Sulzberger, Huldrich Gottlieb - Der für Leidende so gesegnete Rückblick auf Passion und Ostern.

Sulzberger, Huldrich Gottlieb - Der für Leidende so gesegnete Rückblick auf Passion und Ostern.

Predigt am Ostermontage von Pfarrer H. G. Sulzberger in Sitterdorf.

Text: Das ist je gewisslich wahr: sterben wir mit, so werden wir mit leben. Dulden wir, so werden wir mit herrschen. Verleugnen wir, so wird er uns auch verleugnen. 2. Timoth. 2. 11, 12.

Geliebte im Herrn!

Gewiss, das heutige Festwort ist ein gewisses und teuerwertes Wort für diejenigen, die den Herrn nicht verleugnen! Es ist das Wort eines Mannes, der nicht mit den Lehren menschlicher, fleischlicher Weisheit als Verkündiger des Heils aufgetreten ist, sondern mit der Predigt vom gekreuzigten und auferstandenen Herrn Jesus. In dem ist allein Heil für Alle, die wahrhaft selig werden wollen. Wir kennen diesen Apostel, diesen Prediger vom Kreuze Christi, nicht bloß als einen, durch das Kreuz Christi Geretteten, sondern in und durch dasselbe Geübten. Aus seiner eigenen Erfahrung redet er zu Mitgenossen der Trübsale für alle Zeiten, und zeigt ihnen den Segen des Kreuzes Christi, den sie erhalten werden, wenn sie mit ihm leiden, sterben, d. h. in ihm sein und bleiben durch wahre Bekehrung des Herzens. Welch' ein Ostertag wird dann auch für sie anbrechen!

Am Schlusse einer so hohen Zeit wie Passion und Ostern ist es passend und wohltätig, noch einmal das ganze heilige Land mit seinen Heilsbergen und Flüssen zu übersehen, wie ein Reisender, wenn er an die Grenze des von ihm durchreisten Landes gekommen ist. Der Rückblick auf diese höchste und wichtigste Zeit im ganzen Kirchenjahre ist gleich erhebend und trostreich für Alle, die wirklich im Herrn leben, wie ja das unsere Textesworte zunächst aussagen; aber besonders für sie in Zeiten und Lagen, von denen es heißt, dass sie uns nicht gefallen. So wollen wir denn unter dem Beistande des Herrn nach Anleitung unserer Textesworte auf das heilige Land, das wir durchreist, hinschauen, es recht ins Auge und ins Herz fassen und von dem für Leidende so gesegneten Rückblick auf Passion und Ostern reden.

1. für die im und wegen des Glaubens Angefochtenen,
2. für die so mannigfaltiges äußeres Leid Tragenden,
3. für die den letzten Todeskampf Kämpfenden und Sterbenden.

Herr Jesu, gekreuzigter und auferstandener Heiland! Du hast Alles geheiligt; du hast Alles, was uns im Leben und Sterben Elend gebracht, hinweg genommen. Bei dir ist nur Heil und Wonne. Die Leidensstätte wird durch dich zum Freudenorte und zum Bethel, das Sterbebette zur Stätte des Lebens. O lass uns das heute wieder recht erkennen, damit wir täglich mit dir sterben und durch dich herrlich gemacht werden! Amen.

I. für die im und wegen des Glaubens Angefochtenen

Der Rückblick auf diese heilige Zeit der Passion und Ostern ist vor Allem für solche wahre Jünger des Herrn gesegnet, die im oder wegen des Glaubens angefochten sind. Im Glauben Angefochtene nennen wir aber nicht solche, die ungläubig sind oder im Leichtsinne zweifeln, sondern solche, deren Glaubenslichtlein nicht mehr warm und hell leuchtet oder gar auszulöschen droht, und die darum mit den Jüngern bitten: ich glaube, Herr, hilf nur meinem Unglauben! In einer solchen Lage finden wir auch in seinen letzten Tagen unseren Versöhner und Heiland, der ja allen Fluch und alles Elend der Sünde auf und über sich nehmen musste, um das sündige Menschengeschlecht zu sühnen und zu heilen. Wir sehen ihn als einen solchen Kämpfenden, Angefochtenen auf dem blutbedeckten Streitplatze im Garten Gethsemane. Die Gebetsworte, sowie das Niederfallen, Zittern und Beben zeigen uns, was damals in seiner heiligen Seele vorging, was sie dachte und fühlte. Sein Herz ist zwar noch immer voll Erbarmen mit diesen unter dem Fluche des Gesetzes, unter der Knechtschaft der Sünde und des Satans stehenden Kindern Adams. Dabei bleibt es, er will ihr Arzt sein; aber als der Sohn, der Mensch geworden ist, frägt er in erhabener Demut: bin ich auch wirklich im Stande, den Leidenskelch nicht bloß an meine Lippen zu setzen, sondern auch auszutrinken bis auf die bittere Hefe?

Auf ähnliche Weise hören wir ihn wieder klagen, unmittelbar bevor er sein Haupt zum Tode neigte. Die Stürme der Leiden rauschten damals so gewaltig, dass Alles in ihm zitterte und alle Kraft für immer versteckt zu sein schien. O welch' ein Anblick! Während schon seine Seele beinahe am Ziele der Laufbahn aufjauchzen will in die Worte: „Es ist vollbracht!“, scheint im letzten Augenblicke noch die beinahe vollendete Erlösung und Versöhnung der Menschen vereitelt werden zu wollen. Das spricht er in den Worten aus: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!“ Es sind dies Worte, die wohl zeugen von seinem fortdauernden Glauben und Gehorsam, aber auch von seiner Not, Angst und Furcht, dass er noch am Ende verlassen werde, und alles bereits im Leben und Leiden Errungene wieder verlieren müsse. Noch mehr aber konnte sein Tod, den er voraussetzte, den Glauben erschüttern. Der, der sich das Leben nannte, sollte ja eine Leiche werden. Eine Auferstehung schien dann darum unmöglich, weil der, der tot war, seit langer Zeit und in diesen Tagen der Einzige war, der mit Erfolg rufen konnte: „Ich sage dir, stehe auf!“ Aber auf Passion folgte für ihn auch Ostern. Triumphierend stand er wieder da als der Heiland, als der herrliche Sieger über alle Gewalt der Sünde und des Todes. Sein Wort war nicht bloß nicht untergegangen, sondern vielmehr aus dem heißen und blutigen Kampfe zum vollkommenen und ewigen Siege geführt worden. -

Dieser Rückblick ist gewiss gesegnet für seine im Glauben und wegen des Glaubens angefochtenen Jünger, die ihm immerdar getreulich nachfolgen und ihn nicht verleugnen. Auf die Passionszeit muss auch für sie Ostern folgen. Wir würden uns freilich gar sehr täuschen, wenn wir meinen würden, dieser Wechsel müsse bei allen wahren Gläubigen und zu allen Zeiten in solchen Lagen in derselben Zeitfrist stattfinden. Der erziehende Vater und Heiland kennt am besten die rechten Freudenstunden. Das ist genug für uns, dass wir durch ihn und Kraft seines Sieges ihm ähnlich werden, vom Dunkel zum Lichte gelangen, mit sterben und mit leben können.

An ähnlichen Lagen der Angefochtenheit im Glauben wird es gewiss bei keinem wahren bekehrten Jünger des Herrn fehlen, so wenig das die Namenchristen begreifen können, welche meinen, das Kind Gottes müsse immer im Jubel sein. Wir sehen sehr oft bei denen, die in der ersten Liebe stehen, ein helles Feuer und eine felsenfeste Zuversicht; aber der Herr führt sie von diesem Berge der Verklärung herunter, weil das zur tieferen, gründlicheren Selbsterkenntnis und zum Wachstum in der Gnade Jesu nötig ist. Dieses erste Schmecken der Freundlichkeit des Herrn kann nicht immer so bleiben; es treten dagegen dunkle Stunden und Augenblicke ein, in denen uns so leicht Kleinglaube und Mutlosigkeit überfallen kann. Der Eine sagt in denselben trauernd: er habe den Heiligen Geist nicht bloß betrübt, sondern jene Sünde begangen, von der der Herr selbst sagt, dass sie nicht mehr vergeben werde; denn das Herz habe alle Empfänglichkeit fürs Gute verloren. Ein solcher meint denn so leicht, es werde aus seiner vollkommenen Erlösung nichts werden. Ein Anderer hat dies oder jenes erfahren müssen; er überschätzt die Macht dieser Unfälle oder der Feinde seiner Seligkeit, sowie die Gewalt der Sünde im eigenen Herzen und der Weltsünde, und schätzt dagegen des Herrn Kraft und Sieg zu gering. Was ist bei dieser Erfahrung so leicht möglich? Kleinmut, Wankelmut und Bekümmernis, ob man auch das Ende seines Glaubens, der Seele Seligkeit davon bringe, stellen sich ein.

Man begreift es ferner, wenn Jünger des Herrn wegen des Glaubens der Kirche bekümmert werden. Das ist ausgemacht, der herrschende Zeitgeist ist dem Glauben der Kirche und dem, was der Herr uns in derselben gibt, seinen himmlischen Segnungen, Gnade, Wiedergeburt sehr ungünstig. Die Wirkungen dieses Geistes zeigen sich leider in allen Gemeinden und bei allen Ständen. Selbst die christliche Sitte und Gewohnheit - diese an und für sich wohl so wichtigen aber doch nur äußeren Reste früherer Tage - weicht in Folge der Wirkung dieses Geistes aus Häusern, Schulen, Ratssälen und dem ganzen Volksleben. Dagegen nimmt das Trachten nach dem, was unten ist, zu, und das Treiben dessen, was zeitlichen Gewinn und Ansehen gibt, nimmt die Köpfe und Herzen der Mehrzahl in Anspruch. Bei den entschiedeneren Gliedern der Kirche finden wir entweder Lauheit oder Parteiung wegen Nebensachen, die Macht des Unglaubens ist aber so groß, einig und geschäftig und mit demselben auf dem Plane, die alte Feindin der Kirche des Evangeliums, die seit drei Jahrhunderten nichts gespart hat, diese wieder vom Erdboden zu vertilgen; - wir sollten da nicht warme Freunde und Glieder der Kirche beim Anblicke dieser Gefahren traurig und im Glauben wankend werden können? Aber wenn sie nur im Herrn sind, ihre Sorgen in seinen Heilandsschoß werfen, so können sie gewiss sein, dass der hilft, der diese Passion für sie durchgekämpft, gezittert und gebebt hat, Ostern aber wieder erlebt und so siegesfreudig aus dem Grabe herausgegangen ist. Er bleibt ja derselbe barmherzige Hohepriester, gestern, heute und in Ewigkeit. Es ist darum ein gewisses Wort für die im Glauben und wegen des Glaubens Angefochtenen: auf Passion folgt für wahre Jünger des Herrn Ostern.

II. für die so mannigfaltiges äußeres Leid Tragenden

Der Rückblick auf Passions- und Osterzeit ist auch gesegnet für diejenigen, so mannigfaltiges äußeres Leid erfahren. Auf Passion kommt früher oder später Ostern für die, die mit ihm gestorben sind, in ihm leben und ihn nicht verleugnen. „Dulden wir, sagt ja der Apostel in unserem Textesworte, so werden wir auch mit regieren und herrschen“; sie werden also nicht vom Leid bezwungen werden, sondern stark sein im Ertragen, und reichen Segen empfangen für Seele und Leib. - Wie groß war das Leiden unseres Herrn? Was der Apostel Paulus im zweiten Korintherbriefe vom Armwerden des Herrn Jesu sagt, bezieht sich wohl zunächst auf die Zeit der Menschwerdung des Sohnes Gottes, gilt aber besonders von den letzten Tagen seines versöhnenden und erlösenden Wirkens, seiner Passionszeit. Mit Recht haben die Gläubigen von jeher gesagt, dass Christus alles Leid der Erde recht bitter habe schmecken und durchmachen müssen, um dasselbe allen Gläubigen in Segen und Freude zu verwandeln. Er ward arm in aller und jeder Beziehung, arm an Hoheit, Kraft, Teilnahme, Hilfe, dafür reich an Schmach, Erniedrigung, Schwachheit, Verhöhnung und Schmerz; darum unser Katechismus gar treffend sagt, er habe unzählbare Martern an Seele und Leib erlitten. -

Er war nicht bloß der Heilige, in dessen Mund kein Betrug erfunden worden; er war ein wahrer und heiliger Mensch, ja noch mehr, der eingeborene Sohn des Vaters, das Wort, das im Anfange bei Gott war und durch das alle Dinge sind gemacht worden; der Sohn, an dem der Vater sein Wohlgefallen hat; der König der Menschen und der Welt, und doch - welche Passion? - Sein Thron ist der Pfahl des Fluches; er ist angeklagt und verurteilt als Empörer wider Gott und die Obrigkeit, als Gotteslästerer. Selbst ein Petrus wagte es nicht einmal, nachdem das Schuldig über ihn gesprochen, vor Knechten und Mägden ihn als Sohn Gottes zu bekennen. Seine Feinde begnügten sich aber nicht damit, ihm die Ehre zu rauben; ihm recht viele Qualen des Leibes zuzufügen, das war ferner ihr höchstes Bestreben. Wo ist ein Leid wie sein Leid? Der starke Dulder, der doch einst Himmel und Erde getragen, vermag's kaum mehr auszuhalten. Die Hitze der Wundmale, die glühenden Pfeile des Spottes, Verleumdung und Hohnes, die Last des göttlichen Zornes scheint ihm in dem Dunkel der Gewitter, die sich von allen Seiten auf seinem Haupte zusammen zogen, zu schwer. Seht zugleich bei diesem Leid, welche Verlassenheit? Die einen Jünger sind verborgen aus Furcht vor den Juden; die andern, Weiber, aber dem Geiste und Kraft nach Männer, stehen wohl beim Kreuze, aber in der Ferne. -

Vergegenwärtigt euch aber auch, welch' eine Herrschaft im Leiden und nach demselben der Gekreuzigte offenbart. Dem bußfertigen Mitgekreuzigten verheißt er im Angesichte aller Zeugen seines Leidens, seiner Schmach und Armut das Paradies: „noch heute wirst du mit mir im Paradiese sein.“ „Es ist vollbracht!“ ruft der Getötete und Verachtete, als er sein Haupt neigte und nun herbeigekommen das Ende des alten und die Gründung des neuen Bundes, welcher wahre Vergebung der Sünden und Heilung allen Adamskindern gibt, um des für uns vergossenen Blutes Christi willen. Er hat ausgeduldet, nach den Stürmen ist beim Scheiden Ruhe. Nicht wahr, welche Herrlichkeit, Macht und hohepriesterlicher Sieg offenbart dieser Dulder nicht in seinem Leiden! Wie deutlich zeigt das alles erst der Ostermorgen, an dem er wieder lebend und siegend als der Vollender aus dem Grabe hervorgeht, bald bereit zum Vater zu gehen. -

Diesen Segen will er auch uns geben. Durch seine Kraft können auch wir bei diesen mannigfachen ähnlichen Leiden herrschen über alles Leid, so dass es statt Unfrieden Frieden, statt Schwachheit Kraft bringen und den Becher des Leidens in einen Kelch des Heiles verwandeln muss. Die Leiden sind daher den wahren Gläubigen nur Siegel der Vaterliebe, seiner Hilfe und unermüdlichen Treue; Evangelisten, die zur oberen Heimat, zur Versöhnung in Christi Blut und Wunden mahnen. Es ist ihnen gewiss, wenn der Herr auch wehe tut, so will er nicht bloß Kraft zum Tragen, Ruhe nach dem Streite, sondern eine begnadigte und heilige Seele geben, eine Herrlichkeit, bei deren Besitz alles Leiden wie nichts ist.

Verleugnet ihr ihn nur nicht, so muss aus dieser Passion Ostern werden.

Freue dich darum, Bruder, der du um Christi willen Ähnliches leidest und klagst, dass die Herrlichkeit, die des Herrn Gnade dir geschenkt, entweder nicht anerkannt oder geschmäht werde. Du musst auch sehen, wie die ungläubige, nur den Namen Christi tragende Christenheit wahre Christen Frömmler, Ungerechte nennt, weil sie das Leben aus Gott hasst. Wie zu allen Zeiten kommt dies auch jetzt noch vor; du musst es auch erfahren - oder die unverdiente Zurücksetzung, das Misstrauen, ja die Verhöhnung, verletzen dich tief. In Kirche, Staat und Gemeinde siehst du Solche wirken, die untüchtig sind, nur das Ihre suchen, die die Kirche zerstören und Ordnung und Sitte auflösen. Sie gelten als Freunde und Ratgeber der Menge, nach ihrem Rate geht Alles; du hingegen giltst als Feind deines Volkes, und bist deshalb gezwungen, müßig am Markte zu stehen.

Freue dich aber auch, der du am Leibe leidest, über das, woran dich ein gläubiger Rückblick auf Passion und Ostern erinnert. O sagt es allen Leidenden, die in diesen Tagen nicht mit der Gemeinde Passion und Ostern feiern konnten. Ihr trauert auch, weil ihr oder die Eurigen elend oder krank sind. Viele müssen es sogar erfahren, dass der Herr nicht bloß Ein Glied der Familie, sondern mehrere aufs lange Krankenlager wirft; Andern legt er freilich eine nur kurze Zeit zu tragende Last auf, die aber umso brennender und kaum zu tragen ist.

Freut euch aber auch, ihr Gottseligen, die ihr klaget über das Verlassensein. Eltern sehen sich oft von den Kindern in den Tagen des Alters oder der Krankheit verlassen. Das tut dem Herzen besonders weh, dass diejenigen, die unser Fleisch und Blut empfangen, dasselbe verachten und verlassen; dass diejenigen, die so viel Gutes empfangen, entweder nichts geben oder doch nur mit so tief verletzenden Worten, dass man froh gewesen wäre, wenn man sich in der Not nicht an sie gewandt hätte.

Ihr erlasst es mir, alle die verschiedenen Arten der Leiden anzuführen; aber nur das nicht, euch zu zeigen, dass die Passion und Ostern des Herrn nicht bloß auf ein Aufhören der Leiden uns hinweist, sondern auf die Gnade, die Kraft und die Liebe des Herrn und die ewige Heimat. Diesen Segen hat nicht das Leiden an und für sich; wir können ihn nicht etwa mit Leiden verdienen, die Schuld abbüßen, sondern das ist ein gewisses Wort: Dulden wir mit und in Christo, so werden wir auch mit regieren, mit dem gekreuzigten, aber wieder auferstandenen Erlöser.

III. für die den letzten Todeskampf Kämpfenden und Sterbenden

Der Rückblick auf Passion und Ostern ist endlich auch gesegnet für die den Todeskampf Kämpfenden und Sterbenden. Auch da heißt's: Auf Passion folgt Ostern! Wie groß war auch in dieser Lage des Herrn Leiden, aber wie herrlich sein Sieg! Sterben wir mit ihm, so werden wir auch mit ihm leben, sagt daher der Apostel. Diese Worte sind sehr umfassend; sie beschreiben uns nicht bloß den Moment in seiner Passion, in dem Christus sein Haupt geneigt und seinen Geist in die Hände des Vaters übergeben hat, sondern auch die dunklen und qualvollen Momente unmittelbar vor der gewaltsamen Scheidung von Seele und Leib. Wir singen mit Recht von diesen Stunden:

Wie dunkel waren jene Stunden
Und welche Lasten drückten dich!

Aber auch:

Wenn mir am allerbängsten
Wird um das Herze sein,
Reiß' du mich aus den Ängsten
Kraft deiner Angst und Pein! 1)

Ihr seht, diese Verse reden zugleich von dem Sterben und der Furcht desselben. Auf ähnliche Weise geht der Apostel von dem Sterben des Herrn auf das Heil, das darin für wahre Gläubige liegt, über. Er sagt: dieses Sterben des Herrn sei für die Gläubigen Leben. Diese Worte beziehen sich allerdings zunächst auf das Absterben des alten Menschen mit seinen Sünden und seiner Weltliebe und das daraus folgende Aufleben des neuen Menschen, kraft des Todes Christi und seiner Auferstehung; aber was für das ganze Leben gilt, offenbart sich auch beim Scheiden und im Scheiden. Darum heißt's auch da: ich lebe, ihr sollt auch leben; denn Christus ist nicht bloß selig im Frieden geschieden, hat gerufen: „Vater in deine Hände befehle ich meinen Geist!“ sondern er ist auch wieder auferstanden, zu seinen Jüngern gekommen, und lebt nun immerdar. Für die durch ihn Versöhnten und in ihm Lebenden ist darum bei der Todesangst und im Sterben der Rückblick auf seine Passion und Ostern so gesegnet und trostreich, weil sie sagen können: „Wir werden nicht sterben, sondern durch, mit und bei ihm leben.“ Die Todeskämpfe sind jetzt für sie Kämpfe zum ewigen, seligen Leben; es ist für die Gläubigen nun kein Vergehen mehr, keine Nacht, sondern Leben und helles Licht, herrliche Ostern sein. Wie Viele haben das seit dem Scheiden des Herrn beim Nahen des letzten Stündleins erfahren, und waren daher in den allerbängsten Stunden, in denen der falschen Hoffnung Stützen zusammensinken, so selig. Der Rückblick auf Passion und Ostern war ihre einzige Kraft und Trost. Wohl ist es Einzelnen vergönnt, gleichsam in die Ewigkeit hinüberzuschlummern; aber das Gewöhnlichere ist ein Kampf der scheidenden Seele mit ihrer zusammensinkenden Hütte. Diese Stunden des Kampfes sind für die Scheidenden, sowie die Überlebenden, die Mitgefühl haben, so schwer! Das allein gibt uns dann Kraft, dass wir wissen, der Löwe aus Juda hat für uns überwunden; in dieser Schwachheit wird er mächtig sein, auch in dieser Not werden wir seiner Herrlichkeit teilhaftig werden. Aber auch im Tode selbst ist nur Leben, ewiges Leben, Leben bei ihm und bei Allen, die ihn lieb gehabt haben; das ist wahrlich ein süßes Evangelium für die Sterbenden und Hinterlassenen, wenn sie der Gewalt des Todes gedenken.

Des Todes Werk ist gewiss schrecklich. Er vernichtet, trennt, bringt die Seele vor das Gericht des Herrn; die Gnadenzeit ist vollendet, der Augenblick da, in dem es sich entscheiden soll, ob wir ewig selig oder unselig bleiben werden. Der natürliche Mensch, wenn er sich nicht täuschen will, kann daher nur Böses für seine Seele ahnen und zittern; aber für die, die mit ihm gestorben sind, ist's gewiss: Sterben wir mit ihm, verleugnen wir ihn nicht bis zum Tode, stehen wir vom Falle wieder auf, so werden wir mit ihm, der zur Rechten Gottes, seines Vaters ist, ewig leben, ohne Sünde und ohne Tod in seliger Gemeinschaft mit den Engeln und vervollkommneten Gerechten, die gekommen sind zu dem Berge Zion, zu der Stadt des lebendigen Gottes und zu dem himmlischen Jerusalem und zu viel tausend Engeln.

Wenn wir nun auch in den nächsten Sonntagen in unseren gottesdienstlichen Versammlungen nicht mehr so einzig und ausführlich den unendlichen Segen des Leidens, Sterbens und Auferstehens unseres Heilandes betrachten werden, bitten wir euch dennoch, diese allerwichtigsten Taten des Heiles täglich und stündlich, ja immerdar im Geiste zu betrachten, damit wir in dieser Zeit durch seine Gnade sterben, aber leben; leiden aber herrschen, und ihn nicht verleugnen, und damit wir dann einst nach diesem Leben im Anschauen des Lammes Gottes vor seinem Throne auch in das neue Lied der Ältesten und Seligen im Himmel mit dankbarem Herzen und jubelnden Lippen einstimmen können: „Das Lamm, das geschlachtet war, ist würdig zu nehmen Macht, Reichtum und Weisheit und Stärke und Ehre und Herrlichkeit und Benedeiung!“ Amen.

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