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Taube, Emil - Psalm 15.

Taube, Emil - Psalm 15.

Dieser Psalm enthält: Frage und Antwort über das Bürgerrecht im Hause Gottes auf Erden wie im Himmel. V. 1 wirft die Frage über dies Bürgerrecht auf, V. 2-5 enthalten die Antwort darauf, in welcher die drei Grundzüge nach der positiven, wie negativen Seite hin aufgestellt werden: Lauterkeit, Gerechtigkeit, Wahrheit, und zwar in Bezug auf das Verhalten gegen den Nächsten. Der Psalm folgt in der schönsten Ordnung unmittelbar auf den vorigen, worin trotz des allgemeinen Verderbens der Menschenkinder doch eines gerechten Geschlechtes Erwähnung geschieht; dessen Bildnis wird nun in diesem Psalm vorgeführt, nicht nach seinem Gnadengrunde und seiner Glaubensgerechtigkeit, sondern nach seiner Lebensgerechtigkeit. Wie aber schon der 14. Psalm diesen Gnadengrund und Glaubensstand klar mit den Worten anzeigte: Gott ist im gerechten Geschlecht, Gott ist seine Zuflucht“, so lässt dieser Psalm durch die Hinweisung darauf, wie nun der Gerechten Geschlecht bei Gott in der rechten Hausgenossenschaft weilet, deutlich die Gnadenzulassung und den Gegensatz gegen die äußerliche Gottesdienstlichkeit, gegen die pharisäische Gerechtigkeit hindurchblicken. Nicht unwahrscheinlich ist es, dass David diesen Psalm, wie den sehr ähnlichen 24. Psalm bei Gelegenheit der Versetzung der Bundeslade nach Zion verfasst habe.

V. 1. Ein Psalm Davids. Herr, wer wird weilen in Deinem Zelt? Wer wird wohnen auf Deinem heiligen Berge?

Die große Herunterlassung der Liebe Gottes in Christo zu den gefallenen Sündern wird zum Öfteren und am liebsten in der Schrift in der Weise des Wohnungmachens vorgestellt, wie Er denn auch wirklich erst in der Stiftshütte, danach auf dem Berge Zion Seine Wohnung aufgeschlagen hat für Sein auserwähltes Volk; im Neuen Testament ist Seine heilige Kirche das Haus, wo Er wohnt und in Gnaden waltet mit Wort und Sakrament, darum St. Paulus ihre wahren Gliedmaßen „Gottes Hausgenossen“ nennt (Eph. 2, 19). Wenn aber auch der ganze Psalm zunächst diese Gemeinschaft des Herrn mit Seinem Volke und Seines Volkes mit dem Herrn als auf Erden geknüpft und bestehend darstellt, so ist doch ihr Zweck und Ziel die ewige Gemeinschaft und darum liegt, es sei offenbar oder verborgen, immer zugleich die Hindeutung auf den Himmel, die ewige Hütte, des Vaters Haus darunter (siehe Ps. 23, 6; 61, 5; Hebr. 12, 22). In jedem Falle aber geht das Wohnen bei Gott lediglich von Ihm selbst aus, es ist ein Wohnen lassen. Das deutet schon der Name „Jehovah“ an, der auf die Gnadengemeinschaft hinweist, die der Gott in Christo, der Bundes- und Heilsgott in zuvorkommender Helferliebe mit den Sündern geknüpft hat; der Heilige Geist baut also schon an der Schwelle dem Irrtum vor, als könne der Sünder aus eigner Kraft und Vernunft in die Gemeinschaft Gottes treten. „Wohl dem, den Du erwählst und zu Dir lässt, dass er wohne in Deinen Höfen“ (Ps. 65, 5). Wie sehr andrerseits ein armer Sünder nach solcher Gemeinschaft mit Gott doch verlangen könne, das zeigt eben Davids Frage, die nicht aus Unwissenheit oder Zweifel, sondern aus der Sehnsucht eines armen Sünders nach Dem geboren ist, in dem er allein Zuflucht, Heil, Friede, Freude findet; eben weil er den Gott der Gnade hat und kennt, verlangt und sehnet sich seine Seele nach den Vorhöfen seines Gottes, und das geht wiederum nie ohne die ernste Frage nach der rechten Beschickung des Herzens ab. Für den Gläubigen bleibt die Frage: „Was muss ich tun, dass ich selig werde“ eine Lebensfrage, und der Geist gibt nicht bloß seinem Geiste Zeugnis von der rechten Gewissheit der Kindschaft selbst, sondern auch von dem rechten Kindesverhalten zu ihrer Bewahrung. Darum fragt David auch nicht: wer wird kommen zu Deinem Zelt? sondern wer wird wohnen, wer wird bleiben? Das ist nicht die Einkehr auf eine kleine Zeit, wie eines Nachtgastes zur Herberge, sondern ein stetiges, gastliches, freundliches, vertrauliches Wohnen, dabei es dem Herbergsvater wie seinem Gaste von Herzen wohl ist. Das ist ein Großes, wenn man bedenkt, dass der Herbergsvater der Heilige in Israel und der Gast ein Sünder von Haus aus ist! Diese Schauer der Heiligkeit durchbebten einen Petrus, da er sprach: „Herr, gehe hinaus von mir, denn ich bin ein sündiger Mensch!“ (Luk. 5, 8). Gottlob, dass Er zerschlagene Herzen nicht verachtet! (Jes. 57, 15).

V. 2. Wer unsträflich wandelt und Gerechtigkeit übt, und Wahrheit redet in seinem Herzen, V. 3 wer nicht Verleumdung führt auf seiner Zunge, nicht Böses seinem Genossen tut und Schmach bringt auf seinen Nächsten. V. 4. Verachtet ist in seinen Augen der Verworfene, aber die den Herrn fürchten, ehrt er; er schwört zum Schaden, aber er ändert nicht. V. 5. Sein Geld gibt er nicht auf Wucher, und Bestechung ob Unschuldiger nimmt er nicht, wer solches tut, der wankt nicht auf ewig.

Wer bei einem Andern im Hause wohnt, der muss sich auch nach der Hausordnung richten; so knüpft David in seinem eignen Hause das Hausrecht an sein Hausgesetz: „Falsche Leute halte ich nicht in meinem Hause“ (Ps. 101, 7); wie viel mehr wird das bei dem heiligen Gotte gelten?! Sündenknechte haben keine Bleibestätte in Seinem Hause (Joh. 8, 34. 35). „Die Sünder zu Zion sind erschrocken, Zittern ist die Heuchler angekommen“ (Jes. 33, 14). Darum ist Sein Hausgesetz darauf gestellt, dass Er ihr Gott sein und unter ihnen wohnen will, wenn sie Sein Volk sein wollen (Ezech. 37, 27). „Denn was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis?“ (2, Kor. 6, 14). St. Johannes knüpft deshalb die Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohne an den Wandel im Licht (1. Joh. 1, 7), in welchem dann wiederum der Grundzug das aufrichtige Herz ist, wie der Herr selbst darin den Grundzug eines rechten Israeliten aufdeckt und mit Einem Alles sagt, wenn er von Nathanael spricht: „Siehe da, ein rechter Israelit, in welchem kein Falsch ist!“ In dieser Spur geht denn auch, was der Heilige Geist in diesem Psalm von den Haus- und Reichsgenossen Gottes fordert. V. 2 stellt Er ihn zuerst vor, wie er sein soll: ein ganzer Mensch Gottes, aus einem Stück und in der Wolle gefärbt; denn er fordert vor Allem ein unsträfliches Einhergehen, einen Wandel wie Abrahams, vor dem Herrn und einfältig in der Furcht des Herrn; danach ein Wirken der Gerechtigkeit aus Lust zum Gesetz des Herrn und darum in den Schranken des Gesetzes, also dass es Speise, das ist, ein Muss, weil Genuss ist, den Willen Gottes zu tun: endlich ein Reden der Wahrheit im Herzen, ein aus der Wahrheit Sein mit Herz und Mund, also dass man nichts kann wider die Wahrheit, sondern nur für die Wahrheit. Muss über solchen Forderungen evangelischer Vollkommenheit unlautern Herzen am Ende der Heilige Geist selber ein Ketzer sein, während bange Herzen darüber leicht zaghaft werden und mit den Jüngern fragen mögen: „Ja, wer kann dann selig werden?“ so gilt die Antwort des Herrn: „Bei den Menschen ist es unmöglich, aber nicht bei Gott“ (Matth. 19, 25. 26). Gott fordert nur auf Grund Seiner Gaben wie St. Paulus bezeugt: „Unser Ruhm ist das Zeugnis unsres Gewissens, dass wir in Einfalt und göttlicher Lauterkeit, nicht in fleischlicher Weisheit, sondern in der Gnade Gottes gewandelt haben“ (2. Kor. 1, 12). Heißt es doch schon von einem Zacharias und einer Elisabeth: „Sie waren alle beide fromm vor Gott und gingen in allen Geboten und Satzungen des Herrn untadelig“ (Luk. 1, 6). V. 3 lehrt der Heilige Geist nun, wie ein Hausgenosse Gottes nicht sein soll, und deckt dabei vornehmliche Seiten unseres natürlichen Erbschadens auf, die unzählige Christen an sich sehen lassen, aber selbst nicht sehen, oder wo sie davon wissen, doch federleicht achten. Darum fährt der Heilige Geist eben ins Einzelne und legt den Zionspilgern beizeiten den Schlagbaum vor, damit sie merken, wer einst ewig draußen bleiben müsse. Die Sünde der Verleumdung, dieser Teufelssamen vom Teufelsnamen, steht obenan, weil sie ein gar gemeines und furchtbar wucherndes Unkraut unter den Menschenkindern ist; sie nimmt vielerlei Gestalt an und äußert sich nicht bloß im Andichten offenbarer Lügen und Unwahrheiten, in absichtlicher Vergrößerung oder Verkleinerung, Übertreibung oder Verschweigung der Wahrheit, in boshafter Auslegung und Verdrehung der Tatsachen, sondern auch im Aufdecken heimlicher Fehler und Schwachheiten und im Austragen des eignen Argwohne über den Nächsten. Von der Sünde der Verleumdung geht dann die Rede des Heiligen Geistes über zu der eng damit zusammenhängenden, der Schädigung des Nächsten durch die Tat. Man bedenke hierbei, dass der Psalm aus dem Schoße Israels heraus gesungen ist. Wenn schon Israel hier um des Bandes willen, das die Liebe Gottes um dieses Volk geschlungen hatte, so nachdrücklich an die Nächstenpflicht erinnert und ihm gesagt wird, dass, was wider die Liebe streitet, hier und dort von der Stadt Gottes ausschließt, wie viel schwerer wiegt die Sünde, dem Nächsten Arges zu tun, für die Kinder des neuen Bundes, an die es (Röm. 14, 15) heißt: „Lieber, verderbe den nicht, um des willen Christus gestorben ist. Einen gar feinen, lieben Zug fügt dann endlich der Heilige Geist in diesem Verse noch hinzu: Er bringt keine Schmach über seinen Nächsten“, weil er nämlich keinen Gefallen hat an denen, die es tun, sondern lieber zum Besten kehrt. Fürwahr, zum Besten kehren, das ist eine feine Kunst und nicht aus Adams Blute stammend, sondern aus der Liebe Gottes geboren, darum ist es ein Schmuck der Hausgenossen und ein richtiges Merkzeichen der Kinder Gottes. Aber Hausgenossen haben nicht bloß die rechte Stellung nach außen zu nehmen, sondern auch nach innen; über ihr Verhalten untereinander redet daher der Heilige Geist in den beiden letzten Versen und gibt ihnen den feinen Wink, dass Hausgenossen zueinander und aufeinander halten müssen. Sie dürfen weder auf der Gottlosen Gunst achten, wie des zum Exempel ein Abraham von Sodoms Könige nicht einen Schuhriemen nimmt, und ein Moses lieber mit dem Volke Gottes Ungemach leiden, als die zeitliche Ergötzung der Sünde genießen will, noch der Gottlosen Zorn fürchten, wie ein Sadrach, Mesach und Abednego beweisen, noch mit dem Strome der Menge schwimmen, wie des zum Exempel ein Lot und Obadja und ein Daniel sich nicht den heidnischen Sitten bequemen, sondern vielmehr die ehren, die Gott ehren, wie jene Sunamitin den Propheten Elisa; ja selbst bei Bestrafungen ehren, wie David den Nathan, und wenn sie in Schmach und Elend stecken, wie Obadja die verfolgten Knechte Gottes durch ihre Aufnahme ehrt. Heißt es dann ferner von dem rechten Hausgenossen: „Er schwört zum Schaden, aber ändert nicht“, so merke daran, wie das Auge Gottes so scharf und fein nach Allem sieht, und wie genau es die Wage des Heiligtums nimmt! Auch da, wo du dich mit deinem Namen zu deinem Schaden verbindlich gemacht, auch da sollst du es, ist es nur nicht wider das Gewissen, aus heiliger Ehrerbietung gegen den allerheiligsten Namen Gottes, wider die Weltmeinung halten. Endlich bringt der Heilige Geist noch das Stück auf den Plan, das St. Paulus auch wie der Cherub mit dem hauenden Schwert von dem heiligen Berge abwehrt: Es trete ab von der Ungerechtigkeit, wer den Namen Christi nennt“ (2. Tim. 2, 19). Angeführt sind hier zwei Erscheinungen der Ungerechtigkeit: Wuchern, da man den Nächsten mehr aussaugt als unterstützt, und Bestechlichkeit, da man durch Geschenkenehmen einer ungerechten Sache den Schutz leihet und seine Augen vor der Unschuld verschließt. So sind es zusammen die drei Hauptstücke, auf die der Heilige Geist in diesem Psalm weist: Reines Herz, reiner Mund, reine Hände! „Wer darauf hält, der wird ewig nicht wanken, der wird selig sein in seiner Tat“ (Jac. 1, 25) und bleiben im Hause des Herrn immerdar (Ps. 23, 6; Joh. 2, 17). Warum wird nun aber in diesem ganzen Psalm bei den vorgehaltenen Bedingungen des Verhaltens gegen den Herrn selbst ganz geschwiegen und nur des Verhaltens gegen die Brüder gedacht? Davon deckt den Grund St. Johannes in seinem Briefe von der Gemeinschaft mit Gott in diesen Worten auf: Wer seinen Bruder nicht liebet, den er sieht, wie kann er Gott lieben, den er nicht sieht?“ (1. Joh. 4, 20). Weil also das Verhalten gegen die Brüder erst das rechte Kennzeichen für die Stellung des Herzens zu Gott ist, weil die Heuchler, deren bei der ersten Tafel des Gesetzes noch genug durchschlüpfen, bei der zweiten sicherlich heraus müssen, darum wird die zweite in diesem Psalm als Spiegel vorgehalten.

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autoren/t/taube/psalter/taube-psalmen-psalm_15.txt · Zuletzt geändert: von aj
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