Spurgeon, Charles Haddon - Ein Brunnen lebendigen Wassers - Seine eigene Leichenpredigt

Spurgeon, Charles Haddon - Ein Brunnen lebendigen Wassers - Seine eigene Leichenpredigt

1).

Gehalten am Sonntagabend den 19. Februar 1890. Bestimmt zum Lesen für Sonntag den 14. Februar 1892.

“Denn David, da er zu seiner Zeit gedient halte dem Willen Gottes, ist er entschlafen.“
Apostelgesch. 13, 36.

Denn David, nachdem er dem Geschlechte seiner Zeit gedient halte durch den Willen Gottes ist er entschlafen.“ (N. d. engl. Übs.)

Es ist merkwürdig, dass David im 16. Psalm sagt: „Du wirst meine Seele nicht in der Hölle lassen und nicht zugeben, dass dein Heiliger verwese“, und dass doch Paulus in seiner Predigt zu Antiochien von ihm sagt, „dass er die Verwesung gesehen hat.“ Der Schlüssel zu diesem scheinbaren Widerspruch ist die Tatsache, dass David nicht von sich selber, sondern von seinem Herrn sprach. Petrus führt in in seiner denkwürdigen Predigt am Pfingsttage die Worte des Psalmisten an, bezieht sie auf seinen auferstandenen Erlöser und bezeugt klar, dass David „von ihm“ spricht.

Es ist der Beachtung wert, dass Petrus und Paulus, beide denselben Schluss aus diesen Worten Davids ziehen. Diese zwei Apostel stimmten nicht immer überein; aber wie verschieden sie auch in andern Dingen sein mochten, waren sie doch Eines Sinnes in Betreff der Auferstehung Christi! Ich hoffe, was für Verschiedenheiten auch unter den wahren Predigern des Evangeliums sein mögen, werden sie doch immer eins sein in der Verkündigung der Auferstehung unseres Herrn. Dieser Eckstein des Evangeliums darf niemals verrückt oder verunehrt werden. Die gute Botschaft, mit deren Verkündigung wir beauftragt sind, ist dieselbe, welche Paulus empfing und verkündete, „dass Jesus gestorben sei für unsere Sünden, nach der Schrift; und dass er begraben sei und dass er auferstanden sei am dritten Tage, nach der Schrift.“ Voran unter den Schriftsprüchen, welche durch die Auferstehung Christi erfüllt sind, steht dieses Wort, das David, vom heiligen Geist erleuchtet, schon lange vor dem Ereignis schrieb: „Du wirst meine Seele nicht in der Hölle lassen und nicht zugeben, dass dein Heiliger verwese.“ Die Auferstehung Christi ist der Schlussstein unseres Glaubens. „Den aber Gott auferweckt hat, der hat die Verwesung nicht gesehen“, darum konnte Paulus seinen Hörern sagen: „So sei es euch nun kund, liebe Brüder, dass euch verkündigt wird Vergebung der Sünden durch diesen, und von dem allen, durch welches ihr nicht konntet im Gesetz Mosis gerecht werden.“

Der Schluss des Apostels ist folgender: David konnte nicht sich selbst gemeint haben, als er sprach: „Du wirst nicht zugeben, dass dein Heiliger die Verwesung sehe“; weil David starb und sein Leib begraben ward und die Verwesung sah. Er muss deshalb von Christo gesprochen haben, welcher in der Tat „Gottes Heiliger“ ist. Von ihm war das prophetische Wort wahr, denn Gott gab nicht zu, dass er die Verwesung sah. Er starb und ward in das Grab gelegt, aber er erstand wieder am dritten Tage. In jenem Klima war, während Christus im Grabe lag, Zeit genug für seinen Leib, zu verwesen. Die Spezereien, womit sie den teuren Leichnam begruben, hätten nicht genügt, die Verwesung zurückzuhalten; sie hätten geholfen, den unangenehmen Geruch der Verwesung zu verbergen, aber sie hätten dem Prozess der Auflösung keinen Einhalt tun können. Aber Christus erstand wieder, und keine Verwesung hatte seinen Leib berührt, denn dieser Leib war etwas Heiliges; er hatte keinen Fehler und keine Befleckung von Sünde, wie unsere Leiber. Erzeugt vom heiligen Geiste, war er etwas Reines; obwohl von der Jungfrau Maria geboren, war er doch mit der Gottheit vereinigt und nicht einmal im Tode von ihr getrennt; er sah keine Verwesung. Hier ist also des Apostels Beweisführung: David spricht nicht von sich selber, sondern von einem andern und sagt, dass der Herr nicht zugeben werde, dass er die Verwesung sehe; und dies spricht er durch den heiligen Geist von demselben Christus, den wir euch als den Anfänger und Vollender der Seligkeit predigen. Er lebt und regiert heute, König der Könige und Herr der Herren; wer an ihn glaubt, soll leben, ob er gleich stürbe, und ewiglich leben mit seinem auferstandenen, regierenden Erlöser.

Während Paulus in der Synagoge zu Antiochien in Pisidien sprach, gebrauchte er beiläufig die Worte unseres Textes: „Denn David, nachdem er dem Geschlechte seiner Zeit gedient hatte durch den Willen Gottes, ist er entschlafen.“ Dies soll heute mein Thema sein; ich will für jetzt den Hauptbeweis liegen lassen und nur auf diesen Wirbel in dem Strom sehen und eure Aufmerksamkeit auf den Ausdruck lenken, der von den Lippen Pauli betreffs David fiel. Lasst uns zuerst fragen: „Was heißt es, dem Geschlechte unserer Zeit dienen? Zweitens: Welchen Teilen unseres Geschlechts können wir dienen? Und zuletzt lasst uns mit liebevoller Erinnerung an viele, die von uns gegangen sind, fragen: Was wird uns geschehen, wenn unser Dienst getan ist? Eben das, was dem David geschah; wir werden gleich ihm „entschlafen.“

I.

Zuerst also, was heißt es, dem Geschlechte unserer Zeit dienen? Dies ist eine Frage, die uns alle sehr tief interessieren. sollte. Wir leben inmitten unseres Geschlechtes, und da wir ein Teil desselben sind, sollten wir ihm dienen, damit die Generation, in der unsere Kinder leben werden, besser werde als unsere eigene. Obwohl unser Bürgerrecht im Himmel ist, sollen wir doch, so lange wir auf Erden leben, suchen, dem Geschlechte unserer Zeit zu dienen, während wir als Pilger zu dem besseren Lande wallen.

Was heißt es denn, dem Geschlechte seiner Zeit dienen? Ich bemerke zuerst, dass es nicht heißt, ein Sklave desselben sein. Es heißt nicht, die Gewohnheiten, Sitten und Ideen des Geschlechtes, unter dem wir leben, annehmen. Die Leute reden heutzutage vom „Zeitgeist“, ein von Deutschland herübergekommener Ausdruck, vor dem niemand zu erschrecken braucht; eine der Zeitungen sagt: „Spurgeon weiß nicht, ob es ein solches Ding gibt oder nicht.“ Nun, ob er etwas von „dem Zeitgeist“ weiß oder nicht, er soll nicht seinen Geschlechte dienen, indem er irgendwelchen Begriffen oder Ideen desselben nachgibt, die dem Worte Gottes entgegen sind. Das Evangelium Jesu Christi ist nicht nur für eine Generation, es ist für alle Generationen. Es ist „der Glaube, der nur ein für alle Mal den Gläubigen überliefert“ (Judä V. 3) zu werden brauchte; es wurde stereotypiert2) gegeben, so wie es allezeit sein soll. Es kann sich nicht ändern, weil es von Gott gegeben, und deshalb vollkommen ist; es ändern, hieße es unvollkommen machen. Es kann sich nicht ändern, weil es von Gott gegeben und deshalb wahr ist, die Wahrheit ändert sich nicht. Es kann sich nicht ändern, weil es gegeben ist, um für immer demselben Zweck zu entsprechen, nämlich, Sünder zu retten, dass sie nicht hinab in den Höllengrund sinken, und sie tauglich zu machen, zum Himmel zu gehen. Der Mann dient seiner Generation am besten, der sich nicht von jeder neuen Strömung der Meinungen fortreißen lässt, sondern fest bei der Wahrheit Gottes steht, die ein massiver, unbeweglicher Felsen ist. Aber unserem Geschlechte in dem Sinne dienen, dass man ein Sklave, ein Vasall, ein Leibdiener desselben ist - lasst die, welche Lust haben, in solche Knechtschaft und Sklaverei gehen, wenn sie wollen. Wisst ihr, was eine solche Handlungsweise mit sich bringt? Wenn irgendein junger Mann hier beginnt, die Lehre und die Gedanken des Zeitalters zu predigen, so wird er innerhalb der nächsten zehn Jahre, vielleicht innerhalb der nächsten zehn Monate, seine Worte zurücknehmen müssen und all seine Arbeit aufs neue beginnen. Wenn er in die neue Manier hineingeraten ist und der gegenwärtigen Welt zu dienen beginnt, so wird er binnen kurzem aufs neue zu widerrufen haben, denn dieses Zeitalter, gleich jedem andern, lernet immerdar und kann nimmer zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“ Aber wenn du mit Gottes Wort beginnst und Gott den heiligen Geist bittest, es dir zu offenbaren, bis du es wirklich kennst, dann wird, wenn du auch für die nächsten fünfzig Jahre hindurch lehren solltest, dein Zeugnis am Schlusse nicht deinem Zeugnis am Anfang widersprechen. Du wirst reifer an Erfahrung werden; du wirst in deinem Verständnis der Wahrheit zunehmen; du wirst klarer in deiner. Verkündigung werden, aber es wird die ganze Zeit über dieselbe Wahrheit sein. Ist es nicht ein Großes, vom Anfang des Lebens bis zu seinem Ende dasselbe Evangelium aufzubauen? Aber Meinungen aufstellen und sie dann wieder umwerfen, als wenn es Kegel wären, ist ein armseliges Geschäft für einen Diener Christi. David diente nicht in dieser Weise seinem Geschlecht; er war der Meister seines Zeitalters und nicht der Sklave desselben. Ich möchte jeden Christen hier anspornen, sich zu seiner wahren Würde zu erheben und ein Segen für die zu sein, unter denen er lebt, wie David es war. „Christus hat uns zu Königen und Priestern gemacht vor Gott und seinem Vater“; es geziemt sich nicht, dass wir vor dem Geist der Zeit kriechen oder den Staub lecken, auf den es „fortgeschrittenen Denkern“ beliebt hat, zu treten. Geliebte, achtet hierauf und lernt den Unterschied, der darin besteht, ob ihr eurem Geschlechte dient oder Sklaven desselben seid.

Ferner möchte ich sagen, indem ich suche die Frage zu beantworten: Was heißt es, dem Geschlechte unserer Zeit dienen? Es heißt nicht, davor fliehen. Wenn jemand sagt: „Die Welt ist so schlecht, dass ichs vermeiden will, überhaupt mit ihr in Berührung zu kommen; selbst die Lehre des Christentums ist so abgeschwächt worden und so völlig auf dem abschüssigen Wege, dass ich nichts damit zu tun haben will“, so dient er sicherlich nicht seinem Geschlecht. Wenn er sich wie ein Einsiedler in seiner Höhle einschließt und die Welt ins Verderben gehen lässt, wie sie will, so ist er nicht wie David, denn der diente dem Geschlechte seiner Zeit, ehe er entschlief. Die, welche Nonne wird und der, welcher in ein Kloster eintritt, sind gleich Soldaten, die davonlaufen und sich unters Gepäck verstecken. Du musst nichts derart tun. Komm vorwärts und bekämpfe das Böse und triumphiere darüber, ob es böse Lehre ist oder böses Tun oder irgendein anderes Böse. Sei kühn für Christum; lege dein Zeugnis ab und schäme dich nicht. Wenn du dich nicht auf diesen Standpunkt stellst, so kann es nie mit Wahrheit von dir gesagt werden, dass du deinem Geschlechte dientest. Stattdessen wird die Wahrheit sein, dass du deinem Geschlechte verstattetest, einen Feigling aus dir zu machen oder dir einen Maulkorb anzulegen wie einem Hunde und dich auf die Gassen zu senden, um weder zu bellen noch zu beißen noch irgendetwas zu tun, wodurch du beweisen könntest, dass eine Seele in dir ist.

Wenn wir wiederum fragen: Was heißt es, unserem Geschlechte dienen? so antworte ich, es heißt die gewöhnlichen Pflichten. des Lebens erfüllen, wie David es tat. David war der Sohn eines Landmanns, eines Schäfereibesitzers, und er ließ sich zu allererst das Hüten der Schafe angelegen sein. Viele junge Männer lieben es nicht, die gewöhnliche Arbeit im Geschäft ihres eigenen Vaters zu tun. Du willst nicht Knechtsarbeit tun, sagst du, du willst ein König sein. Nun, es gibt nicht viele offene Stellen in diesem Geschäftszweige; und ich würde niemanden empfehlen, danach zu streben, wenn welche da wären. „Du begehrest dir große Dinge, begehre es nicht.“ Ehe David das Zepter schwang, ergriff er den Hirtenstab. Wer zu Hause gewöhnliche Pflichten nicht übernehmen kann oder will, wird wahrscheinlich seinem Zeitalter nicht dienen. Das Mädchen, das von einem Missionsfeld in fernen Ländern träumt, aber ihres Bruders Strümpfe nicht stopfen kann, wird weder daheim noch draußen von Nutzen sein. Tue die alltäglichen Dinge, die gewöhnlichen Dinge, die dir zu Händen kommen, so wirst du beginnen, deinem Geschlechte zu dienen, wie David dem seinigen diente.

Aber unserer Generation dienen bedeutet mehr, als dieses. Es heißt bereit sein für die Gelegenheit, wenn sie kommt. Mitten in der Routine des täglichen Lebens sollten wir uns durch Fleiß in unserer Pflicht auf alles vorbereiten, wozu sich uns später Gelegenheit anbieten mag und geduldig warten, bis sie kommt. Seht auf Davids Gelegenheit, berühmt zu werden. Er suchte sie nie. Er ging nicht auf und ab unter seinen Schafen seufzend und schreiend: „O, dass ich hinwegkommen könnte von dem langweiligen Geschäft, nach diesen Herden zu sehen! Meine Brüder sind ins Feld gezogen; sie werden als Krieger ihr Glück machen; aber hier bin ich unter diesen Felsen begraben, um nach diesen armen Tieren zu sehen.“ Er war zu weise dazu, er wartete ruhig Gottes Zeit ab. Es ist immer weise, das zu tun. Wenn du Gott dienen sollst, warte bis er dich zu seinem Werke ruft; er weiß dich zu finden, wenn er dich braucht; du hast nicht nötig, dich seiner Allwissenheit anzukündigen. Endlich kam die festgesetzte Zeit für David. Eines Tages befahl ihm sein Vater, zu seinen Brüdern zu gehen und ihnen etwas Korn und einige Brote zu bringen mit Käsen für ihren Hauptmann; und er erreichte das Lager gerade zu der Zeit, wo der Riese Goliath hervortrat und dem ganzen Heere Israel Hohn sprach. Nun ist Davids Zeit, und der junge Mann ist bereit dafür. Wenn er diese Gelegenheit verloren hätte, wäre er vielleicht sein ganzes Leben lang Schafhirte geblieben. Er erzählt Saul, wie er beide, den Löwen und den Bären, geschlagen und sagt im Voraus, dass dieser unbeschnittene Philister gleich sein soll wie deren einer, da er den Zeug des lebendigen Gottes geschändet hat. Sauls Rüstung verschmähend nimmt er seine Schleuder und seine fünf glatten Steine aus dem Bache, und bald kommt er zurück mit dem blutigen Haupt des Riesen in seiner Hand. Wenn du der Kirche dienen willst und deiner Zeit dienen willst, geliebter Freund, so habe Augen und Ohren offen, wenn die Gelegenheit kommt. Spring in den Sattel, wenn das Pferd vor deiner Tür ist; und Gott wird dich segnen, wenn du nach Gelegenheiten ausblickst, ihm zu dienen.

Was heißt es ferner, unserem Geschlechte dienen? Es heißt die wahre Religion aufrechthalten. Dies tat David. Er beging schwere Fehler in seinem späteren Leben, die wir nicht verkleinern wollen; aber er wich nie von seiner Treue gegen Jehovah, den wahren Gott. Kein Wort und keine Tat von ihm hat je den Götzendienst gutgeheißen oder das Aufgeben der Verehrung Jehovahs, des Gottes Israels. Er legte ein gutes Zeugnis ab für seinen Herrn. Er sprach: „Ich rede von deinen Zeugnissen vor Königen und schäme mich nicht“; und wir können gewiss sein, dass er sein Wort hielt, und wenn er mit fremden Herrschern zusammenkam, den lebendigen Gott vor ihnen verteidigte. Der ganze Lauf und die Strömung seines Lebens, mit Ausnahme seines schrecklichen Falles, war zur Ehre des Gottes, dem er vertraute und zum Preise des Gottes, der ihn erlöst hatte. Auch wir werden denen, unter welchen wir leben, wahrhaft dienen durch Aufrechterhaltung wahrer Religion. Wären zehn Gerechte in Sodom gefunden, so wäre es verschont worden, und die Welt entgeht heutzutage dem gerechten Gerichte Gottes nur, weil noch Solche in ihr sind, welche Gott fürchten und vor seinem Worte zittern. Die Verbreitung „reiner und unbefleckter“ Religion ist ein sicherer Weg, unserer Umgebung zu dienen. Um der wahren Religion zu helfen, schrieb David viele Psalmen, die im ganzen Lande Israels gesungen wurden. Eine wundervolle Sammlung von Gedichten sind sie; es ist ihnen keine unter dem Himmel gleich. Nicht einmal ein Milton mit all seinem mächtigen Fluge kann David gleich kommen in der Höhe seiner Anbetung Gottes und in der Tiefe seiner Erfahrung. Derjenige tut seiner Zeit keinen geringen Dienst, der dem Volke neue Lieder gibt, die es seinem Gotte singen kann. Wenn auch niemand die von Gott eingegebenen Psalmen des hebräischen Königs zu erreichen vermag, die auf immer die köstlichsten Lobgesänge der Kirche bleiben müssen, so mögen doch andere in geringerem Grade durch den Willen Gottes ihrem Geschlechte in ähnlicher Weise dienen und in solchem Tun gesegnet sein.

Dem Geschlechte unserer Zeit dienen ist nicht eine einzige Handlung, auf einmal getan und dann auf immer vorüber; es heißt, unser ganzes Leben fortfahren zu dienen. Beachtet wohl, dass David „dem Geschlechte seiner Zeit“ diente; nicht nur einem Teil desselben, sondern dem Ganzen. Er begann Gott zu dienen, und er fuhr fort Gott zu dienen. Wie viele junge Männer habe ich gesehen, die wunderbare Dinge tun wollten! Ah! sie waren so stolz auf die Absicht, als wenn sie schon die Tat vollbracht hätten. Sie setzten sich vorne an und schienen zu meinen, dass jedermann sie bewundern sollte wegen dessen, was sie tun wollten; aber sie waren so vergnügt über den Plan, dass sie ihn nie ausführten. Sie dachten, es könnte sich irgendein Unfall ereignen, wenn sie wirklich versuchten, die Sache zu tun, und der Plan war so schön, dass sie ihn unter einer Glaskugel verwahrten, und da ist er noch. Nichts ist vollendet; nichts ist getan, obwohl an vieles gedacht ist. Dies ist Torheit. Andere beginnen gut und dienen Gott ernstlich eine Zeitlang, aber plötzlich stockt ihr Dienst. Man kann nicht recht sagen, wie es geschieht, aber wir hören nie wieder von ihnen. Die Menschen, soweit ich sie kenne, gleichen sehr den Pferden. Du schaffst ein Pferd an und denkst: Dies ist ein ganz treffliches Tier, und das ist es auch. Es geht sehr gut eine Zeitlang, aber plötzlich wird es lahm und du musst ein anderes haben. So ist es mit Gemeindegliedern. Ich bemerke, dass sie je dann und wann an sonderbarer Lahmheit leiden. Sehr vielen haben wir zu sagen, was Paulus den Galatern sagte: „Ihr lieft fein. Wer hat euch aufgehalten, der Wahrheit nicht zu gehorchen?“ Aber David diente Gott beständig bis zum Ende seines Lebens. Mögen wir alle durch die göttliche Gnade auch so unserem ganzen Geschlechte dienen!

Dieses „unserem Geschlechte treu dienen“ schließt jedoch noch mehr ein. Es ist auch ein Vorbereiten für die, welche nach uns kommen. David diente seinem Geschlecht bis zu seinem Ende, indem er für das nächste Geschlecht sorgte. Es war ihm nicht gestattet, den Tempel zu bauen; aber er legte eine große Menge Gold und Silber zurück, um seinen Sohn Salomo in Stand zu setzen, seine gute Absicht auszuführen und ein Haus für Gott zu bauen. Dies ist wirklicher Dienst; in früher Jugend anfangen, Gott zu dienen; damit fortfahren, bis das Greisenalter kommt; und selbst dann zu. sagen: „Ich kann nicht erwarten, dem Herrn viel länger zu dienen, aber ich will so viel ich kann, den Weg vorbereiten für die, welche nach mir kommen.“ Vor vielen Jahren pflegte Dr. Rippon, der früher Prediger an dieser Gemeinde war, von seinem Nachfolger zu prophezeien. Als er sehr alt war, nachdem er mehr als sechzig Jahre Pastor gewesen, hatte er, wie manche noch Lebende sich dessen erinnern, die Gewohnheit, für den Prediger zu beten, der nach ihm käme. Der alte Mann sah aus nach einem, der kommen sollte und das Werk fortführen, wenn er gezwungen sein würde, es zu verlassen. Das müssen wir und ich auch tun. Wir müssen vorwärtsblicken, so viel wir nur können, nicht mit ungläubiger Angst oder unheiliger Neugierde, sondern in der Art, wie David vor seinem Tode Vorbereitungen traf. Wenn wir nicht einen Nachfolger finden können, der unsern Dienst übernimmt, wenn wir denselben aufzugeben haben, so lasst uns doch alles tun, was wir können, sein Werk leichter zu machen, wenn er an dasselbe geht.

II.

Lasst uns zweitens eine Frage tun, die noch praktischer ist, als die erste: Welchen Teilen des Geschlechtes unserer Zeit können wir dienen? Es steht mit Wahrheit geschrieben: „Unser keiner lebt ihm selber“; wir sind entweder hilfreich oder hinderlich für unsere Umgebung. Lasst uns dahin sehen, dass wir unserer Zeit dienen und eher Schrittsteine als Steine des Anstoßes für die werden, die um uns her sind. Wir werden unserem Geschlechte am besten dienen, wenn wir ein bestimmtes Ziel haben. Bei den Versuchen, alle zu erreichen, mögen wir vielleicht keinem helfen. Der weise Mann sucht, jemandem im Besonderen zu dienen: auf wen sollten wir denn unsere Bemühungen richten? Beim Beantworten dieser Frage teile ich das Geschlecht, in welchem wir leben, in drei Teile.

Zuerst ist da der Teil, der niedergeht. Einige gleichen der Sonne, die im Westen untersinkt; sie werden bald gegangen sein. Dient ihnen, liebe Brüder. Ihr, die ihr in Kraft und Gesundheit seid, tröstet sie, stärkt sie und helft ihnen, so viel ihr könnt. Seid eine Freude für jenen lieben, alten Mann, der euch selbst über die verstatteten siebzig Jahre hinaus erhalten ist, und preist Gott für die Gnade, die ihn in seiner langen Pilgerschaft aufrechterhalten hat. Blickt auf seine grauen Haare als auf eine Krone der Ehren; macht sein Hinabgehen in das Grab so leicht wie ihr könnt. Er war einst so jung wie ihr seid; er hatte einst die Kraft, die ihr habt. Tröstet ihn, heitert ihn auf, erzeigt ihm die Ehrfurcht, die seinen vielen Jahren gebührt. Lasst ihn nicht fühlen, dass ihr ihn als einen betrachtet, der sich überlebt hat und nur noch auf dem Schauplatz zögert; sondern lernt von seiner Erfahrung, ahmt seine Ausdauer nach und bittet Gott, in eurem Alter mit euch zu sein wie er mit ihm ist.

Der zweite Teil unseres Geschlechtes, dem wir dienen können, ist der Teil, welcher scheint. Ich meine, die im mittleren Alter, die gleich der Sonne in ihrer Mittagshöhe sind. Sie arbeiten schwer, tragen die Last und die Hitze des Tages; noch sind ihre Knochen voll Mark und sie sind starke Männer, bereit zum Dienst für den Herrn. Sucht in jeder nur möglichen Art ihre Hände aufrecht zu halten. Helft ihnen so viel ihr könnt. Als einer von denen in mittleren Jahren bitte ich besonders um die Hilfe aller meiner christlichen Brüder, Mitglieder dieser Gemeinde oder anderer Gemeinden, die mir durch ihre Teilnahme und ihre Gebete helfen. können. Rückt näher zusammen und füllt die leeren Plätze aus, die des Todes Pfeile beständig in unsern Reihen machen. Lasst nichts ungetan bleiben, was das Werk Christi fördern oder den Menschen um euch her, die so schnell dahingehen, helfen kann. Viele von uns sind beinahe vierzig Jahre zusammen gewesen, und wenn, einer nach dem andern, unsere lieben Brüder hinweggenommen werden, so möge es das Streben eines jeden sein, das zu ersetzen, was durch ihr Hinscheiden fehlt. Das ist es, was denen gebührt, die gleich dem scheinenden Teil in unserem Geschlecht sind.

Besonders möchte ich mit euch reden über das Dienen in dem Teile des Geschlechtes, der aufgeht. Ich meine die Jugend, die der Sonne im Osten gleicht, noch kaum über dem Horizont. Dieser Teil unsers Geschlechts fällt besonders der Sorge der Eltern und Sonntagsschullehrer anheim; aber lasst uns diesen ihn nicht ganz überlassen. Die meisten von uns können etwas tun, diesem Teil unserer Generation zu dienen, ehe wir entschlafen. Geliebte, ich empfehle eurer Sorgfalt und Aufmerksamkeit die Kinder und jungen Leute, deren so viele in unserer Mitte sind. In ihnen liegt die Hoffnung für die Zukunft der Sache Gottes auf Erden.

Zuerst sind sie am leichtesten zu erreichen. Glücklicherweise können wir an die Kinder kommen. Die große Masse der Leute in London geht jetzt in kein Gotteshaus; die alte Gewohnheit, Kirche oder Kapelle zu besuchen, scheint aufgegeben; aber die Leute lassen immer noch die Kinder zur Sonntagsschule gehen, selbst wenn es aus keinem besseren Grund ist als dem, dass sie am Nachmittage aus dem Wege sind, oder dass das Haus ohne sie stille ist. Jedenfalls wenn man irgendwo in London eine Schule eröffnet, so kann man sie schnell voll Kinder bekommen. Wenn ihr die eine Sache nicht tun könnt, so tut die andere. Wenn ihr die Väter und Mütter nicht zu erreichen vermögt, obwohl ihr ernstlich suchen solltet, an sie zu kommen, so tragt doch Sorge, dass ihr, falls ihr die Kinder erreichen könnt, keine Gelegenheit verliert, sie die göttlichen Dinge zu lehren. Dies ist die Arbeit, die euch am nächsten liegt; sucht sie auszuführen; „alles, was dir vorhanden kommt zu tun, das tue frisch.“

Überdies sind Kinder am empfänglichsten. Was können wir mit einem Manne tun, der in Sünden verhärtet ist? Die Gnade Gottes kann ihn erreichen, ich weiß es; aber die Kinder kennen noch nicht diese bösen Wege; sie sind voll Abscheu, wenn sie davon hören. Lehret sie. So lange der Ton noch weich ist, formt ihn für Gott. Möge der Herr selbst euch helfen, liebe Sonntagsschullehrer, und andere, die unter den Kindern arbeiten, euer Werk gut zu tun! Trefflich dient ihr eurem eigenen Geschlecht und dem künftigen.

Die Errettung der Kinder sollte mit doppeltem Fleiße gesucht werden, denn sie werden am längsten hier bleiben. Wenn ein Mann von sechzig oder siebzig Jahren bekehrt wird, so hat er nur kurze Zeit, um Gott hier zu dienen; denn er wird bald nicht mehr sein. Wenn ein Kind bekehrt wird, so mag ein langes Leben voll nützlichen Wirkens die Kirche Gottes bereichern. Seht darum nach den Kindern. Wenn ihr in einer Versammlung von christlichen Männern und Frauen wärt und ihnen die Frage vorlegtet: „Wie viele von euch wurden bekehrt, ehe sie einundzwanzig waren?“ so würdet ihr sehr überrascht sein, zu finden, dass wahrscheinlich fünf von sechs antworten würden, dass sie in jungen Jahren dahin geleitet seien, die Gnade Gottes zu erkennen und Christo als ihrem Heilande zu vertrauen. Ich versuchte dies Experiment eines Abends mit einer Anzahl von Freunden, die aus verschiedenen Orten zusammengekommen waren. „Wie viele von euch danken ihre Errettung den Gebeten eures Vaters, dem Unterricht eurer Mutter oder dem Einfluss eures Sonntagsschullehrers in der Jugend?“ fragte ich; und fast jeder in einer Gesellschaft von ungefähr fünfundzwanzig sagte, in früher Jugend hätte Gott irgendein Werkzeug zu seiner Bekehrung gesegnet.

Gedenkt auch daran, dass aus denen, welche als Kinder bekehrt werden, gewöhnlich die besten Heiligen werden. Diese eben erwähnten, welche die Antwort gaben, dass sie in der Jugend bekehrt seien, waren Prediger des Evangeliums. Ich weiß nicht, ob dieselbe Regel von gewöhnlichen Christen gilt; aber diejenigen, welche Führer der Menschen geworden, hatten fast alle sich Christo schon in der Jugend hingegeben. Unsere Gedanken sind notwendigerweise zu dieser Zeit sehr mit unserm lieben Freunde, William Olney beschäftigt, der zu unserm unaussprechlichen Schmerze so plötzlich von uns hinweggenommen ist. Er war ebenso eifrig als Jüngling wie er es war, da er ein alter Mann wurde. In der Tat, ich weiß keinen Augenblick, wo er nicht eifrig war; ich kannte ihn nie trübe oder niedergeschlagen, er schien immer fröhlich und heiter. Er konnte mich zuweilen fast erschrecken durch sein Jubeln mitten im Schmerz; denn, wenn er furchtbar litt und nur kurze Zeit in seinem Stuhle hier sitzen konnte, war doch nie irgendeine Niedergeschlagenheit bei ihm zu spüren. Er war ebenso froh und glücklich, als wenn er vollkommen gesund gewesen wäre. Ich wünsche, es wäre so mit uns allen. Junge Christen werden die besten Christen. Frühe Frömmigkeit ist gewöhnlich ausgezeichnete Frömmigkeit; darum sucht die Kinder zu gewinnen, solange sie jung sind, und sie für den Herrn zu erziehen, denn sie werden bereit sein, ihrem Geschlechte zu dienen, wenn die Reihe an sie kommt. Wir sollten auch nach den Kindern sehen, weil sie besonders von Christo genannt werden. Er sprach: „Weide meine Schafe“; aber er sprach auch: Weide meine Lämmer.“ Ich wäre fast geneigt zu sagen, dass der Herr dieselbe Einteilung bei der Generation machte, wie ich es getan. Als er das erste Mal sprach „Weide meine Schafe“, mag er die alten Schafe gemeint haben. Als er zum zweiten Mal sprach Weide meine Schafe“, mag er besonders die in mittleren Jahren im Sinne gehabt haben. Es ist keinem Zweifel unterworfen, dass er, als er sprach Weide meine Lämmer“, die Jugend meinte. Christus gab den Lämmern einen besonderen Platz „Weide meine Lämmer.“ Ich wünschte, die Christen erwögen es ernstlicher, wie die Kirche nach den Kindern zu sehen hätte. Ich las neulich von einem Knaben, der Mitglied einer christlichen Gemeinde zu werden wünschte. Sein Vater sagte, er sei zu jung und hielt ihn zurück. Er war indes groß genug, um eines Abends hingeschickt zu werden, die Schafe einzupferchen. Als er wieder kam, fragte der Vater: „Jakob, hast du die Schafe eingepfercht?“ „Ja“, sagte er, ich habe alle Schafe eingepfercht“, indem er großen Nachdruck auf das vorletzte Wort legte. Und hast du die Lämmer hineingebracht?“ fragte der Vater. „Nein“, erwiderte er, ich ließ die Lämmer draußen, „die waren zu jung, um hineingebracht zu werden.“ „Knabe“, sagte der Vater, du weißt doch mehr als ich; sie waren grade die, welche es am meisten bedürften, eingepfercht zu werden. Du magst hingehen und mit dem Pastoren über Aufnahme in die Gemeinde sprechen, wann du willst.“ Wenn einige Gläubige es besonders nötig haben, in die Gemeinde3) aufgenommen zu werden, so sind es die, welche in ihrer Jugend zu Jesu gekommen sind. Ich bitte euch, dient eurem Geschlechte, indem ihr Kindern und jungen Leuten eure liebevolle Aufmerksamkeit und Sorgfalt zuwendet.

Seht ferner nach den Kindern dieser Generation, denn der Gefahren, welche sie in der jetzigen Zeit umgeben, sind fast unzählige. Was für eine Zeit ist es für Knaben! Man kann nicht die Tagesblätter lesen, ohne zu erschrecken über das Unrecht, das von solchen, die noch im Knabenalter stehen, begangen wird. Dies ist eine Zeit. die absichtlich Schlingen zu verfertigen scheint, um sie zu fangen. Es gibt schlechte Bücher genug, die ganze Generation zu vergiften; sie sind voller Geschichten von Verbrechen, die mit einem falschen Glorienscheine umgeben sind, so dass sie wie Heldenmut aussehen, Diese schändlichen Geschichten sind überall; vielleicht hat dein eigener Sohn eine und liest sie, während du hier sitzt. Überall sind Fallen gestellt für die Füße unserer Knaben. Dient eurem Geschlechte dadurch, dass ihr sie vor der Gefahr warnt und versucht sie frei von den Übeln zu halten, von denen sie umringt sind. Satan gewinnt die Oberhand über manches junge Leben, indem er sogar gute Dinge zu etwas Schlechtem gebrauchen lässt; auf alle Art stellt er Fallen für junge Leute. O, Eltern und Lehrer, versucht es, euren Knaben einen Rückgrat von Rechtlichkeit zu geben! Versucht es ihnen zu zeigen, dass sie nicht in diese Welt gekommen sind, bloß, um sich selber zu vergnügen, dass es etwas Besseres zu tun gibt als dies. Ruht nicht, bis ihr sie zum Heiland gebracht habt, denn kein Knabe ist sicher, bis er bekehrt ist. Kein Mädchen ist sicher auf den Gassen dieser Stadt, bis sie ein neues Herz und einen rechten Geist hat. Die Zeiten sind gefährlich; doch wenn wir ein Wort der Warnung sprechen, so werden wir sauertöpfische Puritaner genannt. Es macht mich immer lachen, wenn ich ein sauertöpfischer Puritaner genannt werde, denn ihr wisst, es gibt niemand, der ein schärferes Auge für Scherzhaftes oder eine tiefere Ader für Fröhlichkeit hat, als ich es habe. Zu gleicher Zeit aber wünsche ich Humor und alle Heiterkeit und Fröhlichkeit im Leben Gott geweiht zu sehen. Denn wenn die Fröhlichkeit zu einem Brett gemacht wird, auf dem ein Mensch in Sünde und Missetat hineingehen kann, so wollen wir dieses Brett in Stücke sägen. Ihr müsst von der Sünde errettet werden, junge Männer; ihr müsst vorm Bösen bewahrt bleiben, junge Mädchen, wenn ihr wahrhaft glücklich sein sollt. Möge Gottes Gnade euch weise und gottesfürchtige Freunde, Eltern und Lehrer geben, die ihrem Geschlechte dienen, indem sie euch auf die Pfade des Friedens führen!

III.

Nun bin ich fertig, wenn ich ein paar Minuten lang versucht habe, die Frage zu beantworten: Was wird geschehen, wenn unser Dienst getan ist? „David, nachdem er dem Geschlechte seiner Zeit gedient hatte durch den Willen Gottes, ist er entschlafen.“ Das. Tagewerk ist getan; der Arbeiter ist müde; er entschläft: was kann er Besseres tun? Es war alles durch den Willen Gottes.“ Wir können diesen Ausdruck auf beide Teile des Satzes anwenden: David diente seinem Geschlechte durch den Willen Gottes und auch: David entschlief durch den Willen Gottes. Geführt durch den Willen Gottes tat er sein Werk; und ruhig ergeben dem Willen Gottes bereitete er sich vor zu sterben. Selbst im Verscheiden diente er seinem Geschlecht, indem er Salomo einige letzte Aufträge in Betreff des Königreiches gab und sprach: „Ich gehe hin den Weg aller Welt; so sei getrost und sei ein Mann.“ Über beides, sein Leben und seinen Tod, können die Worte geschrieben werden „Durch den Willen Gottes.“ O, dass wir alle so leben möchten, dass wir selbst im Tode noch unserm Geschlecht dienten; möge es wahr von uns sein: „Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum, wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn!“

So wird der Wille Gottes getan werden, beides, in unserm Dienst und in unserm Schlaf.

David ist ein Beispiel von dem, was diejenigen, welche Christum kennen, am Ende ihres Dienstes erfahren werden. Er entschlief nicht, bis sein Werk getan war. Wünscht nicht zu sterben, ehe ihr euer Werk getan habt. Wenn Brüder sagen: „O, ich wünschte, ich könnte zum Himmel gehen! O, wann werde ich heimkommen?“ so erinnern sie mich an einen Mann, der wenn er am Montag seine Arbeit beginnt, sagt: „Ich wünsche, es wäre Samstagabend.“ Wir wollen keine solchen Diener, und Gott auch nicht. Seid willig, zweihundert und fünfzig Jahr zu leben, wenn Gott es will. Seid willig zu leben, bis eure Kraft schwindet, wenn Gott es will; ihr könnt immer noch im Sterben euer Zeugnis von des Herrn treuer und unveränderlicher Liebe ablegen. Habt keine Eile, zum Himmel zu gehen. Wünscht nicht zu entschlafen, bis auch ihr eurem Geschlechte gut gedient habt. Als David seinem Geschlecht gedient hatte, entschlief er. Es wird uns gesagt, dass in den ersten Tagen des Christentums, wenn Gläubige in Jesu entschliefen, ihre Freunde ihnen nicht „Lebewohl“, sondern „Gute Nacht“ sagten. So sagen auch wir:

„Hab' gute Nacht,
Der Tag war schwül
Im Erdgewühl;
Hab' gute Nacht!
Die Nacht ist kühl.“

Aber ferner, wird uns gesagt, als sein Werk getan war, entschlief er. Schlief seine Seele? Keineswegs. Es ist nicht seine Seele, von der hier die Rede ist, denn wir lesen, dass er „die Verwesung gesehen hat.“ Seelen sehen nicht die Verwesung. Paulus spricht von dem Leibe Davids: „Er ist entschlafen und zu seinen Vätern getan und hat die Verwesung gesehen.“ Sein Leib fiel in den letzten, langen Schlaf und sah die Verwesung. Wenn ihr die Worte in einem weiteren Sinne nehmen wollt, er schlief, soweit es die Welt betraf; er war fertig damit. Kein Schmerz war für ihn mehr, keine irdische Freude, kein Lärm der zänkischen Zungen, kein Anlegen des Harnisches für den Krieg. „Er entschlief.“ Er hatte nichts zu tun mit irgendetwas, das unter der Sonne war. Und so ist es mit unserm lieben Freunde, den wir heute an seinem Platz vermissen, und so wird es bald mit euch und mit mir sein. Es ist nicht viel hier, was es der Mühe wert macht, zu bleiben; und wenn unser Werk geendigt ist, werden wir wie David entschlafen. Wir werden dann schlafen für alle Verschlimmerung des Zeitalters, allen Streit der Menschen und alles andere, was uns Traurigkeit des Herzens verursacht.

Bedeutet dies Wort ferner, dass sein Sterben gleich einem Einschlafen war? Es ist gewöhnlich so mit Gottes Kindern. Einige sterben mit einem großen Maße von Schmerzen; aber in der Regel, wenn die Gläubigen hinüber gehen, schließen sie nur eben die Augen auf der Erde und öffnen sie im Himmel. Ich habe unendlich viel mehr Freude gehabt an Sterbebetten, als bei Hochzeiten. Ich bin bei vielen Hochzeitsfesten gewesen, die Pflicht hat mich dahin gerufen; aber ich kann bestätigen, was Salomo sagt: „Es ist besser in das Klaghaus gehen, denn in das Trinkhaus; in jenem ist das Ende aller Menschen, und der Lebendige nimmt es zu Herzen.“ Ich bin mir nicht bewusst, dass ich etwas bei der Hochzeit gewonnen habe, aber ich habe viel am Sterbebett gewonnen, wenn ich die Freude, den Frieden und das Entzücken von Jungfrauen und Jünglingen, Männern und Frauen gesehen, die freudig hinübergingen, um allezeit bei dem Herrn zu sein. Ich habe einige von unsrer Zahl hier gekannt, die zu schüchtern und schwerfällig waren, viel für Christum zu sagen, als sie gesund waren; aber wenn ich hinging, sie sterben zu sehen, so war nicht die mindeste Schüchternheit in ihnen. Sie sprachen so kühn sich aus, dass ich zu ihnen sagte: „Wenn Sie besser werden, müssen Sie eines Sonntags für mich predigen“; sie lächelten und antworteten, sie würden nie besser werden. Sie wussten dies und freuten sich, hinzugehen, wo sie keinen Prediger brauchen, sondern ihren Herrn Jesum von Angesicht zu Angesicht sehen würden. Wie leuchtete ihr Gesicht auf bei der Nennung seines teuren Namens! Einige von ihnen sangen, obwohl ich sie nie vorher singen gehört; und einige sagten Dinge, die sie zu sehen und zu hören schienen, „die das Auge nicht gesehen und das Ohr nicht gehört hat“, bis Gott sie dem scheidenden Geiste offenbarte. Ihr erinnert euch solcher Sterbebetten, nicht wahr? War es eure Mutter oder euer Vater, die in dieser glorreichen Weise hinübergingen? Vielleicht war es ein geliebter Bruder oder eine Schwester oder ein Freund. Wohl, wenn wir Christum kennen, so werden auch wir bald in ihm entschlafen. Ihr, die ihr an Christum glaubt, solltet den Tod nicht mehr fürchten, als ihrs fürchtet, heute Abend schlafen zu gehen. Ihr werdet, ehe ihr schlaft, euch Gott anbefehlen, und wenn ihr euer Haupt auf das Kissen gelegt, so wird etwas dem Tode Ähnliches über euch kommen, nämlich der Schlaf, den jemand des Todes Bruder“ genannt hat. Ihr werdet davor nicht bange sein. Warum sollte euch denn Traurigkeit ergreifen bei der Aussicht auf das, was nur ein anderer Schlaf ist. Singt lieber:

„Mit Fried und Freud ich fahr dahin
In Gottes Willen;
Getrost ist mir mein Herz und Sinn,
Sanft und stille,
Wie Gott mir verheißen hat;
Der Tod ist mein Schlaf worden.“ 4)

Lasst uns folgen, wohin Jesus führt. Vielleicht mögen einige von uns bleiben, bis er wieder kommt. Es wird kein Tod für solche da sein; sie werden nur den Dienst ihres Geschlechts mit dem Dienst der Herrlichkeit vertauschen. „Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden.“ Dann wenn die Posaune erschallt, wird dies Verwesliche das Unverwesliche anziehen, die, welche in Christo schlafen, werden in der Auferstehungsherrlichkeit erwachen, und zusammen werden wir unserm Herrn Tag und Nacht in seinem Tempel dienen auf ewig. Mittlerweile, dient dem Geschlechte eurer Zeit durch den Willen Gottes; und wenn der Herr verzieht, so werdet ihr entschlafen, eben wie David es tat. Möge Gott euch segnen, die ihr an Jesum glaubt, und die Unerretteten, die in unserer Mitte sind, erretten um unsers Herrn Jesu Christi willen! Amen.

1)
Diese Predigt wurde am Abend des Sonntags, nachdem Mr. William Olney entschlafen war, gehalten. Lange ehe der teure Prediger heimgerufen ward, war sie zur Veröffentlichung für diese Woche gewählt. Mrs. Spurgeon fühlt, dass ihr Gatte keine passendere Predigt als Seine eigene Leichenpredigt hätte halten können. Sie hat ihr deshalb diesen Titel gegeben in der Hoffnung, dass viele durch die Botschaft gesegnet werden mögen, die er „noch redet, wiewohl er gestorben ist.“ A. d. Herausgebers. Sie erschien am Tage von Spurgeons Begräbnis. A. d. Übs.
2)
„Stereotypisieren“ bedeutet, einer Person oder einer Gruppe von Menschen vereinfachte, oft klischeehafte Eigenschaften oder Verhaltensweisen zuzuschreiben, ohne sie als Individuen zu betrachten.
3)
(Die Kinder der Dissidenten werden nicht als Gemeindeglieder betrachtet, ehe sie auf eignen Wunsch in die Gemeinde aufgenommen sind. A. d. Übs.
Cookies helfen bei der Bereitstellung von Inhalten. Diese Website verwendet Cookies. Mit der Nutzung der Website erklären Sie sich damit einverstanden, dass Cookies auf Ihrem Computer gespeichert werden. Außerdem bestätigen Sie, dass Sie unsere Datenschutzerklärung gelesen und verstanden haben. Wenn Sie nicht einverstanden sind, verlassen Sie die Website.Weitere Information
autoren/s/spurgeon/s/spurgeon-seine_eigene_leichenpredigt.txt · Zuletzt geändert:
Public Domain Falls nicht anders bezeichnet, ist der Inhalt dieses Wikis unter der folgenden Lizenz veröffentlicht: Public Domain