Stiller, Erich - Psalm 17.
Dieser Psalm ist ein schöner Betpsalm, wie schon die Überschrift sagt: Ein Gebet Davids.
David befand sich in großer Trübsal, und er wusste sich nicht besser zu helfen als durch das Gebet. Getrost, freudig und voll Zuversicht tritt er vor Gott hin und ruft: Der Herr möge die Gerechtigkeit erhören, - nicht die Gerechtigkeit seiner Person, sondern die Gerechtigkeit seiner Sache. Er wiederholt seine Bitte: Herr, erhöre, merk auf mein Geschrei, vernimm mein Gebet, und will offenbar mit diesen Worten anzeigen, dass es ihm ein rechter Ernst mit seinem Gebete sei, weswegen er auch versichert, sein Gebet komme nicht aus falschem Herzen, es sei keine Heuchelei, sondern fließe aus wahrem Glauben; er beruft sich dabei auf Gottes Allwissenheit, und spricht, du prüfst mein Herz und besuchst es des Nachts und läuterst mich, und findet Nichts!
Was David tat, dass er sein Anliegen Gott im Gebete vertrug, das steht auch einem Christen wohl an. Bittet, sagt Christus, so wird euch gegeben, sucht, so werdet ihr finden, klopft an, so wird euch aufgetan! Wahrlich, wahrlich ich sage euch, so ihr den Vater etwas bitten werdet in meinem Namen, so wird er es euch geben! Mit diesen freundlichen Worten muntert Christus die Seinigen zum vertraulichen Gespräch mit Gott auf, schildert ihnen das Gebet als einen goldenen Schlüssel zur Himmelstüre und zu allen Schätzen Gottes, verheißt ihnen einen freien Zutritt zu Gott, so oft es ihnen beliebt, und versichert sie, dass sie mit großer Barmherzigkeit sollten aufgenommen werden.
O herrliches Wort! Wenn ich in mein Kämmerlein gehe, um zu beten, so darf ich nicht denken, dass ich meinen Gott nicht finden werde, ober dass er keinen Willen habe, mich zu hören. Ach nein! ich komme, wann ich will, so merkt er auf mein Geschrei, vernimmt mein Gebet und neigt seine Ohren zu mir, dass er hört die Seufzer meines Herzens; ich komme morgens oder abends, zu Mittag oder Mitternacht, - es ist ihm nie ungelegen; Wie sollte mir der etwas abschlagen, der selbst gesagt hat, rufe mich an in der Not, und ich will dich erretten, und der also die Welt geliebt hat, dass er seinen eingebornen Sohn gab? Du hast bisher geholfen, o du treuer Gott! Du wirst mich ferner nicht verlassen, noch versäumen! Ich bin ja dein Kind und dein Eigentum; du hast mich erkauft und erworben durch das teure Blut deines Sohnes, du wirst mich behüten wie einen Augapfel im Auge; ich komme zu dir und bete: Beschirme mich unter dem Schatten deiner Flügel!
Macht es Alle so, ihr Mühseligen und Beladenen, ihr frommen Dulder; schleppt euch nicht lange mit eurem Kummer, sondern eilt mit kindlicher Zuversicht zu eurem himmlischen Vater und entdeckt es ihm; bringt ihm eure Not so gut vor, als ihr könnt, wenn es auch mit einfältigen Worten geschieht; er ist gerne zufrieden, wenn nur euer Herz voll lauteren Vertrauens auf seine Güte und voll eifrigen Verlangens nach seiner Hilfe erfunden wird. Es hat noch nie ein Kind sich im Reden unterrichten lassen, damit es mit seinem Vater reden kann; sobald es beginnt kindlich zu lallen, so kann es schon dem Vater das Herz rühren und bewegen.
Um Gott desto mehr zu bewegen, sein Gebet zu erhören, schildert David die Bosheit seiner Feinde: er nennt sie Gottlose, die nicht nur nach Leib und Leben, sondern auch nach seiner Seele stehen, die fett und gewaltig seien, fest zusammenhielten, ihn und seine Freunde überall umgäben und auf ihn lauerten wie ein Löwe, der des Raubes begehrt, und wie ein junger Löwe, der in der Höhle sitzt.
Wir beklagen einen David seiner Feinde wegen, - und seht, liebe Christen, wir haben es mit einem gleichgewaltigen Feind zu tun, mit der Sünde! Dieser Feind treibt sein altes Handwerk in diesen Tagen so stark, als er immer getan; er scheint oft Meilen weit entfernt, und sitzt doch fest im Herzen; er spricht wohl nicht mehr aus der Schlange zu uns, aber desto öfter durch Menschen, die er verleitet und deren Herz er eingenommen hat. Mit diesem Feinde müssen wir täglich kämpfen und streiten, wir müssen an dem unreinen Gefäße unseres Herzens täglich waschen und arbeiten; und wenn wir das auch redlich tun, und meinen, wir hätten den unsauberen Geist besiegt, und das unlautere Herz lauter und rein gemacht, so rührt sich doch der alte Feind bald wieder, und das Herz gibt seine Unart wieder kund. Es ist einem Gefäße gleich, das mit trübem Wasser gefüllt ist; solange es stille steht, sinkt zwar der Schlamm, und das Wasser wird klar; aber eine kleine Bewegung kann alles wieder trübe und unrein machen. Hier gilt es Aussehen, Geliebte! Wir müssen uns mit derselben Waffe rüsten, mit der David kämpfte, wir müssen mit eifrigem Gebet vor Gott liegen, er wolle uns stärken mit seinem heiligen Geiste, dass wir das Feld behaupten, einst sein Antlitz schauen in Gerechtigkeit, und satt werden, wenn wir erwachen nach seinem Bilde. Ich sage nach seinem Bilde, denn wir wissen, wenn die Frommen sterben, so ist es nicht gar aus mit denselben, sondern es ist nur, als wenn sie sich hätten schlafen gelegt, sie werden am jüngsten Tag wieder erwachen, und es wird sie nicht mehr hungern und dürsten, Freude die Fülle wird ihr Teil sein und liebliches Wesen zur Rechten der Majestät in der Höhe.
Wohlan, liebe Christen! Lasst uns freudig und voll Zuversicht zu Gott nahen mit unserm Gebete. Ein Herz, das durch Gebet verwahrt ist, hat starke Stützen und einen festen Zaun, durch welchen der Satan mit seinen Gehilfen nicht einbrechen kann! Das Gebet des Gerechten vermag viel, wenn es ernstlich ist!
Amen.