen Gehorsam erzeugen kann; aber das Evangelium verlangt einen geistigen Gehorsam, welcher der Liebe allein möglich ist. Seine Leidenschaften besiegen, der Welt brauchen, als brauchte man derselben nicht, in der Demut und in der Menschenfreundlichkeit leben, alle seine Kräfte dem Fortschritt des Reiches Gottes widmen, das ist es, was der Gleichgültige nicht tut, was er nicht tun kann; er lebt also im Ungehorsam. Nun, ich frage Euch, wie würde in einem Staat der Mensch angesehen werden, der den Gesetzen nicht gehorchte? Gewiss, wie ein Feind, selbst dann, wenn er niemals die Waffen gegen den Staat ergriffen hätte. Ist ein aufrührerischer Untertan nicht ein Feind? Und wie wird derjenige angesehen werden, der sich um die geistigen Gesetze Jesu Christi so bekümmert, als ob sie Jesus Christus niemals gegeben hätte? Gewiss, auch wie ein Feind. Woraus folgt, dass der, welcher nicht für Jesus Christus ist, dadurch selbst gegen Jesus Christus ist.
Aber, meine Brüder, wir werden uns nicht damit begnügen, gezeigt zu haben, dass im Prinzip der Gleichgültige ein wirklicher Feind Jesu Christi ist. Wir werden nachweisen, dass, wenn die Umstände es wollen, er positiv und der Tat nach ein Feind wird. Was ist denn eigentlich diese Gleichgültigkeit anders, als, wie wir es gesehen haben, eine heimliche Abneigung gegen Jesus Christus und seine Lehre, eine Missstimmung zwischen der Seele und Jesus, eine eingeschläferte Feindschaft? So lange die Umstände sie nicht aufregen, bleibt sie eingeschläfert, ist sie sich ihrer selbst nicht bewusst, fühlt sie nicht, dass sie hasst; und bei einigen Personen besteht sie unter dieser Form, der unglückseligsten vielleicht, das ganze Leben hindurch fort. Bei vielen andern aber wecken unvorhergesehene Umstände sie auf und zeigen sie in ihrer wahren Gestalt. Bald ist es eine klarere Anschauung der Wahrheit, welche sie aufweckt. Diese Wahrheit, von der man seine Blicke abwandte, tritt eines Tages mit unerwarteter Lebhaftigkeit vor die Augen; es kommt einem plötzlich in den Sinn, dass das Evangelium eine ernste Sache ist, dass es sich um Alles handelt, nämlich es anzunehmen, oder es zu verwerfen; man stellt sich die ganze Zeit vor, während welcher man ohne Überlegung gesündigt hat; aber besonders fühlt man, wie sehr sich das Herz sträubt, die strengen Maximen und die geistige Würze des Evangeliums zu kosten; man fühlt, dass, wenn man es einmal ernstlich das mitnähme, dies uns zu nichts Geringerem verpflichten würde, als unser Leben zu ändern. Dann zeigen sich die Entsagungen, die Entbehrungen, die Opfer in Menge; der Ärger dringt in unsere Seele, aber anstatt sich gegen uns zu richten, deren Lebenswandel das Gesetz verurteilt, richtet er sich ungerechter Weise gegen das Gesetz, welches unseren Lebenswandel verurteilt. Von da ab muss man nicht mehr von Neutralität, noch von Gleichgültigkeit sprechen; der Schleier ist zerrissen, die Wunde ist geschlagen, der Hass ist erwacht. Von da ab sind wir geradezu gegen Jesus Christus.
Zuweilen auch wird dieser Übergang der Feindschaft zu ihrer wahren Form durch das religiöse Erwachen der Personen veranlasst, welche uns umgeben. Diese Personen sind in derselben Lage gewesen, welche wir so eben beschrieben haben; die Wahrheit hat sie auch unvorhergesehener Weise empfindlich berührt; aber nach einem Augenblick des Schwankens hat sich ihr Ärger, der nicht wusste, woran er sich auslassen sollte, gegen sie selbst gekehrt. In der Notwendigkeit, sich zu hassen, oder das Evangelium zu hassen, haben sie vorgezogen, sich zu hassen. Und von dem Hasse gegen sich selbst sind sie natürlich zur Liebe Jesu Christi übergegangen. Von da an haben sie, wiedergeboren durch den Geist von oben, mit einem neuen Leben gelebt; und ungeachtet ihrer Demut und ihrer Zurückhaltung ist ein solcher Unterschied, selbst im Äußern, zwischen leben der Welt nach, und leben in Gott, dass diese Veränderung ihren Umgebungen hat auffallen müssen. Ihr Leben ist wie ein lebendiges Evangelium geworden. Die Gleichgültigen und die Neutralen haben nun das Evangelium gelesen, nicht in toten Buchstaben auf leblosen Blättern, sondern in lebendigen Schriftzügen in menschlichen Herzen. Es ist dies, wenn es mir erlaubt ist, mich so auszudrücken, eine neue Ausgabe des Wortes Gottes gewesen, mit den Kommentaren des heiligen Geistes. Dann hat sich in den Herzen der Gleichgültigen Derselbe Kampf, den wir beschrieben haben, entsponnen; dann haben die Gewissheit des Evangeliums, und die Gottheit Christi, und der unendliche Ernst des Lebens, in gewisser Art, die Augen geblendet und die Seele niedergedrückt; dann ist es nicht mehr möglich gewesen, sich in ein System von kalter Neutralität abzuschließen. Die Seele, zu heftig gedrängt, musste eine Wahl treffen; ach! sie hat eine Wahl getroffen: sie hasst! Allein, dem Anschein zum Trotz, ist ihre Stellung nicht wesentlich verändert; es bleibt immer dieselbe Abneigung gegen das Evangelium; die Seele ist sich nur dieser Abneigung bewusst, sie hat das lebendige Gefühl davon, und alles, was man sagen kann, ist, dass alsdann die Voraussagung des Greises Simeon eintrifft, der, indem er das Kind Jesus in seinen Armen hielt, sagte: „Seinetwegen werden vieler Herzen Gedanken offenbar werden.“
Jesus Christus hassen, darauf läuft also die Neutralität des Gleichgültigen hinaus. Jesus Christus hassen! welche Worte sind wir auszusprechen genötigt! Der eingewurzelteste Ungläubige würde nicht dafür gelten wollen, Jesus Christus zu hassen.
Aber dieses Gefühl, welches den Ungläubigen schaudern macht, ist, Gleichgültige! das gewöhnliche Gefühl Eurer Seele. Damit Ihr nun zum wenigsten wisset, was Ihr tut, indem Ihr Jesus Christus hasst, so kommt und seht! Dieser Lehrer, voll Anmut und Wahrheit, der auf allen seinen Wegen das Wort der Versöhnung sät; dieser teilnehmende Arzt, dem kein Elend naht, ohne erleichtert zu werden; dieser Freund, der Euch zum Schutz gegen das Böse hat versammeln wollen, wie eine Henne versammelt ihre Küchlein unter ihre Flügel: der ist es, den Ihr hasst! Dieses Muster der Reinheit und der Liebe, dieser Mensch, in welchem seine wütendsten Feind nicht den Schein einer Sünde entdecken konnten, der ist es, den Ihr hasst. Dieser himmlische Held, welcher in dem Garten von Gethsemane, das Gewissen des Menschengeschlechts auf sich ladend, unter der Sündenlast der ganzen Erde zu Boden gedrückt, für Euch den Becher des göttlichen Zornes leert, für Euch im Staub, im blutigen Schweiße ächzt, der ist es, den Ihr hasst! Dieses Opfer, welches für Euch zum Kalvarienberge hinaufklimmt; welches für Euch sich an ein Kreuz heften lässt; welches für Euch in seiner Person alles, was die Fantasie von Schmerzen zu fassen im Stande ist, vereinigt, und dessen letzter Seufzer ein Gebet für seine Henker ist: der ist es, den Ihr hasst! Lehnt Euch nicht gegen diese Behauptung auf. Wenn Ihr nichts für den seid, der Alles für Euch gewesen ist, wenn Ihr dem nicht einen Schlag des Herzens gebt, der Euch sein Leben hingegeben hat, wenn Euer Leben ein fortwährender Widerstand gegen seine Gesetze ist, dann seid ihr seine Feinde; wenn Ihr ihn nicht liebt, so hasst Ihr ihn; und wenn Ihr ihn noch nicht bekämpft, so werdet Ihr ihn bekämpfen.
Ich bin am Endpunkt einer Beweisführung angelangt, die mir peinlich war und die ich nur mit Widerstreben unternommen habe. Allein, da ich den Zustand, welchen ich geschildert, zu wohl kannte, und da ich seit langer Zeit überzeugt bin, dass man in der Tat, wenn man nicht mit Jesus Christus ist, gegen ihn ist, so habe ich meinen Brüdern die Gefahren einer Neutralität bezeichnen müssen, über welche sich vielleicht mehrere täuschen, und ihnen nach dem Beispiele von Josua sagen müssen: Wählet, wem ihr dienen wollt.
Jene haben gewählt, welche sich mit einem langsamen und mühevollen Schritte, aber ohne Unentschlossenheit, nach dem Lande der unendlichen Entdeckungen in Bewegung gesetzt haben; welche, die ganze Wahrheit noch nicht besitzend, sie aufrichtig und geduldig suchen; welche, gelockt durch das Fleisch und die Welt, sich seufzend zu Gott wenden, der ihnen helfen kann, und die dem Herrn alle Tage ihren guten Willen darbringen, da sie ihm nichts anderes darbringen können. Gott bewahre uns, Jemanden zu entmutigen und, wie der Dichter sagt: „den beginnenden Keim, aus welchem ein Engel hervorgehen konnte, zu zertreten!“ Aber es gibt Andere, welche nicht gewählt haben, und welche nicht daran denken, zu wählen. Es gibt solche, welche sich überreden, dass, vorausgesetzt, dass sie weder für noch gegen Jesus Christus seien, Jesus Christus eben so weder für noch gegen sie sein wird. Diesen musste man zeigen, dass die Neutralität, in welche sie sich abschließen, eine wirkliche Feindschaft ist, und dass sie als eine solche beurteilt werden wird; diese mussten durch unsere Mahnungen aufgeweckt werden, und wir haben es in unserer Schwachheit versucht.
Segne, Herr, diese in deinem Namen ergangenen Mahnungen; mache, dass sie eindringen, mache, dass sie „mit Sanftmut aufgenommen werden“ in der Seele von allen denen, welche nötig haben, sie zu vernehmen; in der Seele von uns Allen; denn wer hätte nicht nötig, ermahnt zu werden? Flöße uns Allen das aufrichtige Verlangen ein, dir ganz und für immer in Jesu Christo anzugehören!