Spurgeon, Charles Haddon - Schafe unter Wölfen.
Gehalten am Sonntag, den 19. August 1877.
„Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe: darum seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.“
Matth. 10, 16.
Wohl mag der Text mit einem „Siehe“ beginnen, denn er enthält einige besondere Wunder, wie sie nirgends anders gesehen werden. Zuerst, hier ist ein zärtlicher und liebevoller Hirte, der seine Schafe in die gefährlichste Lage sendet: „ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe.“ Es ist die Pflicht eines Hirten, seine Schafe vor den Wölfen zu schützen, nicht, sie in die Mitte dieser reißenden Tiere zu senden; und doch unternimmt hier der „Gute Hirte“, der „Große Hirte“ der Schafe diesen außergewöhnlichen Versuch und führt ihn aus, seine Schafe in die Mitte der Wölfe zu senden. Wie sonderbar erscheint dies dem armen fleischlichen Sinn. Seid erstaunt, aber nicht ungläubig steht eine Weile still und betrachtet den Grund.
Das nächste merkwürdige Ding ist „Schafe mitten unter Wölfen“, weil, der Ordnung der Natur gemäß, so etwas nie gesehen wird, sondern im Gegenteil es als großes Unglück in einigen Ländern betrachtet wird, dass die Wölfe zu oft mitten unter den Schafen gesehen werden. Der Wolf springt mitten in eine Herde hinein und würgt und zerreißt an allen Seiten; es macht nichts aus, wie viele Schafe da sind, denn Ein Wolf ist mehr als 1000 Schafen gewachsen. Aber sieh! hier schaut ihr Schafe unter die Wölfe gesandt, als wenn sie der angreifende Teil wären und ihre furchtbaren Feinde niederwerfen wollten. Es ist ein neuer Anblick, wie die Natur ihn nie zeigen kann, aber die Gnade ist voller Wunder.
Ebenso außergewöhnlich ist die sonderbare Mischung, noch nie von einem menschlichen Auge unter Tieren und Vögeln gesehen, eine Mischung der Schlange mit der Taube in einer Person. Was für eine seltsame Verschmelzung. Geschöpfe, welche einer Kreuzung fähig sind, müssen etwas Verwandtschaft mit einander haben; aber hier ist ein Reptilium des Staubes vereint mit einem Vogel der Luft: „Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.“ Die Gnade weiß das Gute aus dem Bösen heraus zu picken, die Perle aus der Muschelschale, den Diamant aus dem Dunghaufen, die Klugheit aus der Schlange; und durch eine göttliche Chemie lässt sie das Gute, was sie aus dem verderbten Orte nimmt, so gut, als wenn es niemals dort gewesen. Die Gnade weiß das Sanfteste mit dem Schlausten zu vereinigen; von der Klugheit das Schlechte hinweg zunehmen, was es zur List macht, und, indem sie Unschuld damit verbindet, eine heilige Klugheit hervorzubringen, die sehr wertvoll für alle Gänge unseres Lebens ist.
Mit diesen drei Wundern an der Außenseite des Textes, die, so zu sagen, auf der Oberfläche liegen, werden wir mit großen Erwartungen in eine völligere Betrachtung eingehen; aber wenn wir das tun, so werden wir uns getäuscht fühlen, falls wir erwarten, irgendetwas Außerordentliches zu lernen, ohne bereit zu sein, das zu üben, was wir lernen. Ich kann mit Wahrheit von diesem Texte sagen: wer nach seinem Geheiß tut, wird seine Lehre verstehen; wer seiner Vorschrift folgt, wird am besten ihre Bedeutung verstehen. Möge der Geist aller Gnade nach seiner göttlichen Kraft in uns wirken und in uns den Willen des Herrn erfüllen.
Obgleich zuerst an die Apostel gerichtet, scheint es mir doch, dass unser Text sich auf Alle in seinem Maße bezieht, die irgendein Talent oder Geschick haben, das Evangelium auszubreiten, und in der Tat auf alle Heiligen, soweit sie ihrem Berufe als Kinder Gottes treu sind. Sie sind alle mehr oder weniger als Schafe mitten unter den Wölfen, und ihnen Allen wird der Rat gegeben: „Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.“ Lasst uns hören, als wenn der Herr Jesus zu Jedem Einzelnen von uns spräche.
Wir können Viererlei in dem Texte sehen in Betreff des Volkes Gottes. Zuerst, ihren vor nämlichen Beruf „Siehe ich sende euch“; zweitens, ihre drohende Gefahr - „als Schafe mitten unter die Wölfe“; drittens, ihre hohe Vollmacht „Siehe, ich sende euch“; und zuletzt, ihre bleibenden Verhaltungsbefehle: „Seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.“
1.
Erstens, lasst uns ihren vornehmlichen Beruf betrachten. Sie hatten andere Berufe, denn ihrer Einige waren Fischer; aber ihr großer Beruf war dies: „Siehe, ich sende euch.“ Der Ruf des Herrn geht über jeden anderen Beruf. Jedes Kind Gottes sollte nach der Fähigkeit, die Gott ihm gegeben, die Stimme des Herrn hören, die es ruft und zur Arbeit aussendet: „Siehe, ich sende euch.“
Diese Jünger waren bei ihm gewesen und waren von ihm gelehrt worden, damit sie in seinem Namen lehren könnten. Sie waren für eine Zeitlang seine Jünger oder Schüler gewesen und nun ruft er sie bei Seite von den Übrigen und sagt: „Ich sende euch, zu lehren und Jünger zu machen.“ Die Regel im Reiche Gottes ist, zuerst Jünger zu machen, sie zu taufen, sie halten zu lehren alles, was der Herr befohlen und dann sie auszusenden, dasselbe mit Andern zu tun. Wenn ein Licht brennt, so werden andere Kerzen dabei angezündet. Tropfen himmlischen Wassers werden emporgehoben und gleich über die ganze Erde ausgestreut, und siehe, ein jeder erzeugt eine Quelle, wo er fällt, und so wird die Wüste fröhlich und blüht wie eine Rose. Versucht nicht zu lehren, bis der Herr Jesus euch zuerst gelehrt hat; vermesst euch nicht, zu unterrichten, ehe ihr unterrichtet seid. Sitzt zu Christi Füßen, ehe ihr in Christi Namen sprecht, aber wenn ihr unterrichtet seid, verfehlt nicht, Lehrer zu werden. Die Lehren eures Herrn werden eurem eigenen Gemüt umso stärker und unauslöschlicher eingeprägt, wenn ihr sie ernstlich euren Mitmenschen verkündet habt. Zuerst werdet gelehrt, aber dann versäumt nicht, zu lehren. Häuft nicht den Schatz der göttlichen Erkenntnis für euch auf, denn es ist kein Mangel daran; esst nicht allein den Honig erlösender Liebe, - denn es ist mehr als genug da. Nährt euch nicht von dem Himmelsbrot mit selbstsüchtiger Gier, als wäre Hungersnot im Land und ihr müsstet jedes Krümlein für euch selber sparen, sondern brecht euer Brot dem hungrigen Haufen um euch her und es wird sich in eurer Hand vervielfältigen. Christus hat euch berufen, damit ihr dann ausgeht und Andere zu seinem heiligen Feste der Gnaden lädt.
Unser Herr berief sie nicht nur, diejenigen zu lehren, die ihnen in den Weg kamen, sondern den verlorenen Schafen nach zu: gehen. „Siehe“, sprach er, „ich sende euch.“ Einige wollen kaum die lehren, welche unmittelbar vor ihre Türe kommen. Unter eurem eigenen Dache sind bei eurer Einigen vernachlässigte Seelen. Sogar in einigen Familien, die sich christlich nennen, sind Söhne und Töchter, die nicht für Heiligkeit erzogen und nicht den Weg des ewigen Lebens gelehrt werden. Dies ist im äußersten Grade traurig. Freund, fehlst du hier? Lass das Gewissen aufwachen, dich zu richten. Euer Meister setzt voraus, dass ihr eure häuslichen Pflichten erfüllt habt, und dann beruft er euch, ein Mehreres zu versuchen. „Geht eure Wege“, spricht er, denn ich sende euch.“ Ihr habt gesessen und das Evangelium gehört, verlasst eure Sitze zu Zeiten und geht aus, Andere zum Glauben zu bringen. Ihr habt die Kraft des Wortes auf eurem Herzen, nun geht und zeigt seine Kraft auf euren Lippen, indem ihr zu Andern sprecht, wie Wenige oder Viele es auch seien. Geht selber aus als Säeleute und streut den Samen aus, den der Herr euch zu diesem Ende' gegeben. Geht, wohin die Vorsehung euch führt, zur Sonntagsschule, um zu lehren, zur Straßenecke, um zu predigen, zum entlegenen Dorf oder Weiler, um von Christo zu zeugen, oder zu den dicht bevölkerten Hintergassen großer Städte, um Christi Banner aufzupflanzen; aber nehmt euren Weg irgendwohin. Sitzt nicht nieder in Trägheit und kreuzt eure Arme in Gleichgültigkeit gegen das Wehe der Welt. Seht, euer mitleidiger Herr sendet euch, deshalb geht froh hin überall, wohin seine Weisheit euch den Weg zeigt, wo euer Geschäft euch Gelegenheit gibt oder euer Reisen einen Anknüpfungspunkt. „Ich sende euch“, sagt er.
Er sandte sie aus, wird uns gesagt, um Wunder zu tun sowohl als um zu predigen. Nun, er hat uns nicht diese Macht gegeben und wir wünschen sie auch nicht; es ist mehr zur Ehre Gottes, dass die Welt durch die Kraft der Wahrheit überwunden wird, als durch den Glanz der Wunder. Die Wunder waren die große Glocke des Weltalls, die geläutet wird, um die Aufmerksamkeit aller Menschen in der ganzen Welt darauf hinzulenken, dass das Fest des Evangeliums bereitet sei; wir brauchen die Glocke jetzt nicht, denn die Tausende, welche schon sich dort gesättigt, sind die besten Ankündiger des Gastmahles. Die unter uns, welche Christi um seines Heils teilhaftig geworden, werden die Sache bekannt machen, wo sie auch sind, und keine weitere Ankündigung durch Wunder wird nötig tun, ausgenommen das bleibende Wunder des inwohnenden Geistes.
Wir haben jetzt die großen Vorteile schnellen Reisens und der Presse, so dass wir die Gabe der Sprachen nicht nötig haben, da die Menschen so viel rascher eine fremde Sprache lernen können, als früher, und so weit schneller nach dem Ort hinreisen. Es ist mehr Ehre für die Wahrheit und den Christus der Wahrheit, wenn die sittlichen und geistlichen Kräfte der Wahrheit alleine wirken, ohne jede körperliche Offenbarung, als wenn wir alle Wundertäter wären und die Widersprecher verderben könnten. Doch, obgleich wir keine Wunder in der körperlichen Welt tun, so wirken wir sie in der sittlichen und geistlichen Welt, ja, und dieselben Wunder; denn siehe, er hat uns gesandt, die Kranken gesund zu machen, wie es im 8. Vers unseres Kapitels heißt. Die, welche niedergeschlagen sind, schwach und matt, gebrochenen Herzens und verzagend, zerschlagen und zerstoßen von den Angriffen des großen Feindes - wir gehen hin und gießen Öl und Wein des Evangeliums ein, legen das himmlische Pflaster der Verheißung auf, verbinden mit dem heiligen Verband tröstender Lehre und bringen überall vor die Sündenkranken die unvergleichliche Arznei des kostbaren Blutes Christi. Für jede geistliche Krankheit ist das Evangelium das sichere Heilmittel und wir sollen es in jedes Land tragen. „Macht die Kranken gesund.“ Dies tun wir auch. Solche Krankheiten, die des Arztes spotten und nicht von menschlicher Kunst behandelt werden können, werden von den Dienern Dessen geheilt, der kam, um menschliche Krankheiten zu tragen, dass er sie hinweg nehmen möge. Geht aus, ihr Diener Gottes, mit einem bessern Balsam als dem Gileads; sitzt nicht in Trägheit still, während blutende Herzen und kranke Seelen rund um euch her sind. Die Menschen sterben dahin; geht hin, sie zu heilen.
Ihr sollt auch „die Aussätzigen reinigen.“ Es ist ein Aussatz in der Welt, der verschiedene Formen in verschiedenen Zeitaltern annimmt, aber er ist stets derselbe in Ursache und Wirkung. In unserem Land sehen wir an allen Seiten den faulen Aussatz der Trunkenheit, jene viehische Krankheit, die der Menschen Seelen erniedrigt und ruiniert; da ist der Aussatz des Aberglaubens, der den Verstand anfrisst und den Menschen zum Narren macht; und ach, da ist der weiße Aussatz des Unglaubens, der wie ein inwendiges Feuer das Herz selber verzehrt. Die Sünde ist Aussatz, und unsere Aufgabe ist, mit Gottes Hilfe durch die Predigt des Evangeliums Jesu Christi diese Aussätzigen rein zu machen. Es soll geschehen. Es wird' jetzt von uns im Namen des Herrn getan. Er, der da mächtig in uns wirkt, wird sein Wort auch hierzu mächtig in euch sein lassen, dass der Aussatz von den Menschen vertrieben werde und sie in die Gemeinde des Herrn kommen.
Er heißt uns auch die Toten aufwecken, was das härteste Werk von allen scheint; aber da die anderen uns unmöglich sind ohne ihn, so ist dies nicht schwerer als die übrigen. Wir „sollen die Toten aufwecken.“ Unser Evangelium beginnt mit den Menschen, wo sie von Natur sind und wartet nicht, bis sie halben Weges kommen. Wir gehen aus, denen zu predigen, die sorglos und fühllos sind, denen, die gar keine Empfindung haben und am weitesten von irgendeinem Gefühl ihrer Sündigkeit oder von Liebe zu Gott entfernt sind. Geht mit dem Evangelium zum Grabe des Lasters und predigt denen, die in Sünden tot sind. Das Evangelium hat eine belebende Macht, Geliebte, und Jesus, welcher die Auferstehung und das Leben ist, sendet euch aus, dass durch sein Wort in eurem Munde tote Seelen auferweckt werden mögen. Keine sind zu unempfindlich, um erweckt, zu verhärtet, um erneuert zu werden.
Und dann fügt er hinzu: „Treibt die Teufel aus.“ Diesen Auftrag gab er seinen Aposteln und in einem geistlichen Sinne uns auch.
Der Teufel und seine Scharen herrschen über die Herzen der Menschen und unterwerfen sie der Sünde und dem Unglauben. Seht, sie beanspruchen diese Welt als ihr Reich, aber es ist nicht so, sie sind Usurpatoren, denn die Erde ist des Herrn und was darinnen ist. Geht mit der Wahrheit und treibt den Dämon des Irrtums aus; geht mit der frohen Botschaft und treibt den Dämon der Verzweiflung aus; geht mit der Friedensverkündigung und treibt den Dämon des Krieges aus; geht mit dem Wort der Heiligkeit und treibt die Dämonen der Missetaten aus; geht mit dem Evangelium der Freiheit und treibt die Dämonen der Tyrannei aus. Diese segensreichen Taten können und sollen getan werden mit Gottes Hilfe, und zu diesem Ende heißt er euch in seinem Namen gehen, denn er will euch mit seiner Stärke gürten.
Nun, wenn ich sage, dass jeder Christ nach seiner Fähigkeit berufen ist, dies zu tun, so meine ich genau, was ich sage. Ich meine, dass christliche Männer heutzutage während sie der Kirche anhängen sollten, zu welcher sie gehören, und je stärker die Anhänglichkeit, desto besser, aus 1000 Gründen, doch nicht die Kirche als eine friedliche Ruhestätte ansehen müssten, wo sie alle schlafen können, sondern als eine Baracke, wo sie alle eingeübt werden und dann hinausgeben und den heiligen Kreuzzug für Christum führen sollen. Wir sollen nicht zusammen gefroren sein mit der Dichtigkeit einer Eismasse durch die bloße Übereinstimmung im Glauben, sondern zusammengeschmiedet gleich eisernen Stangen, durch das Feuer eines gemeinsamen Zweckes und Eifers. Wenn wir sind, was wir sein sollten, werden wir beständig zur Rechten und zur Linken ausbrechen: Jeder Mann, jedes Weib soll suchen, dem Beruf gemäß, den Gott uns gegeben, des Erlösers Reich in allen Richtungen auszubreiten. Meine lieben Brüder, ihr seid Pfeile in dem Köcher, wie fröhlich würde ich euch auf den Feind geschossen leben von dem Bogen des Herrn. Viele von euch sind wie Streitäxte und Kriegswaffen, die an der Wand hängen. O, dass ihr heruntergenommen und für den Herrn in seinem wunderbaren Kampf gebraucht würdet. Siehe, an den Wällen Zions hangen 1000 Harnische, alles Schilde mächtiger Männer; aber unserer Zeit tut es sehr Not, dass diese Waffen von ihrem Rasten und Rosten fortgenommen und ins Schlachtgewühl hinein getragen werden. Möge der Herr euch senden, o ihr, die ihr unter meiner Predigt errettet worden seid! Möge er euch forttreiben mit göttlicher Macht, gleich einem mächtigen Hagel gegen seine Feinde. Möge ein Jeder unter euch eifrig sein, ernstlich für den Glauben zu kämpfen, der den Heiligen übergeben ist und Seelen vom Niedergehen in den Abgrund zu retten. Hier ist euer dauernder Beruf, versucht es, ihn zu erfüllen.
II.
Zweitens wollen wir ihre drohende Gefahr betrachten. „Ich sende euch als Schafe mitten unter die Wölfe“; das heißt, die Aufgabe ist eine von großer Gefahr und Schwierigkeit. Unser göttliches Unternehmen ist kein Kinderspiel. Das Werk hat seine Reize; es sieht sehr hübsch auf dem Papier aus und klingt sehr gut, wenn es beredt geschildert wird. Bei Missionsversammlungen und Erweckungsgottesdiensten regt es euer Blut auf, von dem zu hören, was zu tun ist, und ihr entschließt euch, sogleich euch da hinein zu stürzen; aber obgleich wir nicht der Wärme eines eifrig Strebenden Eintrag tun möchten, so wünschen wir doch, dass er die Kosten überschlage und wisse, was Kriegsführung ist. Lass dich ja anwerben, aber warte ein wenig und lerne, was du tust, damit du nicht das Feld so eilig verlassest, als du darin eintratest und dir sowohl wie der Sache Schande bringst. Alte Soldaten, die den Pulvergeruch kennen, reden nicht so leichthin von einer Schlacht, wie die rohen Rekruten es tun mögen; sie erinnern sich des Bluts und Feuers und des Dampfes und, obwohl sie nicht furchtsam sind, so sind sie doch ernst. Kommt ihr, die ihr nie daran gedacht habt und blickt auf das, was Jeden entmutigen wird, der ein Feigling ist und den Kühnen prüfen, ob sein Mut aus der Natur oder der Gnade stamme.
Ihr sollt als Schafe unter die Wölfe gehen, das heißt, ihr habt unter die zu gehen, die durchaus keine Teilnahme für eure Bemühungen haben. Manchmal gehen wir unter liebenswürdige, ruhige, beinahe überzeugte Leute, und es ist ein ziemlich angenehmes Werk, obgleich selbst da sehr entmutigend, denn die, welche nicht weit vom Reiche Gottes sind, sind oft am schwersten zu gewinnen. Mit Grenzleuten ist es schwierig zu verkehren, und was den wirklichen Erfolg betrifft, da mag man ebenso wohl sogleich unter die entschieden Ungöttlichen gehen. Wenn ihr aus tiefster Seele sprecht und eifrig vor Gott seid, so werdet ihr mit Leuten zu verkehren haben, die nicht auf eure Gefühle eingehen oder mit euren Zielen einverstanden sein können. Das blökende Schaf findet keine Gleichgestimmtheit in dem heulenden Wolke; die zwei sind sehr verschiedene Tiere und stimmen durchaus nicht überein. Du meinst doch wohl nicht, dass du von Jedermann mit offenen Armen empfangen werden wirst? Und wenn du ein Prediger des Evangeliums wirst, so meinst du doch wohl nicht, dass du nun den Leuten gefallen wirst? Die Zeit mag kommen, wo vielleicht die Wölfe es für sich selbst bequemer finden werden, nicht ganz so laut zu heulen, aber meine eigene Erfahrung zeigt mir, dass sie recht laut heulen, wenn ihr zuerst unter sie kommt und das hässliche Konzert Jahr auf Jahr fortsetzen, bis sie zuletzt ihres unnützen Lärms etwas müde werden. Die Welt rast wie ein Wolf, wenn ein Mann zwiefachen Ernst für das Reich Christi zeigt. Wohl, ihr müsst das ertragen. Was für eine Art von Teilnahme kann ein Lamm von den Wölfen erwarten? Wenn es solche erwartete, würde es sich nicht getäuscht finden? Fühlt euch nicht getäuscht, denn ihr kennt ja eure Umgebung und eure Sendung. Als unser Heiland ähnliche Worte an die 70 richtete, nannte er sie nicht Schafe, sondern Lämmer (Luk. 10, 3), denn sie waren nicht so weit gefördert als die Zwölf, doch sandte er sie in dieselbe schwierige Lage und sie kamen in Frieden wieder. Selbst die Schwachen unter uns sollten deshalb guten Mut haben und bereit sein, dem Widerstand und Hohn die Stirn zu bieten.
Schafe inmitten der Wölfe sind unter Solchen, die sie zerreißen wollen, töten, fressen. Luther pflegte zu sagen: „Kain wird fortfahren, Abel zu töten bis an der Welt Ende, wenn er kann“, und das wird er bis zu jenem 1000jährigen Tage, wo der Wolf bei dem Lamme niederliegt. Die Triebe und die Natur der Wölfe macht, dass sie gegen die Schafe sind, und es ist die Natur der Welt, die Kinder Gottes zu hassen. Die ganze Weltgeschichte hindurch sehr ihr die zwei Namen in Streit; wenn ein Abel da ist, so auch ein Rain, der ihn schlägt; wenn ein Noah da ist, so ist eine ungöttliche Welt rund um ihn her; wenn ein Isaak da ist, so auch ein Ismael, der seiner spottet; und wenn ein Jakob da ist, so auch ein Esau, der ihn zu töten sucht. Es kann kein Israel da sein, ohne Pharao, Amalek, Edom oder Babylon als Gegner zu haben. David muss von Saul verfolgt werden und der Sohn Davids von Herodes. Es ist eine Feindschaft zwischen dem Schlangensamen und Weibessamen, und diese Feindschaft wird immer bleiben. Die Ungöttlichen toben gegen die Gerechten und suchen, grausame Beschuldigungen gegen sie zu bringen, eben wie gegen ihren Herrn. Wie rein auch das Leben der Gottesfürchtigen, die Gottlosen werden sie verleumden; wie freundlich ihre Handlungen, sie werden Böses dafür wiedergeben; wie einfach und ehrlich ihr Betragen, sie werden sie beargwöhnen; und wie selbstlos auch in ihren Beweggründen, sie werden ihnen sicher die niedrigsten unterlegen, denn der Wolf kommt, zu töten und zu verschlingen und er wird es nach besten Kräften tun. Ach, wie rot sind seine Fangzähne in Zeiten der Verfolgung. Wie raste und wütete der Wolf über unser Land dahin in den Tagen der Maria und Karl des Zweiten, und nachher, da, zuerst als Protestanten und nachher als Puritaner, die Gottesfürchtigen verschlungen wurden, und wer seinem Gewissen folgte, bitterlich leiden musste. Schottland kann davon erzählen, wie des Wolfes Zähne rot waren vom Blut seiner Söhne, der Covenanters; und wenn Gottes starke Hand nicht auf sie gelegt wäre, so würden die Wölfe bis auf den heutigen Tag die Schafe in unserem eigenen Land erwürgen.
Wiederum, sie sollten gleich Schafe unter die Wölfe gehen, unter ein Volk, das ihre Bemühungen hindern würde; denn ihr Geschäft war, die verlorenen Schafe zu suchen, und die Wölfe konnten darin nicht helfen, im Gegenteil, die Wölfe wünschen, die verlorenen Schafe als ihre Beute zu ergreifen. Ihr müsst erwarten, wenn ihr Christo treu seid und eifrig in euren Bemühungen, dass Andere da sein werden, die ihre Macht und List brauchen werden, euch entgegen zu wirken. Es ist oft ein furchtbares Spiel, das wir um eines Menschen Seele zu spielen haben. Jedem Zuge, den wir tun, setzt der Teufel einen anderen entgegen, und wenn Gott uns nicht leitet, so werden wir den Menschen verlieren. Wenn wir ihn in die Betstunde ziehen, so nimmt ein anderer ihn mit ins Theater; wenn wir ihm die Wahrheit vors Auge stellen, so verwirrt ein anderer ihn mit Zweifeln; wenn wir ihn überreden, so locken ihn Andere auf den unrechten Weg; die List unseres Feindes ist etwas Entsetzliches. Wir gehen aus, nach kostbaren Seelen zu jagen, aber es gibt Andere, die in einem anderen Sinne nach dem kostbaren Leben jagen. Die Straßen bei Nacht erzählen von denen, welche Satan mietet, um sie als seinen Köder zu gebrauchen, und die verderblichen Schriften, die so weit verbreiteten, sind eine andere Art von Neben des Satans, des großen Vogelstellers, welcher die Menschenkinder in seinen Schlingen fängt. Wenn wir es nicht ernst nehmen, der Teufel tut's: er schläft niemals, er hat schon längst seine Augenlider verloren. Wir mögen schlummern, wenn wir es wagen, aber die Mächte des Bösen werden nie ihre Tätigkeit einstellen: Tag und Nacht geht das tödliche Werk fort und die Wölfe heulen über ihrem Raub. Deshalb gehen wir aus wie Schafe, nicht unter gemalte Wölfe, sondern unter in die Mitte wirklicher, tätiger Wölfe, die alles Mögliche tun, jene Schafe zu Grunde zu richten, die noch verloren sind, welche Christus aber nichtsdestoweniger mit seinem kostbaren Blut erkauft hat.
Wir sollen wie Schafe unter die Wölfe gehen in diesem Sinne, dass wir ganz machtlos gegen sie sind. Was kann ein Schaf tun, wenn ein Wolf es angreift? Es hat keine Stärke zu widerstehen; so hätten diese 70 Jünger Christi, wenn die Juden sie verfolgt hätten, ins Gefängnis und in den Tod gehen müssen, denn sie konnten nicht kämpfen. „Mein Reich“, sprach unser Herr, „ist nicht von dieser Welt. Wäre mein Reich von dieser Welt, meine Diener würden darob kämpfen, dass ich den Juden nicht überantwortet würde.“ Die ganze Kirchengeschichte hindurch leisteten die Schafe keinen Widerstand, wenn die Wölfe auf sie stürzten, sondern wie eine Schlachtherde litten und starben sie. Ich weiß, es gab eine Zeit in der Geschichte, wo die Schafe kämpften, aber es war nicht nach ihres Meisters Willen: er heißt uns das Schwert in die Scheide stecken. Unser ist es, zu tragen und tragen und tragen beständig, wie er es tat. Er sagt: „So Jemand dir einen Streich gibt auf deinen rechten Backen, dem biete auch den anderen dar.“ Kämpfende Schafe sind sonderbare Tiere und kämpfende Christen sind ein Widerspruch in sich selbst. Sie haben ihres Meisters Weg verlassen: sie haben den Platz verlassen, auf dem er stand, sobald sie zu fleischlichen Waffen greifen. An uns ist es, uns zu unterwerfen und der Ambos zu sein, welcher die Schläge erträgt, aber alle Hämmer überdauert. Im Grunde haben doch die Wölfe den Kürzeren gezogen; die Schafe haben sich vermehrt und der Wölfe werden weniger und weniger. Es ist Tatsache, dass die Schafe in diesem Land das Ende der Wölfe gesehen haben und sie werden es in anderen Ländern. Die wilden Hunde Australiens sind grimmig gegen die Schafe, aber die Schafe werden gewiss leben bleiben und der wilde Hund wird sterben. Überall ist es 10. Sie sind schwach in sich selber und doch überwinden sie die Starken. „Ah“, sagt ihr, „ es ist der Hirte, der ihnen Sieg gibt.“ Genau so, und das ist's, worin auch unsere Stärke liegt, in „dem großen Hirten der Schafe.“ Obgleich berufen, uns niederzubeugen wie die Straße, dass die Menschen über uns hinweggehen möchten, so überwinden wir doch durch dieses Ertragen: im Leiden sind wir unüberwindlich und beständig werden wir in diesem Zeichen siegen - das Kreuz der Selbstverleugnung und Selbstaufopferung führt uns an. „Ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe“, nicht wieder zu schelten, wo ihr gescholten werdet, sondern zu segnen; wenn ihr beleidigt werdet, bleibt ihr sanftmütig; verfolgt, betet ihr für eure Feinde. „Ah“, sagt Einer, „mir gefällt solche Kriegführung nicht.“ Ich dachte es mir, und du kannst deines Weges gehen. Wie es im Lager Israels bekannt gemacht ward, dass der, welcher vor Kurzem ein Weib genommen oder ein Haus gebaut oder verzagten Herzens war, heimgehen möchte, so sagen wir: „In euer Bett, ihr Feiglinge! wenn ihr dies nicht für euren Meister unternehmen könnt, so braucht ihr durch eure Gegenwart nicht sein Heer zu hindern. Unser Meister beruft seine Leute, denen er Gnade gibt, dass sie bis ans Ende beharren mögen. Der Geist des Herrn gibt Geduld und Nachsicht denen, welche in wahrem Glauben ihrem leidenden Herrn gleich zu werden suchen.
Brüder, es ist ein schweres Werk für die Schafe, unter die Wölfe zu gehen, aber es muss getan werden. Malt es euch in Gedanken vor. Das schüchterne Schaf zittert davor, die Wölfe sind rau, unmanierlich, grob, beleidigend, plagend: das arme Schaf fühlt sich nicht heimisch in solcher Gesellschaft. Es sieht dann und wann die weißen Zähne glänzend im Sachen des Wolfes und es fühlt sich unruhig. Das Schaf wünscht, es wäre wieder in der stillen Hürde unter den fröhlichen Gefährten; aber der Hirte weiß, was er tut, und es ist die Pflicht des Schafes, zu gehorchen, und in die Mitte der Wölfe zu gehen, wenn sein Hirte es befiehlt.
Es stellt sehr auf die Probe, denn wenn ein Mensch nicht wirklich Gottes eigen ist, so wird er einem so schweren Gebot nicht gehorchen, sondern die Pflicht vernachlässigen und Bequemlichkeit suchen. Es wird selbst euch, die ihr am aufrichtigsten seid, auf die Probe stellen. Ihr meint viel Geduld zu haben: kommt unter die Wölfe und seht, wie viel davon nachbleibt. Ihr bildet euch ein, ihr könntet sehr viel Plagerei ruhig hinnehmen; lasst sie über euch kommen und seht, wie sie euch quält. Wenn es zu dem Verlust eures guten Namens kommt, zu Lügen und Verleumdung gegen die zarteste Seite eures Charakters, wenn es zu bitterem Hohn und Spott kommt und zu Worten, die wie ätzende Säure in euer Fleisch dringen und brennen wie feurige Kohlen, in euren Busen geworfen, dann ist es nicht leicht, die Liebe aufrecht zu halten, welche Alles hofft und Alles erträgt. Die Gnade allein lässt die Gläubigen in ihrem Werk vorwärts gehen und mit Sanftmut suchen, Seelen zu gewinnen. O, zu sagen - obgleich der Gottlose nur flucht und sein Mund vor Wut schäumt, will ich doch sein Bestes suchen. Dies ist der Sieg des Glaubens, aber der Kampf wird all' eure Gnaden prüfen und euch sehen lassen, dass nicht Alles Gold ist, was glänzt. Ihr werdet bald sehen, ob der Geist Gottes in euch ist oder nicht, denn geduldige Liebe ist nicht natürlich, sondern übernatürlich und nur, wer erfüllt ist von der übernatürlichen Einwohnung des Heiligen Geistes, wird im Stande. sein, wie ein Schaf unter Wölfen zu leben.
Wenn ihr dieses Werk vollbringen könnt, so wird es sehr lehrreich für euch sein. Ihr werdet nie wissen, weshalb Christus über Jerusalem weinte, bis ihr unter die Jerusalemiter geht und schmerzlich das grausame Unrecht fühlt, das Menschen weinen macht, weil sie lieben. Ihr könnt nicht des Heilandes Todeswehen verstehen, den blutigen Schweiß, die Betrübnis bis zum Tode und das gebrochene Herz, wenn ihr nicht wie ein Schaf unter die Wölfe geht: dann werdet ihr sein, wo Jesus war und Gemeinschaft mit ihm haben. Praktisches Lernen ist am besten Bücher können uns nicht Gemeinschaft mit unserem Herrn lehren, aber wenn wir Christi Werk tun, dann fangen wir an, über das Böse zu trauern, das ihn betrübte und das Heilmittel zu schätzen, das er brachte. So lernen wir Erkenntnis und werden selber besser durch unsere Arbeit an Andere.
III.
Lasst uns nun auf Gottes ausgesandte Diener blicken und ihre hohe Vollmacht bemerken. „Siehe, ich sende euch.“ Was für ein großartiges Wort! Es konnte nicht von einem bloßen Menschen gebraucht werden. Der so sprach, ist göttlich. Brüder und Schwestern, unser Auftrag rechtfertigt uns in dem, was wir tun. Es würde ein törichtes der Gefahr Trotzbieten sein, wenn ein Schaf auf eigene Hand in die Mitte der Wölfe gehen wollte, aber wenn der große Hirte spricht: „Ich sende euch“, würde es ein schwerer Fehler sein, zu zögern. Wer ist der, welcher spricht, „ich sende euch?“ Zuerst, es ist der Herr der Ernte. Bemerktet ihr, als wir das 10. Kapitel des Lukas lasen, wie die zwei Verse lauteten: „Bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter aussende in seine Ernte. Geht hin; siehe, ich sende euch.“ Derselbe Zusammenhang ist hier, nur, ist eine kleine Einschaltung da; lest den letzten Vers Matth. 9, und ihr werdet sehen, dass es derselbe ist. Es ist der Herr der Ernte, zu dem wir beten, der uns aussendet in Erhörung unserer Gebete. Er ist der Herr aller Welten und ihm gehören die Seelen der Menschen. Er gibt euch seine Sichel in die Hand und heißt euch ausgeben und das goldene Korn ernten, welches der Lohn für die Arbeit seiner Seele ist. „Ich sende euch“ - der Herr der Ernte. Bewaffnet mit dieser Vollmacht, wer wird euch schrecken? Geht selbst an die Pforten der Hölle, wenn Jesus es befiehlt.
Danach, „ich sende euch“ ich, dem ihr wert seid, denn ihr seid meine Schafe, ich, der euch lieb hat, denn ich erkaufte euch mit meinem Blut; ich, der euch nicht einer nutzlosen Gefahr aussetzen wird, ich, der ich nach meiner unbegrenzten Weisheit weiß, dass ich etwas Gutes und Weises tu, ich sende euch, euch meine Schafe, meine lieben Schafe, für die ich mein Leben dahingegeben habe, - ich sende euch in die Mitte der Wölfe, deshalb könnt ihr sicher gehen, denn ich, der ich euch liebe, sende euch dahin. Herr, wir tun keine Fragen, sondern wir gehen sogleich.
„Ich sende euch“, das heißt, ich, der ich dieselbe Sendung gehabt habe. Kam er nicht in die Welt wie ein Schaf in die Mitte der Wölfe? Gedenkt daran, mit welcher Geduld er trug und mit welcher Herrlichkeit er triumphierte; gedenkt seiner Armut, Schmach und seines Todes; erinnert euch, dass er verstummte wie ein Lamm vor seinem Scherer, wie ein Lamm, das zur Schlachtbank geführt wird, tat er seinen Mund nicht auf. Er heißt euch nicht gehen, wohin er nicht selber gegangen ist. Es ist gefährlich, aber er ist durch die Gefahr hindurch gegangen, hat sie ertragen und darin triumphiert.
„Ich sende euch - merkt das: ich, der gerade so überwand, ich sende euch.“ Habt ihr nicht in der Offenbarung Johannes gelesen: „Das Lamm wird sie überwinden“, und „Sie haben überwunden durch das Blut des Lammes“; und wisst ihr nicht, dass des Himmels hohe Lieder zu ihm aufsteigen, der auf dem Thron sitzt, und zu dem Lamm von Ewigkeit zu Ewigkeit? Das Lamm hat in der Mitte der Wölfe dieselben überwunden und ist der Herr über Alles; und sagt so eigentlich: „Ihr seid meine Lämmer; deshalb geht hin, wie ich es tat; überwindet, wie ich es tat; und ihr sollt auf meinem Throne sitzen und das Lamm wird euch Leiten zu dem lebendigen Wasserbrunnen.“
IV.
Wir schließen, indem wir ihre bleibenden Verhaltungsbefehle betrachten. Ihr habt eine harte Aufgabe vor euch, als Schafe unter Wölfen zu handeln. Euer Herr lässt euch nicht ohne Führung in Form einer klaren Vorschrift. Was sollt ihr denn tun? Kühn sein wie Löwen? Ja, aber das ist nicht die Hauptsache. Schnell wie Adler sein? Ja, jedenfalls, aber das ist nicht das wichtigste Erfordernis. Für das alltägliche Leben, für das Aushalten in diesem großen Kampf sind zwei große Erfordernisse; das erste ist Klugheit „seid klug wie die Schlangen“; und das zweite ist Unschuld „seid ohne Falsch wie die Tauben.“ Zuerst, seid klug und weise wie eine Schlange. Ahmt nicht der Schlange in anderer Hinsicht nach, nur in dieser. Lasst nie den Teufel in euch eingehen, wie er es in die Schlange tat, und werdet auch nicht niedrig oder listig. Aber doch, die Schlange ist ein außerordentlich kluges Tier, und hat es nötig, so zu sein, da sie in einer Welt lebt, wo sie von einem Todfeinde gehasst wird. Es ist dem Menschen natürlich, das ganze Schlangengeschlecht zu hassen. Das erste, was ihr tut, wenn ihr eine Viper seht, ist, euch nach einem Stock umzuschauen, sie zu töten. Jedermann ist der Feind der Schlangen, und wenn sie noch existieren, so ist's, weil sie sehr schlau sind. Darin könnt ihr sie nachahmen. Was tut die Schlange, um sich zu erhalten? Was ist's, das ihre Klugheit beweist? Zuerst, sie geht dem Menschen aus dem Wege, so viel sie kann. Unser Herr meint dies, denn unmittelbar nach unserem Text sagt er: „Hütet euch aber vor den Menschen.“ Es ist gut, aus der Gesellschaft ungöttlicher Menschen herauszukommen, und sie sehen zu lassen, dass ihre Gewohnheiten und Unterhaltungen nicht die unsern sind. Sucht ihnen Gutes zu tun, aber sucht nicht ihre Gesellschaft. Ihre wolfsartigen Neigungen werden am meisten in ihren Mußestunden gesehen, in ihrem Trinken und Lustbarkeiten, deshalb haltet euch fern von diesen. Ihr habt nichts zu tun mit ihren lustigen Gesellschaften, ihren leichtfertigen Zusammenkünften, ihren Trinkgelagen und unsittlichen Liedern. Nehmt nicht ihre Einladungen an, wenn ihr wisst, dass sie ungebunden sein werden; weilt nicht in der Nähe, wenn sie leichtfertig oder gottlos sprechen; euer Weggeben wird der beste Protest sein. Ihr müsst mit ihnen in eurem Geschäfte sein - in der Tat, ihr seid zu ihnen gesandt, aber wenn ihr bei ihnen seid, müsst ihr nicht von ihnen sein, und ihr solltet sie vorsichtig meiden, wo ihr wisst, dass ihr nichts Gutes tun könnt. Ihr Jüngern solltet alten Lästerern und Spöttern aus dem Wege gehen so viel ihr könnt, denn es ist ihre Freude, die Lämmer zu quälen. Versucht nicht, ihnen zu antworten, sondern haltet euch fern.
Ruft nicht Zank und Streit hervor, sondern vermeidet alles Disputieren über das Evangelium. Eure Gefährten werden euch necken und ihr werdet viele schimpfliche Beinamen bekommen, aber fordert solche Behandlung nicht heraus und nehmt sie auch nicht übel. Werft nicht Perlen vor die Säue und bringt nicht die Religion zu ungeeigneter Zeit hinein; haltet streng an euren Grundsätzen, aber wenn ihr wisst, dass ein Mann nur lästern wird, wenn er euch den Namen Jesu nennen hört, so gebt ihm nicht die Gelegenheit. Tretet auf für Jesum, wenn die Zeit sich eignet, aber zeigt nicht Eifer ohne Kenntnis. Wenn ein Mann halb betrunken oder in Zorn ist, so überlasst ihn sich selber und ihr entgeht so mancher Zänkerei. Ein ander Mal, wenn die Gelegenheit günstig ist, versucht zu unterweisen und zu überreden, aber nicht, wo das Fehlschlagen gewiss ist. Seid sehr klug und haltet euren Mund, wo Schweigen besser ist als Reden.
Wie handelt die Schlange sonst noch? Sie gleitet sehr ruhig dahin. Sie kann zischen, aber sie tut es nicht oft. Wenn sie dahin gleitet, singt sie nicht, noch brüllt und bellt sie; sie meidet das Beachtetwerden; sie schlüpft davon, ruhig, anmutig, schnell und geräuschlos. Nun, strebt nicht nach großer Öffentlichkeit. Es mag Zeiten geben, wo es gut ist, die große Glocke zu läuten. Wenn ihr große Mengen Volks zusammen bringen könnt, das Evangelium zu hören, so läutet die Glocke jedenfalls so laut ihr vermögt, aber soweit ihr persönlich beteiligt seid, macht nicht viel Aufhebens, posaunt es nicht aus, was ihr tun wollt; ruft nicht Jedermann zu: „Komm, sieh meinen Eifer für den Herrn der Heerscharen.“ Gleitet ein nützliches Leben entlang, so ruhig wie die Schlange, die tut, was sie zu tun findet und nichts sagt, mehr das Auge der Menschen fürchtet als es wünscht. Ernst, der nicht zudringlich ist, ruhige, einfältige Entschlossenheit, euren Zweck zu erreichen, ob Menschen es erlauben oder verbieten, ob sie loben oder tadeln, das ist eure Weisheit.
Dann wiederum, die Schlange ist dafür bekannt, dass sie ihren Weg findet, wo kein anderes Geschöpf einbringen kann: jeder kleine Zwischenraum, jede schmale Öffnung wird für ihren Zweck genügen. Ihre Gestalt eignet sich zum Vorgehen unter Hindernissen. Ihr könnt anderen Geschöpfen den Weg versperren, aber sie wird sich irgendwie hineinringeln. So sollte es mit uns sein. Wenn wir nicht an die Herzen der Menschen auf dem einen Wege gelangen können, so müssen wir einen anderen versuchen. Wenn ihr sie nicht dahin bringen könnt, das Evangelium zu lesen, so sucht sie zum Hören desselben zu bringen; wenn ihr sie nicht zum Hören einer Predigt bewegen könnt, gebt ihnen einen Vers; wenn ein Traktat abgelehnt wird, schaltet ein gelegentliches Wort ein für euren Herrn und Meister. Es gibt einen Weg in das Herz jedes Menschen, wenn ihr ihn nur zu finden wisst; seid klug wie die Schlangen und entdeckt ihn. Obgleich es sehr schwer scheint, einige Gemüter zu erreichen, so setzt doch den Versuch fort mit heiliger Ausdauer und Schlangengewandtheit, und es wird euch gelingen. Es gibt einen schwachen Punkt im Gemüt des stärksten Mannes, wo sein Widerstand verwundet werden kann. Selbst der Leviathan, der des Speers lacht, hat einen zarten Punkt, wo des Speeres Spitze ihn treffen kann; so hat der ungöttlichste, schlechteste, lästerndste, gottloseste Ungläubige irgendeinen Punkt, wo ihr seine besseren Gefühle erreichen könnt, wenn ihr ihn nur aussucht. Seid klug wie die Schlangen in dieser Hinsicht.
Aber dann sollt ihr, damit dies nicht in List ausarte, die Unschuld der Taube dabei haben. Das griechische Wort für „ohne Falsch“ ist „ohne Horn“. Die Taube ist ohne Horn, Huf, Fangzähne oder irgendwelche Verteidigungsmittel. Ihr sollt durchaus keine Waffe haben: gleich der Taube sollt ihr verteidigungslos sein. Es scheint ein sonderbares Ding, die Tauben gegen Adler auszuschicken und Lämmer gegen Wölfe, aber das ist's, was der Herr getan hat. Diese Verteidigungslosigkeit indes, die wie Schwachheit aussieht, ist unsere wirkliche Stärke. Unsere Harmlosigkeit scheint sicheren Untergang vorauszusagen, aber sie ist das Mittel des gewissen Sieges. Ihr sollt sanft sein und leicht zu erbitten; ihr sollt nicht in Zorn geraten, weil euch widersprochen wird, noch in Hitze, weil man euch schilt. Ihr sollt Widerspruch und Verleumdung mit Milde und Sanftmut tragen, wie eine Taube alles trägt. Ihr sollt nicht durch den Widerstand zur Sünde getrieben werden. Die Taube ist rein; sie liebt es, bei den Flüssen zu sein, in stillen und reinen Orten. So lasst euch nie zu sündiger Tat oder sündigem Wort treiben, sondern tut allen Menschen Gutes und gebt Gott in allen Dingen die Ehre, indem ihr sanft und rein wie die Taube seid. Und wie die Taube sehr einfältig ist und kunstlos, so lasst eure Weisheit und Kraft in eurer kunstlosen Wahrheit und kindlichen Abhängigkeit von Gott liegen. Seht, wie Christus sein eigenes Wort weiter unten erklärt. „Ohne Falsch wie die Tauben“, dann fügt er hinzu: „Wenn sie euch nun überantworten werden, so sorget nicht, wie oder was ihr reden sollt.“ Seid gleich der Taube, vertrauensvoll, weil furchtlos, sanft, kunstlos, einfältig und ruhig. Tut nichts Böses und fürchtet Niemand. Ihr Christen, wenn ihr das Evangelium verteidigt, braucht nicht die Redekunst zu studieren und nicht erfahren zu sein in solchen Verteidigungen, wie sie vor dem weltlichen Gericht stattfinden. Sagt die Wahrheit und bringt den Teufel in Verwirrung. Die Wahrheit ist die mächtigste Waffe und die feinste Politik. Ich glaube, dass selbst in Staatssachen die Wahrheit Weisheit ist. Kein diplomatischer Agent würde so die Ränkeschmiede verwirren, wie ein Mann, der die Wahrheit sagte. Sie würden das, was er sagte, für eine Lüge halten, weil sie gewohnt sind, Alles anzusehen, als wenn es eine andere Meinung hätte. Ein Gesandter, sagte man früher, sei ein Herr, der in andere Länder geschickt werde, um zum Besten seines Vaterlandes zu lügen; aber ich hoffe, es ist jetzt nicht so. Wenn die offene Wahrheit jemals die Politik irgendeines Landes werden sollte, so würde es unüberwindlich im Rate werden; wenn ein Mann in der Politik alle Künste und List wegwürfe und nur nach Grundsätzen handelte, so müsste er Achtung gewinnen. Die größte Kunst in der Welt ist, alle Kunst hinwegzuwerfen und die großartigste Politik ist, keine Politik zu haben, sondern ehrliches Handeln. Das Tapferste und Edelste, was je getan werden kann, ist, kunstlos und ohne Falsch zu sein wie eine Taube. Da ist also die Politik unserer Kriegsführung – seid klug, aber seid unschuldig und einfältigen Sinnes. O, die Macht der Wahrhaftigkeit! Glaubt nicht, dass die Menschen stark sind in dem Verhältnis, wie sie ränkevoll sind. Durchaus nicht. Glaubt nicht, dass sie stark sind, je nachdem sie die Faust ballen können. Nein, die Macht eines Christen muss in seinem heiligen Herzen liegen, in seinen ernsten Lippen und seinem Blick der Liebe. Hierdurch werdet ihr überwinden, aber durch nichts Anderes.
Der Schluss meiner Predigt ist dies. Trifft es euer Herz, Brüder und Schwestern? Hört ihr den Herrn euch zum Werk aussenden? Dann, ich bitte euch, geht aus. Lasst diesen einen Satz mein letztes Wort sein - geht aus. Ihr habt wohl von dem schottischen Offizier gehört, der seine Leute zur Schlacht aufstellte und sich verpflichtet fühlte, eine Rede zu halten, deshalb auf den Feind hinwies und sprach: „Da sind sie, Kinder, wenn ihr sie nicht totschlagt, so werden sie euch totschlagen.“ Mein Wort ist dasselbe: da sind die Feinde aller Gerechtigkeit, die Feinde Christi, die Feinde des Menschenwohles, die Feinde des Fortschritts: wenn ihr sie nicht besiegt, indem ihr allen eurer Fähigkeit gemäß das Evangelium verkündet, so werden sie euch besiegen. Welches soll der Fall, sein? Durch die Gnade des Ewigen und die Allmacht Dessen, der für uns blutete, wollen wir durch sein Kreuz siegen, in seiner eigenen Weise. Nur lasst den Heiligen Geist auf uns ruhen. Amen.