Stockmayer, Otto - Krankheit und Evangelium - 3. Bedingung, um zu erfahren, was die Schrift bezeugt: Stellung nehmen als Erlöste, mit Christo Gestorbene.
Wollen wir an uns erfahren, dass uns Jesus Christus von Krankheit sowohl, als von Sünde erlöst hat, so müssen wir uns erinnern, dass es keine Erlösung gibt ohne Heiligung; mit andern Worten, dass Jesus Christus uns eingelöst hat für Gott, für seinen Dienst. „Lass mein Volk ziehen, auf dass es mir diene,“ ließ Gott Pharao sagen; nicht: auf dass es nun seine eignen Wege gehe. Erlösung von Krankheit lässt sich nicht lostrennen vom gesamten Erlösungswerk, und wir können auf solche nur rechnen, soweit wir uns Erlösung von Sünde, d. h. Erlösung von eignem Willen und eignen Wegen im Glauben aneignen, so weit wir entschlossen sind, in Nichts mehr uns selbst und unsere eigne Befriedigung, sondern des HErrn Interessen zu suchen. Herz und Haupt, Auge, Ohr und Mund, Hand und Fuß, alle Glieder unseres Leibes, alle Kräfte des Liebens und Denkens müssen dem HErrn zur Benützung überlassen bleiben, Er muss die Zügel unseres Lebens wieder völlig in der Hand haben.
Durch die Sünde ist unser Lebensmittelpunkt verrückt und Alles in uns in eine schiefe Bahn gebracht worden. An der Stelle Gottes ist unser eignes Selbst der Mittelpunkt geworden, um den sich Alles in uns dreht. Die Erlösung bringt Alles wieder in Ordnung und stellt die ursprünglichen Verhältnisse wieder her. „Erlöst sein“ heißt darum nichts Anderes, als seinen rechten und wahren Platz Gott gegenüber wieder einnehmen, „sich selbst verleugnen“, wie sich die heilige Schrift ausdrückt.
Erlöst hat uns Christus durch sein Leiden und Sterben; und wer sich zu Ihm bekennt, der erklärt mit Ihm gestorben und begraben zu sein. „Wisst ihr nicht,“ schreibt der Apostel Paulus, „dass Alle, die wir in Jesum Christum getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? So sind wir denn mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, auf dass, gleichwie Christus ist auferweckt von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, also auch wir in einem neuen Leben wandeln mögen“ (Röm. 6,3.4). „Wir halten dafür, dass, so Einer für Alle gestorben ist, so sind sie Alle gestorben. Und Er ist darum für Alle gestorben, auf dass die so da leben, nicht ihnen selbst leben, sondern Dem, der für sie gestorben und auferstanden ist“ (2 Kor. 5,14.15). „Ich bin aber durchs Gesetz dem Gesetz gestorben, auf dass ich Gott lebe; ich bin mit Christo gekreuzigt. Ich lebe aber, nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben des Sohnes Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dargegeben“ (Gal. 2,19.20). So lange wir uns die in solchen Stellen enthaltenen Wahrheiten nicht im Glauben angeeignet haben, müssen wir es als eine gnädige Führung Gottes ansehen, wenn Er unserem natürlichen Leben durch Krankheit oder sonstige Heimsuchungen Schranken setzt. Es ist uns besser, wenn der HErr Glieder unseres Leibes gebunden hält oder für eine Zeit lahm legt, als dass wir unsere Glieder und Kräfte nach eignem Gutdünken und im Dienste des eignen Lebens verwenden.
Ehe wir daran denken können, für den HErrn und zu seiner Ehre Gesundheit in Anspruch zu nehmen, müssen wir erst gründlich in der Schule der Selbstentsagung geübt sein, die uns der HErr mit der Krankheit eröffnet hat. Wir dürfen Krankheit nicht mehr als Vorwand benützen, um unseren Launen und Einfällen nachzugeben, unsere Selbstsucht und unseren Eigensinn zu pflegen, Anderer Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen und uns bedienen zu lassen.
Wie viel wird in dieser Hinsicht namentlich auch bei Kindern gefehlt! Bei wie manchem von Natur nervenschwachen Kind ist von christlichen Eltern die Sünde groß gezogen worden, weil sie aus Furcht vor nervösen Krisen oder andern Zufällen dem Eigenwillen und der Selbstsucht des Kindes nicht entgegenzutreten wagten und so den Leib auf Kosten der Seele pflegten! Die Schrift sagt: „Trachtet am Ersten nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, so wird euch das Übrige Alles zufallen“ (Matth. 6,33). - „Es ist dir besser, dass du zum Leben lahm oder ein Krüppel eingehst, denn dass du zwei Hände oder zwei Füße hast und wirst in das ewige Feuer geworfen“ (Matth. 18,8). Jedoch erschrecke Niemand! Wer im kindlichen Glauben seinen und seiner Kinder Leib dem HErrn zur unmittelbaren Pflege anvertraut, der darf erfahren, dass der HErr alle Verantwortung übernimmt und alle üblen Folgen abwendet, auch wo ärztliche Wissenschaft solche aufs Bestimmteste vorhergesagt hat. Wer wie Abraham nicht auf den Leib, sondern auf den HErrn sieht und auf sein Wort, der bekommt Kraft und Mut, auch ein krankes oder schwaches Kind in der Zucht zu halten, die für dessen geistliches Wohl geboten ist.
Sterben in der eignen Person und in der Person seiner Kinder, ist der Weg, um nach Leib und Seele für sich und die Seinigen des Heils teilhaftig zu werden, das Christi Tod und Auferstehung uns gebracht hat.
Warum nun schreckst du zurück vor dem Sterben? Warum willst du nicht in gläubigem Vertrauen in die Stellung eines Erlösten und Geheiligten eingehen und in der Ähnlichkeit seines Todes Eine Pflanze mit Ihm werden (Röm. 6,5)? Hat Er nicht durch seinen Tod dem die Macht genommen, der des Todes Gewalt hatte, das ist dem Teufel, und hat Er nicht dadurch erlöst die, so durch Furcht des Todes ihr ganzes Leben lang in Knechtschaft gehalten waren (Ebr. 2,14.15)? Ist dieses Wort nicht auf alles Sterben anwendbar, auf die Opferung unseres natürlichen Lebens und die Hingabe alles eigenen Willens so gut, als auf den leiblichen Tod? Ist Er nicht gehorsam geworden bis zum Tod (Phil. 2,8), um uns in Stand zu setzen, den gleichen Weg des Gehorsams zu gehen? „Also,“ sagt der Apostel V. 12, „also, meine Lieben, wie ihr allezeit seid gehorsam gewesen … schafft euer Heil1),“ D. h. gehorcht auch fernerhin, gehorcht bis zum Tod, wie Er (vergl. Off. 12,11). Frage nie: wie vermag ich das? Wisse, der heilige Geist, Gott selbst ist es, der in dir wirkt „Beides, das Wollen und Vollbringen.“ Er macht uns willig zu sterben, und Er führt uns ins Sterben ein. Er bringt uns durch den Tod ins Grab, in volle Gemeinschaft mit unserem gestorbenen und begrabenen Heiland. Alles, was wir zu tun haben ist, dass wir dem heiligen Geist Schritt für Schritt in hingebendem Vertrauen folgen. „Durch den ewigen Geist“ hat Christus sich selbst Gott geopfert (Ebr. 9,14); durch den gleichen Geist sind auch wir in Stand gesetzt, den gleichen Weg zu gehen. Wir können jetzt mit dem Psalmisten sagen: „Und ob ich schon wanderte im Tal der Todesschatten, fürchte ich kein Unglück.“ Frei von der Furcht des Todes, welcher Natur auch das Sterben und die Todesschatten seien, um die es sich handelt, vermögen wir nun unserem treuen und erbarmenden Hirten auch in das Tal des Leidens und der Demütigung nachzufolgen, und können Ihm auch da lobsingen. Er ist bei uns; sein Stecken und Stab trösten uns (Ps. 23,4).
War es nicht in gewissem Sinn eben diese Freude zu sterben, die schon Johannes den Täufer erfüllte, als er die Stimme des Bräutigams vernahm? Er freute sich, durch das Auftreten des Meisters seine eigne Person und Wirksamkeit in den Schatten gestellt zu sehen. Es freute ihn, dass der HErr zu, er selbst aber abnahm (Joh. 3, 29. 30). Solche Freude ist rein und göttlich; es ist Freude im heiligen Geist.
Es ist von der höchsten Wichtigkeit, zu bemerken, dass uns die Schrift nicht auffordert, uns und der Sünde zu sterben, sondern uns für gestorben zu halten (Röm. 6,11). In Folge des Erlösungswerkes Jesu Christi sind wir gestorben (2 Kor. 5,14); es handelt sich nur darum, es zu wissen und zu glauben.