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Taube, Emil Heinrich - Psalm 3.

Taube, Emil Heinrich - Psalm 3.

Dieser Psalm zeigt uns, wie sich die tiefste Klage zur schwersten Zeit durch Gottes Gnade im Herzen des Gläubigen in den fröhlichsten Reigen wandelt. Der Titel des Psalms, der immer, wie ein über die Tür gehängter Schlüssel uns den Einlass in sein Innerstes und vielen Aufschluss gewährt, nennt David als Verfasser und gibt zugleich an, auf welchen betrübten Anlass hin er ihn aus seiner Seele losgerungen hat - es ist die schwerste Zeit in Davids Leben, die Zeit, wo er nach zehn schweren Verfolgungsjahren durch Saul mitten in seiner königlichen Herrlichkeit durch seinen so geliebten, aber so abtrünnig gewordenen Sohn Absalom gestürzt und zur Flucht aus Jerusalem in die Wüste gezwungen wurde; da hieß es: Thron verloren, Sohn verloren, Zion, sein Zion aus den Augen verloren! Da zog er mit wenigen Getreuen aus der Stadt des großen Königs, von einem Simei noch mit Steinen beworfen und verflucht, barfuß und weinend, mit verhülltem Haupt über den Ölberg der Wüste zu, wo er die erste und gefährlichste Nacht - denn Ahitophel hatte ihm in dieser Nacht den Tod geschworen - zubrachte. Darauf bezieht sich dieser Psalm; er ist ein wahres Heldenlied des nackten Glaubens, und beweist an einer der schrecklichsten Abgrundstiefen aus lebendiger Erfahrung, was ein Glaubensmensch an seinem Gott hat! In V. 2 und 3 klagt er seinem Gott die Zentnernot; V. 4 und 5 bezeugt er, was er an seinem Gott hat und wie er zu Gott und Gott zu ihm stehe; V. 6 und 7, wie selig der Glaube darauf ausruht; V. 8 und 9 enthält dann die Bitte aus dem Glauben. Die nahe Beziehung zu Psalm 2 ist unverkennbar die: „Der Jünger ist nicht über seinen Meister, noch der Knecht über den Herrn. Haben sie den Hausvater Beelzebub geheißen, wie vielmehr werden sie seine Hausgenossen also heißen?“ (Matth. 10,24-25.) Bei David steht, wie bei uns, noch etwas im Hintergrunde, seine Sünde gegen Bathseba und Urias!

V. 1. „Ein Psalm Davids, da er floh vor Absalom, seinem Sohn. V. 2. Herr, wie viel sind meiner Dränger! Viele stehen auf wider mich! V. 3. Viele sagen zu meiner Seele: Keine Hilfe hat er mehr in Gott.“ Sela.

So mit einer tiefen Klage hebt David an, und schlägt damit einen Klageton aller Kinder Gottes an. Denn an Feinden fehlt es diesen nie, sowohl äußeren, von Seiten der Welt ringsum, selbst in den eigenen Hausgenossen, als inneren, von Seiten des Erzfeindes sowie alter und neuer Sünden, welche Luther die bösen Geister nennt, die die armen Seelen fahen wollen. Und diese Anfechtungen wachsen mit dem Alter in der Gnade und dem Wachstum in Christo an Menge und innerer Schwere; wie bei Ihm, so wird bei den Seinen der Weg immer steiler nach Jerusalem. „Seht, wir gehen hinauf gen Jerusalem!“ Sehen wir aber speziell auf Davids Feinde, so lernen wir, wie wenig man sich auf Menschenherzen Rechnung machen kann das war sein eigenes Volk! Man darf sich weder auf Fürsten verlassen (Ps. 146,3), noch die Fürsten auf ihr Volk, ja nicht einmal auf die Nächsten, die eigenen Kinder, auch nicht auf Freunde und Jünger. Hier verriet Ahitophel, dort Judas. Am allerwenigsten aber auf die große Menge. Der Teufel rühmt sich des Besitzes der Majorität: „Unser ist Legion!“ Die Wahrheit ist bei der kleinen Herde zu suchen. Wer aber zu der gehört, der hat nicht bloß tätliche Verfolgung, sondern namentlich den Schlangenstich der bösen Zunge zu leiden. Denn obwohl die Welt von der Frommen Zustand so wenig weiß, wie der Blinde von der Farbe, so maßt sie sich doch so schnell ein Urteil darüber an; sie ist es, die in rechtem Pharisäergeiste alsbald bei der Hand ist, von der äußern Lage, besonders wenn sie unglücklich ist, auf die Stellung Gottes zum Leidenden zu schließen, und zwar in verdammender Weise. So machten's Hiobs Freunde, so Davids Feinde. Sie sprachen zu seiner Seele: „Keine Hilfe hat er mehr in Gott.“ Aus dieser spöttischen Rede grinst so recht die boshafte Schadenfreude, dieser laute Zeuge unsers Grundverderbens, heraus. Weiter sieht man dahinter wieder recht klar die hinterstellige List Satans, der stets seine Anläufe bei den Kindern Gottes auf die verwundbarsten Stellen macht, das eben ist sie: „Seine Seele hat keine Hilfe bei Gott“! Kennen wir doch Davids Flehen zu seinem Gott: „Sprich zu meiner Seele: Ich bin deine Hilfe“ (Ps. 35,3)! Es ist der letzte und einzige Anker der Seele, dass Gott Seine Hilfe ihr noch nicht entzogen habe, und den zu zerreißen, die ohnehin in ihrem Schuldbewusstsein zagende Seele verzagt zu machen, dass sie sich ganz verlassen und verloren glaubt, ist Satans höllische Freude. Daher betet ein Jeremia: „Sei du mir nur nicht schrecklich, meine Zuversicht in der Not!“ (Jer. 17,17.) Denn Gott verloren Alles verloren! Wie schrecklich vollends, wenn man's aus dem Munde der Feinde hört, um so schrecklicher, je glaubhafter es leider um des Schuldgefühls willen ist! Doch sieh darin schon das Kind Gottes: es bringt all' diese Not nicht vor einen Kriegsrat, frisst sie auch nicht zu immer größerem Jammer in sich hinein, sondern wie Hiskia den Lästerbrief des Rabsake vor dem Herrn ausbreitete, so ist das erste Wort bei der Klage und vor derselben: „Ach Herr!“ Daher Luther sagt, dass den Kindern Gottes die Anfechtungen stets mehr nützen, als schaden; „denn sie treiben zu Gott, so erfüllt sich's: Es ist alles Euer!“

V. 4. Aber Du, Herr, bist Schild für mich, meine Ehre und meines Hauptes Erheber. V. 5. Mit meiner Stimme rufe ich zum Herrn, und Er antwortet mir von Seinem heiligen Berge. Sela.

Das ist freilich eine ganz andere Stellung Davids zu Gott und Gottes zu ihm, als die Feinde vermuten! Sie gründet sich auf Erfahrung. So kennt David seinen Gott, so hat er Ihn allezeit erfunden; so kennt ihn aber auch sein Gott, so hat Er ihn allezeit erfunden, wie er hier bezeugt. Offenbar ist der Spiegel der Vergangenheit und das schöne Einerlei der Wege und Werke seines Gottes ihm eine mächtige Stütze des Glaubens gewesen, eine tägliche Lektion und lebendige Gegenwart - warum uns nicht auch also? Mag Davids Leben ein besonders merkwürdiger Schauplatz des Gottes Wunderbar, Rat, Kraft, Held usw. gewesen sein, alle Gläubigen, die den Sinn empfangen haben, zu erkennen den Wahrhaftigen, haben an ihrer und Anderer Führung, besonders auch an der heiligen Geschichte einen großen Bußspiegel und reichen Dankaltar! Nur die blinde Welt lernt nichts und vergisst nichts; denn die Voraussetzung dazu ist allerdings ein lebendiges und persönliches Verhältnis, wie es zwischen dem Herrn und Seinen Gläubigen besteht, ein stetes Geben und Nehmen, dessen Mittelpunkt und Herzblatt die Erkenntnis von der Klarheit Gottes in dem Angesichte Jesu Christi ist. Nathans Wort: „Der Herr hat deine Sünde weggenommen!“ war in diesem Elende Davids nächster Troststecken. Wie kennt nun David seinen Gott? Als seinen Schild, d. i. als Schutz und Schirm mitten unter ringsum tobenden Feinden; als seine Ehre mitten in der Schändung, als seinen Tröster und Erheber mitten in der tiefsten Demütigung! So hat er Ihn erfahren, so kann er Ihn preisen, das ist sein gläubiger Ruhm an Gott. Welch' ein Gewinn und Besitz! Gott für seinen Schild achten und keinen Feind wissen, Gott seine Ehre nennen beim Überfluss von außen, Gott seinen Tröster heißen in guten, ungetrübten Tagen, wie wenig sagt das, wie wenig Wahrheit ist's! Wahrlich, David hat viel und wohl gelernt in der ernsten Schule seines Gottes! Er kennt Ihn aber auch als den Gott, der Gebete erhört und hat daran das sichere Kennzeichen seines Gnadenstandes; darum sagen die Worte eigentlich so schön: „Ich pflege Ihn anzurufen und Er antwortet mir von Seinem heiligen Berge“. Das muss oft probiert sein, wenn es zu solchem Siegel der Gewissheit werden soll! Das ist Gebetsleben, worin das Gebet des Glaubens Lust und Nahrung zugleich ist. Und in solchem Gebetsleben stört den Liebhaber Gottes auch kein Fernsein von dem heiligen Berge. Zwar von dort kommt die Erhöhung und kann sie allein kommen, das sehen wir an dem Zusatz: „Er antwortet mir von Seinem heiligen Berge“; das Israel des alten Bundes hat an seinem Zion und dessen vorbildlicher Bundeslade, das neutestamentliche Israel an dem Mensch gewordenen Gottessohne das gewisse Unterpfand der Gegenwart und Wohnung Gottes unter seinem Volk, weshalb alle „Gebete durch Christum“ zum Vater gehen und vom Vater mit Erhörung zurückkommen müssen. Dennoch weiß David recht wohl, dass er, fern vom heiligen Berge, doch nicht fern ist von der Erhörung, die vom heiligen Berge herkommt. Da glänzt recht hell aus Davids Munde als ein vorausgenommenes Kleinod die Herrlichkeit des neuen Bundes; ein David des alten Bundes weiß es schon, dass wir durch Christum allewege einen freien Zugang zum Vater haben durch den Glauben an Seinen Namen, und dass wir in diesem Glauben an allen Orten und zu allen Zeiten heilige Hände aufheben können. Wie tief hat er den rechten Zionsgott erfasst!

V. 6. Ich legte mich nieder, da schlief ich. Erwacht bin ich, denn der Herr stützt mich. V. 7. Nicht fürcht' ich mich vor Myriaden Volks, die rings sich wider mich gelagert.

Siehe da die Heldenkraft des Glaubens in der heiligen Ruhe und Furchtlosigkeit eines Kindes Gottes! Bei solchem Schmerze über seinen Sohn, Aufruhr seiner Untertanen, Verräterei seiner Freunde, augenscheinlicher Lebensgefahr seiner Person, mühseliger, angstvoller Flucht, bei solcher Ungewissheit des Ausganges, nach solchem Tage, in dieser Nacht bringt ihn nicht eine Stunde um den Schlaf! Das ist wider die Natur und über die Vernunft, das ist stracks gegen unser armes Gemächt - wer tut ihm das in gleicher oder ähnlicher Lage nach! Wenn der heilige Sohn Gottes dort auf dem stürmischen Meere schlief, so finden wir das für den Herrn des Meeres und für Seine heilige Unschuld ganz geziemend - aber dass ein Sünder zu so tiefer Seelenruhe gelangen kann und gelangt ist, wie mächtig tröstet das! Das vermag der Glaube und sein schönstes Teil: die Vergebung der Sünden, da lernt man erkennen, was Er gesagt hat, dass dem Glauben nichts unmöglich sein solle. Der Kampf durch die Unruhe hindurch ist damit nicht ausgeschlossen, auch ein David weiß, was es ist, wenn die Wasser bis an die Seele dringen, aber der Glaube ist sieghaft und bringt so seliglich Leib und Seele zur Ruhe, dass sie sich beide freuen in dem lebendigen Gott. Und wie hatte der doch auch den Glauben seines Kindes, das sich Ihm in den Schoß legte, gekrönt! Man bedenke, in dieser Nacht hatte Ahitophel dem David den Tod geschworen, „da hatte ihn der Herr wirklich gestützt“, denn Er hatte „Ahitophels Rat zur Narrheit gemacht“, wie David gebeten hatte. Ja, wenn man flehend singen kann: „Will Satan mich verschlingen, so lass die Englein singen: dies Kind soll unverletzet sein“, so erfährt man heute noch dasselbe. Dagegen liegen viele, aber können nicht schlafen, viele schlafen, aber sie wachen nicht wieder auf! Wem sollte man die Ehre an jedem Morgen geben, wenn man Beides erfährt? Beachte aber zu Davids Rückblick auf die vergangene Nacht Davids Ausblick auf den kommenden Tag! Ihm beleuchtete die aufgehende Sonne die blitzenden Schwerter seiner Feinde. Das war Davids Erwachen! Da siehe nun, wie derselbe Glaube, der so sänftiglich am Abend ihn zur Ruhe brachte, ihn am Morgen stark macht den augenscheinlichen Gefahren des Tages gegenüber! Nicht fürchtet sich David vor Myriaden Volks! Dass dies nicht bloß natürlicher Mut ist, sehen wir aus den vorhergehenden Worten „der Herr stützt mich“; nein, es ist Glaubensmut! Kühner, siegender Glaube! Woher hat der Glaube diese Kühnheit, dass er den kühnsten Zahlen frei ins Angesicht sieht? Das macht's, dass er den Stärksten bei sich hat, der über alle Zahlen weit erhaben und überlegen ist, der uns sagen lässt: „1000 mal 1000 dienten Ihm, 10000 mal 10000 standen vor Ihm“ (Daniel 7,10), und diese Heerschaaren Gottes sieht, wie bei Elissas Knaben, das Glaubensauge in zahlloser Menge, so dass es rühmen kann: „Derer, die bei uns sind, ist mehr, denn derer, die bei ihnen.“

V. 8. Steh' auf, Herr, hilf mir, mein Gott! denn Du schlägst all' meine Feinde auf den Backen, der Gottlosen Zähne zerbrichst Du. V. 9. Des Herren ist das Heil. Über Deinem Volk ist Dein Segen! Sela.

So folgt nun also auf das kühne Glaubenswort wiederum ringendes Bitten und Flehen, und zwar mit gutem Grunde. Denn nicht nur, dass sich die Not zu erneuern pflegt, die dem Glauben Stöße gibt, sondern es heben auch Gottes Verheißungen die Pflicht des Gebets nicht auf, verpflichten vielmehr desto kräftiger dazu. Gott will gesucht sein, und der Glaube soll Ihm das Wort Seiner gnädigen Zusage vorhalten. Und wie versteht ein David das! „Jehovah und mein Gott!“ nennt er Ihn. Das heißt den Herrn bei der rechten und weichen Seite anfassen; denn in diesen beiden Namen liegt eine überwältigende Macht für den Herrn, der Bundes- und Heilsgott kann sich selbst nicht leugnen. Zwar scheint Er zur Übung des Glaubens öfters zu schlafen, aber Er verschläft nichts; Sein Aufstehen stürzt dann die Feinde um so jählicher und um so schmählicher, je mehr ihr Mutwille an der scheinbaren Passivität des Herrn gewachsen war. Er schlägt sie auf den Backen, das bezeichnet die Schmach, und der zusammengebissenen Zähne wartet dann nur noch ewiges Zähnklappen in der Hölle. Solcher Ingrimm des Herrn über die Feinde, die zunächst doch nur Davids Feinde sind, erklärt sich daraus, dass David Gottes Banner trägt, seine Feinde daher zugleich Gottes Feinde sind, wie er sie denn Gottlose heißt. Darum klingt dieser Psalm auch in ganz reichs- und heilsmäßigem Tone aus: „Des Herrn ist das Heil, über Deinem Volk ist Dein Segen“. Das weist in königlicher Herrlichkeit auf Ihn, den Einen, und geht in ganz neutestamentlichem Tone: Es ist in keinem Anderen Heil usw. „Gelobt sei Gott, und der Vater unsers Herrn Jesu Christi, der uns gesegnet hat mit allerlei geistlichem Segen in himmlischen Gütern durch Jesum Christum“; denn er hat ja Alles in Ihm, Heil und Frieden, Gnade und Hilfe, Sieg und Segen, und nicht nur er, sondern des Herrn ganzes Volk, Seine Gemeine!

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autoren/t/taube/psalter/taube-psalmen-psalm_3.txt · Zuletzt geändert: von aj
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