Spurgeon, Charles Haddon - Tröstet mein Volk - Das Abbrechen des Zeltes und der Eingang in die ewige Wohnung.
Gehalten am 6. Mai 1883.
„Wir wissen aber, so unser irdisches Haus dieser Hütte zerbrochen wird, dass wir einen Bau haben von Gott erbaut, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel.“
2 Kor. 5, 1.
„Denn wir wissen, so unser irdisches Haus dieses Zeltes aufgelöst wird, dass wir einen Bau haben von Gott, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. (N. d. engl. Übers.)
Paulus war einer der tapfersten unter den Tapferen. Wir sehen auch mit Bewunderung, wie der Held so vieler Gefahren und Kämpfe, der glühen und brennen konnte vor Eifer, dennoch einer der ruhigsten und gelassensten Geister war. Er hatte gelernt, sich über die gegenwärtigen Umstände, die quälend und störend waren, zu erheben; er sah nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare, und dadurch kam er zu einem tiefen und freudigen Frieden, der ihn stark, entschlossen, fest und unbeweglich machte. Ich wünsche zu Gott, wir alle lernten die Kunst des Paulus, immer voll Vertrauen zu sein und den inneren Menschen von Tage zu Tage erneuern zu lassen. Die meisten von uns gleichen viel zu sehr dem Insekt der Sommerstunde, das sein Leben unter den Blumen vertändelt, und siehe, alles ist vorüber. Sind wir nicht zu geneigt, in der unmittelbaren Gegenwart zu leben, die durch die Sinne uns kund wird? Der Ochse sendet keinen Gedanken aufwärts oder jenseits: in dem kühlen Bach zu stehen oder auf der fetten Weide zu liegen, ist sein alles in allem; ebenso ist es mit der großen Masse der Menschen, ihre Seelen sind an ihre Körper fest gebunden, eingekerkert in den Ereignissen des Tages. Wenn wir vollständig befreit werden könnten von der Sklaverei der gesehenen und gefühlten Dinge und den vollen Einfluss der unsichtbaren und ewigen empfinden könnten, wie viel könnten wir vom Himmel genießen, ehe noch das jenseitige Ufer erreicht wäre!
Das Leben des Paulus war ein raues und stürmisches, doch wer möchte es sich nicht wünschen? Gäbe es kein künftiges Leben, so wäre er der elendste unter allen Menschen gewesen, denn er war einer der ärmsten, verachtetsten, verleumdetsten, geplagtetsten, am meisten verfolgten und leidenden Sterblichen: und doch würde ich nicht zaudern, sein Leben als eins der glücklichsten zu bezeichnen, denn Christus war sein Leben. Es ist auch besonders zu beachten, dass er einen Grund für sein Glück hatte. Mein Text beginnt mit dem Worte „denn“. Paulus hat immer Beweise zur Hand; wenn er niedergeschlagen ist, so hat er einen Grund dafür, und wenn er gelassen ist, so kann er eine Ursache für seinen Frieden angeben. Einige religiöse Leute sind übermäßig glücklich, aber sie können nicht sagen warum. Sie können singen und jauchzen und tanzen, aber sie können keinen Grund für ihre Aufregung angeben; und die Freude, die keine wirkliche Ursache hat, ist bloßer Schaum und wird bald verschwinden. Wenn ihr nicht sagen könnt, weshalb ihr glücklich seid, so werdet ihr nicht lange glücklich sein. Einige Christen haben nicht genug Empfindung, ihr Herz ist zu klein, obgleich ich nicht sagen kann, dass ihr Kopf zu groß ist; bei andern liegt die Hauptstärke im Herzen, sie fangen leicht Feuer, brennen wie Hobelspäne und Buschwerk, sobald die Flamme sie berührt, aber ihr Gehirn ist von unbestimmter Quantität und reicht nie hin, den Glutofen ihrer Erregungen zu überwachen. So war es nicht bei Paulus, er behielt stets das Gleichgewicht. Wenn er imstande war, der Gegenwart zu trotzen und sich der Aussicht in die Zukunft zu freuen, so hatte er einen guten Grund dafür. Ich liebe einen Mann, der heiß und begeistert ist und doch in seiner Glut so vernünftig, als wäre er ein kühler Logiker. Lasst das Herz wie ein feuriges, edles Ross sein, aber sorgt dafür, dass es gezähmt und durch Besonnenheit gezügelt wird. Ein gut unterrichteter Christ kann einen Grund angeben für die Hoffnung, die in ihm ist; er ist froh, der Froheste von allen, aber er kennt das Warum und Weshalb seiner Freude und kann darum die grausamen Prüfungen ertragen, denen die Welt alle geistliche Freude aussetzt.
Möge Gott, der Heilige Geist uns so unterweisen, dass wir die Wahrheit kennen lernen, aus der wirkliches Glück hervorwächst!
Ich sehe in dem uns vorliegenden Texte zuerst ein Ende, welches Paulus als sehr möglich voraussah - „So unser irdisches Haus dieses Zeltes aufgelöst wird;“ zweitens die Fürsorge, von der er gewiss wusste, dass sie getroffen sei, falls dieses Ende einträte; und drittens werde ich ein paar Minuten verweilen bei dem Werte dieser Kenntnis für Paulus und für uns andern in unserem gegenwärtigen leidenden Zustande.
I.
Zuerst betrachtet also das Ende, welches Paulus als sehr möglich voraussah. „So unser irdisches Haus dieses Zeltes aufgelöst wird.“
Es war ihm nicht bange, dass er selber aufgelöst werden würde: nicht die geringste Furcht hatte er in dieser Beziehung. Das Ende, auf das er hinausblickte, ist bei uns unter dem Namen „Tod“ bekannt; aber er nennt es das Auflösen des irdischen Hauses seines Zeltes; das Abbrechen seines Zelthaus-Leibes. Er sagt nicht: „So ich zerstört würde,“ oder „So ich vernichtet würde;“ er kennt keine derartige Voraussetzung; er fühlt sich gewiss, dass er selber vollkommen sicher ist. In diesem Spruche liegt eine tiefe Ruhe betreffs seines wahren Selbst verborgen. „Wir wissen, dass so unser irdisches Haus dieses Zeltes aufgelöst wird, dass wir einen Bau haben vor Gott.“ Das „wir“ ist ganz unbeschädigt und unbewegt; wenn unser Haus aufgelöst würde, würden wir nicht vernichtet werden; wenn wir dieses irdische Zelt verlieren sollten, so haben wir einen Bau von Gott, „der ewig ist im Himmel.“ Der wirkliche Mensch, das wesentliche Selbst ist vor Schaden geschützt; und alles, wovon er spricht, ist nur das in Stücke-Fallen eines gewissen Tabernakels oder Zeltes, in welchem er für jetzt wohnt. Viele Leute haben großen Schrecken vor der Zukunft, aber Paulus betrachtet hier das Schlimmste, was ihm begegnen konnte, mit solcher Gelassenheit, dass er es mit nichts Schlimmerem vergleicht als dem Herunternehmen eines Zeltes, mit dem er sich für eine Zeitlang statt einer Wohnung beholfen hatte. Er war vor weiter nichts bange, und wenn das geschehen sollte, so hatte er Erwartungen, die ihn damit aussöhnten und ihm sogar halfen, mit Freude darauf hinzublicken.
Paulus war nicht ganz gewiss, dass sein Leib aufgelöst werden würde. Er hoffte, dass er leben und überbleiben würde bis zum Kommen des Herrn, und dann verwandelt werden und bei dem Herrn sein allezeit, ohne durch den Tod hindurchzugehen. Doch war er willig, dies in des Herrn Hand zu lassen, und als er die Möglichkeit sah, dass er unter die seligen Toten gezählt werden würde, die in dem Herrn sterben, bebte er nicht davor zurück, sondern fand ein Bild, was die geringe Furcht andeutete, die er davor hegte.
Der Apostel nahm wahr, dass der Körper, in dem er lebte, an sich schwach sei. Paulus war gewohnt, Zelte zu machen, er verfertigte solche und besserte sie aus. Der Gebrauch von Zelten war etwas sehr Gewöhnliches bei den Römern zu seiner Zeit. Während er saß und seinen Brief schrieb, hatte er vielleicht ein paar zur Ausbesserung neben sich liegen, und dies gab ihm die Worte unseres Textes ein. Auch wenn ein Zelt neu aufgeschlagen ist, so ist es nur ein schwaches Gebäude, weit entfernt von der Festigkeit eines Hauses; in dieser Hinsicht ist es gerade wie unsere schwache körperliche Hülle, die zerdrückt wird, leichter als die Motte. Die Auflösung des Leibes kann durch kleine, fast unbemerkbare Ursachen bewirkt werden - ein Hauch fauler Luft, ein Atom giftigen Stoffes, eine Geringfügigkeit, ein bloßes Nichts kann dies sterbliche Leben enden. Ich hoffe, dass ihr und ich der Schwachheit unseres Leibes gebührend gedenken. Wir sind nicht so närrisch, zu meinen, weil wir heute kräftig und gesund seien, müssten wir notwendig alt werden. Wenn wir an die zerbrechliche Masse denken, woraus unsre Körper gemacht sind, so ist es nicht seltsam, dass sie bald zerbrechen. Ist es nicht wunderbar, dass wir fortfahren zu leben? viel wunderbarer, als dass wir sterben? Es sind sehr zarte Vorgänge, durch welche der Staub beseelt bleibt; tausend Dinge können einen dieser Vorgänge hindern, und dann wird unser Leib aufgelöst. Paulus blickte deshalb, weil sein Leib so schwach wie eine Seifenblase war, vorwärts auf die Zeit, wo das irdische Haus seiner Seele zerbrochen würde.
Als er diese Epistel schrieb, hatte er viele Zeichen, dass sein Leib bald aufgelöst werden würde. Seine mannigfachen Arbeiten hatten ihn angegriffen, er war ermattet von allen Mühseligkeiten und hatte seine Kraft verzehrt in seines Herrn Dienste. Er war so voll von dem himmlischen Feuer, dass er niemals ruhen konnte; wenn er eine Stadt evangelisiert hatte, war er gezwungen, nach einer andern zu eilen; wenn er aus einem Dorf herausgetrieben war, ging er sofort ins nächste, denn er war eifrig, die Botschaft des Heils zu verkünden. Er rieb sich auf durch Arbeiten und fühlte, dass der Tag kommen würde, wo sein Körper zusammenbräche unter der gewaltigen Aufregung seines Lebenskampfes. Dazu erduldete er Kälte und Hunger, und Blöße und Krankheit und Schwachheiten, die er sich durch seine Selbstaufopferung im Missionsdienste zugezogen hatte; ich denke, er hatte kein Glied, das nicht litt in Folge der Einkerkerungen, Geißelungen, der Steinigung und anderen Ungemachs, das er erduldet. Er fühlte, dass eines Tages aller Wahrscheinlichkeit nach das Zelt abgebrochen werden würde durch die Heftigkeit seiner Verfolger.
Außerdem war sein gebrechlicher Körper ungemein großen Gefahren ausgesetzt gewesen. Gott hatte ihn nicht geschirmt; obgleich einer der trefflichsten Männer, die je gelebt, war er doch mehr in Gefahren gewesen als fast jeder andre Diener des Herrn. Hier ist sein eigener Bericht: „Ich bin dreimal gestäupt, einmal gesteinigt, dreimal habe ich Schiffbruch erlitten, Tag und Nacht habe ich zugebracht in der Tiefe des Meeres; ich bin oft gereist; ich bin in Gefahr gewesen zu Wasser, in Gefahr unter den Mördern, in Gefahr unter den Juden, in Gefahr unter den Heiden, in Gefahr in den Städten, in Gefahr in der Wüste, in Gefahr auf dem Meer, in Gefahr unter falschen Brüdern; in Mühe und Arbeit, in viel Wachen, in Hunger und Durst, in vielen Fasten, in Frost und Blöße.“ Wohl konnte er darauf rechnen, dass binnen kurzem diese arme Hirtenhütte unter solchen rauen Stößen zusammenbrechen würde.
Nun, Brüder, dies war alles, was Paulus erwartete, wenn er die Sache von der traurigen Seite ansah; und wirklich, es ist nicht viel, nicht wahr? Einige Schweizer Hirten weideten vor nicht langer langer Zeit ihre Herden in einem der Täler des Hochlands. An der einen Seite der Weide stand eine Anzahl von Chalets oder hölzernen Hütten, in welchen sie während des Sommers lebten, armselige Wohnungen, die sie verließen, sobald der Winter kam. Eines Tages hörten sie ein seltsames Rollen oben in den Bergen und wussten, es bedeutete, dass eine Masse von Felsen, oder Schnee oder Eis gefallen sei und bald in Gestalt einer Lawine herabkommen würde. In kurzer Zeit sahen sie auch eine furchtbare Masse herabstürzen und alles vor sich her zerstören. Was zerstörte sie? Nur die alten, baufälligen Chalets: das war alles. Alle Hirten waren geschützt und unverletzt; das Ereignis war für sie etwas, wofür sie lieber ein Tedeum in der Dorfkirche sangen, als dass sie darüber klagten und trauerten. Dies ist ein Bild von unserer Sache. Die Lawine des Todes wird fallen; aber, ihr Heiligen, wenn sie kommt, so wird alles, was sie für euch tut, dies sein - euer irdisches Haus wird aufgelöst werden! Wollt ihr euch betrüben über einen so kleinen Verlust? Kein Übel wird euch nahen; die arme Hütte des Leibes wird unter der Erde begraben werden, aber ihr selber, was werdet ihr zu tun haben, als ein ewiges Tedeum ihm zu singen, der euch von Tod und Gefahr befreite, und euch zu seiner Rechten erhob?
Es würde einen Mann nicht lange aufregen, wenn sein Zelt umgeworfen würde, er würde allen Staub von sich abschütteln und herausgehen; weiter würde es ihn nicht stören. So wird der Tod es nicht schlimmer für uns machen, sondern besser; die Auflösung dieser uns oft hinderlichen Hütte wird uns Freiheit geben. Heute sind wir wie Vögel im Ei; so lang die Schale ganz ist, sind wir nicht frei. Der Tod bricht die Schale. Beklagt das Vögelein die Auflösung der Schale? Ich habe nie gehört, dass ein Vogel im Neste über die zerbrochene Schale jammerte; nein, seine Gedanken gehen auf anderes: auf Flügel und Fliegen und sonnigen Himmel. So lasst es mit uns sein. Dieser Leib wird aufgelöst werden; lasst es geschehen, es gebührt sich also. Wir haben uns desselben erfreut, so lange wir ihn nötig hatten, und wir danken Gott für die wunderbare Kunst, die darin entfaltet ist; aber wenn wir seiner nicht mehr bedürfen, werden wir daraus entfliehen wie aus einem Gefängnis und niemals wünschen, in seine engen Schranken zurückzukehren. Ich habe euch das ganze Ende vorgestellt, und gewiss, kein Gläubiger zittert beim Hinblick darauf.
II.
So gehen wir nun zum zweiten Teil über, zu der Fürsorge, von welcher der Apostel wusste. Er wusste, er würde nicht ohne ein Haus sein, wenn seine Zeltwohnung abgebrochen würde; er wusste, er würde nicht seine Augen öffnen und rufen: „Wehe mir, wohin soll ich fliegen? Ich habe keine Wohnstätte.“ Nein, er wusste wenn sein Zelt dahin wäre, so würde er einen Bau haben von Gott. Paulus war nicht bange, dass er ins Fegefeuer gehen würde, obgleich in letzter Zeit einige, sogar unter den Protestanten, in einer gemilderten Form diese schreckliche Vorstellung wieder erweckt haben. Der Apostel erwartete nicht, lebendig geröstet zu werden die nächsten tausend Jahre lang und dann vom Fegefeuer ins Paradies zu springen; sondern er erwartete, sobald sein irdisches Haus aufgelöst sei, in sein ewiges Haus, das im Himmel ist, zu gehen. Er hatte nicht einmal den Gedanken, dass er in einem Zustand der Bewusstlosigkeit liegen würde, bis zur Auferstehung. Er sagt: „Wir wissen, so unser irdisches Haus dieses Zeltes aufgelöst wird, dass wir einen Bau haben (wir haben schon) von Gott.“ Er sagt nicht, wir sollen ihn haben, sondern „wir haben;“ „wir wissen, dass wir ihn haben.“ Das Bild scheint mir zu sein, als wenn einer in seinem Garten eine Zeitlang in einem Zelt wohnte. Jemand fragt, was geschehen würde, wenn ein Wind das Zelt in der Nacht umwürfe. O, sagt er, ich habe ein Haus dort drüben, ich würde dahinein gehen und da wohnen. Was für ein Trost, zu wissen, dass was immer mit unserer zeitlichen Wohnung geschieht, wir eine feste Wohnstätte haben, zu der wir uns sogleich begeben können. Dies macht uns unabhängig von allen Gefahren und hilft uns, das Unvermeidliche willkommen heißen, wann es auch kommt.
Was meinte indes der Apostel? Denn dieser Spruch gilt für einen sehr schwierigen. Er meinte zuerst, den Augenblick, wo seine Seele ihren Körper verließe, würde er sofort in jenes Haus eingehen, von dem Jesus sprach: „In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen; wenn es nicht so wäre, würde ich es euch gesagt haben.“ Wollt ihr etwas wissen von diesem Hause? Lest die Offenbarung Johannis, und lernt von seinen Perlentoren, seinen goldenen Gassen, seinen Mauern von den köstlichsten Edelsteinen, von dem Fluss, der sich hindurch schlängelt und von den Bäumen, die alle Monate Frucht tragen. Wenn ihr dann noch mehr zu wissen wünscht, kann ich euch nur den Rat geben, den John Bunyan in einem ähnlichen Falle gab: „Führt ein gottseliges Leben, geht zum Himmel und seht selber, wie es da ist.“ Glaubt keinen Träumen, sondern wartet eure Zeit ab im Glauben an den Herrn Jesum, so werdet ihr in kurzem alles wissen über das Haus, das nicht mit Händen gemacht und das ewig ist im Himmel.
Paulus meinte indes auch, dass er, wenn die Zeit erfüllt sei, wieder mit einem Leibe überkleidet werden würde. Er betrachtete die Wartezeit als so kurz, dass er sie fast übersah, wie Menschen in einem großen Marsche eine augenblickliche Pause vergessen. Gegenwärtig seufzen wir in diesem sterblichen Leibe, da wir uns belastet fühlen; denn unser Geist ist von der Knechtschaft befreit, aber unser Körper noch nicht, obwohl er teuer erkauft ist. Wir sehnen uns „nach der Kindschaft und warten auf unsers Leibes Erlösung;“ „der Leib ist zwar tot um der Sünde willen, der Geist aber ist das Leben um der Gerechtigkeit willen.“ Unsre Seele ist wiedergeboren, aber der Leib wartet auf denjenigen Vorgang, der für ihn das der Wiedergeburt Entsprechende ist, nämlich die Auferstehung von den Toten. Entkörperte Geister mögen ein paar tausend Jahre, mehr oder weniger, droben in des Vaters Hause zu warten haben; aber am Ende wird der Schall der Posaune und die Auferweckung der Toten kommen, und dann wird der vollkommen gemachte Geist in einem Leibe wohnen, der seiner Herrlichkeit angemessen ist. Die Gewissheit der Auferstehung hebt uns über das Grauen hinaus, das sonst die Auflösung unseres Leibes umgeben würde. Wenn das Silber in den Schmelztiegel geworfen wird, werden nur die Schlacken hinweggenommen, und die reine geschmolzene Masse, in eine schöne Form gegossen, wird noch eine königliche Tafel schmücken. Nun, sind wir versichert, dass es Gewinn sein wird, diesen nichtigen Leib zu verlieren, da er alsdann nach dem verklärten Leibe des Herrn Jesu gebildet werden soll?
Lasst uns weitergehen und betrachten, wie Paulus sagen konnte, dass er dies wüsste. Dieses wundervoll erleuchtete neunzehnte Jahrhundert hat eine Klasse weiser Männer hervorgebracht, die sich ihrer Unwissenheit rühmen. Sie nennen sich „Agnostiker“ oder Nichts-Wissende. Ist es nicht sonderbar, einen Mann prahlerisch sagen zu hören: Ich bin ein Ignoramus?“ Wie anders ist unser Apostel! Er sagt, „wir wissen.“ Woher kam diese Zuversicht? Wie wusste er?
Zuerst wusste Paulus, dass er einen Vater im Himmel hatte, denn er fühlte den Geist der Kindschaft; er wusste auch, dass sein Vater ein Haus hatte, und er war gewiss, dass er, wenn er das Zelt verlieren würde, in dem er lebte, in seines Vaters Hause droben willkommen geheißen würde. Wie wissen unsere Kinder, dass sie, wenn sie je eines Hauses bedürfen, zu uns heimkommen können? Lernten sie das von ihren Lehrern in der Schule? Nein, ihr kindliches Gefühl lehrt sie, dass unser Haus ihr Heim ist, grade wie Küchlein unter die Mutterhenne laufen, ohne dass sie dazu abgerichtet sind. Paulus sagte deshalb ohne Zaudern: „Wir wissen“; und wir, Brüder, wissen es durch dieselbe Zuversicht auf unser Vaters Liebe. Ausgeschlossen aus unseres Vaters Hause können wir nicht sein! Heimatlose Wanderer können wir, während unser Vater in seinem königlichen Palaste wohnt, nicht sein! Wir hoffen nicht bloß in dieser Sache, sondern „wir wissen.“
Paulus wusste ferner, dass er einen älteren Bruder hatte, und dass dieser vorangegangen war, um nach den Wohnungen der jüngeren Brüder zu sehen. Paulus erinnerte sich, dass Jesus gesprochen: „Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten, und wenn ich hingehe euch die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, auf dass ihr seid, wo ich bin.“ So hatte Paulus durchaus keinen Zweifel; wenn der Herr hingegangen war, eine Stätte zu bereiten, so musste eine Stätte für ihn da sein, denn er wusste, dass sein Herr nie etwas unternommen, ohne dass es ihm gelungen wäre. Können wir nicht alle unserem Vorläufer vertrauen? Zweifeln wir an ihm, der als unser Vertreter in das „Inwendige des Vorhangs“ hineingegangen ist? Nein; wie wir gewiss sind, dass Jesus für uns in den Himmel gegangen ist, so sind wir gewiss, dass wenn dieser Zelthaus-Leib aufgelöst wird, eine Ruhe und eine Heimat für unsere Seele vorhanden ist.
Ohne Zweifel dachte Paulus auch an den heiligen Geist, der sich herablässt, bei uns in diesem schwachen Erdenleibe zu wohnen, welcher in vieler Weise eine unangenehme und unpassende Wohnstätte für ihn ist, um der Sünde willen, die ihn verunreinigt hat. Er wohnt in diesem sterblichen Leibe und wenn wir dies irdische Haus verlassen, wird er es auch verlassen, und wir sind gewiss, dass sich ein Platz finden wird, wo wir noch in seiner Gemeinschaft weilen können. Wie unsern Leibern die Ehre zu teil geworden ist, den heiligen Geist zu beherbergen, so mögen wir sicher sein, dass er in unserer Stunde der Not eine Stätte für uns finden wird. Er ist unser Gast gewesen und wird alsdann unser Wirt sein; dies wissen wir, denn wir kennen die Liebe des Geistes. Der, welcher unsern Leib zu seinem Tempel gemacht hat, wird einen Ruheort für unsere Seelen finden. So gewinnen wir von dem Vater, dem Sohn und dem heiligen Geist die Zuversicht, dass wir nicht heimatlos hin und her irren sollen, selbst wenn diese sterbliche Hütte aufgelöst wird.
Außerdem lasst mich euch noch etwas sagen. Paulus wusste, dass, wenn er stürbe, ein Paradies bereit wäre, denn er war da schon gewesen. Ihr wisst, wie er diese Sache in sich verschlossen hatte, bis er sie nicht länger zurückhalten konnte, und dann vierzehn Jahre, nachdem sie geschehen war, teilte er das Geheimnis mit. Er sagt, dass er hinaufgehoben sei in den dritten Himmel; es war deshalb müßig, ihm zu sagen, dass es kein künftiges Heim für ihn gäbe, denn er hatte den Ort gesehen. „Nun,“ sagst du, „ich habe ihn nicht gesehen.“ Nein, aber du glaubst dem Zeugnis des Paulus völlig, nicht wahr? Ich für mein Teil bin gewiss, dass Paulus nichts sagen würde, was falsch ist, und da er in den dritten Himmel oder ins Paradies gegangen war und es gesehen hatte, so glaube ich, dass eine solche Stätte vorhanden ist. Denkt daran, dass dies der Ort ist, in welchen der Herr Jesus den sterbenden Schächer einließ: „Heute sollst du mit mir im Paradiese sein.“ Dies ist der Ort, wo Jesus ist, und wo wir auf ewig bei ihm sein sollen, wenn das irdische Haus dieses Zeltes aufgelöst ist.
Ferner, liebe Brüder und Schwestern, wissen wir, dass wenn diese irdische Hütte aufgelöst ist, ein neuer Leib für uns da sein wird, weil unser Herr Jesus Christus von den Toten erstanden ist. Für mich ist die schließliche Antwort auf meinen tiefsten Unglauben die Tatsache der Auferstehung Christi von den Toten. Keine geschichtliche Tatsache ist so gut beglaubigt, als diese, dass unser Herr gekreuzigt, tot und begraben war, und dass er am dritten Tage von den Toten auferstand. Dies nehme ich ohne Anstand als eine Tatsache an, und dies wird mein Ankergrund. Und da Jesus der Vertreter aller derer ist, die in ihm sind, so ist es gewiss, dass der Gläubige auferstehen wird, wie Jesus auferstanden ist. Der Apostel sagt: „Wir wissen,“ und wenn ich dieser großen Wahrheiten gedenke, so bin ich gewiss, dass seine Worte nicht im Geringsten zu stark sind. Nein, wenn ich ein Wort in unserer Sprache kennte, welches noch mehr Sicherheit ausdrückte als das Wort „wissen“, so würde ich es heute Morgen von mir selber gebrauchen. Viel mehr also hätte der Apostel es von sich brauchen können.
Dessen sind wir auch gewiss, dass wenn unser Herr Jesus lebt und an einem Ort der Ruhe ist, so wird er nie seine Erwählten und Erlösten ohne Haus und Heim lassen. Wo er einen Thron gefunden hat, da sollen die Seinen eine Wohnung finden. Es ist eine solche Verbindung zwischen Christo und dem Gläubigen; ja mehr, eine so lebendige, wesentliche, unauflösliche Vermählung, dass Trennung unmöglich ist. Wie kein Mann unter uns je zufrieden sein würde, seine Frau im Gefängnis zu sehen, wenn er sie in Freiheit setzen könnte, oder sie draußen in der Kälte zu lassen, wenn er sie in sein warmes Zimmer bringen könnte, so wird Christus, dem unsre Seele auf ewig angetraut ist, niemals ruhen, bis er all' die Seinen dahin gebracht hat, wo er ist, damit sie seine Herrlichkeit sehen, die Herrlichkeit, die der Vater ihm gegeben hat. Kein Gläubiger hat irgendwelche Zweifel daran. Ich bin gewiss, ihr könnt alle mit Paulus sprechen: „Wir wissen, so unser irdisches Haus dieses Zeltes aufgelöst wird, dass wir einen Bau haben von Gott, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel.“
Ah, sagt einer, aber wie soll ein Mensch wissen, dass er einen Anteil an all diesem hat! Gesetzt, ich weiß, dass die Kinder Gottes so begünstigt sind, wie soll ich wissen, dass ich eines von ihnen bin? Ich fordere dich zu einer Selbstprüfung in diesem Punkte auf. Glaubst du an Jesum Christum von ganzem Herzen? Dann steht geschrieben: „Wer an mich glaubt, der wird leben, ob er gleich stürbe. Und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben.“ Da der Apostel an Christum glaubte, so wusste er, dass er geborgen war; denn die Verheißungen sind für die Gläubigen, und wenn jemand ein Gläubiger ist, so gehört ihm jede Verheißung des Bundes. Wir erlangen fernere Gewissheit dadurch, dass wir das neue Leben besitzen. Lieber Freund, bist du in eine neue Welt eingetreten? Fühlst du in dir ein neues Herz und einen neuen Geist? Ist das Alte vergangen, und ist alles neu geworden? Bist du eine neue Kreatur in Christo Jesu? Dann steht alles richtig mit dir; dies neue Leben kann nicht sterben, deine neugeborene Natur muss die ewige Seligkeit ererben. „Fürchte dich nicht, du kleine Herde, denn es ist eures Vaters Wohlgefallen, euch das Reich zu geben.“ Weiter, hast du Umgang mit Gott? Sprichst du mit Christo? Niemand kann umkommen, der mit dem Vater und dem Sohne Verkehr hat. Jesus kann nicht am letzten Ende sagen: „Ich habe euch nie gekannt; weicht von mir;“ denn er kennt dich und du kennst ihn.
O, sagst du, er kennt genug von mir, denn ich bettle immer. Gut, setze das Handwerk fort; sei stets ein Bettler in geistlichen Dingen. Der Herr der Liebe wird nie einen Bittenden wegstoßen; wer den Thron der Gnade fleißig aufsucht, wird unfehlbar den Thron der Herrlichkeit erreichen. Außerdem, „gibt nicht der Geist Zeugnis unserem Geist, dass wir Gottes Kinder sind?“ Und wenn Kinder und Erben, sind wir dann bange, dass wir nackend in der künftigen Welt gelassen werden? Ich hoffe, dass viele von uns jetzt die volle Zuversicht des Glaubens erreicht haben. Kann nicht jeder von euch sprechen: „Ich weiß, an welchen ich glaube, und bin gewiss, dass er kann meine Beilage bewahren bis an jenen Tag?“ Dies sind die Zeichen, an denen die Gläubigen erkennen können, dass sie Gläubige sind, und dann wissen sie aus dem Worte Gottes, dass alles ihr ist, so dass, wenn ihr irdisches Haus abgebrochen wird, sie in die himmlischen Wohnungen aufgenommen werden sollen.
III.
Zuletzt, der Wert dieser Kenntnis für uns. Sicher zu sein, dass wenn dieser Leib stirbt, alles gut steht, ist das nicht des Wissens wert? Weltlich Gesinnte halten uns vor, dass wir die Menschen von dem tätigen Leben in der Gegenwart abwenden, damit sie von einer eingebildeten Zukunft träumen. Wir antworten, die beste Hilfe für das Leben in der Gegenwart ist die, im Hinblick auf die ewige Zukunft zu leben. Der zuversichtliche Glaube des Paulus, dass er, wenn sein Leib aufgelöst würde, nichts verlieren würde, hielt ihn ab, ganz zu ermatten. Er wusste, was das Schlimmste sein würde, und war dazu bereit. Große Stürme drohten, aber der Apostel kannte die Grenzen seines möglichen Verlustes. Alles, was wir verlieren können, ist das schwache Zelt dieses armen Körpers. Es ist unmöglich, dass wir mehr verlieren können. Wenn ein Mensch die Grenze seines Risikos kennt, so hilft das sehr sein Gemüt zu beruhigen. Das Unentdeckbare und das Unmessbare sind die schlimmsten Zutaten zum Grauen und Schrecken; wenn ihr eure Befürchtungen abmessen könnt, so habt ihr sie entfernt. Unser Apostel fühlte, dass er in die Welt gesandt war zu dem großen Zwecke, Gott zu verherrlichen, Seelen zu gewinnen und Heilige zu erbauen, und er war völlig entschlossen, bei dem Amte zu bleiben, das er empfangen hatte. Er hielt sich vor, dass für ihn das Gefährlichste sei, in seinem Dienste zu ermatten, denn das Beharren in seinem Berufe würde keine größere Gefahr mit sich bringen als den Tod, und diesen fasste er auf, als das Verlieren eines Zeltes und das Gewinnen eines Hauses. Der römische Kaiser mochte ihm das Haupt abschlagen oder ein Pöbelhaufen mochte ihn zu Tode steinigen, oder er mochte gekreuzigt werden wie sein Herr; aber er nahm ein solches Schicksal leicht! Es war für ihn nur das Niederreißen des alten Zeltes; es berührte nicht seinen unsterblichen Geist; er lächelte und sang: „Denn unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist, schafft eine ewige und über alle Maße wichtige Herrlichkeit.“
Die Aussicht auf sein himmlisches Haus ließ seine gegenwärtigen Leiden sehr leicht erscheinen, denn er fühlte, wie ein Mann, der eine Nacht in einem ärmlichen Wirtshause bleibt, aber sich gern dort behilft, weil er hofft, am andern Tage daheim zu sein. Wenn wir eine Zeitlang das Zeltleben versuchten, würden wir wahrscheinlich ausrufen: Ein fürchterlicher Zug kommt durch jene Ecke hinein! Wie feucht ist es unter den Füßen! Wie eingeengt fühlt man sich! Dennoch würden wir über alles lächeln und sagen: Es ist nicht auf lange. Wir werden bald daheim in unserem Hause sein. Ach, Brüder, eine Stunde bei unserem Gott wird Ersatz bieten für alle Leiden des Weges. Deshalb seid guten Mutes und geht weiter.
Dieses änderte für Paulus die ganze Vorstellung vom Tode; der Tod wurde aus einem Dämon in einen Engel verwandelt; es war nur die Hinwegnahme eines wankenden Zeltes, damit er in einen dauerhaften Palast eingehen könnte. Einige Kinder Gottes werden sehr von der Furcht vor dem Tode beunruhigt, weil sie nicht wissen, was er ist. Wenn sie besser unterrichtet wären, so würden sie bald in der Ursache ihres jetzigen Leidens ein Thema für Lobgesänge wahrnehmen. Einige von den zweifelnden und fürchtenden Dienern meines Herrn habe ich sehr freudig sterben sehen. Ich habe Männer gekannt, die wie Jakob den ganzen Tag lang müde und matt einhergingen und sich aus ihres Vaters Hause verbannt fühlten; und doch hatten sie, als sie ihr Haupt zum letzten Schlafe niederlegten, Gesichte von Engeln und von Gott. Das Ende ihrer Pilgerreise wog alle rauen Stellen des Weges auf. So soll es mit dir sein, mein Mitgläubiger. Es ist gewöhnlich eine dunkle Stelle in der Erfahrung jedes Christen; ich habe einige fast den ganzen Weg im Sonnenlicht wandeln und dann im Dunkeln sterben sehen und habe darum nicht schlechter von ihnen gedacht; und ich sah andere den ersten Teil ihres Pilgerweges durch einen Nebel sich hindurch kämpfen, und dann kamen sie in einen wolkenlosen Tag. Zu der einen oder andern Zeit fallen unter diesem trüben Himmel die Schatten über unsern Weg, aber gewiss: „Dem Gerechten muss das Licht immer wieder aufgehen und Freude dem frommen Herzen.“
Wenn ich an einige meiner lieben Brüder und Schwestern gedacht habe, die ich sehr lieblich sterben sah, obwohl sie im Leben voll Misstrauen gegen sich selber waren, so habe ich sie mit Leuten verglichen, die, wenn sie Tee trinken, vergessen, den Zucker auf dem Boden ihrer Tasse umzurühren. Wie doppelt süß wird das Getränk, wenn sie dem Boden sich nähern: sie haben mehr Süßigkeit, als sie ertragen können. Würde es nicht gut sein, den Tee sogleich umzurühren und die Süßigkeit vom Rande bis zum Boden zu genießen? Aber wenn die Heiligen eine Zeit lang des Trostes entbehrt haben, wie reich werden sie entschädigt werden! Was wird es sein, eure Augen im Himmel zu öffnen! Was für eine Freude, auf dem Siechbette zu entschlafen und unter den himmlischen Hallelujas zu erwachen! Was bin ich? Wo bin ich? O, mein Gott! Mein Christus! Mein Himmel! Mein Alles! Ich bin daheim! Schmerz und Seufzen wird fliehen. Verleiht nicht diese Ansicht von der Sache dem Tode eine Verklärung? O, ihr armen Ungläubigen, wie bemitleide ich euch, da ihr keine so herrlichen Hoffnungen habt! O, dass ihr an den Herrn Jesum glauben und in das ewige Leben eingehen wolltet!
Der Glaube übt eine solche Wirkung auf Paulus aus, dass er ihn stets gelassen und kühn macht. Warum sollte er bange sein vor einem Menschen, der ihm keinen Schaden tun konnte? Selbst wenn sein Verfolger ihn tötete, würde er ihm einen Dienst erweisen. Was hatte er zu fürchten? Dies machte den Paulus weise und klug. Er konnte seine Urteilskraft gebrauchen, denn er ward nicht in Unruhe gesetzt. Er war nicht wie einige von euch, die nur ein wenig krank sind, aber sofort voller Schrecken, so dass sie sich dadurch schlimmer machen, als sie sonst sein würden, und der Arzt ebenso wohl mit einem erschreckten Gemüt, als mit einem kranken Körper zu tun hat. Wer ruhig, gelassen, glücklich ist, der ist schon auf dem Wege zur Genesung. Er ist ruhig, weil er in seines Vaters Händen ist, und alles mit ihm gut steht, ob er lebt oder stirbt; und dies hilft dem Arzt, seine körperliche Krankheit zu heilen. Ich sage wiederum, die beste Weise zu leben ist die, sterben zu lernen, und wer ohne Sorge sein kann, ob er lebt oder stirbt, der wird so leben, dass er triumphierend sterben kann. O, dass ihr alle die Ruhe empfändet, die aus dem Vertrauen auf den Herrn Jesum entspringt! Wie traurig, zu wissen, dass ihr jeden Augenblick sterben könnt, und doch unvorbereitet auf die Veränderung zu sein! Ich wundere mich nicht, dass ihr unglücklich seid; ihr habt guten Grund dazu! O, dass ihr weise wäret und eure Zukunft sichertet durch Glauben an den auferstandenen Herrn!
Zu Martin Luthers Zeit und vor seinem Auftreten waren die Menschen, welche ein schlechtes Leben geführt hatten, oft in großer Furcht, wenn es mit ihnen zum Sterben ging, und in ihrer Angst schickten sie zuweilen ins Kloster und verschafften sich ein Mönchsgewand, um darin begraben zu werden. Was für eine törichte Einbildung! Doch glaubten sie wirklich, es würde ihnen am Tage des Gerichts besser ergehen, wenn sie in ein braunes Kleid gehüllt und mit einer Mönchskappe bedeckt wären! Lasst uns ein besseres Gewand haben. Der heilige Rutherford jagte: „Seine Liebe, an die ich glaube, soll mein Leichenkleid und mein Grabgewand sein, ich werde meine Seele einwickeln und einsäumen in das Gewebe seiner süßen und freien Liebe.“ Ist das nicht euer Gedanke? Es ist sicherlich der meine! Wenn wir in solcher Leinwand schlafen gelegt sind, so wird keine Furcht vor dem Erwachen da sein. Es wird uns geschehen, wie dem Manne, der in Elisas Grab gelegt wurde, und auferstand, sobald er die Gebeine des Propheten berührte. Kein Mensch kann tot liegen, wenn er in die Liebe Christi gehüllt ist, denn seine Liebe ist das Leben. Wer die Liebe Christi berührt hat, hat das Herz des göttlichen Lebens berührt und muss leben. So lasst uns dieser göttlichen Liebe uns hingeben und im Vertrauen auf unsern Herrn weiter gehen zur ewigen Seligkeit, bis der Tag anbricht und die Schatten fliehen; lasst uns triumphieren und fröhlich sein, dass für uns bereitet ist „ein Bau von Gott, ein Haus, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel.“ Amen.