Tersteegen, Gerhard – Briefe in Auswahl – Unsere Stärke besteht im Frieden.
Geliebter Bruder in dem HErrn!
Beim übersenden dieser kleinen Bücher ist es mir Bedürfnis, Dich herzlich zu grüßen. Der HErr spreche selbst zu Deiner Seele: Friede sei mit dir! Ja, Er möge es wiederholen, so oft das Gemüt bei der einen oder andern Gelegenheit durch Rührung, Verwirrung oder Niedergeschlagenheit aus dem erforderlichen Gleichmut gerissen wird. Unsere Stärke liegt in dem Frieden, und unser Frieden im Hingeben und Loslassen. Darum trachtet der Versucher uns zu beunruhigen; aber des HErrn Arbeit ist, uns zu stillen und Frieden zu geben. Keine Mutter kann so eifrig sein, ihr gefallenes und weinendes Kindlein zu besänftigen, als es der himmlische Vater ist, um die Gemüter derjenigen zu befriedigen, die im Herzensgrund nichts als Ihn und seinen Willen begehren. Des HErrn Wohnung ist im Frieden, und Herzen, in denen Friede herrscht, sind seine Lust und sein Reich, dessen Grundfeste die Gerechtigkeit und Wahrheit ist; doch keine Gerechtigkeit von Menschen, die nur Ungerechtigkeit ist und keinen Frieden schenkt, aber eine Gerechtigkeit, die aus dem Glauben stammt, und welche sich an Gott und an seine Gnade in Christo ganz hingibt, und daher durch die Einwirkung der göttlichen Gerechtigkeit von der Sünde und der Eigenliebe gereinigt, mit Gott vereinigt und nach seinem Herzen durch die reine Liebe gebildet wird. Der HErr nehme uns also ganz aus unsern in seine göttlichen Hände, damit wir uns von ihnen ohne Sträuben formen lassen wie der Ton in der Hand des Töpfers! Amen. Ich bleibe
Dein
im HErrn verbundener Bruder.
Mülheim, den 10. Juni 1735.