Thomasius, Gottfried - Am I. Sonntag nach Trinitatis. Des Christen Lauf und Kampf.
Die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, die Liebe Gottes des Vaters, die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch! Amen.
Nachdem die Kirche in der ersten Hälfte ihres Jahres die großen Taten Gottes zum Heil der Welt gefeiert hat, so wendet sie sich in der anderen Hälfte an ihre Kinder und fordert sie zum christlichen Leben und Wandel auf. Das soll der Dank sein für das, was Gott in Christo an uns getan, das die Frucht der Liebe und Treue, die er an uns gewendet! Und eben das sei auch das Thema unserer nächsten Predigten, wir wollen das christliche Leben nach seinen wichtigsten Seiten betrachten. Sehen wir nun in die Heilige Schrift, so stellt sie uns dasselbe am häufigsten unter dem Bilde eines Laufes und Kampfs dar. Das ist der Gesichtspunkt, den sie fast überall, insonderheit in den Neutestamentlichen Briefen hervorhebt - und damit scheint sie uns freilich nichts zu lehren, was wir nicht Alle schon wüssten. Denn wo ist ein Mensch auf Erden, der nicht mit Not und Sorge, mit Ungemach oder Feinden streiten müsste? wo ein Menschenleben, das von Anfang bis zum Ende etwas anderes wäre, als ein langer, harter Kampf? Aber es ist ein Anderes um den Wandel des natürlichen und des aus Gott geborenen Menschen, ein anderes um den Kampf der Kinder der Welt und der Kinder Gottes. Das Leben jener ist ein Rennen und Laufen nach vergänglichen Dingen, ein ruheloses Ringen ohne wahren wesenhaften Gehalt, und ohne göttliches Ziel; hingegen der Wandel der Kinder Gottes ist ein Lauf in den von Gott verordneten Schranken, auf dem von Gottes Wort bezeichneten und erleuchteten Wege, nach einem von Gott gesetzten Ziele; es ist der Kampf um eine unvergängliche Krone.
Diese Seite des christlichen Lebens wollen wir heute ins Auge fassen; der Gott der Gnaden aber verleihe dazu uns seinen Heiligen Geist und erleuchte die Augen, dessen, der da redet und derer, die da hören, damit sein Wort an unseren Seelen Früchte bringe. Amen.
Hebr. 12, 1 und 2.
„Darum auch wir, dieweil wir solchen Haufen Zeugen um uns haben, lasst uns ablegen die Sünde, so uns immer anklebt und träge macht, und lasst uns laufen durch Geduld in dem Kampf, der uns verordnet ist, und aufsehen auf Jesum, den Anfänger und Vollender des Glaubens, welcher, da er wohl hätte mögen Freude haben, erduldete er das Kreuz, und achtete der Schande nicht, und ist gesessen zur Rechten auf dem Stuhle Gottes.“
Nach Anleitung dieser Worte lasst uns betrachten:
Des Christen Kampf und Lauf.
Und dabei
1. die Zeugen,
2. die Hindernisse dieses Kampfs,
3. die Arbeit in Geduld des Glaubens, und
4. den Anfänger und Vollender dieses Glaubens, in welchem uns der Sieg gegeben ist, näher ins Auge fassen.
I.
„Darum auch wir, nachdem wir einen solchen Haufen Zeugen vor uns haben,“ beginnt der Apostel seine Ermahnung. Er sieht mit diesen Worten auf das vorhergehende Kapitel zurück. Dort hat er von den großen Glaubenshelden des Alten Bundes, von Abraham an bis herab auf die Propheten geredet; den Wandel der Väter als Fremdlinge auf Erden im Aufsehen auf das ewige Vaterland, ihr Vertrauen auf die Verheißung, ihre Kämpfe, ihre Geduld, ihre Siege im Glauben hat er beschrieben. Das Alles zusammenfassend fährt er dann fort: „Und was soll ich mehr sagen? die Zeit würde mir zu kurz, wenn ich wollte erzählen von Gideon und Barak und Simson und Jephthah und David und Samuel und den Propheten, welche haben durch den Glauben Königreiche bezwungen, Gerechtigkeit gewirkt, die Verheißung erlangt, der Löwen Rachen verstopft, des Feuers Kraft ausgelöscht, sind des Schwerts Schärfe entronnen, sind kräftig geworden aus der Schwachheit, sind stark geworden im Streit, haben der Fremden Heer darnieder gelegt. Etliche haben Spott und Geißeln erlitten, dazu Bande und Gefängnis; sind gesteinigt, zerhackt, zerstochen, durchs Schwert getötet; sind umhergegangen in Pelzen und Ziegenfellen, mit Mangel, mit Trübsal, mit Ungemach, (deren die Welt nicht wert war) und sind im Elend gegangen in den Wüsten, auf den Bergen, und in den Klüften und Löchern der Erde.“ „Diese alle, setzt er hinzu, haben die Verheißung, auf die sie hofften, nicht empfangen“; denn ihre schließliche Erfüllung liegt überhaupt noch in der Zukunft; sie ist der Zeit vorbehalten, da der Herr selbst in seiner Herrlichkeit erscheinen wird. Dennoch aber haben sie bereits im Himmel großen Lohn gefunden. Da stehen sie mit Kronen auf den Häuptern, mit Palmen in den Händen am Throne Gottes und blicken von daher auf uns, die wir noch von Mühsal und Gefahr umringt als Fremdlinge auf Erden wandeln, auf uns, die Glieder der streitenden Kirche schauen sie aus ihrer Höhe herab und wollen Zeugen unseres Laufes und Kampfs sein. Welch' eine Wolke von unsichtbaren Zeugen, welch' eine selige Gemeinschaft von Kampfgenossen, die uns voran durch den Streit zur Ruhe, durch Trübsal zur Herrlichkeit eingegangen sind! Das Herz geht mir auf vor Freuden, wenn ich an diese Scharen von Überwindern gedenke, wenn ich mich erinnere, dass derselbe Weg, aber auch dasselbige Ziel uns verordnet ist. Und doch ist die Wolke von Zeugen jetzt noch viel größer, denn damals, als der Apostel diese Worte schrieb. Denn sind nicht seitdem Unzählige auf dem nämlichen Weg vollendet worden; hat die alte christliche Kirche nicht Apostel und Märtyrer genug, die den Satan unter die Füße getreten und das Bekenntnis unseres Heilandes mit ihrem Blut besiegelt haben, nicht Helden Gottes genug, die in Kraft ihres Glaubens die Welt überwanden, die Krone der Gerechtigkeit erlangten; und die Väter unserer eigenen Kirche, die mannhaften Zeugen und Verteidiger der evangelischen Wahrheit, ihr Gedächtnis bleibe unter uns in Segen - gilt es nicht auch von ihnen, was der Engel zu Johannes sprach: „Siehe, diese sind gekommen aus großer Trübsal und haben ihre Kleider hell gemacht in dem Blut des Lammes, darum stehen sie vor dem Throne Gottes und dienen ihm Tag und Nacht in seinem Tempel“ (Offenb. 7, 14. 15.); ja zählen wir nicht selbst unter dieser Menge manche von denen, die wir noch im Leben kannten, an deren Glauben wir uns stärkten, und die wir von uns haben scheiden sehen mit großem Schmerze? Und diese ganze Wolke von Zeugen blickt nun auf uns. Es ist, als ob sie uns die Hände reichen, als ob sie uns zurufen wollten: O ihr, unsere streitenden Brüder auf Erden, seht unseren Ausgang an und folgt unserem Glauben nach. Denn was sie allesamt mit ihrem Leben und mit ihrem Ende bezeugen, ist nichts anders, als was der Apostel vorher mit den Worten ausgesprochen hat: „Werft euer Vertrauen nicht weg, welches große Verheißung hat; Geduld ist euch not, auf dass ihr den Willen Gottes tut und die Verheißung empfangt;“ und abermals: „Der Gerechte wird seines Glaubens leben; wer aber weichen wird, an dem wird meine Seele keinen Gefallen haben.“ O liebe Freunde, wie wird der dunkle, einsame Weg, den wir auf Erden zu wandeln haben, so hell, wenn wir ihn in dem Lichte dieses Gedankens betrachten; so gleichsam auf allen Seiten von leuchtenden Vorbildern umgeben, auf jedem Schritte die Fußstapfen solcher, die vor uns her durch Kampf und Arbeit zum Leben durchgedrungen sind: wem sollte das nicht Mut zur Nachfolge machen, wer da nicht Luft und Freudigkeit gewinnen zum Laufe nach demselben Ziele; Lust und Mut, auch einzutreten in die Reihe dieser Helden, die doch Alle von Natur auch nur schwache und sündige Menschen waren, gleich uns, und dennoch durch Gottes Gnade überwunden haben? Darum auch wir, dieweil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, fährt der Apostel fort:
II.
„Lasst uns ablegen die Sünde, die uns immer dar anklebt und träge macht, und laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns verordnet ist.“ Er verhehlt es uns nicht, dass dieser Lauf ein Kampf und zwar ein heißer Kampf sei, welcher Arbeit und Geduld erfordert. - Nach zwei Seiten hin gibt er uns das zu bedenken. „Lasst uns ablegen die Sünde, die uns immerdar anklebt,“ sagt er, und spricht damit dieselbe Erfahrung aus, die wir täglich an uns machen, und die von jeher alle Gläubigen an sich machen mussten. Denn wie uns die Sünde eingeboren ist von Natur, so ist sie auch in unser ganzes Wesen verflochten, und durchdringt, vom Herzen aus, wo sie ihren Sitz aufgeschlagen hat, unser Leben und Tun. Dabei ist nun freilich ein großer Unterschied. In den Einen hat sie noch die volle, ungebrochene Macht und Herrschaft; sie ist das Leben ihres Lebens, die Luft ihres Herzens; und das sind die Knechte der Sünde, welche allermeist ihre Last und Schmach nicht einmal fühlen, sondern fröhlich und lustig in ihrem Reiche leben. Zu ihrer Zahl, o Brüder, nehmt's zu ernster Prüfung hin, zu ihrer Zahl gehören heutzutage die meisten Menschen, die meisten selbst von denen, die sich Christen nennen und mit diesen redet der Apostel nicht. Ihre Genossenschaft sind weder die Seligen im Himmel, noch die Heiligen auf Erden, sondern die Menge derer, die in hellen Haufen auf der breiten Straße ziehen, die Einen in groben Sünden des Fleischs, die Anderen im vornehmen Unglauben. Sie wissen nichts von einem jenseitigen Ziele der menschlichen Wallfahrt; denn ihre Heimat ist auf Erden, ihre Liebe die Welt mit ihrem eitlen Wesen; darum lachen sie nur der apostolischen Ermahnung, die zur Ablegung der Sünden mahnt. Aber, das sage ich mit großer Beschämung, die Sünde haftet auch noch „an denen, die bereits den Anfang eines neuen Lebens in sich tragen und auf dem Weg nach oben begriffen sind; ihnen ist sie freilich keine Lust mehr, sondern eine Qual darunter sie leiden und seufzen, eine Last, wie der Apostel sagt, die sie im Laufe hindert und träge macht. Das wissen wir freilich Alle aus eigener Erfahrung; denn wir tragen, so wir anders Gottes Kinder sind, einen Zug nach Oben in unseren Herzen; wir möchten gerne mit freier Liebe nach dem Himmlischen trachten; aber wir fühlen uns doch zugleich von der Macht des ungöttlichen Wesens gehalten und gebunden; es liegt uns wie Ketten um die Füße, es haftet wie Blei an unseren Sohlen, es lähmt unsere besten Vorsätze, es drängt sich in unser Denken und Wollen hinein, und zieht uns immer wieder in die Sichtbarkeit und Eitelkeit herab. Daher unsere Trägheit zum Guten, unsere Lauheit im Glauben und in der Liebe, daher unser langsamer, strauchelnder Gang. Wir sehen immer wie von neuem an, und kommen doch nicht weiter, nicht über die bloßen Vorsätze und Entschließungen hinaus, nicht näher dem Ziele unserer Berufung. Und wenn das so fortgeht, so wird am Ende unser Geschick kein anderes sein, als das jenes Volkes, welches auch schon aus dem Diensthause Ägyptens ausgezogen war, und doch noch, Angesichts des verheißenen Landes, mitten in der Wüste verloren ging. Darum ruft uns der Apostel mit mahnendem Ernst zu: „Lasst uns ablegen die Sünde, die uns immerdar anklebt und träge macht.“ Wir fühlen wohl, dass uns damit ein Schweres geboten wird; denn es gilt hier einen Kampf mit den argen Neigungen und Untugenden, die mit uns durch lange Gewohnheit wie zusammen gewachsen sind; es gilt, die Sünde, die uns lieb geworden ist, aus dem Herzen zu reißen, und das geht ohne tiefen Schmerz nicht ab. Dennoch aber muss mit ihr gebrochen, ganz und entschieden mit der Sünde gebrochen werden; das ist die Bedingung für die Erreichung des Ziels. Ein zwiespältiges Herz, eine geteilte Liebe taugt nicht zum Lauf, auf beiden Seiten hinken, ist eben so schlimm, als am Boden liegen; Niemand kann zweien Herren dienen; Niemand wird gekrönt, er kämpfe denn recht. Also hinweg, ihr Wanderer nach der Ewigkeit, hinweg mit der Sünde, die euch immerdar anklebt und träge macht; Hand angelegt, an die argen Lüste und Begierden, die wider die Seele streiten, an das ungöttliche Wesen, das uns noch immer mit der Welt verbindet, tue es auch dem Fleisch noch so weh! Es irrt sich jeder, der bei Christo gute Tage und bequemes Leben sucht. Kampf mit der Sünde ist der Beruf, dazu wir berufen sind; das lehrt uns das klare Wort der Schrift, das lehrt uns die ganze Wolke von Zeugen, die uns umgibt. Und doch, Andächtige, ist das nur erst die Eine Seite;
III.
„Und lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns verordnet ist,“ setzt der Apostel hinzu. Laufen sagt er, denn es ist nicht genug, bloß das Alte abzutun; ist man einmal eingetreten in diese Laufbahn, so gilt kein Stillestehen, kein Rückwärtsblicken mehr. Wer die Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt zum Reiche Gottes; Vorwärts! heißt die Losung. Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich nach dem, das vorne ist. Die Zeit ist kurz; das Ziel noch weit; die Aufgabe, die uns obliegt, groß und hoch: es ist das stille aber stetige Wachstum des neuen Menschen, die Befestigung im Guten, die fortwährende Übung in der Treue und Selbstverleugnung, mit Einem Worte, die Heiligung. Und diese Aufgabe muss in diesem kurzen Leben, ich will nicht sagen, erreicht, denn ich weiß, dass wir, so lange wir im Fleisch wandeln, sündig bleiben, aber sie muss mit allen Kräften angestrebt werden; denn „ohne Heiligung, sagt gleich hernach der Apostel, ohne Heiligung wird Niemand den Herrn sehen.“ Darum, liebe Brüder, nehmt immer zu in dem Werke des Herrn und wisst, dass eure Arbeit in ihm nicht vergeblich sei. Diese Arbeit aber, die Arbeit des Fortschrittes, ist nichts anderes, als ein fortwährender Kampf im Glauben. Denn wie das Ziel des Laufes im Unsichtbaren liegt, so auch alle die Verheißungen der Gnade und alle die Kräfte des ewigen Lebens, die in diese Zeit hereinreichen, uns Wanderern zur Erquickung und Stärkung. Sie sind im Worte Gottes niedergelegt, und an dieses Wort muss der Glaube sich halten; mit ihm muss er sich durchkämpfen durch die Verzagtheit des eigenen Herzens, durch die Schwachheit des Fleischs, durch die Trübsal des Lebens, die uns nicht erspart werden kann, und durch die Versuchungen der Welt, die uns auf allen Seiten zum Rückfall reizen; dazu die kräftigen Irrtümer unserer Zeit, die des Glaubens an Gottes Verheißung nur spotten und allesamt darin übereinstimmen, dass diese sichtbare Welt mit ihren Leiden und Freuden des Menschen Heimat sei, über die hinaus nichts weiter liege, was der Arbeit und der Sehnsucht wert ist; dazu die falsche Freiheit, die nichts vom Gehorsam unter Gottes Wort mehr wissen will, sondern ein Leben in den Lüften des Fleischs und in der Ungebundenheit des eigenen Willens für die rechte Weisheit preist; endlich, was niemals ausbleibt, die Schmach der Welt über diejenigen, die ihr Wesen verleugnend, mit stillem Ernst ihres Weges ziehen und im Dienste des unsichtbaren Herrn sich üben- durch das Alles, sage ich, muss sich der Glaube hindurchkämpfen, über das Alles den Sieg gewinnen, wenn er seines Ziels nicht verfehlen soll. Das ist also ganz ein anderer Streit, als der, den die Welt um ihre Güter streitet; da hilft der fleischliche Mut und der Ungestüm des natürlichen Menschen nichts; er will im Aufsehen auf Gott, im stillen Aushalten und Warten auf die Gnade und Hilfe von Oben geführt sein; es bedarf dazu der treuen Arbeit des ganzen Lebens; darum sagt der Apostel: „Lasst uns laufen mit Geduld; Geduld ist not, auf dass ihr den Willen Gottes tut und die Verheißung erlangt.“ Also eilen und warten, beides in der rechten Weise, vorwärts eilen mit allen Kräften, und stille warten auf des Herrn Gnade und Durchhilfe das ist die Weise, in der jene Glaubenshelden gestritten und überwunden haben, das die Arbeit, das der Kampf, der auch uns verordnet ist. Wie ist also, ihr lieben Brüder, unser Lauf so schwer; aber, setze ich hinzu, wie viel leichter, als er den Vätern war, deren Exempel der Apostel uns droben hingestellt hat; denn wir Christen haben noch ein ganz anderes Vorbild in diesem Kampf; auf das weist uns der Text zum Schluss hin.
IV.
„Lasst uns laufen, heißt es, mit Geduld in dem Kampf, der uns verordnet ist, und aufsehen auf Jesum, den Anfänger und Vollender unseres Glaubens, welcher, ob er wohl sollte Freude haben mögen, erduldete er das Kreuz, und achtete der Schande nicht, und ist gesessen zur Rechten auf dem Stuhle Gottes.“ Er ist der Vorgänger in diesem Streit; seine Fußstapfen gehen vor uns her, aus der Tiefe zur Höhe, aus der Nacht zum Licht. Zwar ist sein Weg nicht wie der unsrige, nicht durch Sünde, auch nicht durch die leiseste Befleckung derselben hindurchgegangen; er ist der Einzige unseres Geschlechtes, der keine Sünde getan und von keiner Sünde gewusst hat; aber es war sein Lauf doch auch ein Kampf, und zwar ein Kampf im Glauben und Geduld wider den Hass der Welt, mit der Schwachheit des eigenen Fleischs, das er von uns angenommen hatte, und wider die Macht des Satans, der ihn durch Luft und Angst versuchte, ein Kampf, geführt mit dem Worte Gottes, im unwandelbaren Vertrauen auf die Verheißung des Vaters, mit Gebet und Tränen, unter Schmach und Verachtung, bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. So hat er den Glauben, der die Welt überwindet, nicht bloß angefangen und durch sein ganzes Leben hindurch bewährt, sondern auch zur höchsten Höhe, zur eigentlichen Vollendung geführt. Darum heißt er der Anfänger und Vollender des Glaubens, und hat darum auch die Krone und den Lohn desselben empfangen. Um seines Gehorsams willen hat ihn der Vater mit Preis und Ehre gekrönt, aus der Schwachheit und Niedrigkeit, die er um unserer willen erduldete, ist ihm der Vollbesitz der göttlichen Herrlichkeit, aus dem Kreuz, an dem er für uns starb, das Zepter über Himmel und Erde erwachsen. Auferstanden von den Toten sitzt er zur Rechten der Majestät in der Höhe. Sein Weg aber, ist auch unser Weg, seines Laufes Ziel und Ende, das Ziel, welches auch uns beschieden ist, so wir anders mitleiden, auf dass wir auch mit zur Herrlichkeit erhoben werden. Darum seht auf ihn, wenn ihr im Laufe ermatten, wenn ihr im Streite lässig und müde werden wollt; sein Vorbild wird euch stärken, mit neuem Ernst nach dem Kleinode zu ringen. Und nicht nur das; der Anfänger und Vollender des Glaubens tut noch mehr. Er fängt den Glauben auch in unseren Herzen an; er sendet von seinem Thron herab den Geist der Kraft und Stärke, und reicht uns die Waffen zur Ritterschaft, die guten Waffen, mit denen man am bösen Tage Widerstand tun und Alles wohl ausrichten und das Feld behalten kann: Wort der Wahrheit, Panzer der Gerechtigkeit, Schild des Glaubens, Schwert des Geistes, Helm des Heils; und zu den Waffen die Verheißung: „Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des ewigen Lebens geben.“ Darum richtet auf die lässigen Hände und die müden Knie und tut große Tritte mit euren Füßen, dass nicht jemand strauchle. Ein großer Preis ist großen Kampfs wert! Der Herr zieht vor uns her, wir folgen nach; Er hat den Triumph bereits gewonnen, wir ernten die Frucht seines Sieges, wir rufen, Er antwortet, wir bitten, Er gibt, wir beten, Er reicht uns die Hand von oben, Er hilft uns durch.
Jesu geh' voran
Auf der Lebensbahn,
Und wir wollen nicht verweilen,
Dir getreulich nachzueilen,
Führ' uns an der Hand,
Bis ins Vaterland.
Richte unseren Gang,
Heiland lebenslang,
Führst du uns auf rauem Wege,
Gib uns auch die nöt'ge Pflege,
Tu' uns nach dem Lauf
Deinen Himmel auf. 1)
Amen.