Stiller, Erich - Psalm 24.
XXIV.
Machet weit und hoch die Türen,
ihr Herzen öffnet euch,
Dass der König kann einführen
In der Welt sein Gnadenreich,
Wer ist denn der Held der Ehre?
Du bist es, Herr Zebaoth,
Du der Fürst der Himmelsehre,
Du mein König und mein Gott!
Dieser liebliche Psalm ist vom Messias, unserm Herrn Christus, zu verstehen, was aus 1. Kor. 10, 28. erhellt, in welcher Stelle der Apostel Paulus den ersten Vers dieses Psalms auf Christum anwendet, indem er sagt: Die Erde ist des Herrn! Ebenso nennt Paulus 1. Kor. 2, 8. Christum den Herrn der Ehren oder Herrlichkeit, und bedient sich somit derselben Worte, welche David im Psalm gebraucht. David beschreibt nun hier das Reich des Messias; er spricht zuerst vom Reiche selbst, dann von den Reichsgenossen, und endlich von dem Segen, den es verbreitet.
Es ist ein Reich Gottes, ein Reich der Gnade, welches Jesus Christus gegründet hat. Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden, sprach er einst zu seinen Jüngern und kraft seiner Hoheit und Macht gab er ihnen den Auftrag: Geht hin in alle Welt und lehrt alle Völker, und tauft sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des heil. Geistes; und sie gingen hin in alle Welt, und nach ihnen Tausende, und suchten die Grenzen des Reiches Gottes immer weiter und weiter zu stecken. Ganze Vereine haben sich gebildet durch Geben und Gehen für das Reich Gottes zu wirken, und Heiden und Juden zu gewinnen, auf dass nach und nach das Wort der Verheißung erfüllt werde: Es wird ein Hirte und eine Herde sein! Wenn auch gleich noch fast 800 Millionen Menschen Christum nicht erkennen, und ihre Kniee noch nicht beugen in seinem Namen, so ist doch das Wort Gottes schon in allen uns bekannten heidnischen Ländern zu finden, und das wird nicht leer zurückkehren. Der Same ist ausgestreut, er wird Frucht bringen zu seiner Zeit. Wir hoffen umso zuversichtlicher, dass die Zeit kommt, da ein Hirte und eine Herde sein wird, weil es Christus, der treue, wahrhaftige Zeuge gesagt hat, dem alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden.
Die Erde ist des Herrn und was darinnen ist, der Erdboden und was darauf ist; denn er hat ihn an die Meere gegründet und an den Wassern bereitet. Die Macht irdischer Könige erstreckt sich bloß über einzelne Länder, Christi Reich aber soll den ganzen Erdkreis umfassen, vor ihm sollen sich beugen alle Kniee derer, die im Himmel und auf Erden sind, und alle Zungen sollen bekennen, dass er der Herr sei; - er herrscht und regiert mit dem Vater ewig, und ist der rechte König der Ehren. tröste dich, liebe Seele, dieses Ehrenkönigs und sei fröhlich! Trotzen Gewaltige auf Erden, wollen sie dem Reiche Gottes Gewalt antun, verfolgen sie die rechten Jünger des Herrn, und reden sie allerlei Übels von denselben, - Christus bleibt doch der Herr, ihm ist gegeben alle Gewalt, und wenn er seine Kirche schützt, so mag die Hölle wüten! Er stößt die Gewaltigen vom Stuhle und erhöht die Niedrigen!
Wer aber wird auf des Herrn Berg gehen? fragt David. Der Berg des Herrn ist Zion, und die heilige Stätte ist der darauf gebaute Tempel; beide aber waren Vorbilder des Reiches Christi, und so kann man wohl die Frage Davids so fassen: Wer wird ein rechter Jünger des Herrn, ein rechtes Glied im Reiche Gottes sein? Die Antwort folgt im Psalm gleich der Frage, - sie lautet: Der unschuldige Hände hat und reines Herzens ist, der nicht Lust Hat zu loser Lehre und schwört nicht fälschlich.
Ein rechter Christ reinigt sich, - er befleißigt sich ein reines Herz und unbeflecktes Gewissen zu haben, er wäscht täglich seine Hände aus der Quelle der Wunden Jesu Christi; er strebt danach, dass er reine Hände und ein reines Herz zu Gott erheben möge und seinen Gott verehre nach Christi Wort. Wer aus Gott geboren ist, der tut nicht Sünde; daran wird es offenbar, wer die Kinder Gottes, und wer die Kinder des Teufels sind, wer nicht recht tut, der ist nicht von Gott, und wer nicht seinen Bruder liebt. Die Jünger Christi arten ihrem Herrn nach, sie sind wie er, göttlich und himmlisch gesinnt, sie haben keinen Gefallen am gottlosen Wesen; sie sind sanftmütig und von Herzen demütig; sie sind keusch, züchtig, gerecht, genügsam, aufrichtig und wahr; sie eifern um die Ehre ihres Gottes, und suchen seine Erkenntnis und Liebe allenthalben beizubehalten und fortzupflanzen; sie wünschen, dass alle Blumen und Pflanzen so viele Blätter, so viele Zungen hätten, die Liebe Gottes zu preisen, und sein Lob zu vermehren; sie sind wie die Blumen, welche mit dem Aufgange der Sonne sich auftun und mit dem Niedergange der Sonne sich schließen, - sie tun beim Erwachen ihren Mund auf zum Lobe Gottes, und reden von ihm und mit ihm, wenn sie die Augen schließen; sie nehmen des Apostels Ermahnung in Acht, der da sagt: Strebt danach, dass ihr seid ohne Tadel und lauter und Gottes Kinder, unsträflich mitten unter dem unschlachtigen und verkehrten Geschlechte, unter welchem ihr scheint als Lichter der Welt; sie fliehen lose Lehre, das Wort Gottes ist Regel und Richtschnur ihres Glaubens und Lebens; sie stehen fest im Glauben, und lassen weder durch Aussicht auf Ehre und Reichtum, noch durch Gewalt der Menschen sich bestimmen, ihrem Herrn, untreu zu werden; sie haben, Jesu Christo Treue geschworen; ein rechter Christ aber schwört nicht fälschlich!
Heil dem, der ein rechtes Glied im Reiche Gottes ist und bleibt! Der wird den Segen vom Herrn empfangen, und Gerechtigkeit von dem Gotte seines Heils. Keiner verliert etwas bei der Nachfolge Christi! So hoch es. Weltkinder bei ihrem Weltwesen bringen können im Leiblichen, so hoch, ja unendlich höher kann man es bei Christo in Geistlichen und Ewigen bringen. Haben die Weltkinder Reichtum, Ehre, Lust und Herrlichkeit, so hat ein Reichsgenosse Christi den Segen vom Herrn, und der besteht vornehmlich in der vor Gott gültigen Gerechtigkeit. Die Herrlichkeit der Welt ist nur äußerlich, sie kann die Seele nicht durchdringen und sättigen, sie ist unvollkommen und unrein, mit, tausenderlei Sorgen und Elend gemengt; sie ist unbeständig und flüchtig; wenn man ihrer am meisten bedarf, so verschwindet sie wie Schatten. Die Herrlichkeit aber, welche wir als Christen haben, durchgeht und erquickt Seele und Geist, sie ist himmlisch und göttlich; sie überwindet und vertreibt alles Elend des betrübten Lebens; sie gibt überschwänglichen Trost; sie ist beständig und ewig, und gibt Leben im Tode. Das ist unsere Ehre, liebe Christen! Das ist unsere Ehre, unser Ruhm, unsere Freude, unser Reichtum, unsere Herrlichkeit und Seligkeit, dass wir mit Freudigkeit zu dem Gnadenstuhle hinan treten, und nicht allein denselben anrühren, sondern auch uns rühmen dürfen, dass er unser ist. Herrlichkeit, der König der Ehren, der Herr der Heerscharen ist mein! Er spricht mir freundlich zu; Komm her, du mühseliges und beladenes Herz, ich will dich erquicken: er fast mich in seine Arme, er schließt mich in sein Herz, er lebt in mir, und ich in ihm, er ist mein und ich bin sein!
O macht alle die Tore der Welt weit und die Türe in der Welt hoch, dass der König der Ehren einziehe! Denkt, der Herr stehe vor der Türe eures Herzens und begehre eingelassen zu werden! Siehe, sagt er, ich stehe vor der Türe und klopfe an; so jemand meine Stimme hören wird, und wird die Türe auftun, zu dem werde ich eingehen! Last ihr den Herrn in eure Herzen, so lässt er euch einst in seinen Himmel, und gibt euch reichen Anteil an seiner Herrlichkeit! Wie die Pulsader immer schlägt, so lange das Leben im Menschen ist, so will ich immer nach Christus seufzen und mich sehnen nach seiner Gemeinschaft; so lange meine Seele in ihrem Körper wohnt, will ich nicht denken, dass ich vollkommen sei, ich will ihm aber nachjagen, ob ich es ergreifen möchte, nachdem ich von Christus ergriffen bin! Ich will anhalten am Gebete, dass der Geist aus der Hohe über mich ausgegossen und mein Herz ein Acker werde, auf dem Herrliche Früchte der Gerechtigkeit wachsen. Wohlan alle, die ihr durstig seid, kommt her zum Wasser, und die ihr nicht Geld habt, kommt her, kauft und esst; kommt her und kauft ohne Geld und umsonst beides Wein und Milch! Sucht den Herrn, weil er zu finden ist; ruft ihn, weil er nahe ist! Amen.