Tauler, Johannes - Sechzehnter Brief.
Wie wir unter der Messe unsere Brautgaben und unser Witthum begehren sollen.
In Christo Jesu und in seiner auftragenden, lebendigen Liebe, und in seiner väterlichen, göttlichen Einigkeit seyd ewig gegrüßt o ihr auserwählten Kinder Gottes und Bräute unsers Herrn Jesu Christi! Ich rathe euch, daß ihr geizig seyd zu mehren euer Witthum und euere Morgengaben, die unser himmlischer Vater der Braut, der heiligen Kirche, gegeben hat durch die Ehe oder Vermählung seines eingebornen Sohnes. Diese Ehegaben sind seine heiligen Werke und seine Beispiele, als: seine heilige Geburt, sein Leiden, sein Begräbniß, seine Auferstehung und seine Himmelfahrt. Die Morgengaben sind die sieben Gaben des heiligen Geistes. Dieß begehrt diese Braut, die heilige Kirche durch der Priester Mund in allen Messen von dem himmlischen Vater, zu einem geistlichen Zunehmen einer wirklichen Ueberantwortung und Uebergebung unser Selbst in Glück und Unglück, in die göttliche Einigkeit. Das begehre ich unwürdiger Priester für euch alle Tage in meiner Messe, und bitte euch, daß ihr es durch mich und durch alle Priester alle Tage wollet begehren, mit liebender, verklärter Unterscheidung, mir und euch allen, die Gott ewig geliebt hat. Und dasselbe (ich zweifle nicht) wird wunderbare Frucht und Gnade in euch wirken, und besonders wenn man sich hiemit zu den fünf lieben Zeichen oder Wunden unsers Herrn Jesu kehrt. Seyd auch fleißig, die Tugenden zu wirken nach Ordnung, und hütet euch vor Untugenden, wie klein sie auch seyen, besonders aber, daß sie mit keiner bleibenden Eigenschaft besessen werden. Dieses Witthum kommt in feuriger Verkleidung auf den Altar, wo der Priester unsers Herrn Leib segnet, bis daß er ihn genossen hat, und fließt dann in alle empfängliche Seelen, wie die heil. Hildegardis schreibt. Der väterliche Schooß müsse euer ewiger Theil seyn.