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Stiller, Erich - Psalm 25.

Stiller, Erich - Psalm 25.

Das ist ein trefflicher, schöner Betpsalm, in dem David im Gefühle seiner Sünde, bei der Anfechtung seiner Seele und in großer Leibesnot Gott bittet, er wolle die Barmherzigkeit an ihm tun, und ihn aus allem Elende erlösen. Für uns enthält dieser Psalm eine Ermunterung zum rechten Gebet, indem er uns zuerst daran erinnert, dass wir beten sollen, dann uns sagt, wie unser Gebet beschaffen sein muss, und endlich anfügt, um was wir zu Gott flehen sollen.

David betet; - und das tut sehr not, liebe Christen! Wir mögen pflanzen oder begießen, wie wir wollen, so ist es umsonst, wenn Gott nicht das Gedeihen dazu gibt; Gedeihen aber wird durch das Gebet erlangt. Die Seufzer und das Flehen der Gläubigen, welches sie namentlich bei ihrer Bußandacht zu Gott emporschicken, ist den Dünsten gleich, welche die Sonne von der Erde aufzieht, und die hernach als ein lieblicher Tau oder Regen wieder herabfallen, und die Erdgewächse erquicken. Wer ohne herzliches, eifriges Gebet in der Buße und Gottseligkeit etwas auszurichten meint, der will fliegen ohne Flügel, und ernten, da er nichts gesät hat. Das ganze Christentum ist himmlisch, und sein Anfang, Mittel und Ende steht in der Gnade Gottes, darum muss man ohne Unterlass zu Gott seufzen, und bei allen heiligen Übungen muss das Gebet das Erste und Letzte sein. Wenn der Mensch sein leibliches Leben anfängt, so gibt er ein Geschrei von sich, und zeugt damit von seinem Leben, - und so bezeugt ein wiedergeborner Christ sein neues Leben mit Seufzen, Weinen und Beten.

David beginnt den Psalm mit den Worten: Nach dir, Herr, verlangt mich! Das Gebet der Gläubigen ist manchmal sehr arm, und in den größten Nöten kann das arme Herz kaum etliche Seufzer laut werden lassen, ja es besteht das. Gebet öfters bloß in einem Sehnen, in einem Verlangen nach Gott, wie ein Kind, das nicht reden kann, in der Angst seines Herzens die Eltern mit dem kläglichen Anblick um Hilfe fleht. Doch wie eben ein Kind in seiner Not, Niemanden sucht, als nur die Eltern, so sucht auch der rechte Christ Niemanden, als Gott. Gott allein ist sein Trost, sein Fels, seine Burg, sein Gott, auf den er traut. Er betet mit Vertrauen, wie David, der da sprach: Mein Gott ich hoffe auf dich, lass mich nicht zu Schanden werden, denn keiner wird zu Schanden, der dein harrt.

Als unser göttlicher Erlöser seine Jünger beten lehrte, ermahnte er sie mit Vertrauen sich Gott zu nahen, indem er Gott den Namen „Vater“ gab, und sprach: Ihr sollt also beten „Vater Unser“. Er wusste am besten, welchen Namen der majestätische Gott am liebsten hört, und in welchem die meiste Kraft liegt sein Herz zu bewegen, zugleich wollte er die Jünger und uns ermuntern, dass wir den lieben Gott getrost und mit voller Zuversicht anrufen sollen, wie die lieben Kinder ihren lieben Vater. Wie ein Vater alle seine Lieben kennt, so sind Gott auch alle seine Kinder bekannt; er weiß ihr heimliches Anliegen des Herzens. Ihre Not, ihre Armut, ihre Traurigkeit, so heimlich sie dieselbe auch halten, ist ihm nicht verborgen. Die Kinder Gottes sind in der Welt zerstreut; hier liegt eins auf seinen Knien im verschlossenen Kämmerlein und betet mit Tränen, dort schreit ein Anderes aus der schlechten Hütte oder dem Gefängnisse um Trost und Hilfe; eins ist in Gefahr auf dem Lande, das andere auf dem Wasser; das Eine betet bei Tag, und das Andere schwemmt mit Tränen sein Lager des Nachts, und heult vor Unruhe seines Herzens, das Alles sieht, hört und weiß unser Gott! Alles Gebet, alle Seufzer, alle Tränen, sie kommen vom Morgen oder Abend, vom Mittage oder Mitternacht, laufen vor dem Throne Gottes zusammen und berühren sein väterliches Herz; er ist immer bereit zu erhören, wie denn Christus sagt: so ihr den Vater etwas bitten werdet in meinem Namen, so wird er es euch geben; was unser Gott aber geben will, das kann er auch geben, denn sein ist die Kraft, er spricht und es geschieht, er gebeut, und es steht da; darum sollen wir voll Vertrauen und voll Zuversicht uns ihm im Gebete nahen.

Schlecht und recht, das behüte mich, spricht David, und das erinnert uns, dass wir nicht beten sollen, um vor den Leuten gesehen zu werden, und um uns durch unsere Andacht bei den Leuten einen Namen zu machen. Rechte Christen beten nicht, dass man sie auf den Gassen höre, und dass sie desto mehr den Ruhm eines heiligen Wandels erhalten; sie sind auch nicht prahlerisch in Worten, und bemühen sich nicht Gott mit Redensarten zu täuschen, sondern sie reden mit ihrem Gott in der Stille, im Verborgenen, in kindlicher Einfalt, als mit ihrem lieben Vater, und schütten ihr Herz lauter und rein vor ihm aus, und sind nicht so sehr um die Worte des Mundes, als um die Andacht des Herzens bekümmert.

Um was aber betet ein rechter Christ? Lernt es von David, der spricht: Herr zeige mir deine Wege, und lehre mich deine Steige. Leite mich in deiner Wahrheit und lehre mich. Wenn du, o lieber Christ, dich dem Leibe nach den weltlichen Sachen entzogen und in dein Kämmerlein verschlossen hast, so wende Fleiß an, dass du auch dein Herz zur Ruhe bringst von irdischen Dingen, und bete, dass Gott alle deine Gedanken und Begierden, all dein Sinnen und Wollen hin zu seiner Wahrheit lenke, und dich auf den rechten Weg leite, der zum Heile führt. Wenn es auch anfangs schwer zugeht, und das Herz ungern daran will, o lasse nur nicht nach, es zu zwingen, also zu Gott zu flehen, denn das ist das Erste, was zum rechten Gebet gehört; das Andere nennt dir David in den Worten: Gedenke, Herr, an deine Barmherzigkeit und an deine Gute, die von der Welt her gewesen ist. Gedenke nicht der Sünden meiner Jugend und meiner Übertretung, gedenke aber mein nach deiner Barmherzigkeit um deiner Güte willen. Wir sollen bei unserm Gebet wohl darauf achthaben, wieviel uns noch fehlt, wie oft und mannigfaltig wir von den Wegen Gottes gewichen sind. Oft hat unser Fleisch seine eigene Sunde, welche sich nicht will dämpfen und überwinden lassen, oft finden wir bei Prüfung unsers Seelenzustandes, dass wir in der Liebe Gottes kalt sind, dass wir von der Gelassenheit und Geduld in Trübsal noch wenig wissen, dass wir noch nicht gelernt haben, uns genügen zu lassen, das Zeitliche zu verschmähen und das Himmlische und Ewige zu suchen; wir finden manchmal, dass wir keine Verachtung und Schmach der Welt mit Sanftmut erdulden, dass wir unsern Feinden nicht von Herzen vergeben können, dass unser Herz durch schändliche Gedanken und leichtsinnige Einfälle verunreinigt wird. Das Alles muss man nicht gering achten: man muss alle seine Sünden vor Gott bekennen und beten, dass er nicht mehr unserer Übertretungen gedenkt, sondern unserer gedenke nach seiner großen Barmherzigkeit.

Haben wir so, geliebte Zuhörer, um Gnade gefleht, dann können wir getrost auch um Hilfe in aller Leibesnot zu Gott rufen, wie David tat, der seufzte: Wende dich zu mir und sei mir gnädig, denn ich bin einsam und elend; die Angst meines Herzens ist groß, führe mich aus meinen Nöten! Siehe an meinen Jammer und mein Elend! Siehe, dass meiner Feinde so viel ist, und hassen mich aus Frevel. Gott erlöse Israel aus aller seiner Not!

Denkt an die Vaterliebe Gottes, ihr alle, die ihr mühselig und beladen seid; wir haben einen Gott, der da hilft, und einen Herrn Herrn, der vom Tode errettet. Alles, was Gott hat und vermag, Himmel und Erde, ist für seine Menschenkinder. Sorgt nicht, so lange euer himmlischer Vater noch etwas hat, wird er euch nicht unversorgt lassen! Was geht ihr und hängt das Haupt wie die welken Blumen? Was plagt ihr euch mit euern Sorgen und traurigen Gedanken? Tut doch euerm Vater im Himmel die Unehre nicht, dass ihr euch nicht auf ihn von Herzen verlasst! Gedenkt, dass ihr nicht gering seid in seinen Augen, wie schlecht euch auch die Welt hält; denn ihr seid seine Kinder, die er mit dem Blute Christi erkauft, und durch seinen Geist versiegelt und geheiligt hat. Wollt ihr seinen Worten nicht trauen, so traut doch euern eigenen Augen und, eurer Erfahrung; - der bis hierher half, hilft weiter; er ist noch der alte, liebe Gott und Vater! Die Zeiten ändern sich, die Menschen auch; aber Gott bleibt, wie er ist, und seine Güte und Barmherzigkeit nimmt kein Ende; darum lasst nur getrost in allen Dingen eure Bitten und Gebete vor Gott kund werden. Amen.

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autoren/s/stiller_erich/psalter/stiller_psalter_025.txt · Zuletzt geändert: von aj
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