Thomas von Kempen - Buch 3 - Kapitel 50

Thomas von Kempen - Buch 3 - Kapitel 50

Wie der Trostlose sich in Gottes Hand ergeben soll.

1. Herr Gott, heiliger Vater! gepriesen seiest du jetzt in Ewigkeit! Denn wie du wolltest, so geschah es, und was du thust, ist gut.

Es freue sich in dir dein Knecht, nicht in sich, noch in irgend einem Andern; denn du allein bist die wahre Freude, du meine Hoffnung und meine Krone, du meine Lust und meine Ehre, o Herr!

Was hat dein Knecht, das er nicht von dir empfing, auch ohne sein Verdienst? Dein ist Alles, was du gegeben und was du gemacht hast.

Ich bin arm und voll Mühsal von meiner Jugend an, und meine Seele wird manchmal bis zu Thränen betrübt und zuweilen auch in sich beunruhigt durch Leiden, die ihr drohen.

2. Ich sehne mich nach der Erquickung des Friedens; ja um den Frieden deiner Kinder flehe ich, die im Lichte des Trostes von dir geweidet werden.

Wenn du Frieden gibst, wenn du heilige Freude in’s Herz gießest, so wird die Seele deines Knechtes lauter Jubelgesang und deine Lobes voll sein!

Entziehest du dich aber, wie du oft thust: so wird er den Weg deiner Gebote nicht wandeln können, sondern muß vielmehr die Kniee beugen und an die Brust schlagen, weil es ihm nicht mehr ist wie gestern und ehegestern, da dein Licht über seinem Haupte strahlte und er unter dem Schatten deiner Flügel gegen hereinbrechende Versuchungen Schutz fand.

3. Gerechter und allzeit preiswürdiger Vater! die Stunde ist da, daß dein Knecht erprobt werde.

Liebenswürdiger Vater! es ist billig, daß in dieser Stunde etwas für dich leide dein Knecht.

Ewig verehrungswürdiger Vater! die Stunde ist da, deren Ankunft du von Ewigkeit voraussahest, daß dein Knecht auf kurze Zeit äußerlich erliege, innerlich aber stets bei dir lebe.

Eine kleine Weile soll er gering geschätzt, gedemüthiget und zurückgesetzt sein vor den Menschen, von Leiden und Aengsten niedergedrückt werden, damit er wieder mit dir in der Morgenröthe des neuen Lichtes aufstehe und himmlisch verklärt werde.

Heiliger Vater! du hast es so geordnet und so gewollt und das ist geschehen, was du selbst geboten hast.

4. Denn das ist eine Gnade für deinen Freund, zu leiden und geängstiget zu werden in der Welt um deiner Liebe willen, so oft und von wem du es geschehen lässest.

Ohne deinen Rathschluß und deine Vorsehung und ohne Grund geschieht nichts auf Erden.

Herr! es ist gut, daß du mich gedemüthiget hast, damit ich lerne deine Gerichte und allen Hochmuth und Dünkel des Herzens ablege. Es ist mir heilsam, daß Schmach mein Antlitz bedeckt, damit ich vielmehr dich, als die Menschen zu meinem Trost suche.

Ich habe auch dadurch gelernt, dein unerforschliches Gericht zu scheuen, der du den Gerechten wie den Gottlosen züchtigest, aber nicht ohne Gerechtigkeit und Billigkeit.

5. Ich sage dir Dank, daß du meine Missethaten nicht geschont, sondern mich mit herben Streichen, mit Schmerzen und Bedrängnissen von innen und außen gezüchtiget hast.

Es ist nichts, was mich trösten könnte von Allem, was unter dem Himmel ist, denn du allein, Herr, mein Gott, du himmlischer Seelenarzt, der du schlägst und heilest, zur Hölle hinab und wieder heraus führest. – Deine Zuflucht ist über mir und deine Ruthe selbst wird mich lehren.

6. Siehe, geliebter Vater! in deinen Händen bin ich, der Ruthe deiner Züchtigung unterwerfe ich mich.

Schlage meinen Rücken und Nacken, daß sich meine Halsstarrigkeit unter deinen Willen beuge.

Mache mich zu einem frommen und demüthigen Schüler, wie du gewohnt bist, wohlzuthun, damit ich ganz nach deinem Wink wandle.

Dir befehle ich mich und Alles, was ich bin und habe, zur Züchtigung; denn es ist besser, hier gezüchtigt zu werden, als dort.

Du weißt Alles und Jedes, und nichts ist dir verborgen im menschlichen Gewissen. Ehe es geschieht, weißt du, was kommen wird und hast nicht vonnöthen, daß man dich lehre oder erinnere an das, was auf Erden geschieht.

Du weißt, was im Guten fördert, und wie viel die Trübsal beitrage, den Rost der Sünden abzufegen.

Thue mit mir nach deinem Wohlgefallen und verwirf mich nicht meines sündhaften Lebens halber, das Niemandem besser und genauer bekannt ist, als dir allein.

7. Herr! laß mich erkennen, was ich wissen; lieben, was ich lieben soll; loben, was dir wohlgefällt; hochachten, was vor dir köstlich; tadeln, was in deinen Augen ein Gräuel ist.

Laß mich nicht nach dem äußern Augenschein urtheilen, noch nach dem Hörensagen unerfahrener Menschen absprechen, sondern laß mich das Sichtbare und das Geistliche wohl und richtig unterscheiden und vor Allem stets nach dem Wohlgefallen deines Willens forschen.

8. Getäuscht werden oft der Menschen Sinne in ihrem Urtheile, getäuscht werden die Liebhaber dieser Welt, die nur das Sichtbare lieben.

Was ist der Mensch denn darum besser, daß er von einem Andern höher geachtet wird?

Der Falsche betrügt den Falschen, der Eitle den Eitlen, der Blinde den Blinden, der Schwache den Schwachen, indem er ihn erhebt; ja er schändet ihn in Wahrheit mehr, indem er ihn thöricht lobt.

Denn so viel der Mensch in deinen Augen ist, nur so viel ist er, und nicht mehr, sagt der demüthige heilige Franziskus.

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