Spurgeon, Charles Haddon - Tröstet mein Volk - Die abgeschiedenen Heiligen leben noch.
Gehalten am 4. Oktober 1885.
„Dass aber die Toten auferstehen, hat auch Moses gedeutet bei dem Busch, da er den Herrn heißet Gott Abrahams und Gott Isaaks und Gott Jakobs. Gott aber ist nicht der Toten, sondern der Lebendigen Gott; denn sie leben ihm alle.“
Luk. 20, 37, 38.
Während der letzten Woche haben die Kirche Gottes und auch die Welt einen schweren Verlust erlitten. Durch den Heimgang des Grafen Shaftesbury1) haben wir nach meinem Urteil den besten Mann unserer Zeit verloren. Er war in seiner Frömmigkeit sehr aufrichtig; wie ich es weiß, da ich mich seiner persönlichen Freundschaft erfreuen durfte; er stand sehr fest in seinem Glauben an das Evangelium und war ungemein tätig für die Sache Gottes und der Wahrheit. Diejenigen Dinge an ihm, die von den Freidenkern unserer Zeit als Fehler betrachtet wurden, sind nach meiner Schätzung Tugenden ersten Ranges. Sie nannten ihn eng; und damit letzten sie unbewusster Weise ein Zeugnis ab für seine Treue gegen die Wahrheit. Ich freute mich sehr über seine Lauterkeit, seine Furchtlosigkeit, sein Festhalten an Grundsätzen in einer Zeit, wo die Offenbarung in Frage gestellt, das Evangelium hinweg erklärt und das menschliche Denken als der Götze des Tages aufgerichtet wird. Er fühlte, dass ein wesentlicher und ewiger Unterschied zwischen Wahrheit und Irrtum ist; folglich handelte und redete er nicht, als wenn sich für beide Seiten viel sagen ließe und niemand deshalb ganz gewiss sein könnte. Wir werden noch längere Zeit hindurch kaum wissen, wie viel wir an ihm verloren haben; er lebte für die Unterdrückten, er lebte für das Volk, er lebte noch mehr für Gott. Er hat seinen Lauf voll endet, und obwohl wir ihn nicht in das Grab legen mit der Trauer derer, die keine Hoffnung haben, so können wir doch nicht anders als trauern, dass ein großer Mann und ein Fürst heute in Israel gefallen ist.
Wir werden nicht von sadduzäischen Zweifeln geplagt; für uns ist es, da Christus auferstanden ist, eine Sache der Gewissheit, dass alle seine Nachfolger auch auferstehen müssen; und da Jesus ewig lebt, ist es uns ebenso gewiss, dass alle Heiligen noch leben, denn er hat gesagt: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben.“ Indes, wenn dem Unglauben auch nicht gestattet wird, sich in unsern Kopf zu schleichen und unsern Glauben zu stören, so mag er doch in unsere Herzen eindringen und uns große Traurigkeit verursachen. Wir, die wir an Jesum glauben, sollten in eine klarere und wärmere Atmosphäre, als die des Grabes hinaufsteigen. Wir sitzen jetzt nicht im Schatten des Todes, denn das ewige Licht ist aufgegangen. Kinder Gottes, es ist im höchsten Grade angemessen, dass ihr darüber so denkt, wie euer Vater es tut; und der sagt, „sie leben ihm alle.“ Lasst uns unsere Sprechweise durch die der Schrift berichtigen und von den abgeschiedenen Heiligen sprechen, wie die Bibel von ihnen spricht. Dann werden wir zurückkommen zu der einfachen Kindesrede, die Wordsworth so lieblich in Verse gebracht hat: „Nein, Herr, wir bleiben sieben;“ und in unserer Familie werden wir Brüder und Schwestern und Freunde mit zählen, deren Leiber auf dem Kirchhof liegen, und von denen, welche die Grenze überschritten und ins Allerheiligste eingegangen seid, werden wir reden, als von solchen, die noch unser eigen sind. Wie Jesus werden wir sagen: „Lazarus, unser Freund, schläft“; wie Paulus werden wir von ihnen reden als „außer dem Leibe und daheim bei dem Herrn“ und sie als einen Teil der einen Familie im Himmel und auf Erden betrachten.
Die Worte unseres Textes wurden an einem Ort gesprochen, der etwas von Tod, Begräbnis und Auferstehung an sich hatte. Die Stimme kam zu Moses in der Wüste. Diese war ein sonderbarer Platz für Moses; der lebhafte, tätige Moses, mächtig in aller Weisheit Ägyptens und voll erhabener Gedanken über den lebendigen Gott, war in der Wüste begraben. Es ist seltsam, den ersten Geist des Jahrhunderts in dem entferntesten Teil der Wüste, unter den Schafen verborgen zu sehen. Er, der ein geborener König war, hütet hier eine Herde. Es ist Tod für Moses. Seid dessen gewiss, dass Moses nicht in diesem lebendigen Grabe bleiben kann; er muss zum Leben und zur Führerschaft erstehen.
Während Moses in der Wüste ist, denkt er an einen anderen Fall von Tod, Begräbnis und Auferstehung, nämlich an Israel in Ägypten. Das Volk Gottes, die Erwählten Jehovahs, mit denen er einen Bund gemacht hatte, war in Ägypten, gequält von unbarmherziger Unterdrückung, beschmutzt mit Ziegelton und schwarz und blau von den Schlägen der Vögte. Die Kinder Israels waren eine Herde Sklaven geworden; doch sind sie Gottes auserwähltes Volk. Dieser Tod in Ägypten kann nicht andauern; das auserwählte Volk muss leben und auferstehen und frei herausgehen, um dem Herrn zu dienen.
Und so sieht Moses, während er in der Wüste an Israel in Ägypten denkt, einen Busch und dieser Busch ist ganz brennend und fährt fort zu brennen, ohne dass er verzehrt wird. Hier war Leben inmitten des Todes, Fortdauer inmitten der Zerstörung. Dies war ein Sinnbild davon, dass Gott bei seinem Volke wohnt und es doch am Leben lässt; oder von den Feuern der Trübsal, die für die Erwählten Gottes unschädlich gemacht werden. Er, der darauf zu Moses sprach, war der Gott des Lebens, der erhalten konnte inmitten der Zerstörung und sogar einen Busch bewahren konnte, dass er nicht durch die Wut der Flammen verzehrt ward.
Nun kommen wir zur Hauptsache. Aus dem Busche kam eine Stimme, eine geheimnisvolle und göttliche Stimme, die sprach: „Ich bin der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs.“ Aus dieser Stimme lehrt uns unser göttliche Herr die Tatsache entnehmen, dass Gottes Kinder leben, wenn es scheint, dass sie lange tot gewesen sind; denn er, der nicht der Gott der Toten oder der Nicht-Existierenden sein kann, bekennt sich noch als Gott der längst begrabenen Patriarchen. Unser Herr bewies aus diesen Worten das fortdauernde Leben der Erwählten Gottes und also auch ihre Auferstehung: wie tat er dieses?
I.
Wir wollen nicht sofort die Antwort geben, sondern ein wenig um den Busch herum gehen, damit wir umso leichter der Beweisführung folgen können. Ich möchte zuerst sagen, dass in diesen Worten eine herrliche Verbindung ausgedrückt wird. Moses nennt den Herrn „den Gott Abrahams und den Gott Isaaks und den Gott Jakobs.“
Der Herr sprach mit diesen Worten aus: Diese drei Männer haben mich als ihren Gott gewählt. Das hatten sie; durch Gottes Gnade hatten sie sich entschlossen, sich von ihren Verwandten im Lande der Chaldäer zu trennen und in ein Land zu gehen, von dem sie nichts wussten, als dass Gott ihnen verheißen, sie sollten es später als ihr Erbteil haben. Abraham, Isaak und Jakob waren drei sehr verschiedene Charaktere, doch hatten sie alle drei das Gemeinsame, dass sie Gott glaubten und ihn allein als ihren Gott annahmen, während die ganze übrige Welt den Götzen anhing. In all ihren Leiden nahmen sie ihre Zuflucht zu Jehovah; ihm hingen sie durch die göttliche Gnade ihr ganzes Leben hindurch an. Es ist ein erhabener Anblick, einen Mann auf Gott vertrauen zu sehen, wie Abraham es tat, und dem Herrn so völlig gehorchen, wie er es bei der Aufopferung Isaaks tat, als er dachte, dass Gott ihn auch von den Toten auferwecken könnte. Sicherlich, es musste ein ewiges Leben in einem Wesen sein, das so auf Jehovah vertrauen konnte. Auch wir nehmen diesen Gott als unsern Gott an, den Gott Abrahams, Isaaks nnd Jakobs. In denen, welche den wahren Gott erwählen, ist ein Adel, der sie vor der Vernichtung sichern wird.
Ferner hatten diese drei Männer gelernt, mit Gott Gemeinschaft zu haben. Wie wunderbar hat Abraham mit Gott gesprochen! Mancher Platz war geweiht als der Ort, wo er vor dem Herrn stand.“ Isaak ging des Abends auf das Feld und hatte dort ohne Zweifel verborgene Gemeinschaft mit dem Herrn. Auch Jakob war mit himmlischen Erscheinungen begnadigt. Wir können nie jenen Traum zu Bethel vergessen, noch den Kampf am Jabok. Es ist wunderbar, dass der Herr so mit den Menschen verkehrt. Er zeigt sich nicht so den Tieren, welche vergehen; er offenbart sich nicht so den leblosen Steinen des Feldes. Es sind seltsam geehrte Wesen, mit denen Gott in so nahe Gemeinschaft eingeht, wie mit diesen drei Männern. Ich schließe daraus, dass diese Wesen sich nicht in eine Handvoll Staub auflösen und zu sein aufhören können. Können diese Augen aufhören zu sein, welche den Herrn gesehen haben? Können diese Seelen vergehen, die mit dem Ewigen geredet haben? Aber eben jetzt bitte ich euch nur, an die Herrlichkeit zu denken, zu der die Patriarchen erhoben wurden, als ihnen gestattet ward, Freunde Gottes zu sein.
Was noch bemerkenswerter ist, der Herr ging einen Bund mit ihnen ein. Ihr wisst, wie der Herr schwor dem Samen Abrahams ein Erbe zu geben, ein Land darinnen Milch und Honig floss. Nun, es ist wunderbar, dass Gott einen Vertrag mit Menschen eingeht. Macht er einen ewigen, gewissen Bund mit bloßen Insekten einer Stunde? Und besonders, würde er seinen Sohn Jesus dahingeben, um mit seinem Herzblut den ewigen Bund zu besiegeln mit bloßen Schatten, die nur eine Zeitlang sind und dann aufhören zu sein? Ich bin sicher, es ist nicht so. Wenn Gott mit Menschen einen ewigen Bund schließt, so liegt darin einbegriffen, dass er ihnen ein Dasein verleiht, was nicht für heute und morgen ist, sondern für die Ewigkeit.
Überdies waren diese Männer nicht nur in einem Bunde mit Gott, sondern sie hatten diesem Bunde gemäß gelebt. Ich meine nicht, dass sie ihm vollkommen gemäß gelebt hatten, aber die Hauptrichtung ihres Lebens entsprach ihrem Bundesverhältnis zu Gott. Um dieses Bundes willen verließ Abraham das Ur der Chaldäer und wohnte nicht länger in Haran, sondern wurde ein Pilger mit Gott im Lande Kanaan. Jakob, der fehlerhafteste von den dreien, so sehr er auch in seinem Verhalten gegen Esau irrte, war doch augenscheinlich angetrieben von einem starken Glauben an das Erstgeburtsrecht des Bundes, so dass er alles wagte, um es zu erlangen. Im Tode wollte er nicht von der auserwählten Familie getrennt werden, sondern ließ Joseph schwören, dass er ihn in ihrem Begräbnis begraben wollte. Sein Ziel war die Verheißung trotz der Irrtümer, die er beging. Nun, macht Gott einen Bund mit den Menschen und hilft ihnen, demgemäß zu leben, und sollen sie doch des Segens verlustig gehen? Soll es in nichts enden? Es kann nicht sein: die müssen leben, für die Gott ihr Gott ist.
Denn dies war der Bund, dass sie Gott als ihren Gott haben und Gottes Volk sein sollten. O Brüder, ich weiß nicht, wie ich von einem solchen Segen sprechen soll, obwohl ich in dem täglichen Genuss desselben lebe. Dieser Gott ist unser Gott. Alles, was der Herr ist und alles was er tun kann, hat er uns übergeben, es wird für uns gebraucht: Die Fülle seiner Gnade und Wahrheit, die Unendlichkeit seiner Liebe, die Allmacht seiner Stärke, die Unfehlbarkeit seiner Weisheit alles, alles soll für uns gebraucht werden. Der Herr hat sich seinem Volk als ihr Erbteil übergeben, und auf der andern Seite sind wir arme, schwache Geschöpfe, die wir sind, der besondere Schatz des lebendigen Gottes „Sie sollen mein sein, spricht der Herr Zebaoth, des Tages, da ich meine Kleinodien zähle.“ „Des Herrn Teil ist sein Volk; Jakob ist die Schnur seines Erbes.“ Wir sind Gottes Erbteil, wir sind Gottes Kleinodien, wir sind Gottes Kinder, wir sind ihm teuer wie der Apfel seines Auges. Wir sind ihm wie das Siegel an seiner Hand und die Krone auf seinem Haupte. Er kann nicht als sein Erbteil das gewählt haben, was sich wieder in die Mutter Erde auflösen und nicht mehr zu finden sein wird; dies kann nicht sein. Der Bund trägt die sichere Bürgschaft des ewigen Lebens in sich. O, was für eine Ehre ist es, dass Gott sogar zu euch und zu mir spricht: „Ich will euer Gott sein und ihr sollt mein Volk sein“. Was hat Gott getan! „Was ist der Mensch, dass du seiner gedenkest und des Menschen Kind, dass du dich seiner annimmst?“ Gesegnet über alle anderen Wesen sind die, welche Jehovah als ihren Gott haben und welche selber des Herrn Wohl und Sorge und Freude sind. Jeder von diesen Punkten wird, wenn ihr darüber nachdenkt, euren Glauben stärken, dass die Heiligen leben müssen, auf ewig leben müssen und in diesem Augenblick vor Gott leben.
II.
Wir kommen nun dieser Sache noch näher: in den Worten unseres Textes liegt das ewige Leben einbegriffen; denn „Gott ist nicht der Toten, sondern der Lebendigen Gott.“
Es ist zuerst schon mit inbegriffen in dem Gnadenbunde. Macht der ewige Gott einen Bund mit Geschöpfen, die nur siebenzig Jahre leben und dann ausgehen, wie ein Licht? Wie kann er ein Gott für sie sein? Ich verstehe, wie er ein Helfer und Freund für Menschen von kurzem Dasein sein kann, aber ich sehe nicht ein, wie er ein Gott für sie sein kann. Müssen sie nicht an seiner Ewigkeit teilnehmen, wenn gesagt wird: „Ich will euer Gott sein?“ Wie kann der Herr ein ewiger Segen für ein Geschöpf sein, das endet?
Aber ferner, dieser Bund bestand aus Verheißungen sehr besonderer Art; denn der Bund, den Gott mit Abraham machte, ging nicht ganz und gar oder auch nur hauptsächlich auf zeitliche Dinge. Es war nicht das Land Kanaan allein, von dem der Herr zu Abraham sprach, sondern die Patriarchen erklärten deutlich, dass sie eines besseren Vaterlandes begehrten, „nämlich eines himmlischen“ (Hebr. 11, 16). Sie waren augenscheinlich von einem Glauben an etwas Geistliches, etwas Ewiges beseelt; und sie glaubten, dass der Bund, den Gott mit ihnen gemacht, solche Dinge beträfe. Ich habe nicht die Zeit, weiter in diesen Gegenstand einzugehen; ihr habt ihn völliger ausgelegt in der Epistel an die Hebräer: aber es verhielt sich so, dass die Bundessegnungen von einer Art waren, die nicht in den Raum dieses gegenwärtigen sterblichen Lebens eingeschlossen werden konnten: die Bundesverheißungen gewährten Aussicht auf das grenzenlose Meer der Ewigkeit. Nun, wenn der Herr mit diesen Heiligen einen Bund gemacht hat, der ewige Segnungen betrifft, so müssen sie leben, um diese Segnungen zu genießen.
Außerdem, Geliebte, müssen wir uns daran erinnern, dass um dieser ewigen Güter willen die Patriarchen vergängliche Genüsse aufgeben hatten. Abraham hätte ein ruhiger Fürst in seinem Vaterlande sein können und in Gemächlichkeit leben; aber um des geistlichen Segens willen verließ er Chaldäa und wanderte umher auf den Weiden Kanaans inmitten von Feinden und wohnte in Zelten, was mit manchen Unbequemlichkeiten verknüpft war. Isaak und Jakob waren „Miterben derselbigen Verheißung“; aber sie nahmen nicht teil an dem Verkehr des Volkes im Kanaan; „sie wohnten besonders und wurden nicht unter die Heiden gerechnet.“ Wie Moses selbst, zu dem Gott sprach, achteten sie die Schmach Christi für größeren Reichtum, denn die Schätze Ägyptens.“ Sie gaben ihre Freundschaft und Verwandtschaft auf und alle Vorteile eines ruhigen zivilisierten Lebens, um in der Wüste herumzustreifen als Verbannte. Sie waren so recht die Vorbilder und Muster derer, welche hier keine bleibende Stadt haben; darum können wir, obwohl sie in Hoffnung starben und die Verheißung nicht empfangen hatten, doch nicht glauben, dass Gott sie täuschte. Sie hatten in diesem armen Leben für etwas noch nicht Gesehenes gelebt; und wenn es solches gäbe und kein künftiges Leben, so wären sie in nutzlose Selbstverleugnung hinein gefoppt worden. Wenn es kein künftiges Leben gibt, so ist die beste Philosophie die, welche spricht: „Lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot.“ Da diese Männer das gegenwärtige Leben für das künftige verpfändeten, so wären sie in traurigem Irrtum gewesen, wenn es kein solches Leben gäbe. Seht ihr nicht das Zwingende der Beweisführung unsers Heilandes? Gott, der die Seinen dahin geführt hat, die Gegenwart für die Zukunft aufzugeben, muss ihre Wahl rechtfertigen.
Außerdem, der Herr hat seine Ehre und seinen Ruhm an das Leben dieser Männer gewagt. „Wollt ihr wissen“, sagt er, „wer ich bin? Ich bin der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. Wenn ihr wissen wollt, wie ich mit meinen Dienern handle, so geht und blickt auf das Leben Abrahams und Isaaks und Jakobs.“ Meine Brüder, soweit das irdische Leben der Patriarchen in menschlichen Berichten geschrieben werden kann, ist es sicherlich voll von Gottes Liebe und Freundlichkeit; dennoch ist, von einem bloß irdischen Gesichtspunkte aus, nichts so besonders Frohes und Majestätisches daran, dass es des Herrn Handeln gegen sie als besonders wunderbar erscheinen ließe. Andere, die Gott nicht fürchteten, sind ebenso reich und mächtig und geehrt gewesen, wie sie. Besonders ist das Leben Jakobs kreuz und quer gepflügt durch Trübsal und Leiden. Er sprach die Wahrheit, als er sein Leben aufsummierte in die Worte: „Wenig und böse ist die Zeit meines Lebens.“ Will der Herr, dass wir seine Güte gegen seine Knechte nach dem geschriebenen Leben Jakobs beurteilen sollen? Oder nach dem Lebenslauf irgendeines seiner Diener? Wir müssen die Zeiten endloser Seligkeit mit einschließen. Dieses Leben ist nur die kurze Vorrede zu dem Buch unserer Geschichte. Es ist nur die raue Borte, die Salleiste zu dem reichen Tuch unsers Lebens. Diese rieselnden Ströme des Lebens kommen nicht zu einem Ende, sondern fließen in den endlosen, uferlosen Ozean der Seligkeit. Abraham, Isaak und Jakob haben seit lange Glückseligkeit genossen und werden sie die ganze Ewigkeit hindurch genießen. Gott schämt sich nicht, ihr Gott genannt zu werden, wenn ihr das Ganze ihres Daseins beurteilt; er würde nicht so gesprochen haben, wenn das Sichtbare alles wäre, und es keine Zukunft gäbe, welche den Trübsalen dieses sterblichen Lebens das Gleichgewicht hielte.
Doch ferner, Gott kann nicht der Gott der Nicht-Existierenden sein. Die Voraussetzung ist zu abgeschmackt. Unser Herr sagt es in sehr bestimmter Weise! Ein lebendiger Gott ist der Gott lebendiger Menschen, und Abraham, Isaak und Jakob leben noch. Dies ist auch ein Beweis dafür, dass die Leiber dieser Heiligen noch wieder leben sollen. Gott ist nicht nur der Gott von Abrahams Seele, sondern des ganzen Abraham, seines Leibes, seiner Seele und seines Geistes. Gott ist der Gott des Leibes Abrahams; wir sind dessen gewiss, weil das Bundessiegel auf das Fleisch des Abraham gesetzt war. Wo der Zweifel sein konnte, ist das bestätigende Siegel, nämlich, in seinem sterblichen Leibe. Es war kein Siegel gesetzt auf seine Seele, denn die Seele hatte Leben und konnte den Tod nicht sehen; sondern es war auf seinen Körper gesetzt, der sterben sollte, um es gewiss zu machen, dass selbst dieser leben würde. Heute noch haben wir die Taufe und das Abendmahl als Siegel für den Körper. Ich habe zuweilen gedacht, es wäre besser, wenn es keine Wassertaufe gäbe, da sie das Nest für so viel Aberglauben geworden; und des Herrn Abendmahl ist so missbraucht worden, dass man geneigt ist, zu denken, es möchte ohne diese äußeren Zeichen mehr geistliche Religion da sein; aber der Herr will, dass die Leiblichkeit des Menschen und die der Schöpfung höher gehoben werden soll und dass der Leib unverweslich auferstehen soll und deshalb hat er Zeichen gegeben, die das Äußere und Körperliche berühren. Das Wasser, worin der Leib gewaschen wird, und das Brot und der Wein, womit der Leib genährt wird, sind Zeichen, dass nicht nur geistliche und unsichtbare Segnungen uns zu teil werden, sondern sogar solche, die unsern sterblichen Leib erlösen und reinigen werden. Das Grab kann keinen Teil derjenigen halten, mit denen Gott einen Bund gemacht hat; das ewige Leben wird dem ganzen Menschen verliehen.
III.
Mein Text enthüllt, zwar dürftig, aber doch genügend, wie das herrliche Leben sein muss.
Es ist klar, dass sie persönlich leben. Es heißt nicht: „Ich bin der Gott der ganzen Schar der Heiligen in einer Masse“, sondern: „Ich bin der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.“ Gott will machen, dass die Seinen ein individuelles Leben haben. Mein Vater, meine Mutter, mein Kind, werden alle persönlich existieren. Abraham ist Abraham, Isaak ist Isaak, Jakob ist Jakob. Die drei Patriarchen waren nicht in einen gemeinsamen Abraham zusammengeschmolzen, und keiner von ihnen war so verändert, dass er aufhörte, er selber zu sein. Abraham, Isaak und Jakob waren alle buchstäblich lebendig, wie wirkliche Menschen, und dieselben Menschen, die sie zu sein pflegten. Jakob ist Jakob, und nicht ein Echo von Abraham, Isaak ist Isaak, und nicht eine erste Ausgabe von Jakob. Alle Heiligen existieren in ihrer Persönlichkeit, Identität, Besonderheit, Eigenart.
Was mehr ist, die Patriarchen werden bei ihren Namen genannt; und so ist es klar, dass man sie kennt: sie sind nicht drei anonyme Wesen, sondern Abraham, Isaak und Jakob. Viele fragen: „Werden wir unsere Freunde im Himmel kennen?“ Warum sollten wir nicht? Von den Heiligen im Himmel wird nie in der Schrift gesprochen, als wenn sie namenlos umhergingen; sondern es wird gesagt, dass ihre Namen im Buch des Lebens geschrieben stehen. Die Apostel kannten Moses und Elia auf dem Berge, obgleich sie dieselben nie vorher gesehen hatten. Ich kann nicht des alten John Ryland's Antwort an seine Frau vergessen. „John,“ sagte sie, „wirst du mich im Himmel kennen?“ „Betty“, erwiderte er, „ich habe dich gut hier gekannt, und ich werde nicht ein größerer Narr im Himmel sein, als ich jetzt bin; darum werde ich dich sicher dort kennen.“ Das scheint klar genug. Wir lesen im Neuen Testament: „Sie werden mit Abraham, Isaak und Jakob im Himmelreich sitzen“; nicht mit drei unbekannten Individuen in eisernen Masken oder drei Unpersönlichkeiten, die einen Teil des großen Pan ausmachen, noch mit drei Geistern, die einander so genau gleichen wie Stecknadeln, die in einer Fabrik gemacht sind; sondern mit Abraham, Isaak und Jakob.
Jenes herrliche Leben ist auch frei von allem Leid, und Elend und irdischer Schwerfälligkeit. Sie werden weder freien noch sich freien lassen, und sie werden auch nicht mehr sterben, denn sie sind wie die Engel Gottes. Es ist ein Leben vollkommener Seligkeit, ein Leben heiliger Anbetung, ein Leben ungetrübter Herrlichkeit. O, dass wir darin wären! O, dass wir es bald erreichten! Lasst uns denken an die vielen, die es jetzt genießen, und an die, welche in den letzten paar Tagen dahin gelangt sind. Ich bin gewiss, sie fühlen sich zu Hause in jeder goldenen Gasse und sind vollauf beschäftigt mit der Anbetung und Verehrung ihres Herrn. Jene Heiligen, die jetzt diese Tausende von Jahren in der Herrlichkeit gewesen sind, können nicht mehr gesegnet sein, als die zuletzt Gekommenen. Binnen einer sehr kurzen Zeit werdet ihr und ich unter den Glänzenden sein. Einige von uns mögen ihren nächsten Sabbat mit den Engeln zubringen. Wir wollen uns freuen und fröhlich sein bei dem bloßen Gedanken daran. Einige von uns sind nicht verurteilt, hier noch einen andern Winter zu verleben; wir werden über diese Herbstnebel hinweg in das goldene Licht des ewigen Sommers gehen, noch ehe ein anderes Weihnachtsfest kommt. O, die Freude, welche unsre Seele durchschauern sollte bei dem Gedanken an solche erstaunliche Seligkeit!
Und nun, indem ich alles zusammenfasse, will ich einige bekannte Dinge sagen über den Einfluss, welchen all dieses auf uns haben sollte.
Betreffs derjenigen, die uns voran gegangen sind, entnehmen wir aus diesem ganzen Text, dass sie nicht verloren sind. Wir wissen, wo sie sind. Und auch sie haben nichts verloren, denn sie sind, was sie waren, und mehr. Abraham hat noch alles an sich, was abrahamitisch ist; er ist noch Abraham. Und Isaak hat alles an sich, was zu Isaak wirklich gehört; und Jakob hat alles an sich, was ihn zu Gottes Ifrael macht. Diese frommen Männer haben nichts verloren, was wirklich zu ihrer Eigenart gehörte, nichts, was sie teuer machte vor den Augen des Herrn. Sie haben unendlich gewonnen; sie haben sich herrlich entwickelt. Sie warten aber noch, bis die Posaune der Auferstehung ertönt, und ihre Leiber mit ihren Seelen vereint werden, und dann werden sie vollständig und für alle Ewigkeit Abraham, Isaak und Jakob sein. Unsre Lieben sind uns keineswegs durch den Tod genommen: sie sind; sie sind sie selbst; und sie sind noch unser. Wie Abraham nicht verloren ist für Isaak, noch für Jakob, noch für Gott, noch für sich selber, so sind unsere Teuren keineswegs für uns verloren. Lasst uns nicht an sie denken, als wenn sie verloren wären. Ich weiß, eure Trauer geht an das Grab, um dort nach den Verstorbenen zu suchen. Ihr möchtet jenen Sargdeckel aufheben und jenes Leichentuch auseinanderschlagen. O, tut das nicht, tut das nicht! Er ist nicht hier; der wirkliche Mensch ist fort. Er mag für euch eine kleine Weile tot sein, aber er lebt für Gott. Ja, der Tote lebt, er lebt für Gott. Stellt euch nur vor, wenn die kurze Zeit vorüber ist, die fast vergangen ist, während ich davon spreche, dann werden eures Heilandes Engel ihre goldenen Posaunen blasen und bei dem willkommenen Ton werden die Gräber ihre Pforten öffnen und ihre Gefangenen frei lassen. „Dein Bruder soll auferstehen.“ Deshalb tröstet euch untereinander mit diesen Worten. Shaftesbury ist ebenso sehr Shaftesbury, wie er es je war, und noch mehr so. Wir haben uns von dem Grafen getrennt, aber der Heilige lebt: er ist durch jenen Vorhang in den nächsten Raum gegangen und dort ist er vor dem Herrn Zebaoth. Er ist aus dieser trüben, düstern Kammer in das helle, durchsichtige Licht gegangen, das vom Throne Gottes und des Lammes strahlt. Wir haben nicht zu trauern über das, was er ist oder wo er ist. Ebenso: eure teuren Eltern, und geliebten Kinder und auserwählten Freunde sie sind noch euer. Hierin ist viel Ursache zur Dankbarkeit. Legt ab euer Sacktuch und traget die Kleider der Hoffnung; hört auf mit Trauermelodien und nehmt die Posaune. Bringt nicht die teuren Leichname zum Kirchhof mit trübem Pomp und mit schwarzen Pferden, sondern bedeckt den Sarg mit lieblichen Blumen und schmückt die Pferde mit Sinnbildern der Hoffnung. Es ist der bessere Geburtstag des Heiligen, ja, sein wahrer Hochzeitstag. Ist es traurig, dass die Traurigkeit vorbei ist? Ist es schmerzlich, sich vom Schmerz zu trennen? Nein, wenn die Freude für unsern Freund beginnt, da, wo die Herrlichkeit wohnt in Immanuels Land, dann könnten wir eher im Mitgefühle ein neues Lied singen und unsere Harfen stimmen zu den Melodien der Verklärten.
Ich möchte euch auch daran erinnern, dass die Abgeschiedenen nicht Mitglieder einer andern Rasse geworden sind; sie sind nicht in eine andere Familie versetzt; sie sind immer noch unsere teuren Verwandten; ihre Namen sind in demselben Familienregister auf Erden und im Himmel. O nein, nein! Wähnt nicht, dass sie getrennt und verbannt sind; sie sind ins Heimatland gegangen: wir sind die Verbannten; sie sind es, die daheim sind. Wir sind auf dem Wege zum Vaterland; sie sind nicht so weit von uns entfernt, wie wir denken. Die Sünde war tätig, sie von uns zu trennen und uns von ihnen, während wir hier zusammen waren; aber nun die Sünde von ihnen hinweggenommen ist, ist ein trennendes Element fort. Wenn es auch von uns hinweggenommen ist, so werden wir einander näher sein, als wir es hätten sein können, so lange wir alle sündig waren. Lasst uns nicht an sie als weit von uns geschieden denken, denn wir sind eins in Christo.
Und sie sind nicht auf die andere Seite hinüber gegangen in der Schlacht. O, sprecht nicht von ihnen als tot und auf dem Schlachtfeld liegend; sie leben, sie leben und haben Mitgefühl für unsern göttlichen Kampf. Sie sind durch des Feindes Land hindurch gezogen; sie haben ihren Kampf gekämpft und ihr Erbe in Besitz genommen. Sie sind immer noch auf unserer Seite, obwohl wir sie in dem täglichen Dienst vermissen. Wenn ihr die Heere Gottes aufzählt, so müsst ihr nicht die Scharen vergessen, die den guten Kampf gekämpft, Glauben gehalten und ihren Lauf vollendet haben. Sie sind in den Heeren des Herrn, obgleich sie in diesem Augenblick nicht bis aufs Blut widerstehen. Die hundertundvierundvierzigtausend, die für den Herrn versiegelt sind, schließen in ihre Reihen alle ein, welche mit Gott sind, ob hier oder im Himmel. Die Kirche hienieden und die Kirche droben bildet nur eine einzige Familie, wenn auch jetzt getrennt durch den schmalen Strom des Todes. Unser geheiligtes Heer zieht vorwärts zum neuen Jerusalem. Einige der Legionen sind schon durch den trennenden Strom hindurch gegangen. Ich sehe sie auf der andern Seite emporsteigen! Das jenseitige Ufer des Flusses ist weiß von den hinaufsteigenden Scharen. Siehe! Ich höre das Spritzen des Wassers, wenn die Reihen, die vor uns sind, eine nach der andern in den kalten Strom hinabgehen; in tiefer Stille sehen wir sie durch die Wellen waten. Das Heer zieht immer weiter, immer weiter. Der gefürchtete Strom liegt eine kleine Strecke vor uns: es ist nur ein silberner Streifen. Wir sind jetzt an den Rand gekommen. Wir schaudern nicht bei dem Anblick. Wir folgen den gesegneten Fußstapfen unseres Herrn und seiner Erlösten. Wir bilden alle noch ein Heer; wir verlieren nicht unsre Krieger; sie steigen nur empor von dem langen Feldzug zu ihrem endlosen Lohn zur Rechten des Herrn.
Was nun? Nun, dann wollen wir ihre Arbeit aufnehmen. Wenn sie in das obere Zimmer gegangen sind, um zu ruhen, so wollen wir in diesem unteren Raum sie ersetzen. Das Werk, das sie taten, war so menschlich, dass wir es gerade da aufnehmen wollen, wo sie es ließen und ernstlich darin beharren. Sie sind in der Herrlichkeit, aber sie waren nicht verklärt, als sie hier waren. Das Werk, was sie taten, wurde getan von Menschen. mit solchen Schwachheiten wie die unsrigen; darum lasst uns nicht fürchten, weiter zu gehen, wo sie aufhörten und das Werk fortzusehen, an dem sie ihre Freude hatten. Dort liegt der Pflug in der Furche, und die Ochsen stehen still, denn Samgar, der Vorkämpfer, ist dahin. Will niemand den Pflug erfassen? Will niemand die Ochsen mit dem Stecken antreiben? Junger Mann, bist du müßig? Hier ist Arbeit für dich. Verbirgst du dich? Komme vorwärts, ich bitte dich im Namen des großen Herrn der Ernte, und lass die Felder bestellt und mit dem guten Samen besäet werden. Wer will die Fahne tragen, nun, da ein Bannerträger gefallen ist? Ich hoffe, irgendeine geweihte Stimme wird antworten: „Hier bin ich; sende mich.“
Denn, zuletzt noch, meine Brüder, wir können denselben Beistand erwarten, den die empfangen haben, die uns vorangegangen sind. Jehovah sagt, dass er der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs ist; aber er sagt auch: „Ich bin der Gott deines Vaters.“ Der Vater des Moses hatte den Herrn als seinen Gott. Dieser Gott ist der Gott meines Vaters, gelobt sei sein Name! Als ich den alten, jetzt sechsundsiebenzigjährigen Mann gestern bei der Hand nahm, konnte ich nicht anders, als mich freuen über alle Treue des Herrn gegen ihn und sein Haus. Er war auch der Gott von dem Vater meines Vaters; ich kann nicht vergessen, wie der ehrwürdige Mann seine Hände auf seinen Enkel legte und ihn segnete, und der Segen ist noch mit ihm. Ja, und er ist der Gott meiner Kinder und er soll der Gott meiner Kindeskinder sein; denn er hält seinen Bund Tausenden von denen, die ihn lieben. Deshalb fasst Mut, Männer und Brüder! Dieser Gott ist euer Gott. Er ist euer Gott und ihr seid sein Volk. Handelt als seine wahren Diener. Lebt wie diejenigen, welche auserwählt sind! Die Erwählten sollten die besten sein, nicht wahr? Die Erwählten sollten sich besonders vor allen andern auszeichnen durch ihren Wandel und ihren warmen Eifer für ihn, der sie erwählte. Wie ihr „aus den Toten“ auferstehen sollt, weil der Herr Jesus euch erkauft hat „aus den Menschen,“ so steht auf aus der toten und verdorbenen Masse dieser Welt und lebt für Gott durch Jesum Christum, euren Herrn. Was für Leute solltet ihr sein, die dem lebendigen Gott dienen? Da der lebendige Gott sich euch so wunderbar geoffenbart hat, solltet ihr da nicht für ihn leben, so sehr ihr nur könnt! Gott segne euch um Jesu willen. Amen.