Tersteegen, Gerhard – Briefe in Auswahl – Wie wenig die Gegenwart Gottes wahrhaft geglaubt wird. Wer einmal einen tiefen Eindruck von Gottes Gnade und Liebenswürdigkeit erhalten hat, dem gereicht dies in Allem zu einer unaussprechlichen Stütze.

Tersteegen, Gerhard – Briefe in Auswahl – Wie wenig die Gegenwart Gottes wahrhaft geglaubt wird. Wer einmal einen tiefen Eindruck von Gottes Gnade und Liebenswürdigkeit erhalten hat, dem gereicht dies in Allem zu einer unaussprechlichen Stütze.

Jesu Christo, der uns erlöst hat durch sein kostbares Blut, und uns einen freien Zugang gegeben hat zum Innersten des Tempels, um vor seinem Angesicht zu stehen und seine schönen Gottesverehrungen anzuschauen, sei Ehre und Herrlichkeit gegeben bis in Ewigkeit! Amen. In ihm herzlich geliebter Bruder!

Ich umarme Dich im Geiste der Liebe, werter Bruder, und danke Dir herzlich für Deine beiden Briefe; ich kann sagen, sie haben mich erquickt. Es ist so, wie Du in Deinem letzten sagst: die Verborgenheit von Gottes Gegenwart wird von Wenigen wahrhaft geglaubt. Aber weißt Du auch wohl, dass, wenn Jeder sie wahrhaft glaubte, die ganze Welt alsdann voller Heiligen, und die Erde ein wahres Paradies sein würde? denn Gottes Gegenwart ist der Tod alles Übels und die Quelle alles Guten. Wenn die Menschen Gottes Gegenwart so glaubten, wie sie sollten, dann bliebe nichts mehr zu tun übrig, um sie zu diesem liebenswürdigen Gott und zu seiner Liebe hinzuziehen; aber jetzt ist es ihren Augen verborgen. Könnte es helfen, man möchte sowohl mit dem Herrn Jesus weinen über die Blindheit und Verwirrung der Menschenkinder, die ihren Gott nicht kennen und ihn nicht sehen, der ihnen doch näher ist, als sie sich selbst sein können, und der nur wartet, dass die Herzen sich öffnen und ausgeräumt werden, um sich ihnen in seiner Liebe mitzuteilen, was er so gerne, selbst bei den größten Sündern, tun will. Lass uns, Lieber, nicht allein für uns, sondern auch für Andere beten, dass sich Gott durch seine Gegenwart doch wahrhaft den Hergen bekannt machen möge, wie ich auch in dem Umgang, den ich mit Menschen haben muss, nichts nötiger und nützlicher finde, als ihnen durch Gottes Gnade die Größe, Allgenügsamkeit, Güte, Liebe und Gegenwart dieses liebewerten Wesens, an die ich so ganz einfältig glaube, einzuflößen. Wenn die Menschen diesen Gott nur kennten, dann wäre Alles gut, und ich finde keinen größeren Mangel auf Erden, als den, dass die Menschen keinen Eindruck von Gott haben. Die meisten beschäftigen sich mit nichtigen äußeren Dingen und dergleichen. Wenige haben einen Eindruck von sich selbst; aber die wenigsten haben einen Eindruck von Gott, diesem höchsten, liebenswerten Schatz, gepriesen bis in Ewigkeit! Amen. Und ob es auch die Wahrheit ist, dass Niemand den Wahrhaftigen kennt so als es sich gehört, der nicht auch in dem Wahrhaftigen ist, was auch wieder seine Stufen hat, da jeder Schritt zum Absterben und Ausgehen aus uns selbst uns immer näher zu Gott und mehr in Gott bringt; so wird sich dieses Alles von selbst wohl fügen und entdecken, wenn man nur einfach bei dem Herrn und dem Herrn hingegeben bleibt. Dann wird man von dem Herrn dahin geführt, wo man sein soll, und dass auf solchen Wegen, wo es zu einer unaussprechlichen Unterstützung gereichen kann, wenn man so einen tief verborgenen Eindruck in sich trägt, dass Gott gut, liebenswürdig und die Liebe selbst ist, weil solches viel hilft, uns ohne Kummer in seine Hände zu verlieren. Denn gewiss erfährt man wohl mit Recht: dass Gott ein Licht ist und in ihm ist keine Finsternis (1. Joh. 1, 5.), und kann auch keine in ihn kommen. Das Licht seiner göttlichen Gegenwart entdeckt, bekämpft und verzehrt alles Dunkle des eignen Lebens bis auf das Äußerste und bis im Innersten, was kein anderes Licht je so würde aufdecken können. Dies ist das Werk Gottes in den Herzen derer, die sich seinen Händen überlassen; und wie glücklich sind Diejenigen, die darin beharren ohne zu wanken und zu verzagen! Denn das Ende ist gewiss Friede, wie der Weg selbst eitel Liebe und Weisheit ist. Man wird auf diese Art und meistens, ohne dass man es spürt, immer ärmer, kleiner, nackter, einfältiger, sanfter, und um so zu sagen geschmeidiger, indem man keine Selbstständigkeit mehr in sich selbst noch in Andern hat, und sich nun durch die Liebe mit Gott vereinigen und in ihm verlieren kann, in dem allein Festigkeit, Reinheit und Ruhe ist. Er behalte uns in Frieden bei und in sich, unter allen Prüfungen und Anfällen von außen und innen, auf dass uns nichts verwirre und berücke, sondern im Gegenteil Alles zum Guten mitwirke durch seinen väterlichen Segen. Seine Hand ist in den kleinsten Dingen, und die geringsten Dinge, in ihm beschaut, müssen uns dienen. In ihm, Vielgeliebter, sind wir, wie ich vertraue, schon vereinigt, ob wir uns gleich körperlich vielleicht nicht wieder sehen; sollte es der Herr aber anders fügen, dann wollen wir auch diese Erquickung mit Dank von ihm annehmen.

Ich grüße Dich herzlich wie auch alle Diejenigen, welche bei Euch aufrichtig nach dem Herrn forschen. Ich empfehle mich Deinem und ihrem Gebete und bleibe durch die Gnade

Dein schwacher Bruder.

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autoren/t/tersteegen/briefe_in_auswahl/tersteegen-briefe-65.txt · Zuletzt geändert: von aj
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