Tersteegen, Gerhard – Briefe in Auswahl -Über den Tod eines Freundes im Wohnorte des Schreibers. Das selige Absterben ist die letzte gute Nachricht, welche die Kinder Gottes von einander erhalten.

Tersteegen, Gerhard – Briefe in Auswahl -Über den Tod eines Freundes im Wohnorte des Schreibers. Das selige Absterben ist die letzte gute Nachricht, welche die Kinder Gottes von einander erhalten.

In Jesus, der Dein Leben und alles sei, sehr werte und herzlich geliebte Schwester!

Deinen mir sehr angenehmen Brief vom 12. August habe ich erhalten, aber nicht eher als heute beantworten können. Die Umstände, welche die unerwartete Krankheit und den Tod des lieben Freundes H. begleiteten und die Folgen dieses Hinscheidens haben mir viel Zeit, vielleicht auch viel von meinen Kräften weggenommen, und noch jetzt bin ich sehr beschäftigt, so dass ich nicht früher zum Schreiben kommen konnte. Ich bitte, den Tod unsres Freundes H. auch unsrem lieben Bruder und unsrer lieben Schwester bekannt zu machen und meinen brüderlichen Gruß zu bestellen, da mir keine Zeit übrig bleibt, ihnen zu schreiben. Wenn ich hingegangen bin, sagte der Verstorbene zu mir, dann berichte meinen Tod auch nach Holland, damit sie dort dem HErrn auch danken für meine Erlösung und für die mir bewiesene Gnade, und sage: dass ich den Freunden danke für ihre Liebe und Freundschaft, und dass ich Ihnen alle Einströmung der göttlichen Gnade wünsche, um vorbereitet und in Gott vollendet zu werden für seine ewige Herrlichkeit.

Dies sind so die letzten guten Nachrichten, die wir einer vom andern in dieser Fremdlingsschaft zu vernehmen haben. Dem HErrn sei Dank für seine Barmherzigkeit, dass wir diese Nachrichten so gut vernehmen und erwarten können! Bald wird unsre Spanne Zeit, liebe Schwester, auch vorüber sein. Wie nichtig ist doch diese Zeit, und wie gut ist es, das Süße und Bittere dieses Lebens nicht zu achten, sondern es mit einem abgeschiedenen Herzen und mit recht freiem Geiste vorübergehen zu lassen. Nichts hat Wert, nichts ist groß, nichts genügt bis auf den Grund, als Gott und seine Ewigkeit allein; das ist unsre Heimat; das ist das eigentliche Gut und der wahre Gegenstand, der eigentliche Ruheplatz für unsern Geist. Selig derjenige, der es aus Erfahrung weiß und nicht bloß im Kopfe allein! O du wesentliches Gut! o du gutes, menschliebendes Wesen! wie wenig wirst Du erkannt und wie wenig geliebt! Das kommt daher, weil man fürchtet, sich selbst und den Scheingütern abzusterben, und weil man nicht dahin kommt, wo Du weilst und Dich offenbaren willst. Auch die guten Menschen Leben außer sich selbst; sie fürchten sich, in ihr Innerstes zu treten, wo Du, der Du ein Geist bist, Dich unserm Geiste wirklich mitteilen willst. Erbarme Dich unsrer Blindheit; berühre nur unsern Grund einmal mit Deiner reinen Liebe, dann werden wir Dir, uns selbst und alles verlassend, nacheilen und nirgends anders als in Dir allein ruhen können! Amen.

Ich grüße Dich zärtlich, liebe Schwester, und trage Dich vom Grunde meines Herzens dem HErrn vor zur Vollführung seines göttlichen Wertes in Deiner Seele. Er, der HErr, sei mit Deinem Geiste, und lasse uns, als Kinder der Ewigkeit, in und vor Ihm leben außer dem Bereich der Dinge dieser Zeit! Amen, Jesus!

Ich bleibe

Dein Dich im HErrn liebender Bruder.

Mülheim, den 30. August 1746.

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autoren/t/tersteegen/briefe_in_auswahl/tersteegen-briefe-18.txt · Zuletzt geändert: von aj
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