Tersteegen, Gerhard – Briefe in Auswahl – Berufene Seelen müssen sich bei nichts aufhalten, selbst nicht beieinander. Was von Gott kommt und zu Gott führt, wird nicht allein an dem Frieden und dem Raume erkannt, den es dem Gemüte gibt, sondern auch an eine gewisse Lauterkeit oder Entledigung alles Eigenen und alles Erschaffenen. Bemerkenswerte Erweckung einer Frau.

Tersteegen, Gerhard – Briefe in Auswahl – Berufene Seelen müssen sich bei nichts aufhalten, selbst nicht beieinander. Was von Gott kommt und zu Gott führt, wird nicht allein an dem Frieden und dem Raume erkannt, den es dem Gemüte gibt, sondern auch an eine gewisse Lauterkeit oder Entledigung alles Eigenen und alles Erschaffenen. Bemerkenswerte Erweckung einer Frau.

Im Herrn Jesus, der in uns lebe und herrsche, werte und herzlich geliebte Schwester!

Dass es der gütigen Vorsehung behagte, uns diesen Sommer noch einmal zusammenzuführen, um uns von Angesicht zu Angesicht zu sehen und im Geiste zu fühlen, war mir höchst angenehm, und ich bin dafür sehr dankbar. Dem Herrn sei Dank für Alles, und er lasse nur Alles allein zu seiner Verherrlichung gereichen, in der wir uns und alle unsere Genüsse willig verlieren müssen. Ine dessen muss ich einfältig bekennen, dass ich mehrmals eine gewisse Stärkung und Geräumigkeit im Grunde spürte, wenn wir zusammen waren, von der ich weiß, dass sie aus höherer Hand kam. Wir dürfen uns bei nichts aufhalten, nicht einmal Einer bei dem Andern. Nichts genügt als er allein und was rein zu ihm führt, und dieses erkennt man an dem Frieden und der Geräumigkeit des Geistes, welche beide nebst einer gewissen Lauterkeit, der man keinen Namen zu geben weiß, das eigentliche Kennzeichen dessen ist, was göttlich oder von Gott ist. Und es ist köstlich, miteinander eine Vereinigung in Gott zu haben, eine Vereinigung, die an kein Bild, keine Zeit oder keinen Ort gebunden ist, sondern die sehr oft, wenn der Herr es verleiht, am reinsten außer Zeit und Ort empfunden wird, und in diesem elenden Leben zur Stärkung und Erquickung gereichen kann. Nun, ich wünsche, dass der Herr in und mit Dir sein mag, liebe Schwester, in allen Lagen, Zufällen und Umständen, Dich festhaltend in seinem Frieden und in der gänzlichen Hingebung in die Hände Gottes, auf dass sein göttliches Werk in Dir und durch Alles befördert werden möge, und Jesus ganz das Leben Deiner Seele werde! Bete auch für mich, wenn es Dir eingegeben wird. Ich scheine viel nötig zu haben und bin doch ärmer, als Andere glauben. Ich kann nicht so abgesondert leben wie Du. Ich muss gegen meinen Willen schreiben und sprechen, und das, ohne Gewissheit zu haben vom Willen Gottes. Ich ziehe mich zurück so viel ich kann, aber das hilft nichts. Bis hierher geschrieben habend, bekomme ich schon wieder Besuch. Einige sind erst seit wenigen Wochen abermals vom Herrn angezogen, und diese suchen mich dann auf, obgleich dieses gewissen Menschen missfällt. Einige, ja die meisten, werden unmittelbar zum Herrn gezogen. Z. B. Eine gewisse Bauersfrau war mit anderen Frauen im Felde an der Arbeit; da kamen drei unbekannte Männer über den Weg längs dem Felde vorbei, von denen eine zu den andern sagte: dass, wenn Gott durch seinen Geist und seine Gnade nicht des Menschen Herz umwandelte, dieser nie besser werden könnte. Dieses machte einen tiefen Eindruck auf die Bäuerin, und obgleich sie die Worte vernommen hatte, frug sie doch die anderen Frauen: was sagen die drei Männer dort? Die Weiber wiederholen und bestätigen das Gesagte, und wollen zugleich aufstehend sehen, ob sie die Männer nicht kennen, können sie aber nicht mehr erblicken. Die Bauersfrau fiel inzwischen zu Boden wie in Ohnmacht oder Betäubung, und wurde für tot nach Hause gebracht. Als sie wieder zu sich selbst kam, war sie sehr verwirrt über ihren Zustand usw. Einige Tage nachher ist sie mehrere Male in Ohnmacht gefallen. Kurz, man sieht an ihrem Wesen und Wandel, dass sie ganz verändert ist, und bis jetzt bemerkt man nichts als gute Früchte davon. Dem Herrn sei Dank! Er befestige und schenke Wachstum seiner Saat, damit die Hitze, die kommen möchte, sie nicht vertrockne! Könnten die Menschenkinder doch nur glauben, mit welcher wunderbaren Liebe das allgenügsame Wesen sie sucht, über sie wacht und für sie sorgt, sie würden sich gerne hingeben und vergessen, um auch nur ihren Gott anzuschauen und zu lieben, der unsrer ganzen Liebe wert ist. Ich wünsche, dass diese seine reine Liebe unsre Herzen ganz beseele und Alles verzehre, was ihr noch entgegensteht auf Wegen, die ihm gefallen, damit er ewig in uns verherrlicht werde! Amen.

Ich bleibe

Dein treu verbundener schwacher Mitbruder.

Mülheim, den 11. September 1744.

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autoren/t/tersteegen/briefe_in_auswahl/tersteegen-briefe-78.txt · Zuletzt geändert: von aj
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