Orelli, C. von - Vorwort
Diese Blätter sind der letzten Schrift des sel. Thiersch: „Inbegriff der christlichen Lehre 1886“ entnommen.
Zu einem besonderen Abdruck dieses Abschnittes wurde der Herr Verleger durch das Urteil eines Lesers veranlasst, welcher nach Vergleichung verschiedener Auslegungen des „Gebetes des Herrn“ der hier gebotenen den Vorzug vor allen gab.
In der Tat war wohl der Verfasser wie wenige berufen, über das Gebet zu sprechen. Das „Betet ohne Unterlass!“ welches der Apostel in 1 Thess 5,17 allen Christen zuruft, war in besonderem Maße sein ernstes Bestreben. Und wer ihn gekannt hat, der spürt seinen Worten leicht jene persönliche Erfahrung des Gebetslebens ab, welche auch allen irdischen Dingen eine höhere Weihe gibt und nicht am wenigsten im Tiegel schwerer Trübsal zur ungetrübten Freude im Herrn erhebt.
Die folgende Auslegung des „Vater Unser“ ist im übrigen wesentlich eine Beleuchtung der einzelnen Bitten durch die heilige Schrift selbst. Sie ist, wie man nicht vergessen wolle, zunächst aus dem Konfirmandenunterricht hervorgegangen, und wird daher zur Konfirmationsgabe sich besonders eigenen, gibt aber auch erwachsenen und gereiften Christen genug zu denken. Besonders berücksichtigt sind Luthers Katechismus, der dem Verfasser teuer war, und Speners Erklärung der christlichen Lehre Beziehungen auf das eigenartige kirchliche Bekenntnis Thierschs sind in diesem Abdruck fast ganz vermieden worden. Nur Seite 86 ist in der Empfehlung des Fastens an gewissen Tagen eine Spur davon stehen geblieben.
So wünschen wir den Worten des verehrten, heimgegangenen Verfassers, dass sie lebendig fortzeugen von Dem, dessen Worte Geist und Leben sind, und manche Herzen aus der Zerstreuung dieser Zeit sammeln um den unsichtbaren Altar, vor welchen die Erlösten Jesu Christi aus allen Völkern und Zungen und Kirchen und Bekenntnissen täglich niederknien, um im Geist und in der Wahrheit zu beten:
„Unser Vater, der Du bist im Himmel!“
Basel, im März 1889.
Prof. D. C. v. Orelli.