Thomasius, Gottfried - Am Epiphaniasfest - Die Weisheit, welcher der Herr sich offenbart.
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater, und unserem Heiland Jesu Christi. Amen.
Ev. Matth. 2,1-12.
„Da Jesus geboren war zu Bethlehem im jüdischen Lande, zu der Zeit des Königs Herodes, siehe, da kamen die Weisen vom Morgenland gen Jerusalem und sprachen: Wo ist der neugeborene König der Juden? Wir haben seinen Stern gesehen im Morgenland, und sind gekommen, ihn anzubeten. Da das der König Herodes hörte, erschrak er, und mit ihm das ganze Jerusalem; und ließ versammeln alle Hohepriester und Schriftgelehrten unter dem Volk; und erforschte von ihnen, wo Christus sollte geboren werden. Und sie sagten ihm: Zu Bethlehem, im jüdischen Land. Denn also steht geschrieben durch den Propheten: Und du, Bethlehem im jüdischen Land, bist mitnichten die kleinste unter den Fürsten Juda; denn aus dir soll mir kommen der Herzog, der über mein Volk Israel ein Herr sei. Da berief Herodes die Weisen heimlich, und erlernte mit Fleiß von ihnen, wann der Stern erschienen wäre; und wies sie gen Bethlehem und sprach: Zieht hin, und forscht fleißig nach dem Kindlein; und wenn ihr es findet, so sagt mirs wieder, dass ich auch komme und es anbete. Als sie nun den König gehört hatten, zogen sie hin. Und siehe, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, ging vor ihnen hin, bis dass er kam und stand oben über, da das Kindlein war. Da sie den Stern sahen, wurden sie hoch erfreut; und gingen in das Haus, und fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhen. Und Gott befahl ihnen im Traum, dass sie sich nicht sollten wieder zu Herodes lenken. Und zogen durch einen anderen Weg wieder in ihr Land.“
Am Weihnachtsfest feiert die Kirche die Geburt ihres Heilandes, seine Erscheinung im Fleisch, in der Knechtsgestalt, die seine göttliche Herrlichkeit verhüllt. Aber diese Herrlichkeit soll offenbar werden. Das Licht der Welt, das in Christo erschienen ist, soll allen Menschen leuchten; in alle Herzen soll es eingehen, alle Verhältnisse durchdringen, verklären, und so den wunderbaren Reichtum seiner Herrlichkeit entfalten und bewähren. Dies ist es, was uns der Abschnitt des Kirchenjahres, in dem wir mit dem heutigen Tag, der ehedem als Festtag in der Christenheit gefeiert wurde, vergegenwärtigen will. Jene Herrlichkeit aber, obwohl für Alle bestimmt, wird doch nur denen zu Teil, die ein Auge und ein Herz dafür haben. Die Weisheit der Welt versteht sie nicht und fragt auch nicht danach; nur dem einfältigen, demütigen Sinn, das heißt, der Weisheit von Oben, schließt sie sich auf. Diese Weisheit in Gott lasst uns aus unserem heutigen Evangelium lernen:
Die Weisheit, welcher die Herrlichkeit des Herrn sich offenbart.
Das ist aber die Weisheit, welche 1) nach dem Herrn fragt, welche 2) nach Anleitung seines Wortes ihn sucht, und durch seine Niedrigkeit sich 3) nicht abhalten lässt, ihn anzubeten.
I. Es ist die Weisheit, welche nach dem Herrn fragt.
Die Geschichte unseres Evangeliums fällt in die Zeit der frühesten Kindheit unseres Herrn, etwa vierzig Tage, nachdem Jesus zu Bethlehem geboren ward. Die frohe Botschaft der Engel war bis dahin verborgen geblieben; die Hirten, die sie erfuhren, sowie die Eltern des Kindes bewahrten sie wie ein seliges Geheimnis. Denn das ist immer das Erste, was auf die Erfahrung von der Herrlichkeit des Evangeliums folgt. Wer etwas davon erkannt hat, verschließt es am liebsten ins Herz. Es ist ihm noch zu neu, zu wunderbar, als dass ers nach außen hin mitteilen könnte, zu heilig, als dass ers den unheiligen Blicken und dem unverständigen Urteil der Welt aussetzen möchte; es will erst im Stillen erwogen, in der Tiefe bewahrt sein. Alles Christentum, das alsobald nach außen treibt und darauf ausgeht, mit seinen Erfahrungen und Erlebnissen sich sehen zu lassen vor den Leuten, entbehrt des rechten Grundes. Es ist Schein und Eitelkeit und verwelkt über Nacht wie eine zarte Blume, welche zu bald den rauen Lüften ausgesetzt wird. Hier aber war es anders. Die Kunde von dem Kind blieb in dem engen Kreis jener frommen Menschen, welche sie zuerst erfahren hatten, verborgen. Jerusalem weiß von der Ankunft seines Königes nichts. Die Schriftgelehrten und Pharisäer, die Weisen und Mächtigen des Volkes haben keine Ahnung von der Herrlichkeit des großen Gottes, die in Bethlehem offenbar geworden ist. Sie sind in ihrer Macht und Weisheit so satt, dass sie keine Empfänglichkeit für die Wunder der ewigen Liebe haben, darum ist der Engel des Herrn an ihnen vorübergezogen; und so bleibt denn sein Heil vor ihren Augen verborgen. Aber siehe, da kamen nach Jerusalem Männer aus dem fernen Morgenland, die Schrift nennt sie Magier, Priester oder Gelehrte aus den chaldäischen oder persischen Reichen, Pfleger jener heimlichen Weisheit, welche der Orient bewahrte und welche vornehmlich in der Kenntnis der Gestirne bestand. Die kommen nach Jerusalem mit der Frage: Wo ist der neugeborene König der Juden? Was sie mit dieser Frage wollen, liegt am Tage. Es ist die Hoffnung Israels, nach der sie fragen. Die Erwartung eines Retters, der dem Untergang sich zuneigenden Welt, eines großen Königs, der von Zion aus die Völker beherrschen und ein neues Reich der Herrlichkeit errichten werde, ist auch zu ihnen gedrungen. Auf welchem Weg, ob durch die Bekanntschaft mit den Weissagungen des prophetischen Wortes, ob durch den früheren Aufenthalt des gefangenen Volkes in jenen Ländern, oder sonst woher - das wissen wir nicht, und eben so wenig, wie weit ihre Erkenntnis von diesem König reichte. Es wird kaum etwas anderes gewesen sein als die allgemeine Hoffnung eines mächtigen, von Gott gesandten Retters und Herrn der Welt. Aber dieser ihrer Hoffnung sind sie ganz gewiss; denn sie haben seinen Stern im Morgenland gesehen und sind gekommen, ihn anzubeten. Was es auch mit diesem Stern für eine Bewandtnis haben möge, ob ein selteneres Gestirn oder eine wunderbare Erscheinung am Himmel, jedenfalls war er ihnen ein gottgegebenes Zeichen, ein Symbol für den Aufgang jenes Sternes, von dem der Mund des Propheten weissagt: „Es wird ein Stern aus Jacob aufgehen und ein Zepter aus Israel aufkommen“ (4 Mos. 24.17); diesen Stern haben sie mit ihren Augen gesehen und ohne Zweifel durch eine göttliche Offenbarung über seine Bedeutung Aufschluss erlangt. Denn sie wissen, dass er die Geburt des Königs von Israel, die Erfüllung ihrer Hoffnung anzeigt. Sie nennen ihn seinen Stern. In dieser Gewissheit sind sie nach der Hauptstadt des Landes heraufgezogen, wo sie am sichersten das Weitere zu erfahren hoffen, und wenden sich nun mit der Frage an sie: Wo ist der neugeborene König der Juden? Das, meine Geliebten, ist die rechte Weisheit, der die Erkenntnis irdischer und himmlischer Dinge kein Hindernis, sondern vielmehr ein Antrieb wird, nach dem Herrn zu fragen; die Weisheit, die sich durch die Wissenschaft und Kunst dieser Welt nicht so sättigen lässt, dass sie darüber das Bedürfnis nach dem Heil Gottes im Herzen ersticke und ertöte, die nicht so vornehm ist, dass sie des göttlichen Lichtes entbehren zu können. wähnt - es ist die Weisheit der Demut. Ihr genügt der Besitz der menschlichen Wissenschaft nicht; sondern der Himmel mit seinen Wundern und die Erde mit ihrer Herrlichkeit weckt in ihr die Ahnung eines höheren, edleren Gutes, das hinter der Sichtbarkeit dieser Welt verborgen liegt. Alles irdische Wissen wird ihr ein Zug nach Oben und alle Rätsel der Natur und Geschichte leiten sie zu Dem, welcher nicht bloß die Rätsel der Welt und des Lebens, sondern auch die größte, die wichtigste aller Fragen die nach dem ewigen Heil, zu lösen vermag. O dass sie auch unter uns gefunden werden möchte, jene hohe Weisheit, welche Gottes Licht und Herrlichkeit sucht; dass sie auch unter uns vernommen werden möchten, die Stimmen derer, die da fragen: wo ist das Heil, das meine Seele bedarf, wo die Wahrheit, die zum Leben führt, was muss ich tun, damit ich selig werde? Das wäre der rechte Anfang, um zum Himmelreich gelehrt und weise zu werden; denn das Verlangen nach dem Heil ist zugleich der Schlüssel zu seinem Verständnis.
Aber was geschieht in Jerusalem, meine Geliebten? Da fragt Herodes auch nach dem Kind und versammelt alsobald die Schriftgelehrten und Hohenpriester, um von ihnen zu erforschen, wo Christus geboren werden soll? Aber was ihn dazu bewegt, ist der Schrecken über die unverhoffte Kunde. Der Gedanke, dass wahr sein könne, was die Weisen sagen, erfüllt ihn mit heimlichem Entsetzen; die Botschaft von der Geburt des Heilands klingt ihm wie eine Botschaft des Gerichts. Er sieht bereits das Ende seiner ungerechten Herrschaft, denn sein Gewissen bezeugt ihm, dass es aus mit seinem Königreich sei, wo das Reich des himmlischen Königs seinen Anfang nimmt. Darum kommt zum Schrecken alsbald der Hass hinzu, und er sinnt auf ein Mittel, das Kindlein zu vertilgen. So ist die Weisheit dieser Welt. Sie fragt nach dem Heile nur, weil sie sich davor fürchtet und das ist die Vorahnung des künftigen Gerichts, das von ihm ausgeht und welchem sie nicht entfliehen kann; oder sie weiß um das Heil, fragt aber nicht danach und das ist das tote Wissen, welches gleichfalls nur ein Wissen zum Tode ist, die Weisheit der Schriftgelehrten, an welche Herodes in seinem Schrecken sich wendet. Die haben die richtige Antwort. Sie kennen das prophetische Wort des alten Bundes, sie sagen ihm: „Zu Bethlehem im jüdischen Lande; denn also steht geschrieben bei den Propheten: Und du, Bethlehem Ephrata, bist mitnichten die kleinste unter den Fürsten Judas; denn aus dir soll mir kommen der Herzog, der mein Volk Israel weiden wird.“ - Hier finden wir also beides beisammen: eine Art von Glauben an die Schrift und eine Kenntnis des Heils aus der Schrift. Aber wir lesen nicht, dass diese Erkenntnis sie irgendwie dem Heil näher gebracht hätte. Vielmehr bleiben sie auch jetzt, nachdem sie die wunderbare Geschichte vernommen, ruhig daheim auf ihren Lehrstühlen sitzen, lassen die Weisen aus dem Morgenland fragen und kümmern sich wenig darum, ob der König Israels geboren sei oder nicht; die Kunde, die ganz Jerusalem aufregt und jedes fromme israelitische Herz mit Freude erfüllt, lässt sie gleichgültig und kalt. Sie kennen das Heil, aber sie fragen nicht danach - und das ist jene vornehme Weisheit, welche sich selber zum Götzen und in der Selbstgerechtigkeit ihre Wurzel hat; wo die, in einem Herzen wohnt, da kann man immerhin der Heiligen Schrift kundig und Meister sein, man kann es zu einer ziemlichen Wissenschaft in der geoffenbarten Wahrheit bringen, man kann Antwort und Auskunft auf viele Fragen wissen, aber es bleibt inwendig Alles kalt und tot; es kommt zu keiner Regung des Lebens, zu keiner lebendigen Bewegung des Herzens; es ist ein leeres, eitles Wissen, eine auswendige Theologie, die keine Seele erwecken und zum Heil führen wird, weil sie selber, so seltsam dies auch lauten mag, weil sie selber vom Heil nichts versteht. Denn zum Verständnis des Heils führt nur die Demut und der bußfertige Einblick in das eigne Herz, während die hochmütige Weisheit, je mehr sie von ihr selber hält, desto unempfindlicher gegen die tiefsten Bedürfnisse des Geistes und gegen die Wunder der göttlichen Liebe macht. Da ist das einfältige Christentum des geringsten unserer Brüder, da ist das leise Seufzen und Sehnen nach einem Gnadenblick von Oben unendlich besser und heilsamer; denn den Aufrichtigen lässt es Gott gelingen; dem stillen, demütigen Sinne schließt sich die Herrlichkeit seiner Gnade, wenn auch allmählig, doch gewisslich auf. Sie offenbart sich der Weisheit, die nach dem Herrn fragt, und setze ich
II. hinzu: die ihn nach Anleitung seines Wortes sucht.
Denn freilich, meine Brüder! das Fragen allein machts noch nicht aus, auf das Suchen, auf das rechte Suchen kommt es an. Denn das hat die Verheißung: wer da sucht, der findet und wer da anklopft, dem wird aufgetan. Solches Suchen aber ist eine große, schwere Sache; denn es hat mit Hindernissen und Anfechtungen zu kämpfen, von Innen und von Außen. Von Außen mit dem Unglauben und mit dem Spott der Welt. Als jene Weisen des Morgenlandes mit ihrer Frage nach Jerusalem kamen, da musste es sie jedenfalls befremden, so gar nichts von dem zu finden, was sie dort erwartet hatten. Keinen Jubel der Freude, keine fröhliche Feier, nicht einmal eine lebendige Teilnahme, sondern Schrecken bei den Einen und Gleichgültigkeit bei den Anderen. Auch wird die Weisheit der Welt schon damals ihr ganzes Vorhaben für Torheit erklärt haben; denn aus weiter Ferne zu kommen, um einen König zu suchen, von dem selbst seine Stadt und sein Volk nichts weiß, einen Herrscher anbeten zu wollen, nach dem weder die Weisen, noch die Gewaltigen Israels fragten - wie sollte dies damals die Welt nicht für Torheit geachtet haben, da sie heute noch, nachdem ihr die Herrlichkeit dieses Königes erschienen ist und von den Dächern gepredigt wird, dasselbe tut? Gibt es denn irgend etwas, das sie mehr verlacht, als das Bekenntnis seiner Ehre, etwas, worüber sie mehr ihren öffentlichen und heimlichen Spott ausgießt als über diejenigen, die sich ernstlich zu ihm bekehren und nicht nur mit dem Mund, sondern mit dem Herzen und mit dem Leben seine Gnade suchen. Und es müsste einer das Menschenherz wenig kennen, der nicht wüsste, wie leicht es sich durch diesen Spott der Welt entmutigen, verwirren, vom rechten Weg abwendig machen lässt. Aber die Weisen aus Morgenland irrt das nicht. Sie haben seinen Stern im Orient gesehen, dazu das Wort aus der Schrift vernommen, das sie nach Bethlehem weist - daran haben sie genug; das gilt ihnen mehr als alle die Bedenken der fleischlichen Weisheit, als alle Gedanken des eigenen Herzens. Ihrer Sache unwandelbar gewiss, ziehen sie aus der Hauptstadt dem armen Flecken zu, in dem der König, den sie suchen, geboren ist und wie sie hinziehen, so steht auch der Stern, den sie daheim erblickt, wieder oben und geht leuchtend vor ihnen her, ein sicheres Zeichen, dass sie auf dem rechten Weg sind, eine gnadenreiche Fügung Gottes, die sie im Glauben stärkt. Dem gehen sie nach mit heiliger Freude, mit festen, gewissen Tritten.
Hast du einmal, mein Christ! in deinem Herzen den Zug des Vaters zum Sohne verspürt, einmal angefangen, nach dem Heil zu fragen, so lass dich durch den Unglauben oder den Spott der Welt nicht hindern, besprich dich auch nicht mit Fleisch und Blut, sondern halte dich an das Wort der Schrift. Das nimm zum Licht auf deinem Weg, das lass dich unterweisen, darin suche und forsche mit treuem, heiligen Ernst. Das ist die rechte Weisheit, der sich die Herrlichkeit des Herrn offenbart; denn je mehr du in dieses Wort dich hineinlebst mit deinem Glauben, desto heller leuchtet dir aus ihm die Gnade deines Heilands entgegen. Es führt dich vor Allem hinein in die Finsternis und Armut deines eigenen Herzens, aber es zeigt dir auch den Reichtum jener Liebe, welche Sünden vergibt und den Ungerechten aus Gnaden gerecht macht. Aus seinen Zeugnissen lernst du die Herrlichkeit erfahren, die in Christo der Welt erschienen ist. Dabei aber lass dichs nicht befremden, wenn dir zuweilen das Gefühl der Freude, das diese Erfahrung zu begleiten pflegt, eine Weile verschwindet, wie dort den Weisen der Stern, den sie im Aufgang erblickten; denn also gehen die Wege des Herrn. Erst fällt ein heller Strahl der Freudigkeit in das Menschenherz, das ihn sucht: es fühlt sich selig in der Gewissheit seiner Gnade dann folgt eine Zeit der Inneren Dürre oder Verdunklung nach. Es ist nicht anders, als wären alle vorigen Erfahrungen ein Traum gewesen, als habe der Himmel sein Angesicht vor uns verborgen, als sei es aus mit uns. Wer in solche Lagen kommt, der wisse, dass des Menschen Heil nicht auf den wechselnden Empfindungen des eigenen Herzens beruht, sondern auf der ewigen Liebe Gottes, dass die Gewissheit unserer Seligkeit nicht auf das Maß der eigenen Freudigkeit zu gründen ist, sondern auf die Wahrheit des Wortes, welches über uns steht. Das ist der feste Grund, an den sich der Glaube halten muss, nicht bloß wider die Einreden der Welt, sondern auch wider die Gedanken des eigenen Kleinglaubens; das ist die Leuchte, der man nachgehen muss, wenn man die Herrlichkeit des Herrn schauen will. Denn wie dort den Weisen in unserem Evangelium, so geht dem, der aufs Wort sich verlässt, nach der Anfechtung doch immer wieder das Licht des Trostes auf. Der Stern bleibt am Himmel stehen, auch wenn unsere Augen ihn nicht mehr erblicken: „Ich habe dich einen kleinen Augenblick verlassen, aber mit großer Gnade will ich dich sammeln; ich habe mein Angesicht ein wenig vor dir verborgen, aber mit großer Gnade will ich mich Dein erbarmen,“ spricht der Herr in seinem Wort. Und wer solchem, seinem Wort traut, der kommt ihm immer näher, macht eine Erfahrung von seiner Treue nach der anderen, und wird selbst durch die Anfechtung immer tiefer in die Gemeinschaft seiner Gnade hinein gezogen. Das ist die Weisheit, welcher seine Herrlichkeit sich offenbart; eine Weisheit, die den Herrn nach seinem Worte sucht, und, sagen wir
III. von seiner Niedrigkeit sich nicht abhalten lässt, seine Herrlichkeit zu ergreifen und anzubeten.
Von den Weisen heißt es „und sie gingen ins Haus und fanden das Kindlein mit Maria seiner Mutter und fielen nieder und beteten es an; und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhen.“ Eine enge Hütte, ein kleines Kind, ein armes Elternpaar, das ist alles, was sie finden. Und viel mehr als das erblickt man noch heute auf den ersten Anblick nicht. Denn wie das Wort, das von diesem König zeugt, selbst in ein unscheinbares Gewand gekleidet ist und nichts an sich hat, was dem Geschmack der Welt gefiele, so redet es auch nur von einem armen verachteten Manne, der in Bethlehem geboren, in Nazareth erwachsen, hernach unter dem geringen Volk umhergegangen, von den Schriftgelehrten gehasst, von den Pharisäern verfolgt, nicht hatte, wo er sein Haupt hinlegte; von einem Menschensohn, der nach Verlauf von etlichen dreißig Jahren, geschmäht, misshandelt, unter die Übeltäter gerechnet, mit einer Dornenkrone auf dem Haupt, am Kreuz starb; von einem Reich, das ohne alle irdische Macht und Schönheit der äußeren Gestalt nach seinem König gleicht. Was ist da, das des Preises und der Anbetung wert erschiene? Und doch, meine Brüder, wer sich nur mit jenen Weisen an dem äußeren Schein nicht stößt, der wird alsbald inne, dass in dieser Niedrigkeit die höchste Herrlichkeit, hinter dieser Unscheinbarkeit der wunderbarste Reichtum der Gnade verborgen liegt. Denn die Armut unsers Heilandes, was ist sie anders als das Mittel, wodurch wir reich und selig werden? seine Niedrigkeit auf Erden, was anders als der Weg, auf dem er sich und uns die Herrlichkeit errungen hat? seine Schmach unsere Ehre, sein Kreuz unser Friede, sein Tod unser Leben und sein Reich in dieser Welt der Vorhof des Himmels! Ja wer nur Augen zum Sehen hat, sieht noch mehr als das. Er sieht in der unscheinbaren Gestalt dieses Reiches auch schon den Anfang jener Herrschaft, welche allmählig die Starken zum Raub, die große Menge zur Beute nimmt. Denn jene Weisen aus Morgenland, sie sind die Erstlinge aus den Heiden, die den Herrn suchen und ihr Erscheinen an seiner Krippe ist die Erfüllung des prophetischen Worts Jes. 60,6: „Sie werden aus Saba alle kommen, Gold und Weihrauch bringen und des Herrn Lob verkündigen.“ In dieser vorläufigen Erfüllung aber liegt die Bürgschaft, dass die Weissagungen des Propheten nach ihrem ganzen Umfang sich erfüllen werden, dass es bis aufs Letzte wahr werden müsse, was dort geschrieben steht: „Mache dich auf und werde Licht; denn dein Licht kommt und die Herrlichkeit des Herrn geht auf über dir. Denn siehe Finsternis bedeckt die Erde und Dunkel die Völker; aber über dir geht auf der Herr und seine Herrlichkeit erscheint über dir. Und die Heiden werden in deinem Licht wandeln und die Könige im Glanz, der über dir aufgeht. Hebt eure Augen auf und schaut umher; diese alle versammelt kommen zu dir. Deine Söhne werden von ferne kommen und deine Töchter zur Seite erzogen werden; dann wirst du deine Lust sehen, und aufbrechen und dein Herz wird sich wundern und ausbreiten, wenn sich die Menge am Meer zu dir bekehrt, und die Macht der Heiden zu dir kommt.“ Und sehen wir nicht mit unseren Augen wenigstens bereits den Anfang davon? Gehen nicht allenthalben die Füße der Boten, die da Gutes predigen, Heil verkündigen, die zu Zion sagen: Dein Gott ist König? Schreitet nicht sein Wort in diesen Tagen über Inseln und Meere, wird nicht sein Ruhm in allen Sprachen verkündigt, sein Heil in allen Zungen der weiten Welt gepredigt? Und unsere eigene lutherische Kirche, unter allen Kirchen die kleinste und verachtetste, ist sie nicht gewürdigt, einen Kampf zur Ehre ihres Herrn zu führen, der, wenn er siegreich durchgekämpft sein wird, ihre innere verborgene Herrlichkeit offenbaren wird? Ja tritt sie nicht zur selben Zeit mit in die Arbeit des Missionswerks ein? In den Ländern Amerikas möchte sie ihre zerstreuten Kinder wieder sammeln und von da aus zu den Heiden dringen, die dort des Herrn harren, um die Schuld zu bezahlen, die nicht sie selbst - denn ihre Hände sind rein von Blut - aber Andere an den Söhnen der Wüste begangen haben. Möge sich ihr eine weite Tür auftun, möge ihr gegeben werden, viele Seelen dem Evangelio, das ihr vertraut ist, zu gewinnen und dem Reiche des ewigen Königes zuzuführen, das da ist Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geist.
Still und leise schreitet die Herrlichkeit des Herrn durch die Welt, aber in der Verborgenheit bereitet er seine Siege vor. Schmach und Niedrigkeit bedeckt sein Volk auf Erden; groß und schwer ist der Kampf, der ihm verordnet ist, aber der Herr hilft uns aus. Nur nicht gewankt im Glauben, teure Brüder! nur nicht verzagt im heißen Streit - wer da glaubt, soll die Herrlichkeit des Herrn schauen.
Herr, so tue du selbst unsere Augen auf; dein Heil zu schauen. Lass uns deine Gnade suchen. Gib uns die rechte Weisheit aus deiner Höhe, dich zu finden, dich zu erkennen, zu preisen, mit unseren Worten und Werken. Dein Reich komme. Es komme in unsere Herzen, in unsere Häuser, in unsere Gemeinden; es offenbare sich seine Herrlichkeit an unserer Kirche; es gehe hinaus in die weite Welt, dass alle Lande voll werden deiner Ehre. Amen.