Tersteegen, Gerhard – Briefe in Auswahl – Die kleinen Kreuze sind hoch zu achten, weil der Geist das durch umso freier zu Gott kann aufklimmen; denn sie sind dem Geiste das, was das Gehege um den Berg Sinai Moses war, der mit dem lautern Geiste, und die Priester und das Volk mit unsern Werken verglichen werden.

Tersteegen, Gerhard – Briefe in Auswahl – Die kleinen Kreuze sind hoch zu achten, weil der Geist das durch umso freier zu Gott kann aufklimmen; denn sie sind dem Geiste das, was das Gehege um den Berg Sinai Moses war, der mit dem lautern Geiste, und die Priester und das Volk mit unsern Werken verglichen werden.

Der Friede Gottes in dem süßesten Namen Jesu werde in Dir vermannigfaltigt. In ihm herzlich geliebte Schwester!

Dem Herrn sei Liebe und Dank für Alles; denn was er tut, ist sehr gut. Hauptsächlich sollten wir die kleinen Kreuze mit großer Ehrfurcht aus seiner Hand annehmen, da der Glaube uns lehrt, dass sie so köstlich sind, und der Herr es uns zuweilen auch erfahren lässt, dass der Geist sich ihm umso reiner und abgeschiedener nähern und mit ihm sein kann, wenn der Seelen- und tierische Teil durch ein Gehege von Kreuzen umgeben ist. Die Priester selbst oder werksame Dienste und Opfer sind zuweilen verhindert, wie bei Moses (siehe Exod. 19, 23. 24.), dem reinen Geiste zu nahen; die unbedeutenden Kreuze aber dienen am besten dazu, und vielleicht besser als Verfolgungen. Der Geist ist durch die Abweichung von Gott in den tierischen Teil eingezogen, und ihm wie einer ägyptischen Sklaverei unterworfen, ja zuweilen so tief darin eingedrungen, dass er zum Fleische geworden ist (Gen. 6, 3.). Wenn ihn nun die mächtige Hand des Herrn herausziehen und zu seinem Dienste berufen will, dann folgt dieser gröbere Teil, ja läuft zuweilen voraus, und will in seiner Eigenliebe und seinem Selbstleben Gott dienen und Teil an seiner Gemeinschaft haben. Ich weiß nicht, ob Viele wohl weiter kommen. Durch empfindliche Kreuze und Entblößungen weiß der Herr bei seinen Auserwählten diese Dienste geschmacklos zu machen und den Geist unvermerkt vorzubereiten, sich ihm mehr allein zu nähern und sein Gebot unmittelbar zu empfangen. Dennoch mussten die Priester und das Volk von Moses geheiligt und bis unten an den Berg geführt werden (Exod. 19, 17.). Die Treue, der werksame Dienst und die Entsagung sind notwendig, um bis an den Berg zu gelangen; aber der Geist allein wird gewürdigt heraufzusteigen, ihn lässt der Herr zu sich gelangen. Heilig und selig sind die Seelen, die ihr Leben nicht lieb haben bis in den Tod, um sich zu dieser Anbetung Gottes im Geiste und in der Wahrheit leiten und bereiten zu lassen. Gott sprach auch wohl mit Moses in Gegenwart des Volks; aber wenn er wie von Mund zu Mund mit ihm reden wollte, dann musste Volk und Priester und Alles zurückbleiben; und in dieser Einsamkeit fielen ihm die vierzig Tage so lange nicht, als sie Andern fielen trotz aller Abwechselung und Gesellschaft.

Wie selten ist es, dass auch berufene Seelen die Einführung in diese glückliche Nacktheit und Einsamkeit abwarten, wo nur Geist mit Geist umgeht unter Hinterlassung alles Eignen und Menschlichen. Da lernt der Geist nicht allein aus dem Grunde, was reiner Gottesdienst ist, sondern auch die rechten Eigenschaften und Gesetze des äußeren Gottesdienstes als Anleitung zum Dienst des Geistes, und keinen abgöttischen Kälberdienst. Ich grüße Dich recht innig, werte Schwester. Der tiefe Friede Gottes in dem Namen Jesu umfange Deinen Geist und durchdringe ihn ganz, um in dem Gottleben dem Herrn überall wohlzugefallen und vollendet zu werden in dem Einen! Bete auch für mich, wenn es Dir verliehen wird. Dein

in Liebe verbundener schwacher Mitbruder.

Mülheim, den 10 Mai 1746.

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autoren/t/tersteegen/briefe_in_auswahl/tersteegen-briefe-95.txt · Zuletzt geändert: von aj
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