Tersteegen, Gerhard - Gottesfürchtige und erbauende Briefe - Vierter Brief.

Tersteegen, Gerhard - Gottesfürchtige und erbauende Briefe - Vierter Brief.

Glück der Seelen, die Alles willig fahren lassen, sich blind Gottes innerer Führung hingeben, und ganz von ihm abhängig werden.

Herzlich im Herrn Jesus geliebter Freund und Bruder!

Deine beiden Briefe habe ich zu gleicher Zeit empfangen. Ich erkenne Deinen Zustand und die Führung des Herrn hinlänglich aus der Beschreibung, die Du mir davon machst. Es ist dasselbe, was der Herr mir erlaubt einzusehen und nach meinen Kräften zu erfahren; darum ist meine ganze Antwort: Wie euch die Salbung allerlei lehrt, so ist es wahr und ist keine Lüge; und wie sie euch gelehrt hat, so bleibt bei demselbigen. (1. Joh. 2,27.) Der innige Zug der Liebe Gottes in unserm Herzens-Grunde ist wie ein göttliches Gewicht. Wie glücklich sind die Seelen, die mit verschlossenen Augen nur fahren lassen und nachgeben! Bei diesen zieht das Gewicht nach sich, und der Geist sinkt ohne Mühe hinab. Wer sich dann festhalten will, wird aufgehalten und martert sich ab ohne Nutzen; wer sich aber ganz hingibt, der findet Freiheit, Raum und Ruhe auf einem Boden, der Gott selbst ist, wenn durch Loslassen und Leiden alle Stützen gefallen sind. Ich sage viel mit wenigen Worten; aber Du verstehst mich doch. Was ich eigentlich sagen will, ist dieses: Wir dürfen durchaus dem innigen Zuge von Gottes teurer Gnade in unserm Innern nichts von dem vorenthalten, was er nimmt und fordert, sondern müssen recht milde werden, Alles zulassen und in Allem uns willig fügen, damit der Herr von uns erlange, was er fordert, und Wohlgefallen an uns finde, hier und in der Ewigkeit. Im Zustande, wo die Seele noch wirklich handeln muss, kann man sagen: Tue dies, und meide jenes; wenn aber die Kraft Gottes das Übergewicht bekommt, dann bleibe man nur im Innern, und lasse sich belehren und leiten von dem, der uns Eigenheiten und Stützen zeigt und entreißt, die weder wir noch irgend eines Menschen Auge entdeckt haben würden. O wie treu und gut ist dieser Führer, der uns aus Gnade bei der Hand fasst! dem wir uns so ganz anvertrauen, um in willenloser Abhängigkeit von Ihm und in Ihm zu leben! Wie billig und gerecht ist es, dass Er Alles verlangt, und dass wir Ihm Alles geben! Man spürt es ja, dass die Seele arm und gebrechlich bleibt, die noch etwas will oder hat (es sei was es wolle), was nicht Gottes ist, und dass die Seele reich und vollkommen beruhigt lebt, die sich allein mit Ihm begnügt. Dabei, werter Bruder, bleibe es denn durch die Gnade des Herrn, dass Er allein uns genug, und Herr und Meister im innern Reich unsrer Seele sei. Sein heiliges, aber auch liebendes Auge erforsche uns genau, und mache sich für ewig Alles zu eigen, was in uns ist; auf dass wir stets reiner und einfältiger Ihm allein angehören und Er allein Gott in uns sein möge. Amen! Dem sei also!

Ich grüße Dich herzlich, und bleibe durch die Gnade
Dein in dem Herrn verbundener Bruder.

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autoren/t/tersteegen/tersteegen-briefe/tersteegen_-_brief_4.txt · Zuletzt geändert: von aj
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