Trudel, Dorothea - Zwölf Hausandachten gehalten in Männedorf - Psalm 64.

Trudel, Dorothea - Zwölf Hausandachten gehalten in Männedorf - Psalm 64.

1. Ein Psalm Davids, vorzusingen. 2. Höre, Gott, meine Stimme in meiner Klage; behüte mein Leben vor dem grausamen Feind. 3. Verbirg mich vor der Sammlung der Bösen, vor dem Haufen der Übeltäter. 4. Welche ihre Zungen schärfen wie ein Schwert, die mit ihren giftigen Worten zielen wie mit Pfeilen. 5. Dass sie heimlich schießen den Frommen; plötzlich schießen sie auf ihn ohne alle Scheu. 6. Sie sind kühn mit ihren bösen Anschlägen, und sagen, wie sie Stricke legen wollen; und sprechen: Wer kann sie sehen? 7. Sie erdichten Schalkheit, und halten es heimlich, sind verschlagen, und haben geschwinde Ränke. 8. Aber Gott wird sie plötzlich schießen, dass ihnen weh tun wird. 9. Ihre eigene Zunge wird sie fällen, dass ihrer spotten wird, wer sie sieht. 10. Und alle Menschen, die es sehen, werden sagen: das hat Gott getan, und merken, dass es sein Werk sei. 11. Die Gerechten werden sich des HErrn freuen, und auf ihn trauen, und alle frommen Herzen werden sich des freuen.

Dieser Psalm ist ein Gebet um Beschützung des Lebens und guten Namens.

Vers 1 und 2. In uns allen, ohne Ausnahme, ist Feindschaft, wenn wir nicht von Gott gezeugt und geboren und völlig los und frei sind von allem, was nicht in sein Reich gehört. Es ist rein unmöglich, dass in einer Seele, die nicht ganz in Gott ist, nicht Feindschaft sei; sie muss sich empören, wenn ihr Böses angetan wird, und ich kann es keiner glauben, dass sie eine wahrhafte Wohnung Gottes sei, wenn sie noch Feindschaft gegen irgend einen Menschen hat. Ich will deswegen über niemand urteilen; aber sagen muss ich jedem: Ganz glücklich bist du nicht, wenn du nicht die Salbung hast von oben, den Geist der Liebe, wenn du nicht eine Wohnung des Allerhöchsten bist; aber du kannst es werden, du magst noch noch so tief gesunken, noch so hart gebunden sein. Du weißt, wer dich frei machen kann, wenn du nicht auf dich blickst und nicht willst selber schaffen, sondern auf Jesum siehst, den Erlöser von allen Banden und den Tilger von allen Sünden. Ich kenne keine Seele, von der ich nicht mit Zuversicht glauben könnte, dass sie gerettet werde; aber nicht anders, als wenn sie sich lässt losmachen von allen Banden. Wenn wir einmal Den kennen, der uns will erlösen, so fehlt es nicht am Heiland, wenn wir nicht befreit sind, sondern an uns, weil wir das Wort nicht auf uns wirken lassen.

Vers 3. „Wer ist verborgen vor der Versammlung der Bösen, vor den giftigen Pfeilen der bösen Zungen?“ Antwort: die wahren Erlösten, die von dem eigenen Ich los, aber erfüllt sind von Gottes Geist, von dem Geist der Liebe, welche alles trägt und duldet; die nicht mehr aufgeregt und verletzt werden können, weil kein eigenes Ich mehr da ist, die sich aber durch alles zu noch größerer Liebe antreiben lassen, wenn ihnen durch die bösen Zungen aufgedeckt wird, dass sie noch nicht genug Liebe üben.

Vers 5. Diese heimlichen Pfeile vermögen nichts gegen uns, als dass wir uns bewegen lassen, nur desto treuer in der Fürbitte zu sein für die, welche die Pfeile auf uns losschießen. Kein wahres Kind Gottes wird über die bösen Zungen zornig, denn auch in diesem Stück lernen Gottes Kinder in der Freiheit wandeln.

Seht, es ist der Feind, der uns einflüstern, es ist die Macht der Finsternis, die uns betrügen will, dass wir denken sollen, wir können nicht frei werden, bis die Erde uns decke. Darum lasst uns um Überwindungskräfte bitten, dass wir durchbrechen und überwinden durch Christi Blut. Es heißt ja: „sie haben überwunden durch des Lammes Blut.“ Es steht geschrieben: „Es wird nichts Unreines, noch Gemeines hineingehen ins Himmelreich.“ Nur die Überwinder stehen vor Gottes Thron, nicht die Weichlinge, die immer wieder nachgeben. Ist es einer Seele ernst, als Kind Gottes ein Anrecht mit den Erben des Himmels zu haben, so muss sie ihr Herz schon früh dahin schicken, wo ihr Schatz und Erbe ist. Nicht nur eine Stunde solls ihr hier oder in der Kirche wohl sein, nein, stets soll sie umgehen mit dem, was allein ihre Seele glücklich machen kann; sie kanns bei aller Arbeit tun. Seht, die Bibel- und Betstunden nützen euch gar nichts, wenn ihr hernach den Tag über oder die Woche hindurch euch zerstreut. Wenn ich sehe, dass manche hierher kommen, um Gottes Wort zu hören, und so andächtig dasitzen, nachher aber etwas suchen, das ihren eigenen Geist unterhält und die Langeweile vertreibt, das befriedigt mich nicht; ich sehe darauf, wie sie nach der Versammlung sind. Es steht geschrieben: „Sucht in der Schrift, sie ists, die von Mir zeugt;“ und von den Beroensern wird gesagt, „sie forschten täglich darin, ob sich es also verhielte.“ Was sucht ihr in euren Büchern? und was findet ihr darin? Ja, was wird der HErr in euch einst finden, wenn ihr in euern Romanen euch satt gelesen? Oder glaubt ihr, ihr liebt den HErrn und dient Ihm mit Gut und Blut, wenn ihr die eine Stunde die Bibel lest, die andre Stunde aber euch in euren Weltbüchern zerstreut? Ist das ein wahres Christentum? Christi Geist und Liebesgeschichten passen nicht zusammen. O nehmt es doch genau mit eurem Christentum! Gottes Wort wird uns richten, keine anderen Bücher, auch nicht die besten. Die Blätter der Bibel sind die Akten, nach denen wir an jenem Tag gerichtet werden; und wenn wir unser Leben nicht nach diesen Vorschriften einrichten, so können wir nicht bestehen. Da wird sich es herausstellen, ob der HErr uns als reife Trauben erfindet, oder ob wir unter den Herlingen sind, die weggeworfen werden. Seelen, nehmt es doch genauer mit dem Christentum! Wenn es euch ein Ernst ist, nach dem Wort Gottes euer Leben einzurichten, so werdet ihr glücklich. Es sagte mir einst ein Pfarrer, er habe seit 27 Jahren kein anderes Buch zur Hand genommen, als nur die Bibel; und doch habe er jeden Tag etwas neues darin gefunden, und sie immer noch nicht ausgelernt. Das hat mich ganz glücklich gemacht. Ich verwerfe andere gute Bücher nicht; aber ich weiß, wenn es uns ein heiliger Ernst ist, wahre Kinder Gottes zu werden, und man vor Gott hintritt und hinfällt mit der Bitte: „Mache mir doch dein Wort recht klar,“ so werden wir mit David sagen können: „Dein Wort ist mir lieber, als viel Gold und Silber,“ und: „Ich will den HErrn loben allezeit und seinen Namen rühmen.“ Ach, habt doch eure Herzenslust an dem HErrn, Er wird euch geben, was euer Herz begehrt! Seht, ihr bekommt ja alles von Ihm, lasst euch doch belehren! Glaubt, lebt und handelt doch nach diesem Wort, und vertändelt nicht die Zeit mit unnützem Geschwätz und Büchern, die euch belügen und betrügen und euch auf dem Totenbett noch Schmerzen machen.

Vers 6-8. Wenn wir noch nicht ganz durchgebrochen sind, und in diesem Zustand erfahren, dass diese oder jene Böses über uns beschließen und uns etwas in den Weg legen, dass wir darüber fallen sollen, so wird uns bange. Wenn wir aber ganz in Gott sind, fürchten wir uns nicht mehr; denn wir wissen, dass kein Haar von unserem Haupt fällt ohne Gottes Willen, und dass die, welche anderen eine Grube graben, selbst hineinfallen. Wir haben viel mehr Erbarmen mit jenen Grubengräbern, die uns Stricke legen und uns mit ihren Worten stechen, als mit uns selbst, die wir in die Grube fallen sollten; denn wir kennen das Wort: „Der HErr behütet die Seinen wie einen Augapfel.“ Wir brauchen keinerlei Furcht in uns zu haben; nur Gottesfurcht möchte ich allen anraten.

Vers 9. Wenn wir eine neue Zunge haben, die nicht mehr haut und sticht, die nichts Unnützes mehr redet, sondern nur Gottes Lob auskündet, sein Wort den Seelen verkündet, so richten wir auch nicht über die, welche noch keine neuen Zungen haben. Unser Herz fühlt ein Bedauern; wir sind aber keine falschen Tröster, die ihr Bedauern dadurch ausdrücken, dass wir dem alten Menschen Trost und Gnade zusprechen - nein, wir dürfen also trösten: „Der Feind mag noch größere Macht an dir haben, du magst noch so tief in der Sünde stecken, dennoch kannst du gerettet werden; aber du musst dein Ich daran geben, und wenn es auch weh tut. Wenn du dich nicht willst fegen und schmelzen lassen, und wenn du nicht willst deinen eigenen Weg daran geben, den du dir in in der Bequemlichkeit selbst erwählt hast, so ist nicht dein rechter Ernst, frei gemacht zu werden.“ Jesus will uns retten, aber unser eigenes Wesen muss getötet und vernichtet werden. Auf Rosenwegen gehts nicht in den Himmel; unser HErr und Heiland ging auch den Kreuzesweg, und hat die Kräfte der Selbstverleugnung erworben, dass ein jeder sie bekommen kann. „Ja,“ sagen manche. „Er nimmts nicht so genau, ganz ähnlich kann ich Ihm nicht werden; und doch steht geschrieben: „Ein Vorbild habe ich euch gegeben, dass ihr sollt nachfolgen meinen Fußstapfen, und tun, wie ich getan habe.“ Seelen, versucht es einmal, alles, alles, was eurem Fleisch Freude macht, hinzugeben. Aber nicht aus eigener Kraft vermögt ihrs, denn:

Vers 10. Es ist nicht unser Werk, es ist Gottes Werk. Weil Er alle Feind zum Schemel seiner Füße legt, so will ich Ihm zutrauen, dass Er die Feind, die in mir sind, unter seine Füße tun wird. Er macht es schon recht, und bringt das ganze Werk zu Ende. Alles hingeben, und das ganze Werk dem himmlischen Baumeister überlassen, das ists, was wir tun sollen, dann werden alle Menschen, die es sehen, sagen: „Dies hat Gott getan.“ Und wenn der Feind sagt: „Das ist unmöglich,“ so sagt die Schrift: „Ja, bei Menschen, aber nicht bei Gott; denn bei Gott ist kein Ding unmöglich.“ Wir dürfen getrost auf seine Treue und Macht bauen, und ihn mit kindlicher Einfalt bitten: „Heiland, sieh, ich bin in deiner Hand, und dein Werk, du kannst mich bewahren, dass ich dir kein Schandfleck werde.“ Aber auf euch selber müsst ihr gar nicht achten, zu euch selber kein Vertrauen haben.

Vers 11. Die Gerechten werden sich des HErrn freuen.“ Ihr könnt euch auf das Wort der ewigen Wahrheit verlassen, ihr könnt darauf felsenfest bauen, und wenn auch alles verkehrt aussähe und ihr gar keine Hoffnung hättet, das Wort in Erfüllung gehen zu sehen, so könntet ihr Ihm getrost sagen: „Dein Wort muss erfüllt werden, es steht geschrieben; jetzt lasse es auch in mir wahr werden und an meinem Herzen sich beweisen.“ Es soll uns nicht genug sein, den Schatz des Glaubens an anderen zu sehen: wir müssen ihn selber besitzen, wir müssen selber das Wort der Wahrheit in uns wohnend haben, dass zur Zeit der Not es uns niemand rauben kann.

Es hatte einmal ein heidnisches Kind sich in der Missionsschule viele Sprüche aufgeschrieben; die Eltern wollten aber nicht, dass es dieselben lese und hersage. Als es solche aber immer wieder betete, wurden sie ihm genommen und verbrannt. Da rief das Kind freudig aus: „O, sie stehen alle in meinem Herzen geschrieben, da könnt ihr sie nicht verbrennen, und wenn ihr mich verbrennt, so bleiben sie doch wahr und ich komme zum Heiland.“ So müssen auch wir die Bibel lebendig im Herzen haben, damit wir danach wandeln können. Unser Herz muss die Stiftshütte sein, wo Er im Allerheiligsten wohnt.

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