Thomas von Kempen - Buch 3 - Kapitel 9
Daß man Alles auf Gott, als auf das letzte Ziel beziehen soll.
1. Sohn, ich muß dein höchstes und letztes Ziel sein, wenn du wahrhaft wünschest, selig zu werden.
Durch diese Richtung wird dein Begehren gereinigt werden, das sich nur zu oft sündhaft zu dir selbst und zu den Kreaturen hinneigt.
Denn wenn du dich selbst in irgend Etwas suchst, so nimmst du alsbald in dir ab und verdorrest.
Darum beziehe Alles hauptsächlich auf mich, weil ich es bin, der Alles gegeben hat.
Betrachte das Einzelne so, wie es aus mir, dem höchsten Gute, ausfließt: und deßhalb muß auch Alels auf mich, als auf seinen Ursprung, zurückgeführt werden.
2. Aus mir schöpft Klein und Groß, Arm und Reich, als aus der lebendigen Quelle Wasser des Lebens und die mir freiwillig und gern dienen, nehmen Gnade um Gnade von mir.
Wer aber außer mir Ruhm suchen oder an irgend einem besondern Gut sich ergötzen will, der wird in der wahren Freude nicht bestehen, noch in seinem Herzen erweitert, sondern vielfach gehindert und beengt werden.
Darum darfst du dir selbst nichts Gutes zuschreiben, noch irgend einem Menschen Tugend beimessen: sondern Alles gibt Gott, ohne den der Mensch nichts hat.
Ich habe Alles gegeben, ich will dich ganz haben und forderte mit großer Strenge Danksagung.
3. Das ist die Wahrheit, die alle eitle Ruhmsucht austreibt.
Und gehet die himmllische Gnade und die wahre Liebe bei dir ein, so wird kein Neid, kein Widerspruch des Herzens und keine Eigenliebe dich mehr einnehmen.
Denn die göttliche Liebe überwindet Alles und erweitert alle Kräfte der Seele.
Wenn du wahrhaft weise bist, so wirst du in mri allein dich freuen, auf mich allein hoffen; denn Niemand ist gut, als Gott allein, der über Alles gelobt und in Allem gepriesen werden muß.