Theremin, Franz - Von der Wiederkunft Christi.
Evang. Matth. 24,15-28.
Die Jünger, als sie einmal mit ihrem Meister am Oelberg saßen, und die Stadt Jerusalem und des Tempels Gebäude betrachteten, zeigten sie Ihm dieselben, und Er sagte ihnen, daß dies alles untergehen, und kein Stein auf dem andern bleiben würde. Da wurden sie neugierig, wann doch das geschehen würde, und welche Zeichen Seiner Zukunft und dem Ende der Welt vorangehn würden. Denn sie dachten, Jerusalem und der Tempel könnte nicht eher zerstört werden, als bis die ganze Welt am jüngsten Tage vergehen, bis der Herr zum Gericht kommen würde. Der Heiland sagte ihnen nicht die Zeit, das Jahr und die Stunde, was die Menschen immer gern wissen und ausrechnen wollen; aber vor Verführung warnte Er, zur Wachsamkeit, zum Gebet und zur Geduld ermahnte Er sie; und die Zeichen, die da vorangehen würden, nannte Er ihnen, auch nicht um zu rechnen und zu grübeln, sondern um auf ihrer Hut zu seyn, und sich auf die Verfolgungen, die sie treffen würden, gefaßt zu machen. Denn falsche Propheten, die sich für Christus ausgeben, Krieg und Kriegsgeschrei, Empörungen, Erdbeben, Pestilenz, Theurungen würden nur der Anfang der Wehen, das Vorspiel seyn. Aber dann würde man Seine Jünger fangen und tödten, und sie müßten von Jedermann gehaßt werden um Seines Namens willen. Die Ungerechtigkeit würde überhand nehmen und die Liebe erkalten. Wer bis an's Ende beharre, der würde selig werden. Doch müßte das Evangelium in der ganzen Welt zuvor gepredigt werden, zum Zeugniß über alle Völker; dann erst würde das Ende kommen.
Nun im heutigen Evangelio spricht der Heiland noch besonders darüber, bezeichnet Alles genauer, und sagt zugleich, wie man sich dabei verhalten soll. Er hat nicht nur die Zerstörung Jerusalems, sondern auch das Ende der Welt und Seine Wiederkunft im Auge. Er spricht:
Wenn ihr nun sehen werdet den Gräuel der Verwüstung, davon gesagt ist durch den Propheten Daniel, daß er stehet an der heiligen Stätte (wer das lieset, der merke darauf!). Glaubt man, der Heiland habe unter dem Gräuel der Verwüstung buchstäblich nichts Anderes verstanden, als die römischen Adler und Götzenbilder der Heiden, die die Römer auf ihren Fahnen führten, als sie bei der Belagerung Jerusalems in den Tempel eindrangen, und sie da aufpflanzten, und Land und Leute gräulich verwüsteten, so wird doch vor Seiner Wiederkunft auch das der größte Gräuel für die Christen seyn, wenn der Widerchrist sich in den Tempel Gottes setzen wird als Gott. Und was giebt es jetzt schon für Gräuel an heiliger Stätte, in den Herzen der Christen, die auch Tempel Gottes sind? Darum denke hier Jeder zuerst an sich selbst, und sehe in sein eignes Herz, ob nicht auch da sich Gräuel finden; es ist ja gewiß gräulich, wenn im Munde: Christus, Glaube, Gnade, Liebe, und im Herzen der Satan, Unglaube, Haß, Neid, Geiz, die Welt oder andere wilde Leidenschaften herrschen, oder doch Lauigkeit, Zerstreuung, Leichtsinn, Weltsinn, Selbstsucht und Eigenliebe, Eitelkeit und Selbstgerechtigkeit das Herz einnehmen. Sind das nicht auch Gräuel an heiliger Stätte, wo nur Christus und Christi Liebe wohnen und herrschen soll? Darum hat wohl jeder Christ zu jeder Zeit in sein eigen Herz zu sehen, und sich selbst recht zu prüfen.
Alsdann fliehe auf die Berge, wer in Judäa ist. Die Christen befolgten dieses buchstäblich bei der Belagerung Jerusalems, sie flohen nach Pella, einem Zufluchtsort, der ihnen angewiesen war, und in ferne Länder, um dem Zorngerichte, das über Jerusalem und das jüdische Volk erging, zu entgehen. Und sie wurden gerettet. Wer immer sich von der gegenwärtigen, argen Welt, mitten im Christenthume, erretten, und nicht mit dieser Welt zu Grunde gehen will, der fliehe auf die Berge, von welchen uns Hülfe kommt; der nehme seine Zuflucht zum unablässigen Gebet, daß er Allem in der Welt absagt und dem Herrn anhangt in beständigem Herzensumgang mit Ihm, so ist er auf den Bergen, von welchen alle Hülfe kommt, und wo er vor allen Gefahren sicher ist. Oelberg und Golgatha sind die Berge, wo der Christ am liebsten und sichersten weilt, wo er alle Hülfe findet, und ihn kein Gericht treffen kann.
Und wer auf dem Dach ist, der steige nicht hernieder, etwas aus dem Hause zu holen. So schnell wird das Verderben hereinbrechen; so schnell wurde damals Jerusalem überfallen, daß, wer auf seinem flachen Dache war und die römischen Heere kommen sah, der mußte eilend fliehen über die Dächer der Nachbarn weg, um auf die Straße zu kommen und der Gefahr des Ueberfalls zu entgehen; er durfte nicht mehr in sein Haus herunter gehen, um etwas mitzunehmen, wenn er nicht eingeschlossen, gefangen und getödtet werden wollte. Eben solche Eile hat es mit unserer Seele; das Verderben, der Tod, kann uns plötzlich überfallen; wir sind keine Stunde sicher - wir müssen immer bereit seyn, immer in die Wunden Jesu fliehen, uns an nichts anhängen, als allein an Jesum.
Und wer auf dem Felde ist, der kehre nicht um, seine Kleider zu holen. Man mußte fliehen, wie man ging und stand, ohne Mantel und Reisekleid; man mußte Alles dahinten lassen, um sein Leben zu retten. So ist uns überhaupt gesagt: Wer die Hand an den Pflug legt, und sich umsieht, der ist nicht tauglich für das Reich Gottes. Wenn der Herr ruft, oder die Gefahr des Verderbens, der Verführung oder Versuchung droht, muß man nach nichts mehr sich umsehen, sondern Alles verlassen und Jesu folgen.
Lasset uns mit Jesu ziehen,
Seinem Vorbild folgen nach,
In der Welt der Welt entfliehen
Auf der Bahn, die Er uns brach,
Immer fort zum Himmel reisen,
Irdisch noch, doch himmlisch seyn,
Glauben recht und leben fein,
In der Lieb' den Glauben weisen.
Treuer Jesu, bleib bei mir,
Gehe vor, ich folge Dir!
Wehe den Schwangern und Säugerinnen in der Zeit. Bittet aber, daß eure Flucht nicht im Winter geschehe oder am Sabbath; denn es wird alsdann eine große Trübsal seyn, als nicht gewesen ist von Anfang der Welt bisher, und als auch nicht werden wird. Für Schwangere und Säugende ist die schnelle Flucht etwas sehr Unbequemes und Beschwerliches und des Schreckens wegen sehr gefährlich; im Winter erschwert das üble Wetter, und am Sabbath Gesetz und Lebens-Ordnung das Reisen und besonders die Flucht. Der Heiland dachte an Alles, wollte jede Beschwerde, jeden Schreck, besonders des zarten und schwachen Geschlechtes in Umständen und zur Zeit, wo Alles doppelt schmerzt und plagt, ersparen und warnen, daß sie alle dem ausweichen, und es sich von Gott ausbitten möchten, daß sie verschont würden. Wir sehen daraus, daß man auch schwere, allgemeine Gerichte durch Gebet abwenden oder verschieben kann; darum heißt Er die Schwangern und Säugenden bitten, daß sie die Gerichte nicht zur Unzeit überfallen mögen. Er sah und sagte voraus die große Trübsal, die ihres gleichen nicht hatte und nicht haben wird. Und da bewog Ihn das Mitleiden, sie zu warnen und zu ermahnen, sich's von Gott auszubitten, daß sie verschont würden. Was kann denn also genannt werden, das nicht zu erbitten ist? Wer soll in der größten Noth verzagen, wenn man in solchen Nöthen, die vor und nach nie vorgekommen sind, beten darf, und es erbitten kann, daß sie aufgehalten werden, daß man gerettet wird? Es sey auch noch so groß die Noth, noch größer/viel größer ist dein Gott; und der Weg zu Ihm steht dir immer offen, auch in der größten Noth. Ja gerade da, sagt Er: Rufe mich an in der Noth, und ich will dich heraus reißen und zu Ehren bringen. Gott ist nichts zu viel und nichts zu wenig, d. i. keine Noch zu groß, und kein Mensch zu gering, daß Er nicht helfen könnte oder wollte. Die Allmacht ist allmächtig, und die Liebe, die Gott heißt, ist unendlich. Wer diese allmächtige Liebe fassen kann, und mehr auf sie, als auf die Noth sieht, der hat gewonnen und ist gerettet.
Das muß freilich fürchterlich gewesen seyn bei der Zerstörung Jerusalems, und an dem jüngsten Tage wird es nicht weniger fürchterlich werden, daß es kein Mensch aushalten kann, der nicht auf dem Fels steht, der unbeweglich ist und stehen bleibt, wenn Erd und Himmel untergeht. Der Herr weiß die Seinen jederzeit zu bewahren. Im Feuer ist Er Zuversicht, für's Wasser baut Er Archen. Hat Er dort bei Jerusalems Zerstörung den Seinen ein Pella bereitet, so wird Er auch am Ende ihnen einen Bergungsort anweisen, oder Er wird es ihnen selbst seyn, denn wer in Ihm bleibt, den trifft kein Wetter.
Und wo die Tage nicht würden verkürzt werden, so würde kein Mensch selig; aber um der Auserwählten willen werden die Tage verkürzt werden. Nach denen muß sich Alles richten. Auf die sieht der Herr in aller Trübsal; die müssen erhalten werden, und sollen nicht umkommen, denn sie sind Seine theuer erkauften Schafe. Es ginge Ihm ein Theil von Seinem Herzen verloren, wenn Er eins verlöre. Die Welt weiß nicht, was sie den verachteten Frommen, die sie immer schilt, und vertilgen möchte, zu danken hat; sie wird nur um ihrethalben erhalten, wie Sodom um Loths willen, bis der gerettet war. So wird auch einst ihre Trübsal verkürzt werden nur um der Gläubigen willen. Wenn aber außerdem selbst die Auserwählten nicht selig werden, so muß die Trübsal freilich entsetzlich und unerträglich seyn. Wer wird bestehen, wenn die Auserwählten nicht bestehen könnten ohne Abkürzung derselben. O möchte das doch Jeder bedenken, denn wenn die Trübsal kommt, ist es zu spät. Und sie kommt plötzlich!
So alsdann Jemand zu euch wird sagen: Siehe, hier ist Christus oder da, so sollt ihr's nicht glauben. Denn es werden falsche Christus und falsche Propheten aufstehen und große Zeichen und Wunder thun, daß verführt werden in Irrthum, wo es möglich wäre auch die Auserwählten. Also nicht nur die Trübsal, sondern auch die Verführung zum Irrthum wird so groß seyn, daß es nicht Menschen-möglich ist zu bestehen, und nur Gott durch Seine Allmacht die Seinen bewahren kann. Wie leicht und wie gern wird die Welt mit all ihren Kinder^ des Unglaubens den falschen Christus und Propheten glauben, wie leicht und gern ihre falschen Wunder anerkennen, sie, die jetzt keine Wunder für möglich hält und alles Außerordentliche verspottet! Christus mit Seinen Wundern ist ihr ein Stein des Anstoßes, Thorheit und Aergerniß; aber der Widerchrist und alle seine Vorläufer und Mitläufer werden ihr willkommen seyn mit ihren Lügen-Wundern und Teufelskünsten, die sie so täuschend machen werden, daß selbst die Gläubigen, die Christum im Herzen tragen, verführt würden, wenn Er nicht aus lauter Gnade und Erbarmen, um Seines Blutes und Leidens willen, das sie geehrt, und worauf sie vertraut haben, sie wunderbar aus Gottes Macht erhalten würde. Darum haben sie sich doch nicht zu fürchten. Doch muß Jeder gewiß wissen, daß er in Christo - daß er ein Christ ist, daß sein Glaube lebendig ist, und er Christum im Herzen hat, daß seine Frömmigkeit keine Heuchelei, und seine Liebe rechter Art ist, muß mit Paulo sagen können: Wenn Gott für uns, wer wider uns? - wer wird mich scheiden von Christo? - weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges rc. Röm. 8, 38. - Darum setzt Jesus hinzu: Siehe, ich habe es euch zuvor gesagt. Merket darauf, sehet euch vor, täuschet euch nicht, ergreifet das ewige Leben, und wisset, daß in Christo ein rechtschaffnes Wesen ist.
Darum, wenn sie euch sagen werden: Siehe, er ist in der Wüste, so gehet nicht hinaus; siehe, er ist in der Kammer, so glaubt es nicht. Wo immer sich Einer für Christus ausgiebt, vor seiner öffentlichen Ankunft auf den Wolken des Himmels, es sey öffentlich oder heimlich, so ist er der Teufel, und wie der Teufel zu, fliehen. Laß dich nicht locken, der Herr Jesus steht bis an den jüngsten Tag vor der Thüre deines Herzens, und klopft und ruft dir in's Herz; da will Er hinein, da thue Ihm auf, so wird Er zu dir eingehen - Aber einem Andern, der dich in die Wüste oder in die Kammern locken will, dem traue nicht. - Ich in euch, und ihr in mir - bleibet in mir, und ich in euch!„ Das ist Seine Stimme. Nicht hinaus - hinein, ruft Er. Inwendig ist das Reich Gottes, nicht im Aeußern - nicht in Worten, sondern in der Kraft und in Gerechtigkeit, Friede und Freude im heiligen Geist - im Glauben, nicht im Schauen offenbart Er sich bis auf die letzte Sekunde der letzten Stunde. So wie also Jemand zu einem äußern Reiche des Herrn einladet, ehe Er selbst kommen wird, so wie Er hier sagt, sollen wir nicht trauen, und nicht folgen. Es ist Teufelei. Denn gleichwie der Blitz ausgehet vom Aufgang und scheint bis zum Niedergang, also wird auch seyn die Zukunft des Menschensohns. Da werden Ihn Alle kennen und bekennen müssen. Da werden sie Alle zu Schanden, die einem andern, falschen Christus oder Propheten in der Wüste oder in den Kammern der Sekten und Kirchenparteien glaubten und anhingen, und den Christus für uns am Kreuz, und den Christus in uns durch den Glauben im Herzen wohnend nicht annahmen, zu Schanden werden. So allgemein sichtbar und kennbar wird Er sich, wenn Er wieder kommt, offenbaren, wie der Blitz, der durch geschlossene Augen dringt und Alles beleuchtet. So wird unser König kommen. Niemand darf sich fürchten, daß Er ihn übersehen oder nicht kennen werde. So verborgen Er jetzt in den Seinen ist, daß es ihnen Niemand glaubt, so herrlich offenbar wird Er dort erscheinen, und sie können Alle auf Ihn weisen und sagen: Seht, das ist unser Christus, unser Heiland, an den wir glaubten, auf den wir hofften, worüber ihr uns verspottet habt: O wie werden sich da Alle, die Ihn ungesehn geglaubt und geliebt haben, freuen mit unaussprechlicher Freude, Ihn so herrlich zu sehen! Darum laßt uns ja im Glauben uns recht üben und in der Liebe Jesu wandeln, daß wir mit Freudigkeit Ihn kommen sehen und vor Ihm stehen können.
Denn wo das Aas ist, da sammeln sich die Adler. Das geht auf die Gerichte, die der Zerstörung Jerusalems vorangingen, wo die römischen Adler, d. i. ihre Heere sich in Judäa und vor Jerusalem als dem Aase, welches sie verzehren sollten, sammelten. Und so werden auch vor der Wiederkunft Christi alle Gerichte und Schrecken über die gottlose Welt hereinbrechen und um das Aas des Unglaubens und der Gottlosigkeit, des Antichristenthums sich sammeln, um es zu verzehren und zu vertilgen.
O so lasset uns nicht vergessen, wie der Herr kommen wird, und darum Ihm allein anhangen, Ihn am Kreuz und in Seinen Wunden stets vor Augen haben und im Herzen tragen, immer tiefer in Ihn einwurzeln, und Seiner theilhaftig werden, so wird uns das Geschrei: Der Herr kommt, nicht erschrecken, sondern hoch erfreuen.
Rüst uns aus mit Kraft und Stärke,
In dem angefangnen Werke
Bis an's Ende fortzugehen,
Daß wir Dich mit Freuden sehen,
Wenn Du wirst die Welt erschüttern,
Wenn die Sünder alle zittern.
Gieb, daß an dem letzten Tag
Jeder von uns freudig sag':
Lieber Heiland, wir erscheinen
Vor Dir als die lieben Deinen,
Siehe Deines Geistes Siegel
An uns, Deines Bildes Spiegel.
Wir sind, obgleich arme Leute,
Doch geschmückt als Deine Bräute,
Kommen aus dem Jammerthal,
Eilen zu des Lammes Mahl.