Stockmayer, Otto - Praktische Winke zur Heiligung
Ihm habt ihr es zu verdanken, daß ihr in Christus Jesus seid, der uns von Gott her zur Weisheit gemacht worden ist, wie auch zur Gerechtigkeit und Heiligung und zur Erlösung
(1. Kor. 1, 30).
Jesus Christus, gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit
(Hebr. 13, 8).
Wenn sich ein Christentum, das sich zwischen Fallen und Aufstehen hin- und herbewegt und bei dem man sich immer wieder überwinden oder beflecken läßt, vor der Schrift nicht halten kann; wenn es eine Tatsame ist, daß Jesus Christus Welt, Sünde und Teufel überwunden hat; wenn wir zu einem Leben steten und völligen Sieges über die Sünde berufen sind und der Herr bereit ist, uns in dieses Leben einzuführen und darin zu bewahren: wie kommt es, daß so wenige Christen darin wandeln? Warum sind ihrer so wenige, die in ununterbrochener Gemeinschaft mit Gott wandeln, die wissen, was es heißt: in Jesus bleiben? Warum so wenig Überwinder?
Wie mannigfaltig auch die Ursamen sein mögen, so läßt sich doch die Antwort auf diese Fragen in dem einen Wort zusammenfassen: „Um ihres Unglaubens willen.“
Der Unglaube ist es, der Tausende von Christen hindert, die Gabe Gottes zu ergreifen. Eine Seite im Erlösungswerk Christi haben sie erfaßt und sich gläubig angeeignet: sie sind der Vergebung ihrer Sünden und ihrer Gotteskindschaft gewiß; aber die andere Seite ist ihnen noch verdeckt. Sie haben noch nicht erkannt, daß durch Jesu Kreuzestod ihr alter Mensch gekreuzigt, daß ihr Fleisch verurteilt und abgetan, aller und jeder Lebensfähigkeit für immer beraubt ist.„ Sie haben noch nicht erkannt und können noch nicht glauben, daß sie durch Jesu Opfer wirklich, völlig und für immer von jeder Knechtschaft und Gebundenheit befreit und Gott wieder wahrhaftig zugeeignet und geheiligt sind, daß Jesus seine und ihre Feinde überwunden und ihnen alle und jede Macht über die Seinigen genommen hat.“
Der Unglaube so vieler Kinder Gottes äußert sich aber nicht nur gegenüber dem Werk, sondern auch gegenüber der Person ihres Erlösers. Sie glauben nicht an die Herrlichkeit und Seligkeit eines Lebens, das man ihm rückhaltlos und für immer übergeben hat, in dem man ihn alles sein läßt; sie glauben ihm nicht, wenn er seinen Schafen Leben und volles Genüge verspricht. Sie können es nicht fassen, daß es keine größere Gnade und herrlichere Erlösung gebe, als von sich selbst und allem Eigenen los zu sein und mit allen Kräften und Trieben dem Herrn zu leben, daß alles außer Christo, woran unser Herz hängt, nur Schaden und Jammer ist. In dieser Verblendung schonen sie ihres eigenen Lebens und nähren ein geheimes Einverständnis mit den Feinden Christi, wenn er diese in ihrem Herzen und Leben bekämpft. Sie sehen nicht ein, daß es lauter Erbarmen und Herablassung von seiten Gottes ist,
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Röm. 8, 2-4: „Denn das Gesetz des Geistes des Lebens in Christo Jesu machte mich frei vom Gesetz der Sünde und des Todes. Denn was dem Gesetz unmöglich war, dieweil es kraftlos gemacht war durch das Fleisch: Gott hat, indem er seinen eigenen Sohn sandte in der Ähnlichkeit des Fleisches der Sünde und um der Sünde willen, verdammt die Sünde in dem Fleisch, damit die Gerechtigkeit, vom Gesetz erfordert (Langes's Bibelwerk: ,Das Gerechtsein für das Gesetz'), erfüllt würde in uns, die wir nicht nach dem Fleisch wandeln, sondern nach dem Geist.“
Röm. 6, 6: „… wir wissen, daß unser alter Mensch mitgekreuzigt wurde, damit vernichtet würde der Leib der Sünde. ..“
Gal. 2, 19. 20: „Denn ich bin durch das Gesetz dem Gesetz gestorben, auf daß ich Gott lebe; mit Christo bin ich gekreuzigt. ich lebe aber nicht mehr selbst, vielmehr lebt in mir Christus. ..“
Gal. 5, 24: „Die aber Christi sind, haben ihr Fleisch gekreuzigt mit seinen Leidenschaften und Lüsten.“
Gal. 6, 14: „… Durch welches (das Kreuz Jesu Christi) mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt.“
Hebr. 10, 10: „… in welchem (Gottes) Willen wir geheiligt sind vermittelst der Darbietung des Leibes Jesu Christi ein für
wenn er uns einladen läßt (Röm. 12, 1), ihm unsere Leiber und damit uns selbst zum Opfer zu bringen. Der Gedanke einer unbedingten Auslieferung an den Herrn erschreckt sie und es dünkt sie hart, die Zügel ihres Lebens aus den Händen geben zu sollen, über Gaben, Zeit und Geld nicht mehr selbst “ verfügen zu dürfen. -Vielfach steckt auch im Herzen noch ein geheimes Mißtrauen gegen Gott, als hätte er keinen sicheren Blick oder keine feste Hand, um die, die sich Ihm anvertrauen, jederzeit und in allen Lagen richtig zu leiten, als wäre er fähig, willkürliche, phantastische und ungeheuerliche Anforderungen an uns zu stellen und Dinge von uns zu verlangen, die sich vor einem geraden, nüchternen und gesunden Urteil nicht mehr rechtfertigen würden.
Dieser unverantwortliche Unglaube ist der tiefste Grund, warum es bei so wenigen und bei vielen erst so spät zu einer gänzlichen und bleibenden Übergabe an den Herrn kommt und warum dann auch so wenige die Kräfte des Todes und der Auferstehung Christi in ihrer Fülle an sich erfahren. Wohl ist man bereit, seinem Hirten auf grüne Auen und zu frischen Wassern zu folgen; aber man traut ihm nicht, wenn es sich darum handelt, mit ihm in die dunkeln Täler des Leidens und Sterbens zu gehen. Sei es in den einfachen Vorkommnissen des täglichen Lebens, sei es in tief eingreifenden Heimsuchungen, man kann sich nicht entschließen, Ja und Amen zu sagen
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allemal„.
V. 14: „Durch eine einzige Opferdarbringung hat er für immer vollendet, die geheiligt werden.“
Röm. 6, 8: „Denn nun ihr frei geworden seid von der Sünde, seid ihr Knechte geworden der Gerechtigkeit.“ (Vgl. V. 22)
Joh. 8, 36: “… Wenn nun der Sohn euch frei gemacht hat, so werdet ihr frei sein.„
Joh. 16, 33: “. ..Seid getrost: ich habe die Welt überwunden!„- Zu vergleichen mit: 1. Joh. 5, 4: „Und das ist der Sieg, der die Welt besiegte: Unser Glaube.“
Hebr. 2, 14, 15: „Damit er vermittelst des Todes die Macht nähme dem, der des Todes Gewalt hat, das ist dem Teufel, und losbrächte die, welche durch Todesfurcht das ganze Leben hindurch der Knechtschaft verhaftet waren.“
1. Kor. 3, 21-23: “… Alles ist euer - sei es Paulus, sei es Apollos, sei es Kephas, sei es Welt, sei es Leben, sei es Tod, sei es Gegenwärtiges, sei es Zukünftiges - alles ist euer, ihr aber Christi, Christus aber Gottes.„
zu allem, was er einem schickt. Wer aber mit dem Herrn nicht in die Schule gehen will, in der er selbst Gehorsam gelernt hat, dem wird der Weg zu wahrer Heiligung ewig verschlossen bleiben (Hebr. 5, 8; 12, 10). Solange wir uns vom Herrn nicht in den Schmelztiegel werfen lassen wollen, kann er uns auch nicht reinigen von den Schlacken unseres eigenen Wesens, von sündlichem Dichten und Trachten; Herz und Phantasie bleiben befleckt. Kann man ohne Leiden nicht ins Reich Gottes eingehen, so gelangt man ohne Leiden auch nicht zu einem Leben der Gerechtigkeit, des Friedens und der Freude im Heiligen Geist (Apg. 14, 22; Röm. 14, 17).
Ohne Leiden wird die eigene Kraft und das eigene Wesen nicht gebrochen; man kommt nicht zur Erkenntnis seiner Schwäche und Ohnmacht. Wer aber noch in eigener Kraft dasteht, der kann jeden Augenblick fallen. Gegen Fallen geschützt ist man nur, wenn man im Staube liegt. Auch für seinen Dienst kann der Herr nur die brauchen, die sich im Ofen der Trübsal läutern lassen. Er gebraucht nur gereinigte Gefäße, und alle Kinder Levis, alle, die ihm dienen wollen, müssen durchs Feuer (Mal. 3, 3; vgl. 1. Petr. 1, 7).
Was aber auch die Führungen des Herrn sein mögen, durch die er uns läutert und für seinen Dienst sowohl als für die Herrlichkeit zubereitet, sie sind bitter und peinlich nur solange wir unserm Hirten mißtrauisch widerstreben. Wie der Stachel des Todes die Sünde ist, so liegt auch der Stachel der mannigfachen Leiden, die dem Tode vorhergehen, in unserm Trotz und Widerstand. Ist man einmal in die Schule des Herrn eingetreten und hat man sein Joch auf sich genommen, ist erst der letzte Rest von Widerstand gebrochen und jeder Gedanke, der Schule zu entlaufen und Christi Joch abzuschütteln, aus dem Herzen geschwunden, so macht man sofort die Erfahrung, daß Christi Joch sanft und seine Last leicht ist. Man kann ihm dann auch für die Demütigungen danken. Wenn wir im Schmelztiegel sind, so genügt es uns zu wissen, daß der Herr Jesus sich neben uns setzt (Mal. 3, 3), um das Feuer zu überwachen, damit die Hitze auch um keinen tausendstel Teil den Wärmegrad übersteige, der für das Werk unserer Heiligung erforderlich ist. - Darum strecke deine Hände aus, mein Bruder, und laß dich „gürten“ von deinem Gott (Joh. 21, 18), laß das Letzte, das dir noch lieb und teuer ist, fahren, seien es Erinnerungen oder Zukunftsträume; traue der Liebe deines Gottes, und es wird nicht lange währen, so wirst du beschämt sein durch die Erfahrung der zarten Schonung und treuen Fürsorge, mit der er dich umgibt und leitet! Dein Herz wird in seinen Wegen und in seinen Gedanken Erquickung, Ruhe und Sicherheit finden.
Solange dich Unglaube und Mißtrauen zurückhalten, alles in des Herrn Hände abzugeben, und du in dieser schwersten aller Sünden gefangen bist (Joh. 16,9), solange ist es dir nicht möglich, vor besonderen Sünden bewahrt zu bleiben; Unglaube und Mißtrauen sind die Wurzel aller andern Sünden. Aber auch nachdem du im Vertrauen schon alles dem Herrn ausgeliefert hast, darf es dich nicht verdrießen, wenn du nicht gleich verstehst, dich von ihm Stunde für Stunde, Augenblick für Augenblick vor Sünde bewahren zu lassen; wundere dich nicht, wenn dir auch dann manchmal der Zugang zu diesem Pfad wie verschlossen scheint oder wenn du wenigstens erst nur schwankenden Fußes darauf zu gehen vermagst! Zu lange hast du in dir selbst und für dich selbst gelebt, als daß es dir leicht werden könnte, dich dieser traurigen Welt zu entreißen, deinem eigenen Leben fremd zu werden und mit deinem Glaubensblick so im Herrn gewurzelt zu bleiben, daß keine Sünde mehr in dir aufkommen kann.
Bleibe nur fest dabei, um keinen Preis mehr etwas von dir wissen zu wollen, weigere dich standhaft, mit deiner Vergangenheit und deinem eigenen Leben wieder anzuknüpfen, und deine Treue wird reich belohnt werden! Nachdem der Herr deine Aufrichtigkeit und Lauterkeit erprobt hat, wird er unmittelbar und gewaltig ins Mittel treten; er wird deine Bande lösen und die Macht der Sünde in dir brechen. Er wird dich in eine reinere Luft einführen, in der dir der Blick auf ihn und damit jeder Sieg bedeutend leichter wird. Der Heilige Geist wird dir die Augen öffnen, daß du erkennst, was du für einen Heiland hast, einen Heiland, auf den man sich verlassen kann und dem gegenüber Zweifel und Mißtrauen verstummen müssen.