Theremin, Franz - Christus errettet von der Welt.

Theremin, Franz - Christus errettet von der Welt.

Im Januar 1831.

Galater 1, 4.
Christus hat sich selbst für unsere Sünden gegeben, daß er uns errettete vom dieser gegenwärtigen, argen Welt.

Abermals fühlen wir uns getrieben, zu Euch von der gegenwärtigen Zeit zu reden: und wir glauben, indem wir es thun, nur unsere Christenpflicht und den Beruf, den wir unter Euch haben, zu erfüllen; denn der Herr selbst ermahnt dazu, indem er Diejenigen schilt, die zwar die Gestalt des äußeren, sichtbaren Himmels beurtheilen, auf die Zeichen der Zeit aber nicht eine ähnliche Aufmerksamkeit wenden.

Die Zeichen der Zeit beurtheilen, das heißt aber nicht etwa, nur die Begebenheiten kennen, von denen die Kunde sich jetzt so schnell über Europa verbreitet, und fast jedes Ohr erreicht; es heißt besonders den Grund kennen, aus welchem alle diese Erscheinungen hervorgehn; diesen Grund, der den Weisen dieser Welt unbekannt bleibt, und der nur Denjenigen aufgedeckt wird, die Gottes Wort hören wollen, welches uns sagt, daß die gegenwärtige Welt, wie freilich die frühere es auch war, eine arge Welt ist.

Aber selbst diesen Grund zu kennen, würde wenig helfen, wenn man nicht zugleich ein Mittel wüßte, sich gegen das herrschende Verderben zu schützen. Nicht Ein solches Mittel, sondern unzählige pflegen die Weisen dieser Welt freigebig anzuführen; aber es geht ihnen damit wie den leiblichen Aerzten, die zwar auch viele Mittel zu nennen wissen; nur keines welches hilft. Von ihnen unterscheiden wir uns dadurch, daß wir für alle Krankheiten nur Eine Arzenei, für alle Wunden nur Einen Balsam, für alle Mängel nur Einen Ersatz, für alle Gebrechen nur Einen Wiederhersteller namhaft machen können - Jesum Christum - und daß dieser Eine allen unendlich verschiedenen Bedürfnissen der Menschheit, abhilft.

Und so möchte auch unsere Aufgabe in der jetzigen Zeit vornehmlich darin bestehen, Euch zu predigen, wie wir es heute thun wollen, daß Christus allein von der gegenwärtigen argen Welt erretten kann. Darin liegt zweierlei; erstlich, daß die gegenwärtige Welt eine arge Welt ist; zweitens, daß Christus allein von ihr erretten kann. - O Herr, diese Zeit ist dunkel; aber gib daß in ihrem Dunkel um so mehr leuchte dein ewiges göttliches Verdienst; und es bewähre sich in derselben an uns allen, daß in keinem andern Heil ist als in Dir, daß auch kein anderer Name den Menschen gegeben ist, darinnen sie sollen selig werden!

Die gegenwärtige Welt ist eine arge Welt; sie ist es nicht etwa erst seit heute und gestern geworden; sie ist es immer gewesen. Die ganze Welt liegt im Argen, sagt Johannes: er meint, daß sie nicht in Gott ihrem Schöpfer, dem allein heiligen und seligen liegt und ruht, nicht mit ihm in Verbindung sieht, sondern mit demjenigen was Gott entgegengesetzt ist, mit dem Bösen, dem Argen, daß sie sich darein versenkt hat, davon gleichsam umfangen und umschlungen wird. Das was die Welt zur Welt macht, was ihr Reich von dem stets in ihrer Mitte bestehenden Gottesreich unterscheidet, das ist die Neigung, sich von Gott zu entfernen, ihn zu fliehn, sich vor ihm zu verbergen. Dies ist das Wesen der in ihr herrschenden Sünde, die nichts anderes ist als ein Abfall von Gott, und die in sich den Drang und den Trieb enthält, diese Kluft zwischen, der Seele und dem Gott den sie verlassen hat, stets zu vergrößern.

Schon in jenen uralten Zeiten, die auf die Vertreibung aus dem Paradiese folgten, ward von dem Menschengeschlecht im Großen und Ganzen der Versuch angestellt, ohne Gott zu leben. Kains Nachkommen gingen darin den Uebrigen mit einem Beispiele voran, das bald allgemein nachgeahmt ward. Deshalb hat auch der damalige Zeitraum keine Geschichte; denn was kann von Menschen, die keinem Gott dienen, erzählt werden? Nicht einmal eine dem späteren Götzendienst ähnliche Verirrung weiß die Schrift von ihnen zu berichten. Sie sagt nur: Alles Fleisch hatte seinen Weg verderbt auf Erden, die Bosheit der Menschen war groß; das Dichten und Trachten ihres Herzens war böse immerdar.

Ein neues Geschlecht verbreitete sich auf der Erde, Nachkommen jenes Noah, dem Gott sich offenbart, dem er sich als Helfer und Erretter erwiesen hatte: aber dessen ungeachtet verehrten und liebten sie ihn nicht. Zwar ganz ohne Gottheit wagten sie nicht mehr zu leben, weil zu viele bereits gesammelte Erfahrungen es außer allen Zweifel fetzten, daß die Welt von irgend einer höhern Macht regiert werde: aber wenigstens wollten sie nicht den Gott, Schöpfer Himmels und der Erde, sondern Götter, welche sie sich selbst geschaffen und gemacht hätten; wenigstens wollten sie nicht Einen vollkommenen, sondern Viele unvollkommene; wenigstens wollten sie nicht den Heiligen, in dem kein Böses ist, und dem nichts Böses gefallt, sondern sie wollten Wesen, die mit menschlichen Leidenschaften und Lastern behaftet waren, - anbeten. Der Götzendienst, diese scheinbare Huldigung, welche die Menschen der Gottheit darbringen, war und ist also vielmehr ein Mittel, sich von Gott zu entfernen, um sich den finstern Mächten, die ihm widerstreben, in die Arme zu werfen.

Israel allein, durch Offenbarung belehrt, durch Gesetze und Gebräuche abgesondert, verehrte den wahren Gott: dies kleine Volk nur allein auf dem ganzen Erdboden. Und auch dies verehrte ihn nicht immer. Trotz dem Bunde, den der Herr mit Abraham geschloffen, trotz dem allmächtigen, wundervollen Beistand, wodurch er seine Nachkommen aus Egypten geführt und in der Wüste erhalten; trotz den Verheißungen noch größerer Güter, die er ihnen ertheilt hatte - kann Israel die Nähe seines Gottes nicht ertragen; es fühlt sich geängstigt durch seine Gegenwart; Ruhe, Freude, Behagen findet es nur, wenn es seine Hütte und seinen heiligen Tempel meidet, auf Höhen und in Wäldern opfert, wenn es dem Baal dient, und dem Moloch seine Kinder durch die glühenden Arme gehen läßt.

Jesus erscheint, und er spricht die Absicht seiner Sendung aus in den Worten: Das ist aber das ewige Leben daß sie dich daß du allein wahrer Gott bist, und den du gesandt hast, Issum Christum, erkennen. Die Menschen sollen zu Gott kommen, sollen durch Den, der Gott und Mensch ist, zu ihm geführt werden. Diese Worte ertönen so lieblich und so gewaltig, sie werden unterstützt durch so große Heiligkeit und durch so glänzende Wunder, daß die Menschen, so scheint es, darin die Stimme ihres Schöpfers hätten erkennen, daß sie zu ihm mit wehmüthiger Trauer über die lange Entfernung hätten zurückkehren müssen. Aber Statt dessen fühlt die ganze Welt sich empört. Denen, welche sie dem Fürsten der Finsterniß zuführten, verzieh sie gern; Dem, welcher ihr den Weg zu Gott zeigte, konnte sie nicht vergeben. Die Juden haben ihre eigenmächtig erwählten Satzungen und Gebräuche, die Heiden haben ihre Weisheit, ihre Feste, ihre Laster lieber als Gott. Juden und Heiden verschwören sich gegen Den, der gestorben war, die Scheidewand der Sünden hinweg zu nehmen zwischen ihnen und dem Ewigen, gegen seine Botschafter, die an seiner Statt bitten: Lasset Euch versöhnen mit Gott. Und dreihundert Jahre hindurch mußten die Christen es mit ihrem Blute bezahlen, daß sie Gott suchten, und auch Andere zu ihm führen wollten.

Aber Gott war der Welt zu mächtig, ihr Haß konnte seiner Liebe nicht widerstehn, sie mußte sich zu ihrem Heil bequemen. Ueberall stiegen neue Tempel empor, wo der Vater, der den Sohn auf die Erde gesendet, angebetet, und wo sein Wille verkündigt ward, daß alle Menschen durch den Sohn selig werden sollten.

Aus der weitesten Entfernung konnte der verworfenste Sünder zu dem Gott, der überall ist, durch Buße und Glauben zurückkehren. Dieser Weg erschien jedoch der Welt, die zu großem Theile mit hinein in die Kirche gedrungen war, zu kurz und zu leicht; er mußte verlängert, es mußte dafür gesorgt werden, daß Diejenigen, welche Gott suchten, nur nach weiteren Umwegen, und wo möglich, niemals zu Gott gelangten. Deshalb ward der Christ nicht unmittelbar an seinen Erlöser und an dessen Verdienst, er ward an eine geistliche Herrschaft, die sich mitten inne gestellt, er ward an Menschen, welche die Kirche heilig gesprochen, er ward an ihre Verdienste, ja an seine eigene gewiesen; und selbst für die Gläubigen ward der Weg in den Himmel noch durch ein Feuer, welches sie läutern sollte, erschwert. Alle diese Hindernisse durchbrach jedoch die Sehnsucht nach Gott, welche in dem Herzen einiger frommen Menschen sich regte; sie waren sich bewußt, daß sie durch Buße und Glauben zu ihm gelangt wären, und eben diesen Weg eröffneten sie ihren Brüdern in der evangelischen kehre, welche darum die echt christliche ist, weil sie den Menschen anweiset, wie er am sichersten und schnellsten, nämlich durch Christum, zu Gott gelangen kann.

Es kommen nun die letzten Zeiten, wo ein ganz neuer Weg, sich von Gott zu entfernen, entdeckt ward. Bisher hatte man zwar den Glauben entstellt, aber man hatte seine Grundwahrheiten unangefochten gelassen; man hatte sie zu verhüllen, zu mißbrauchen, aber keinesweges zu vernichten gesucht. Das letztere ward, seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts, die Aufgabe Derjenigen, die sich die starken Geister, die Weisen nannten, und ist es bis auf diese Stunde geblieben. Mitten in der christlichen Kirche hört man di sonst unerhörten Behauptungen, daß Christus nicht wahrer Gott, daß seine Lehre nicht göttlich, untrüglich ist, sondern mit menschlichen Irrthümern vermischt, daß sein Tod keine Kraft besitzt, die Menschen selig zu machen. Und warum fand diese an sich thörichte und vernunftwidrige Lehre so großen Beifall, so viele Jünger? Weil sie den Trieb unsers sundhaften Herzens begünstigt: Gott zu meiden. Erkennt man Christum für seinen Sohn, die Schrift für sein Wort, so wird man fast gewaltsam zu ihm gezogen; läugnet man beides, so kann man von ihm entfernt bleiben; und eben das will man, dabei hofft man, sich wohl zu befinden.

Dieser Abfall mußte seine Früchte tragen. Nur in Gottes Hand ist das Herz sicher verwahrt; hat es sich ihm entzogen, so werden alle Kräfte und Fähigkeiten, anstatt ihm zu dienen, dienstbar dem Reiche der Finsterniß und der Sünde. Nicht mehr gezügelt durch seine Gnade, die sie allein bändigen kann, durchbrechen die Leidenschaften alle Schranken; wenn auch eine äußere Scham sie zurückhält, so durchwühlen und vergiften sie das Herz; wenn sie auch zur Erfüllung mancher Pflichten antreiben, so sind dies doch allein äußere bürgerliche Pflichten, bei welchen man nur die eigene Ehre, nicht die Ehre Gottes sucht. Niemals aber hat der Mensch in der Hingabe an die Sünde und an seine Leidenschaften Ruhe gefunden; der Schöpfer hat sein Herz so eingerichtet, daß er nur in ihm, dem höchsten Gute, ruhen und sich glücklich fühlen kann, daß jede Entfernung von ihm auch eine Entfernung von seinem Glücke ist. Wenn daher der Abfall von Gott unter einem Geschlechte allgemeiner wird, so geräth es in eine unruhige Bewegung; ein jeder sucht rastlos das, was auf dem Pfade, den er betreten hat, nimmer anzutreffen ist; ein jeder wirft die Schuld dieses Mißlingens auf die Umstände, da er doch nur sich selber anklagen sollte. Auf den Himmel, wo das hier fehlende Glück dem Frommen tausendfach ersetzt werden soll, hat man alle Ansprüche aufgegeben; wie könnte der Himmel, wo Gott alles in allem ist, wo kein Glück gedacht werden kann, als in Gemeinschaft mit ihm, ein Gegenstand der Wünsche und Hoffnungen Desjenigen seyn, der Gott verlassen hat, und nicht zu ihm zurückkehren mag? Den Augenblick will man erobern, hier auf Erden will man sein ganzes Schicksal vollenden; die Gegenwart, die nicht alle Wünsche befriedigt, ist verhaßt; die Blicke sind auf die Zukunft, nicht die ewige, sondern die nächste irdische gerichtet; und nun drängt ein ganzes Geschlecht gegen die wohlthätigen Schranken der Gesetze und Einrichtungen, die Gottes Hand Jahrhunderte hindurch aufgebaut hat, um sie niederzureißen, und um das, was von der eigenen Weisheit ersonnen ward, an die Stelle zu setzen.

Dies, meine Brüder, sind die Hauptzüge der jetzigen Zeit. Es ist eine Zeit, wo man den Glauben verwirft, wo man auf alle höhere Antriebe zur Tugend Verzicht leistet, wo man sich auf eine bürgerliche, äußere Pflichterfüllung beschränkt und meint, daß diese den ganzen Werth des Menschen begründe; wo man mit allen Dingen unzufrieden ist, bei der vollkommensten Zufriedenheit eines jeden mit sich selbst; wo man die wahren Ursachen des Glückes und des, Unglückes der Menschen nicht zu entdecken vermag, und wo vielfache Versuche angestellt werden, die Welt zu verbessern auf einem Wege, der nicht der Weg Gottes ist. Doch sind in der Gegenwart diese Erscheinungen ein wenig anders gefärbt, als in der nächsten Vergangenheit, und umgeben von einer gewissen Mäßigung, die sie sonst zu verschmähen pflegten. Der Unglaube, der sonst das Heilige durch Spott und Verhöhnung angriff, erscheint jetzt mit ernstem Angesicht und verheißt durch tiefsinnige Untersuchungen de n Durst des Wissens zu befriedigen. Die Leidenschaften, die sich sonst vornehmlich in die Bahn der Sinnenlust warfen, und sie mit schamloser Frechheit verfolgten, haben, ohne sie gänzlich zu verlassen, sich doch mehr dem Ziele des Ehrgeizes zugewendet, und tragen Sorge den Anstand nicht auffallend zu verletzen. Die Empörung, die sich sonst in Blut badete, scheut sich jetzt es zu vergießen, und wenn der Tiger auch einmal seine Klauen zeigt, so zieht er sie doch wieder zurück, und nimmt den Ruhm der Großmuth für sich in Anspruch. Dadurch hat sich jedoch die Natur des Abfalles nicht verändert; sondern die Irrthümer sind nur um so kräftiger geworden, um, wenn es möglich wäre, selbst die Auserwählten zu verführen.

Zu allen Zeiten hat der Abfall von Gott, unter welcher Gestalt er sich auch zeigte, die Strafgerichte des Höchsten herbeigezogen. An uns selbst hat jene frühere Zeit, wo Unglaube und Sittenverderbtheit frech und schamlos einhergingen, wo durch ihre Wirkung alle gesellschaftlichen Bande sich auflöseten, im Anfange dieses Jahrhunderts, ihre bitteren Früchte getragen. Eine geringe Umkehr zu Gott, dessen Gnade ohne Ende ist, hat die Strafgerichte sogleich in Segnungen verwandelt. Aber sollte er diejenigen Völker, wo der Abfall fortdauert, ja, wo er jetzt anfängt sich in seiner Größe und Furchtbarkeit zu zeigen, sollte er uns, wenn wir ihnen ähnlich würden, nicht mit neuen und größeren Strafgerichten heimsuchen? Irret Euch nicht! Gott läßt sich nicht spotten! Das haben die Gottlosen, wenn er sie auch lange getragen und geschont hatte, doch immer am Ende erfahren. Schon diese Erde ist ein Schauplatz göttlicher Gerechtigkeit, wo nicht für die Einzelnen, doch gewiß für die Völker, und alle Diejenigen, welche im Abfall von Gott, sich ihren wilden Leidenschaften überließen, gehn der gerechten Strafe, die sie treffen wird, entgegen. Was sage ich? Hat diese Strafe sie nicht schon getroffen? Ist diese jetzige Zeit der Verwirrung, der Unruhe, der Bangigkeit, der Erwartung, nicht ein Gericht, das Gott über die Völker verhängt hat, zur Züchtigung für Einige, zur Warnung und Prüfung für Alle?

Aber Gottes Hand sendet nicht nur zeitliche, sondern auch ewige Strafen. Wie der Herbstwind die verwelkten Blätter einer großen Waldung herabweht, daß sie zahllos den Boden bedecken, so treibt die Hand des Todes alle diejenigen unter dem jetzigen Geschlecht, die im Abfall von Gott begriffen sind und ihn befördern; alle die den Unglauben predigen, und die Verwirrung anrichten auf Erden; - alle diese, sage ich, treibt die Hand des Todes bald hinweg aus diesem Leben, wo sie jetzt noch in frischer Thätigkeit blühn, und führt sie hinüber in die Ewigkeit. Welches ist dort der Lohn des Abfalls? Sein Lohn ist der Abfall selbst, es ist die Entfernung von Gott, es ist die Erfüllung des Wunsches, mit ihm in keiner Verbindung zu stehn. Es ist das Wort des Richters: Gehet hin, wie Ihr es immer gewünscht und immer gethan habt; es ist das Wort: Werfet ihn hinaus in die äußerste Finsterniß. So werden sie einmal endigen alle Diejenigen, welche die Menschen auf einem andern Wege, als auf dem von Gott vorgeschriebenen, führen; alle die ihnen eine Weisheit, welche nicht die Weisheit Gottes ist, aufdringen; alle, welche die Gefühle von Wahrheit und Gerechtigkeit in ihrem Herzen entkräften wollten; alle welche fortgerissen von der gegenwärtigen argen Welt ihrem Strudel folgen, und in dem Abfall von Gott verharren bis ans Ende. Auch die Ewigkeit hindurch werden sie in diesem Abfall verharren, in der Entfernung von Dem, nach dessen Bilde die Seele geschaffen war, und zu dem sie sich zurücksehnt durch unaussprechliche, oft von ihr selbst nicht verstandene Seufzer. O Gott, Gott, Du Urquell aller Seligkeit, welcher Wurm und welches Feuer werden die lange Ewigkeit hindurch Diejenigen nagen und brennen, die stets nach Seligkeit schmachten, und sie nimmer finden, weil sie fern sind von Dir!

Von dieser argen Welt errettet uns Christus: und wodurch? Dadurch, daß er uns zu Gott führt. Denn die Welt ist ja nur arg, weil sie sich von Gott entfernt hat; Christus, der einzige, durch den wir zu Gott kommen können, ist also auch der einzige, der uns erretten kann.

O fühltet Ihr doch, meine Brüder, daß das, was wir Euch als das Wesen der argen Welt geschildert haben, diese Trennung und Entfernung von Gott, Euer aller, auch der Besten unter Euch, natürlicher Zustand ist; daß Ihr, von der einen Seite, hingezogen durch ein unüberwindliches Bedürfniß zu ihm, ohne den es keine Seligkeit gibt, doch auch von der andern Seite im Gefühl Eurer Sündhaftigkeit, ich weiß nicht welche Bangigkeit vor ihm, ja welche Abneigung gegen ihn empfindet. Wer wird diese Bangigkeit entfernen, diese Abneigung besiegen? Ihr könnt es nicht, kein Mensch kann es, kein natürliches Mittel ist dazu ausreichend. Nur Christus, der Gottheit und Menschheit verband, und indem er unter uns lebte, uns die Gottheit nahe brachte; nur Christus, der durch eine unwiderstehliche Gewalt die Gemüther an sich zieht und sie mit sich zu seinem himmlischen Vater erhebt; nur Christus, der für unsere Sünden starb, und der das Grausen, welches die schuldbewußte Kreatur vor ihrem Richter empfindet, in Vertrauen verwandelt, - nur Christus allein kann unserm Abfall von Gott ein Ende machen, kann zwischen ihm und uns eine enge Verbindung stiften. O daß jetzt die Gnade Euer Herz öffnete für das Wort des Herrn: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben; Niemand kommt zum Vater als durch mich; für das Wort des Johannes: Wer den Sohn läugnet, der hat auch den Vater nicht! O daß Ihr, die Ihr doch alle wünschet zu Gott zu kommen, die Ihr fühlt, daß nichts entsetzlicher ist, als der Abfall von ihm, daß Ihr doch alle das Mittel ergriffet - das einzige, das bei diesem Schiffbruch Euch zu Eurer Rettung geboten wird. Wäre uns ein Anderes bekannt durch Schrift und Erfahrung, wir würden es Euch verkünden; aber da es nur dies Eine gibt, da wir nur von diesem wissen, nur dieses Euch rühmen können - o möchtet Ihr es annehmen!

Als Israel in der Wüste durch feurige Schlangen geplagt ward, und Viele an ihren giftigen Bissen starben, da richtete Moses, nach Gottes Verordnung, das eherne Bild einer Schlange auf, und Alle die es gläubig anschauten, genasen. So ist auch Christus unter uns aufgerichtet - was soll ich sagen? als ein Zeichen des Heils, oder als ein Zeichen dem widersprochen wird? Ach! freilich wird ihm jetzt von Vielen widersprochen; die Partheiungen und Kämpfe der Zeit bringen mehr als sonst den tiefsten Sinn des Menschen an das Licht, und Mancher, der sonst geschwiegen hätte, muß jetzt reden, muß sich entscheiden wider Christum oder für ihn. O wenn Viele sich wider ihn erklären, möchtet Ihr euch, meine Brüder, möchtest Du mein Volk Dich für ihn entscheiden! Möchte er in der gegenwärtigen argen Welt, wo es von Schlangen wimmelt, und wo Mancher von ihrem giftigen Zahne verwundet wird, für Dich ein Zeichen des Heiles seyn, das Alle errettet, die gläubig die Augen darauf richten!

Aber von welchem Glauben reden wir, und wie muß der, welcher uns helfen soll, beschaffen seyn? Ist er ein bloßes Nachdenken über die christlichen Lehren, wobei der Verstand allein sich thätig beweiset? Ist er ein bloßes Spielen mit Bildern, wobei das Gemüth leer bleibt? Ist er. ein bloßes Versinken in Empfindungen, die auf den Willen und das Leben keinen, Einfluß haben? Ach! Mancher unter uns hat vielleicht in der bisherigen ruhigen und glücklichen Zeit sich mit einem solchen mangelhaften Glauben beholfen, der jedoch zu keiner Zeit wahrhaft helfen kann. O möchte die jetzige ernste und schwere Zeit einem Jeden die Nothwendigkeit zeigen, eines ernsten und festen Glaubens, der gegründet auf Erkenntniß, das ganze Herz erfüllt und den ganzen Willen regiert; eines Glaubens, wo Christus nicht nur unser Nachdenken beschäftigt und unsere Gefühle erweckt, sondern wo er auch in unserm Innern wohnt, um es zu heiligen und das Leben unsers Lebens wird; eines Glaubens, wo wir nicht nur den Christus verehren, der einmal in Judäa gewandelt hat, nicht nur emporblicken zu dem Christus, der im Himmel thront, sondern auch die Gegenwart des Herrn spüren, der uns zur Seite steht, und uns durch Worte und Blicke ermuntert, den heilsamen und mühevollen Weg zu wandeln, den er selber gegangen ist; eines Glaubens, wo Christus, den wir gefunden haben, für uns jene Eine köstliche Perle ist, die wir höher schätzen als die ganze Welt, und für die, um sie zu bewahren, wir die ganze Welt hingeben würden!

Ist Christus durch diesen Glauben unser Alles, unser Freund, Führer und Beschützer geworden, so errettet er uns von der gegenwärtigen argen Welt, indem er uns ihrem Treiben entreißt, und von ihren sündlichen Leidenschaften frei macht. Als das Volk in der Wüste jenem vergoldeten Götzen zu Ehren heidnische Feste beging, da trat Moses in die Thür des Lagers und rief: Her zu mir, wer dem Herrn angehöret; und es sammelten sich um ihn alle Kinder Levi. So ruft Christus in die Welt hinein: - o könnte wohl ihr Lärmen, ihr Geschrei jemals diese heilige Stimme übertönen? - er ruft: Her zu mir, ihr meine Jünger, meine Glieder! Folgt mir in Demuth und Selbstverläugnung; bezwingt euer Herz, dann gehört ihr nicht mehr der Welt, wäret ihr auch genöthigt mitten in ihrem Strudel zu leben. Die Welt kennt mich nicht, sie besitzt nicht das eine höchste Gut: deshalb begehrt sie immer neue und immer größere Güter, Um ihr Verlangen zu stillen. Die Welt fühlt sich gedrückt durch die Lange der Zeit, gequält durch Vorwürfe des Gewissens: deshalb sucht sie Zerstreuung, Bewußtlosigkeit, und findet sie nur in der Leidenschaft, in der Sünde. Ihr, habt mehr, als die Welt jemals begehren, suchen und finden kann; ihr habt mich, der ich die ganze Welt erschaffen habe; ihr habt das gute Theil erwählt, das niemals von euch soll genommen werden. Was wolltet ihr unruhig seyn, was wolltet ihr verlangende und ängstliche Blicke richten aus Dinge, die ihr nicht bedürft? Geht aus von der Welt und von euch selber, um euch immer tiefer in mich zu versenken. Dann seyd ihr gerettet!

So spricht Christus, und die Seinigen hören seine Stimme. Aber auch sie reden, auch ihre Stimme wird vernommen, und selbst gerettet, werden sie ein Werkzeug zu Vieler anderen Errettung. Sie bekennen, was sie der Gnade des Herrn verdanken, und ihr Bekenntniß bleibt nicht unfruchtbar, weil es durch ihre Gesinnung und ihren Wandel unterstützt wird. Ein Leidenschaftlicher, Ehrgeiziger mag Christum bekennen - er ist nichts als ein tönendes Erz und eine klingende Schelle. Wer aber mitten in der Welt lebt, ohne ihr anzugehören, wer in sich die Leidenschaften ertödtet hat, welche Andere beherrschen - der wird den Mund aufthun zum Zeugniß von Christo, und wenn auch Viele ihm widersprechen, so werden doch auch Viele ihm beipflichten; ja, Manche die ihm zuerst widersprochen hatten, werden sich mit ihm zur Ehre des Herrn vereinigen. Diese, welche frei sind von irdischen und vornehmlich von ehrgeizigen Leidenschaften/ sie, mögen jetzt reden, und auch darüber ein Zeugniß ablegen, was Pflicht sey im Verhältniß der Völler zu den Fürsten. Sie mögen die große Wahrheit behaupten, die jetzt von so vielen Seiten geleugnet wird: daß keine Obrigkeit ist ohne von Gott; daß wer sich wider die Obrigkeit setzet, der widerstrebet Gottes Ordnung. Aber selbst indem sie dieses behaupten sey ihre Rede allezeit lieblich und mit Salz gewürzt, wie es stets die Rede Derjenigen seyn wird, die bei der Verkündigung der Wahrheit nicht ihren eigenen Vortheil, sondern nur die Ehre des Herrn und das Beste des Nächsten suchen.

Die Christo angehören werden beten, und auch dadurch werden sie sich und mit sich viele Andere erretten. Gläubige Jünger des Herrn! Die Welt bedarf jetzt vieler, anhaltender Gebete, wenn sie nicht gänzlich in ihrem argen Wesen zu Grunde gehn, wenn sich aus den gegenwärtigen Kämpfen bald wieder Licht, Ordnung und Friede entwickeln soll. Diese Pflicht beruht aber auf Euch allein; Ihr allein könnt beten, weil Ihr an Christum glaubt; die Welt vermag es nicht, weil sie ihn nicht kennt. O verlängert jetzt Eure Unterredungen mit Gott; und wenn Ihr dann Eure Sünden beweint, für das Heil Eurer Seele gefleht, Eure Kinder und Angehörigen seiner Gnade empfohlen habt: so laßt auch den jetzt so weit verbreiteten Jammer der Menschheit Euch zu Herzen gehn; so bittet Gott auch daß er sich aller Irrenden erbarme, daß er Alle, die ihn fliehen, zu sich zurückrufe, daß er die Binde löse, welche der Wahn um die Augen so vieler Menschen und selbst ganzer Völker geschlungen hat. Betet dann auch für unser theures Vaterland! Ach, wann war es wohl nöthiger als jetzt, Euch die Vorschrift des Apostels an das Herz zu legen: So ermahne ich nun, daß man vor allen Dingen zuerst thue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, für die Könige und für alle Obrigkeit, auf daß wir ein ruhiges und stilles Leben führen mögen in aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit. Bittet, daß er unser Volk behüte wie seinen Augapfel; daß wenn er zur Strafe für die Welt verheerende Gewitter heraufführen sollte, er uns indessen unter dem Schatten seiner Flügel bewahre; daß, während Finsterniß sich jetzt so weit aus Erden verbreitet, in unsern Wohnungen und in unsern Herzen das Licht seines Geistes und seiner Gnade leuchte. Sie werden nicht vergeblich seyn diese Gebete; durch sie wird in Erfüllung zehn, was der Herr verheißt: Sollte Gott nicht retten seine Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm rufen? Ich sage euch: Er wird sie erretten in einer Kürze!

Solcher Gläubigen, solcher Beter, solcher Christen, die sich selbst und mit sich viele Andere retten, wird es immer eine bedeutende Anzahl unter uns geben. Wir haben zwar die Welt gescholten, weil Gott sie schilt, wir haben sie arg genannt, weil Gottes Wort sie dafür erklärt; aber wir wollen und dürfen nicht vergessen, daß mitten in dieser argen Welt das Reich Gottes besteht, und daß es demselben, durch die Wirkung der Gnade nie an Genossen fehlen wird. Wir wollen und dürfen nicht vergessen, daß zwar der Prophet Elias in einer Aufwallung des Unmuthes klagte: Herr, sie haben deine Propheten getödtet und deine Altäre ausgegraben, und ich bin allein übergeblieben, und sie stehn mir nach meinem Leben; daß er aber von dem Herrn die Antwort erhielt: Ich habe mir lassen übrig bleiben sieben tausend Mann, die ihre Knie nicht gebeugt haben vor dem Baal. O heiliges Geschlecht, königliches Priesterthum, o Volk der Auserwählten, die da leuchten wie Sterne mitten in der Finsterniß dieser Welt, die da gläubig sind unter den Ungläubigen, rein unter den Unreinen, treu unter Denen die treulos werden; die ihre Knie nicht gebeugt haben vor dem Baal, vor keinem der Götzen die das Zeitalter anbetet; die nicht das Mahlzeichen des Thiers, sondern das Siegel des Herrn an ihrer Stirne tragen; Ihr, die der Herr sich hat lassen überbleiben an allen Enden der Erde: ich begrüße Euch im Geist I O es sey mir erlaubt anzunehmen, daß Eure Anzahl groß ist, daß Viele unter Euch zu meinem Volke, zu den Bürgern dieser Stadt, zu den Mitgliedern dieser Gemeine, zu den in diesem Augenblick hier Anwesenden gehören. O der Herr vermehre Euch stets! Er lasse dazu auch die Predigt seines Wortes dienen! Eine jede sey wie die Predigt des Petrus am Pfingstfest, wodurch viele Seelen der Gemeine hinzugethan wurden!

Alle diese und uns mit ihnen, wenn wir zu ihrer Anzahl gehören, wird der Herr erretten geistig und leiblich, jetzt und in Zukunft. Wir wissen nicht was die nächste irdische Zukunft uns bringen wird; nur das wissen wir, erfüllt wird in ihr werden was Gott von Ewigkeit an beschlossen hat. Vielleicht wie auf die Zeiten der Ruhe so unerwartet diese Bewegung folgte, so folgt auf diese Bewegung eben so unerwartet Ruhe und Friede. Vielleicht stehn uns, ehe wir zu diesem Ziele gelangen, noch manche Kämpfe bevor. Daß wir in diesen Kämpfen nicht erliegen, daß wir in ihnen das glänzende Gewand, womit wir als Reichsgenossen Jesu Christi angethan sind, unbefleckt erhalten, das muß unser heißester Wunsch seyn. Und dieser Wunsch wird in Erfüllung gehn. Der Herr, an den wir glauben, zu dem wir beten, wird uns schützen und bewahren vor dem Argen. Er, welcher das Irdische wie das Geistige beherrscht, wird sein treues Erbtheil, seine Heerde, durch alle inneren und äußeren Gefahren unversehrt hindurch führen. Er wird es jetzt thun, wie er es immer gethan hat. Ein Beispiel möge hier Statt aller übrigen gelten.

Jerusalem war dem Gerichte verfallen, das seine vielen aufgehäuften Verbrechen und das größte unter allen, die Verwerfung Jesu Christi bestrafen sollte. Der Herr sieht dieses Schicksal voraus; er weiß aber auch daß zu der Zeit wo es hereinbrechen wird, in Jerusalem eine große zahlreiche Gemeine seiner Jünger wird gesammelt seyn. Diese soll nicht mit den übrigen untergehn. Er bezeichnet daher genau die Begebenheiten, welche die Vorboten dieses großen Gerichtes seyn, und das Herannahen desselben verkündigen würden. Er befiehlt den Seinigen darauf zu merken, und wenn sie diese Zeichen wahrnähmen, Jerusalem zu verlassen und in die Berge zu fliehen. Die Stunde des Untergangs kam für Jerusalem, die Adler flogen zu ihrer Beute. Den Befehlen des Herrn gemäß, verließen die Christen diese Stadt, wo kein Stein auf dem andern bleiben sollte, und verweilten in den Gebirgen Arabiens, sicher unter der Obhut des Herrn, bis das Verderben vorübergegangen war. Verlasset Jerusalem, das heißt: trennt Euch durch den Glauben von den Ungläubigen, durch Treue von den Treulosen: dann wird sich der Herr auch durch eure Rettung verherrlichen.

Wer aber wird uns erretten am letzten der Tage, wenn diese Welt zusammenbricht, wenn das ganze Geschlecht der Menschen zitternd vor seinem Richter versammelt ist, wenn von der einen Seite sich der Abgrund öffnet um die Verdammten, von der andern Seite der Himmel um die Auserwählten zu empfangen? Dann wirst Du uns erretten, o Herr! Dies ist deine letzte große Errettung, die letzte große Sonderung, wovon jede frühere nur ein schwaches Vorspiel gewesen ist. Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbet das Reich das euch bereitet ist vom Anbeginn der Welt! So sprichst Du alsdann; und wie der Wind die Spreu scheidet von dem Weißen, so trennen diese Worte Diejenigen, die mit der Welt zu Grunde gehn, von Denen die bestimmt sind in deinem Reiche ewig zu leben. Ach! auch zu uns wollest Du alsdann diese Worte sprechen; auch uns alsdann die ganze erlösende und errettende Kraft deines vergossenen Blutes empfinden lassen! Auch uns dahin führen, wo keine Gefahr uns umgibt, keine Versuchung uns droht, keine Sünde mehr begangen wird. Um diese Gnade zu ererben wollen wir ringen und kämpfen, dulden und beten. Darum beten wir auch jetzt, mit den Worten die Du uns gelehret hast: Unser Vater rc. Amen.

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