Stiller, Erich - Psalm 8
In dem 2. Kapitel der Epistel an die Hebräer findet sich dieser Psalm von dem Herrn Christus ausgelegt, und Christus selbst hat ihn Matth. 21 auf sich bezogen, indem er bezeugt, dass an ihm das Wort erfüllt worden ist: Aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge hast du eine Macht zugerichtet. Fassen wir zusammen, was hier gesagt ist, so finden wir,
Es wird durch Schilderung der großen und wunderbaren Werke Gottes zum Lobe und Preise seines Namens ermuntert.
Herr, unser Herrscher, beginnt David, wie herrlich ist dein Name in allen Landen, da man dir dankt im Himmel. Ich sehe den Himmel, deiner Finger Werk, den Mond und die Sterne, die du bereitet hast. Auch vor unsern Augen steht das herrliche Werk Gottes, und erhebt uns zu dem, der Alles erschaffen hat! Wir haben Himmel und Erde vor uns, und siehe: die Himmel erzählen die Ehre Gottes und die Feste verkündigt seiner Hände Werk; ein Tag sagt es dem andern, und eine Nacht tut es kund der andern; es ist keine Sprache noch Rede, da man nicht ihre Stimmen höre! Himmel und Erde sind voll der Güte des Herrn; denn alles, was er im Himmel und auf Erden erschaffen hat, das hat er darum erschaffen, dass daraus seine Liebe erkannt werde. Gott hat das Auge gegeben, dass wir das Alles sehen können, und andere Sinne, dass wir empfinden, wie freundlich der Herr unser Gott ist! Die Blume mahnt uns unser Herz aufzutun, wie sie ihre Blätter entfaltet; und die Kornähre ist ein aufrechter Finger der Natur, der nach oben zeigt, und den Schöpfer lieben und loben heißt. So redet Gott durch jede Kreatur mit uns! Er verkündigt uns durch alle seine Geschöpfe seine Liebe, und wir können von der Güte Gottes recht eigentlich sagen: In ihr leben, weben und sind wir; denn gleich wie ein Mensch nirgends hingehen kann, der Himmel ist doch allenthalben über ihn, so kann auch ein Mensch sich nirgends hinbegeben, die Liebe Gottes folgt ihm doch nach. Am meisten aber offenbart sich seine Liebe im Werke der Erlösung.
Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkst, und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst? fragt David, und erinnert uns in diesen Worten an die Gnade Gottes in Christo Jesu. Der Mensch hat sein anerschaffenes Ebenbild verloren. Wenn Gott vom Himmel schaut auf die Menschenkinder, dass er sehe, ob jemand klug sei und nach Gott frage, so findet er, dass sie alle abgewichen, und allesamt untüchtig geworden; da ist keiner, der Gutes tue, auch nicht einer; sie sind allzumal Sünder und mangeln des Ruhmes, den sie vor Gott haben sollen! Und dieser armen Sünder hat Gott sich gnädig erbarmt, er hat seinen eingebornen Sohn gesandt, zu suchen und selig zu machen, was verloren war. Wie die Taucher oft tief in das Meer hinabsteigen, um edle Perlen zu holen, so ist Christus aus dem Himmel in das bittere Meer des menschlichen Elends hinabgestiegen, um die Menschenseelen zu erretten. Er ging umher, und tat wohl allenthalben, und verkündigte einen gnädigen Gott, der die Welt also geliebt, dass er seinen eingebornen Sohn gegeben, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben. Und wie er die Seinen geliebt hatte, da er in der Welt war, so liebte er sie auch bis an das Ende.
Du wirst ihn lassen eine kleine Zeit von Gott verlassen sein, weissagt David von dem Messias, und so traf es auch ein, Am Ölberge lag er auf seinem Angesichte, und kämpfte so heftig, dass der Schweiß wie Blutstropfen auf die Erde fiel; er war so mit Angst und Traurigkeit befallen, dass er sagte: Meine Seele ist betrübt bis in den Tod. Er nahm sein Kreuz auf sich, und ging hinauf nach Golgatha; er bot Hände und Füße seinen Peinigern dar, und wurde erhöht am Kreuze, wie einst die Schlange in der Wüste vorbildlich erhöht wurde; er trug unsere Krankheit und unsern Schmerz; er fühlte die Strafe der ganzen Welt und rief: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!“ Aber das Alles währte nur eine kleine Zeit; bald ging in Erfüllung, was im Psalme geschrieben ist:
Aber mit Ehre und Schmuck wirst du ihn krönen; du wirst ihn zum Herrn machen über deiner Hände Werk. Alles hast du unter seine Füße getan, Schafe und Ochsen allzumal, dazu auch die wilden Tiere (die Heiden. Apost. 9. 10, 11), die Vögel unter dem Himmel und was im Meere geht! - Ja, Gott hat ihn erhöht, und ihm einen Namen gegeben, der erhaben ist über alle Namen, dass sich im Namen Jesu beugen sollen alle Knie derer, die im Himmel und auf Erden sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass er der Herr sei! Er ist unser Herr, der uns verlorne und verdammte Menschen erkauft und erworben hat mit seinem heiligen und teuren Blute und seinem unschuldigen Leiden und Sterben. Wir sind nun alle, wenn wir an den Sohn glauben, Gottes Kinder; sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Gottes Erben und Miterben Jesu Christi.
Ja wir sind Miterben Jesu Christi, denn der Segen, den Christus brachte, ist auch uns zu Teil geworden. Aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge, sagt David, hast du eine Macht zugerichtet, und zielt damit auf die christliche Kirche, welche durch die Apostel, die von Natur schwach und kraftlos waren, gegründet, und durch gleich schwache Lehrer erweitert worden ist. Der Geist des Herrn wirkt noch immerdar durch sein heiliges Wort, und lädt alle ein, aus dem Elende der Sünde zur Freiheit der Kinder Gottes zu kommen.
Wie aber, liebe Christen, soll diese Betrachtung der Liebe und Gnade unseres Gottes, sollen die leiblichen und geistlichen Wohltaten, die in so reichem Maße uns mitgeteilt werden, uns nicht aufmuntern freudig zu rufen: Herr unser Herrscher, wie herrlich ist dein Name in allen Landen? Erkennt es, o Christen, dass ihr schuldig seid Gott nicht nur zu lieben, sondern auch zu danken und zu loben! Gott ist eure Sonne, ihr seid die Blumen; breitet denn euer Herz aus in Liebe, und lasst immer das Lob Gottes als einen anmutigen Geruch aus demselben emporsteigen. Gott wird nicht müde uns Gutes zu tun; so wollen auch wir nicht müde werden ihn zu preisen, und für seine Wohltaten zurückzugeben was wir haben, nämlich unser armes Herz mit seinen Seufzern und das Opfer unserer Lippen. Ich will den Herrn loben allezeit, sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein; meine Seele soll sich rühmen des Herrn, dass die Elenden hören und sich freuen; preist mit mir den Herrn, und lasst uns miteinander seinen Namen erhöhen! Preist mit mir den Herrn, ihr bußfertigen Sünder, denn er hat uns durch seine Güte und Langmut erhalten, durch seine Gnade zur Buße gebracht, unsere Sünde uns vergeben, und uns mit großer Liebe und Barmherzigkeit angenommen! Preist mit mir den Herrn, ihr Kinder Gottes, denn er hat uns errettet von der Obrigkeit der Finsternis, und versetzt in das Reich seines lieben Sohnes! Preist mit mir den Herrn, ihr Armen, denn er verschmäht eure Seufzer nicht, er kennt die Not eurer Seele, und hat sie reich gemacht in Christo und euch einen Schatz im Himmel bereitet! Preist mit mir den Herrn, ihr Reichen; denn ihr habt nichts, was nicht von seiner Hand gekommen wäre! Preist mit mir den Herrn, ihr Witwen und Waisen, denn er ist euer Vater, Richter und Versorger! Preist mit mir den Herrn, ihr getauften Christen; denn er hat euch erwählt zu seinem Volke! Preist mit mir den Herrn, ihr heiligen Engel, Himmel und Erde und Meer, und alle Kreaturen, die drinnen sind! Alles, was Odem hat, lobe den Herrn! Amen!
Du liebest, Herr, was recht und gut,
Und bist ein Freund der Frommen;
Wer deinen Willen freudig tut;
Wird von dir aufgenommen.
Drum preist dich meine Seele, Herr!
Und hofft auf dein Gericht.
Hilf deinen Kindern immer mehr,
Lass Menschen siegen nicht.
Amen.