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Stiller, Erich - Psalm 4.

Stiller, Erich - Psalm 4.

Dieser Psalm ist ein Triumph und Siegeslied eines gläubigen Kämpfers, und erinnert uns schon in dem Worte, mit welchem David Gott anredet, an die Hauptlehre der christlichen Kirche.

Der Herr ist unsere Gerechtigkeit, sagt David und das ist die Wahrheit, an der wir heute nach Anleitung unsers Psalms uns erbauen wollen. Haben wir zuerst gesehen, was das heißt, Gott ist unsere Gerechtigkeit, so wollen wir untersuchen, wie Menschen sich gegen diese Lehre verhalten; ferner wie man zur Erkenntnis dieser Wahrheit gelangt, und endlich welchen Nutzen der Glaube für uns hat, Gott ist unsere Gerechtigkeit.

Erhöre mich, wenn ich rufe, Gott meiner Gerechtigkeit, beginnt David; dass er hier aber nicht an seine Gerechtigkeit, an seine Taten und Werke, an sein Leben und seinen Wandel denkt, geht klar aus den Worten hervor: sei mir gnädig und erhöre mein Gebet. Er denkt an die Rechtfertigung des Sünders vor Gott aus Gnade, - welche Lehre der Hauptartikel der christlichen Religion ist, und von der man sagt, sie sei die rechte himmlische Somme, außer welcher nichts ist denn höllische Finsternis! Sie ist das Kleinod, das Heiligtum, das Herz der evangelischen Kirche; sie ist ein kurzer Auszug, der Kern und Stern der ganzen heiligen Schrift; sie ist der höchste Trost aller Christen im Leben und im Sterben; sie ist die Wurzel eines gottseligen und der Anfang eines himmlischen, göttlichen Lebens; alle andern Lehren sind gleichsam die Dienerinnen, welche Christo und seiner Braut, der gläubigen Seele aufwarten, sie sind wie die Sterne, die zwar in der Nacht leuchten und glänzen, die aber ihren Schein verlieren, wenn die Sonne ihr Brautgemach verlässt. Es ist in dieser Lehre der Christen höchste Weisheit, größte Kraft und Glückseligkeit! darum muss uns auch daran gelegen sein, so viel in unserer Schwachheit möglich ist, diese Lehre zu fassen. Wir wollen nach der Gnade Gottes uns deutlich machen, was das heißt: Gott unsere Gerechtigkeit.

Jeder Mensch ist ein Sünder, da ist keiner, der rein wäre, auch nicht einer! Wollen wir aber zum Himmel eingehen und vor Gott bestehen, so müssen wir rein sein, wie die Bewohner des Himmels, und frei von der Sünde, wie Gott. Wenn wir uns aber mit allem Fleiße bemühen, die Gebote Gottes zu halten, so können sie uns doch die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, nicht geben, - selig ist nur der Mann, dem Gott seine Sünde nicht zurechnet! Gott will uns auch unsere Sünde nicht zurechnen, sondern will uns trösten in der Angst unserer Seele, und uns gnädig sein. Es jammerte ihn vom Anbeginne des Volkes, das in so tiefes Sündenelend gefallen war, und er hat seinen Sohn erwählt und verordnet und angenommen als ein vollkommenes Opfer für die Sünde, als einen Mittler zwischen ihm und dem Menschen. Christus ist der auserwählte Knecht Gottes, an welchen seine Seele Wohlgefallen hat, der das zerstoßene Rohr nicht wird zerbrechen und das glimmende Tocht nicht auslöschen; ihn nennt Jeremias den Herrn, der unsere Gerechtigkeit ist, und Daniel den Allerheiligsten, durch den dem Übertreten gewehrt, die Sünde zugesiegelt, die Missetat versöhnt und die ewige Gerechtigkeit solle gebracht werden; er ist der Gnadenstuhl, von dem alle Barmherzigkeit erlangen können! Wenn wir auf ihn blicken mit festem Glauben, so schwindet die Sünde wie leichter Nebel, und zugleich alles Zornwetter Gottes; da geht die Gnadensonne auf, und der Herr ruft: Sei getrost, mein Sohn, deine Sünden sind dir vergeben! - Sobald wir in wahrer Buße zu dem Herrn Jesu Christo unsere Zuflucht nehmen, werden wir in seine Gemeinschaft aufgenommen; sobald wir aber in seine Gemeinschaft getreten sind, ist nichts. Verdammliches mehr an uns, und wir beginnen freudig zu sagen: Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht!

Liebe Herren, Wie lange soll meine Ehre geschändet werden? sagt David; und so spricht auch der Herr zu uns. Es ist nicht leicht ein Artikel der ganzen christlichen Lehre, wider den sich die Feinde der Kirche so einmütig und heftig aufgelehnt, und welchem sie so hämisch widersprochen haben, als den Artikel von der Rechtfertigung des Sünders vor Gott aus Gnaden durch den Glauben an Jesum Christum! Und immer noch wird in dieser Beziehung die Ehre Gottes geschändet, indem Viele nicht aus Gnaden gerecht werden wollen, sondern lehren, der Mensch müsse in sich selbst, durch eigene Heiligkeit und Frömmigkeit gerecht sein.

Die Ursache aber ist, dass man diesen Ungläubigen zurufen muss: Wie habt ihr das Eitle so lieb und die Lügen so gerne? Sie haben das Eitle so lieb, dass sie vom Ewigen nichts wissen wollen, und haben die Lügen so gerne, mit denen die sich selbst überlassene Vernunft sie täuscht, dass sie auf das geoffenbarte Wort nicht hören mögen. Mit Recht achten wir die Vernunft des Menschen sehr hoch, denn sie ist ja die Gottesgabe, mit der wir die himmlische Wahrheit auffassen können; allein wenn die Vernunft es unternimmt, von der Gerechtigkeit des Glaubens zu reden, so ist es eben so viel, als wenn ein Kind mit einem erfahrenen Sternkundigen von des Himmelslauf und den Gestirnen reden, und ihn Lügen strafen wollte, wenn er sagt, die Sonne sei über hundertmal größer, als die Erde und stehe still. Das Kind bleibe ein Kind, und lasse Männer Männer sein, - und die Vernunft bleibe an der Erde, und übe sich in irdischen und zeitlichen Dingen; was aber das Himmlische und Göttliche anbelangt, da wollen wir Gott die Ehre geben, und von ihm und seinem heiligen Worte uns unterweisen lassen.

Erkennt doch, dass der Herr seine Heiligen wunderbar führt! Es ist nicht der gewöhnliche Weg, auf den er uns zur Seligkeit führen will; aber dennoch ist sein Rat nicht so gar dunkel und unbegreiflich, und es lässt sich derselbe aus dem gemeinen Leben wohl etwas erläutern. Was hat doch die Zurechnung des Gehorsams und des Verdienstes Christi, darauf sich die gläubige Seele beruft, Ungereimtes in sich? Wie viele Fälle und Begebenheiten gibt es nicht, da Einer des Andern zu genießen hat? Joseph stellt seinen alten Vater und fünf seiner Brüder dem Pharao vor, und dieser große König redet nicht nur freundlich mit ihnen, sondern räumt ihnen auch ein schönes Stück Landes ein, das gute Weide hatte; und das geschah um Josephs willen! David nahm den Mephiboseth, den lahmen Sohn des Jonathan, an seinen königlichen Hof, und ließ ihn täglich das Brot an seiner Tafel essen, und das geschah um Jonathans willen, der den David treulich und herzlich geliebt! - So wird oft das Kind um des Vaters willen, und der Vater um des Kindes willen geehrt und geliebt, so erfreut sich das Weib der Ehre ihres Mannes, und wird mit seinem Lichte beleuchtet. Oft genießt ein Feind die Fürbitte eines Freundes, und Manchem wird das Leben auf die Bitte eines andern geschenkt! Ein Schuldner geht frei aus, wenn ein reicher Mann für ihn Bürge wird, und ein wilder Stamm wird im Garten geduldet und wert gehalten um des edlen Reises willen! Und wie? es sollte ungereimt sein, dass wir vor Gott angenehm und gerecht werden um des Verdienstes seines Sohnes Jesu Christi willen?

David sagt: Zürnt ihr, so sündigt nicht, und euer Gott sagt euch, geliebte Christen! dass ihr überhaupt nie sündigen, nie tun sollt wider seine Gebote! Wir sollen heilig sein wie Gott, und vollkommen, wie der Vater im Himmel vollkommen ist; wir sollen unser Fleisch kreuzigen samt Lüsten und Begierden, wir sollen verleugnen alles ungöttliche Wesen und alle weltlichen Lüste, und keusch, züchtig, gerecht und gottselig leben in dieser Welt. Redet nun mit eurem Herzen auf eurem Lager, und harrt nur einen Augenblick bei der Prüfung eures Lebens: fragt euch, ob ihr von den Geboten Gottes sagen könnt, diese habe ich alle gehalten von meiner Jugend auf; schmeichelt euch nicht selber, schont euer nicht, es gilt hier nicht Gut und Ehre, nicht Leib und Leben, sondern Seele und Seligkeit. Und habt ihr ernstlich und aufrichtig mit eurem Herzen gesprochen, dann sagt mir, wo wollt ihr Ruhe finden? Warum wollten wir die lebendige Quelle verlassen, und uns Brunnen machen, die kein Wasser geben? Warum wollten wir, wenn die Sonne am Mittage steht, ein Licht suchen? Warum wollten wir betteln gehen, da uns der Reichtum der Gnade Gottes in Christo angeboten wird? Nein! die Gnade Göttes in Christo soll uns lieber sein als Gold und Silber, als alle Perlen und Edelsteine der Welt! Lasst andere nehmen, was sie wollen, wir, geliebte Christen, nehmen diese Gnade Gottes in Christo, und suchen in derselben allein unsere Gerechtigkeit.

Opfert Gerechtigkeit und harrt auf den Herrn, sagt David! Opfert eure Gerechtigkeit auf, lasst sie von dem Feuer der Gebote Gottes ganz und gar verzehrt werden, werft alles Vertrauen auf euer Verdienst von euch, und harrt allein auf den Herrn und seine Gnade! Hört nicht auf einen Menschen in dieser hochheiligen Sache eurer Seele, sondern wenn ein Mensch, oder auch ein Engel vom Himmel euch einen andern Weg zum Himmel zeigen wollte, so sprecht: Wie sollte uns dieser weisen, was gut ist? Aber, Herr, erhebe über uns das Licht deines Antlitzes! Gottes Wort ist unsers Fußes Leuchte und ein Licht auf unsern Wegen; in diesem Lichte betrachtet euch selbst, und lernt den Herrn, euern Gott, kennen! Sucht in der heiligen Schrift, denn sie ist es, die von Christus zeugt, und aus ihr wird es euch klar werden, warum Gott seinen eingebornen Sohn gegeben, wozu er in die Welt gekommen, und was er getan und gelitten, dass er ein allgemeines Gut aller Menschen wurde! Ihr werdet finden, Christus ist eine Person, die allen angehört, ein Mittelpunkt der ganzen heiligen Schrift, das Herz und die Seele der Kirche, der Baum des Lebens, der Gnadenstuhl, zu dem alle Menschen gewiesen sind. Wenn ein Baum im Herbste voll reicher Früchte hängt, so dass seine Zweige davon zur Erde gebogen werden, was würde er anders sagen, wenn er reden könnte, als: brecht, brecht ihr Menschen, denn euch zu Liebe hat mich Gott erschaffen und mit solchen Früchten erfüllt; - nun seht, der Herr Christus ist ein solcher Baum voll lieblicher Früchte; - wer von diesem Baume isst, den wird nicht mehr hungern, der wird fröhlich jauchzen:

Du erfreust mein Herz, ob jene gleich viel Wein und Korn haben. Ich liege und schlafe ganz mit Frieden, denn du allein, Herr, hilfst mir, dass ich sicher wohne! Ja freue dich und sei fröhlich, du durch den Glauben gerechtfertigte Seele! Gott macht dich gerecht, vor wem sollst du dich fürchten? Christus deckt dich mit seinem Kreuze, wie mit einem Schilde, und du solltest nicht fröhlich sein? Christus ist deine Gerechtigkeit, wer will dich ungerecht heißen? Ergreife die Gerechtigkeit, auf dass du Friede hast auf Erden, und einst sicher wohnst nach dem Tode. Amen!

Das wollt' Gott Vater und der Sohn,
Gott heil'ger Geist in Himmelsthron.
Man dankt dir, eh' die Sonn' aufgeht,
Wenn's Licht anbricht, man vor dir steht.

Bewahr' mein Herz vor Sünd und Schand,
Dass ich, vom Übel abgewandt,
Mein' Seel' mit Sünden nicht beschwer
Und mein Gewissen nicht versehr'!

Mein Aus- und Eingang, Herr! bewahr',
Dass mir kein Übel widerfahr';
Behüte mich vor schnellem Tod,
Und hilf mir, wo mir Hilf ist Not!

Amen.

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autoren/s/stiller_erich/psalter/stiller_psalter_004.txt · Zuletzt geändert: von aj
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