Spurgeon, Charles Haddon - Der Richterstuhl Gottes
„Du aber, was richtest du deinen Bruder? Oder du andrer, was verachtest du deinen Bruder? Wir werden alle vor dem Richtstuhl Christi dargestellt werden; nach dem geschrieben steht: So wahr als ich lebe, spricht der Herr, mir sollen alle Knie gebeugt werden, und alle Zungen sollen Gott bekennen. So wird nun ein jeglicher von sich selbst Gott Rechenschaft geben.“
Röm. 14,10-12.
(Engl. Übers.)
Ohne Zweifel ist ein Irrtum in unserer Bibel-Übersetzung, denn wo wir im zehnten Verse lesen „der Richtstuhl Christi“, sollte es heißen „der Richtstuhl Gottes“. Ich vermute, das Wort „Christi“ schlüpfte in gewisse Handschriften hinein, weil Paulus von Christo gesprochen hatte und man es für natürlich hielt, dass er fortfahre, denselben Namen zu brauchen. Paulus sagte, nicht „Christi“, sondern „Gottes“, aber er meinte mit diesem Wort dieselbe Person. Paulus wusste, dass Christus Gott ist, und wenn er von Christo sprach, so war es für ihn keine Abweichung von dem Gegenstand, wenn er von Ihm unter dem Titel „Gott“ sprach. Es war für ihn notwendig, das Wort „Gott“ hier zu gebrauchen, weil er eine Stelle aus dem Alten Testament anführen wollte, die von der Herrschaft Gottes spricht, welche von der ganzen Menschheit anerkannt und bekannt werden soll. Die Stelle lautet so: „Wir werden alle vor dem Richtstuhl Gottes dargestellt werden, denn es steht geschrieben: So wahr als ich lebe, spricht der Herr, mir sollen alle Knie gebeugt werden, und alle Zungen sollen Gott bekennen. So wird nun ein jeglicher von sich selbst Gott Rechenschaft geben.“ Ich bitte euch, zu beachten, ein wie starker Beweis diese Stelle für die Gottheit unseres Herrn Jesu Christi ist; denn die ganze Stelle handelt von Christo. „Dazu ist Christus auch gestorben, und auferstanden und wieder lebendig geworden, dass Er über Tote und Lebendige Herr sei.“ Und dann spricht der Apostel sogleich, ohne irgend eine Unterbrechung im Gedankengang von Gott weil; er von derselben Person spricht, führt er eine Stelle an, die sich auf Gott selber bezieht, und braucht sie in Bezug auf Christum. Sie bezieht sich in der Tat auf Ihn, denn Er ist „wahrhaftiger Gott vom wahrhaftigen Gott“, und Gott wird „das Verborgene der Menschen durch Jesum Christum richten.“ An einer andern Stelle erklärt Paulus sehr deutlich, dass es Christus ist, der die Welt richten soll. Seht das fünfte Kapitel des zweiten Briefes an die Korinther, den neunten Vers: „Darum fleißigen wir uns auch, wir sind daheim oder wallen, dass. wir Ihm wohlgefallen; denn wir müssen alle offenbar werden vor dem Richtstuhl Christi, auf dass ein jeglicher empfange, nach dem er gehandelt hat bei Leibes Leben, es sei gut oder böse.“ Deshalb, obgleich „Gott“ gelesen werden sollte, ist doch der Sinn „Christus“.
Es würde ein sehr wichtiger Punkt für Paulus gewesen sein, eine Unterscheidung zwischen Christus und Gott zu machen, wenn irgend ein Zweifel an seiner Gottheit gewesen wäre. Es wäre höchst notwendig gewesen, uns davon abzuhalten, einen bloßen Menschen zu vergöttern. Aber hier ist er so weit davon entfernt, sich die Mühe zu nehmen, einen Unterschied zwischen Christus Jesus und Gott zu machen, wie es nötig getan, wenn Er nicht Gott wäre, dass er mit beiden Worten abwechselt. Er spricht in demselben Atem von ihnen, denn sie sind Eins. „Der Herr wird sein Volk richten,“ und es ist „der Herr Jesus Christus, der die Lebendigen und die Toten richten wird bei seiner Erscheinung und seinem Reich.“ (2 Tim. 4, 1). „Sieh, Er kommt mit den Wolken; und es werden Ihn sehen alle Augen und die Ihn gestochen haben.“ (Off. 1, 7.) Dieses Gericht Christi wird von unserm Apostel durch alttestamentliche Weissagung bewiesen, die sich sicherlich auf Jehovah selber bezieht. Lest Jes. 45, 23 und lernt daraus, dass unser Herr Jesus Jehovah ist und lasst uns Ihn freudig als unsern Heiland und Gott anbeten, dem Ehre sei von Ewigkeit zu Ewigkeit.
Die Lehre von dem ewigen Gericht, von der ich heute morgen reden will, wird uns um einer gewissen Ursache willen vorgeführt. Paulus sah unter den Christen eine viel zu häufige Gewohnheit, einander zu richten. Ich vermute, wenn Paulus jetzt zu uns käme, so würde er in diesem Punkte keinen besonderen Unterschied finden. Gerade damals war die große Mehrzahl der Bekehrten Juden, und als solche brachten sie ihre früheren religiösen Gewohnheiten in die christliche Kirche hinein; diejenigen, welche andächtig das Zeremonialgesetz gehalten, fühlten, als wenn sie ihrem Gewissen Gewalt antäten, falls sie nicht fortführen, die Hauptpunkte des Gesetzes zu erfüllen; und obgleich sie gewisse Gebräuche aufgaben, die augenscheinlich durch das Gesetz abgetan waren, so hielten sie doch andre aufrecht, wie die besonderen Tage für Fasten und Feste. Manche aufrichtige, aber schwache Gläubige waren ängstlich bei dem, was sie aßen, und wollten den gesetzlichen Unterschied zwischen reinen und unreinen Speisen aufrecht halten. Zu gleicher Zeit hatte die Kirche Männer in ihrer Mitte, welche sagten und richtig sagten: „Das Kommen Christi hat den alten Bund abgetan; diese heiligen Tage sind alle Vorbilder und Schatten, deren Wesen in Christo ist. Hat nicht der Herr dem Petrus, welcher der Prediger der Beschneidung ist, gezeigt, dass hinfort nichts mehr gemein oder unrein ist?“ Die Männer mit starkem Glauben tadelten ihre schwächeren Brüder als die abergläubisch wären, und dadurch ein Joch der Knechtschaft auf sich brächten. „Nein,“ erwiderten die Schwächeren „,wir sind nicht abergläubisch; wir sind gewissenhaft, während ihr viel zu weit in eurer Freiheit geht und uns Anstoß gebt.“ So verurteilten die Schwachen die Starken und beschuldigten sie fast, ihre Freiheit in Zügellosigkeit zu verkehren, während die Starken auf die Schwachen herabblickten und fast zweifelten, ob sie überhaupt in die Freiheit Christi gekommen seien. Sie hatten beide unrecht, denn sie richteten einander. Paulus, der selbst der judaisierenden Partei sehr entschieden gegenüber stand, und in jeder Hinsicht klar und gerade den kühnen Pfad der christlichen Freiheit betrat, war nichtsdestoweniger so von dem Geist seines Meisters beseelt, dass er bereit war, allen alles zu werden, und da er die ernste Gefahr der Zwietracht sah, wo alles Liebe sein sollte, sprang er in die Bresche, und sagte: „Richtet ihr nicht einer den andern: was habt ihr mit Richten zu tun? Es ist ein zukünftiges Gericht.“ Er nannte das künftige Gericht absichtlich, damit durch dessen mächtigen Einfluss auf ihre Seelen diese von dem leichtfertigen Vergnügen - denn es läuft nicht auf viel mehr hinaus, - abgezogen würden, dem schädlichen Sich-einmischen des gegenseitigen Richtens, wenn der Richter schon vor der Tür ist.
Lasst uns einen Augenblick bei diesem praktischen Punkte verweilen und sehen, wie Paulus den Geist des Richtens straft. Zuerst sagt er dem Sinne nach, dass er unnatürlich ist. „Warum richtest du deinen Bruder? Warum verachtest du deinen Bruder? Er, den du richtest oder verachtest, ist dein Bruder. Du hast den Schwachen abergläubisch genannt, aber er ist dein Bruder; du hast den Starken zügellos genannt, weil er seine Freiheit genießt, aber er ist dein Bruder.“ Wenn wir richten wollen, so sollten es gewiss nicht diejenigen sein, die mit uns durch die Bande geistlicher Verwandtschaft verknüpft sind. Sind nicht alle Gläubige eine Familie in Christo? Wo immer die Wurzel der Sache gefunden wird, da ist ein überwältigender Grund der steten Einigkeit. Warum willst du denn deinen Bruder bei der Kehle nehmen, ihn vor deinen Richtstuhl schleppen, und ihn sich vor dir, Bruder gegen Bruder, verantworten lassen und ihn dann verurteilen? Soll ein Bruder einen Bruder verurteilen? Wenn die Welt da draußen Christen richtet, so verstehen wir das, denn diese hasste unsern Meister und sie wird uns hassen; aber innerhalb des geweihten Kreises christlicher Gemeinschaft sollte gegenseitige Achtung sein, und einer den andern verteidigen; wir sollten uns bemühen, lieber Schwächen zu entschuldigen, als Unvollkommenheiten zu entdecken. Fern sei es von uns, Mängel zu finden, wo sie nicht existieren. Wollte Gott, es wäre so, dass vollkommene Liebe allen gegenseitigen Argwohn austriebe, und dass wir Vertrauen zu einander hätten, weil Christus, unser Herr, unsre Brüder aufrecht halten will, wie Er uns selber aufrecht erhalten.
Dieses Richten unter Christen ist also zu allererst unnatürlich; ferner ist es eine Verfrühung des Gerichtstages. Es wird ein Tag kommen, wo die Menschen gerichtet werden - gerichtet nach einer besseren Art, als die, wonach ihr und ich richten können. Wie dürfen wir denn Gottes große Gerichtssitzung travestieren, indem wir selbst den Thron besteigen, und vorgeben, eine Probe der feierlichen Verhandlung jener furchtbaren Stunde zu halten? Das Gericht wird bald genug kommen: möge der Herr uns an jenem Tage gnädig sein. Mein Bruder, warum brauchst du es zu beschleunigen, indem du selbst den Thron besteigst? Kann Gott nicht sein eigenes Werk tun? „Die Rache ist mein: ich will vergelten,“ spricht der Herr. Wir brauchen nicht unsre Zeit damit zuzubringen, dass wir beständig versuchen, zwischen Unkraut und Weizen zu unterscheiden. Das Unkraut, von welchem der Heiland in jenem Gleichnis sprach, glich dem Weizen so sehr, dass Menschen beides nicht unterscheiden konnten, und sein Befehl war: „Lasset beides miteinander wachsen, bis zur Ernte.“ Zur Erntezeit will Er den Schnittern die Weisung geben, den wirklichen Weizen von dem, was nur eine Nachäffung desselben war, zu scheiden. Was uns betrifft, so sollen die Heiligen die Welt richten, aber für die Gegenwart ist der Befehl: „Richtet nichts vor der Zeit.“ Wir können scheiden zwischen dem äußerlich Lasterhaften und dem äußerlich Reinen, an Zeichen, die Gott uns gegeben hat, wie diese: „An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen“ und: „So jemand den Herrn Jesum Christum nicht lieb bat, der sei Anathema.“
Als Hüter der Ehre der Gemeinde sind wir verpflichtet, diese Regeln zu gebrauchen; aber zwischen Bruder und Bruder, die über unwichtigere Punkte verschieden denken, zwischen Christ und Christ, wo jeder seinem Gewissen gehorcht, sollten wir nicht einander gegenseitig verurteilen. Kommt hierher, Brüder! Hier ist Arbeit genug für euch alle, um das große Netz ans Ufer zu ziehen. Was tut ihr da? Sitzt nieder und versucht, die Guten in die Schiffe zu bringen und die Schlechten hinwegzuwerfen? Die Arbeit kann später getan werden; aber nun lasst uns das Netz ans Ufer schleppen. Zieht an, Brüder, mit all eurer Macht! In kurzem wird die Zeit kommen, die Resultate unseres Fischens aufzurechnen, und die Falschen und Wahren zu trennen.
Überdies greifen wir nicht nur dem Gericht vor, sondern wir drängen uns in das Amt und Vorrecht Christi ein, wenn wir die Heiligen verurteilen. „Wir müssen alle erscheinen vor dem Richtstuhl Christi“: das ist der wahre Richtstuhl. Wie oft habe ich vor dem Richtstuhl meiner Mitmenschen erscheinen müssen! Zuweilen werden unsre Beweggründe angegriffen; zu einer andern Zeit unsre Handlungen oder Sprechweise oder unsre Art, die Angelegenheiten der Gemeinde zu verwalten. Wohl, es ist ein Geringes für uns, vor dem Richtstuhl der Menschen zu erscheinen: wir können uns sehr wohl weigern, überhaupt zu erscheinen, denn der Mensch ist nicht unser Herr und wir sind nicht verbunden, seiner Vorladung zu folgen. Woher kommt es, dass so viele Brüder zu glauben scheinen, dass sie Herren sind und Gottes Knechte richten können? Ich kenne einige Christen, die nicht nur Urteile und sehr strenge Urteile fällen über alle um sie her in betreff der Tatsachen, die zu ihrer Kenntnis kommen; sondern sie bilden sich auch, ohne irgend welche Tatsachen, Vorstellungen von Leuten, die sie nie gesehen haben, und sind voll hartnäckiger Vorurteile gegen dieselben. Manche verdrehen Worte zu Meinungen, die nie von dem, welcher sie gebrauchte, beabsichtigt wurden; und andre, ohne auch nur die Entschuldigung eines Missverständnisses der Worte, sitzen nieder und denken sich Böses über ihre Brüder aus. Sie träumen, dass sie geringschätzig behandelt worden sind und dann folgen harte Urteile. Bildet euch einmal ein, dass ihr schlecht behandelt seid, und dann werdet ihr denken, dass alles aus Bosheit gegen euch getan ist, und darauf werdet ihr selbst böse von andern denken. Es gibt Leute, die sehr begabt für Klatscherei sind, die euch durch ihre Reden glauben machen könnten, dass ihr in Sodom und Gomorrha lebtet, wenn nicht gar in Thopheth. Sie lassen euch fürchten, dass jeder, dem ihr Vertrauen geschenkt, ein elender Betrüger sei, dass jeder, der eifrig ist, lohnsüchtig sei, dass jeder Prediger öffentlich predigt, was er im geheimen nicht glaubt, dass jeder liberale Geber nur aus Stolz gibt; dass ihr in der Tat an einem Ort lebt, wo das Geschlecht des Judas Ischariot zehntausendmal vervielfältigt gesehen wird. Man geht zu Bett und kann nicht schlafen, nachdem man mit solchen Ohrenbläsern gesprochen hat. Der Trost ist, dass nichts Wahres an ihren wundervollen Entdeckungen ist. Diese verleumderischen Behauptungen sind eine niedrige Posse des Gerichts und nichts mehr. Warum macht man so viel aus ihnen? Nachdem ihr und ich unser Bestes getan, unsre nachgeäffte Gerichtssitzung zu halten und diesen Mann und jenen Mann vorgefordert haben, was ist es, wenns am besten ist, anders als Kinderspiel, und wenns am schlimmsten ist, eine gewalttätige Anmaßung der Rechte Christi Jesu, der allein als Gesetzgeber inmitten seiner Kirche heute regiert, und der als Richter auf den Wolken des Himmels sitzen wird nach einer Weile und die Welt in Gerechtigkeit richten?
Der Apostel spricht stark gegen diesen bösen Geist der Tadelsucht in der christlichen Gemeinde; und um ihm einen tödlichen Schlag zu versetzen, sagt er: „Es ist alles unnötig; ihr braucht einander nicht zu richten, denn beide, dein Bruder und du selbst, werden vor dem Richtstuhl Gottes stehen. Deine Verurteilung tut nicht nötig, denn wenn irgend ein Mensch wertlos ist, so wird der Richter ihn verurteilen; ihr braucht euch nicht in das Geschäft des Allerhöchsten zu mengen; Er wird die Angelegenheiten der Menschen weit besser ordnen, als ihr es könnt.“
Doch noch mehr: euer Richten ist unnütz: ihr würdet eure Zeit viel besser anwenden, wenn ihr bedächtet, dass ihr auch, die ihr so genau und strenge sein könnt, indem ihr hier auf einen Fehler hinweist und da auf einen andern, selber von einem nicht irrenden Auge geprüft werden sollt. Eure eignen Rechnungsbücher müssen eingesandt und Punkt für Punkt geprüft werden; deshalb seht eure eignen Sachen wohl an. Wenn ihr euer eigenes Herz bewachtet „,aus dem das Leben geht;“ wenn ihr eure eigne Zunge bewachtet und zügeltet, und so euren ganzen Leib beherrschtet; wenn ihr eure Gelegenheiten, Gutes zu tun, benutztet; wenn ihr auf eures Herrn Auge blicktet, wie die Magd auf ihre Herrin sieht, so tätet ihr etwas, das euch viel besser bezahlen würde, als das Kritisieren andrer, zuweilen viel mehr zur Ehre Gottes; viel mehr zum Gewinn der Gemeinde, viel mehr zum Troste eurer eignen Seele wäre. So schließt der Apostel, indem er nach der kräftigsten Übersetzung des Originals sagt: „Wir müssen ein jeder von uns eine Rechenschaft von sich selbst Gott geben.“
Brüder, Schwestern, ich trage euch diese Wahrheiten vor; weil sie für Brüder in Christo bestimmt sind, und nicht so sehr für die äußere Welt. Es sind diejenigen, welche Glauben haben und in dem Haushalt der Liebe sind, denen das Wort der Warnung gegeben ist, nicht zu richten, und uns wird als Grund dafür angeführt, dass ein jeder von uns eine Rechenschaft von sich Gott zu geben hat. Ich weiß nicht, dass ihr besonders eine Warnung vor unfreundlichen Urteilen nötig habt, aber ich weiß, dass ihr sie nötig haben könnt, wie andre Gemeinden sie gehabt. Ich bin sehr dankbar, dass wir nicht viel von diesem großen Übel zu leiden gehabt haben; aber dennoch kommt es unter allen Christen mehr oder weniger auf. Ich las neulich in einer interessanten Schrift über die Apokalypse eine Bemerkung, die mir ein Bild an die Hand gibt: der Verfasser versucht zu erklären, warum der Stamm Dan nicht in der Offenbarung genannt wird unter denen, aus welchen zwölf tausend erwählt sind. Alle andren Stämme sind da, aber Dan fehlt, und Manasse ist an seine Stelle gesetzt. Der Verfasser sagt, es sei, weil Dan „Gericht“ bedeutet oder „einen, der richtet.“ „Diese Richter böser Gedanken“ (Jak. 2, 4) haben Israel zu allen Zeiten viel Plage bereitet; sie haben sich nicht gefürchtet, ihren Bruder zu richten und ihn zu verachten, haben alles und jedes gerichtet, sich selbst ausgenommen. Alle, welche ihr Schibboleth nicht ausgesprochen, und nicht alles in dem gleichen Lichte gesehen, wie sie, haben sie als Ketzer verurteilt, die nicht zu dulden seien, sondern, soweit es in ihren Kräften stand, geächtet werden müssten. Vergeblich ist es geschrieben: „Richtet nicht vor der Zeit, bis der Herr komme, welcher auch wird ans Licht bringen, was im Finstern verborgen ist, und den Rat der Herzen offenbaren!“ Gleich ihrem großen Vorfahren aus diesem Stamme benutzten sie Füchse und Feuerbrände und zündeten nur zu oft das stehende Korn ihrer Nachbarn an, eine Handlung, die wir nie, nicht einmal beim Simson, zu loben vermocht haben. Diese Vorliebe für Füchse und Feuerbrände hat sich unglücklicherweise bis auf diesen Tag in dem Samen Dans fortentwickelt. Und so erhalten wir an der Statt Dans, des Richters, Manasse, einen, der vergisst, einen, der, obgleich von seinen Brüdern verstoßen, ihre Beleidigungen vergibt und vergisst, und wir halten dies für einen guten Tausch; und in der Heimat des neuen Jerusalems, wo keine Mängel mehr sein werden, würde Dan „eine Schlange auf dem Wege“ oder „ein junger Löwe“, ebensowenig Arbeit als Raum finden. Wenn irgend welche von den Daniten dies hören oder lesen, mögen sie um Gnade bitten, ihre Gewohnheiten und Naturen zu ändern.
I.
Nun komme ich zu der Lehre selbst, der ernsten Lehre vom zukünftigen Gericht. Möge Gott sie unsern Herzen einprägen. Unsre Gedanken werden nun auf das zukünftige Gericht gelenkt, und wir betrachten zuerst, dass das Gericht allgemein sein wird. „Denn wir werden alle vor dem Richtstuhl Gottes stehen.“ Es wird also ein Gericht für alle Klassen von Menschen kommen, auch für den starken Bruder, der in seiner Erkenntnis der christlichen Freiheit so weit ging, wie er nur konnte, vielleicht weiter, als er es hätte sollen. Er urteilte, dass er recht in der Sache hätte, aber er muss vor dem Richtstuhl Christi darum stehen. Es wird auch ein Gericht für den schwachen Bruder sein. Er, der so skrupulös und genau war, sollte nicht den andern tadeln, der sich frei in seinem Gewissen fühlt, denn er wird selbst vor dem Richtstuhl Gottes stehen. Keine Höhe der Frömmigkeit wird uns von dieser letzten ernsten Prüfung ausschließen und keine Schwäche wird als Entschuldigung dienen. Der Mann mit einem und der Mann mit zehn Talenten müssen beide Rechenschaft ablegen. Schwachen Christen wird manche Prüfung durch Gottes Milde erspart, aber nicht diese letzte, denn wir sollen jeder für uns selber Rechenschaft ablegen vor Gott: der Starke und der Schwache. Die Männer, welche ein Amt in der Gemeinde verwalteten, werden die Verantwortung dafür zu tragen haben, wie der Apostel Paulus Heb. 13, 7 sagt: „Sie wachen über eure Seelen, als die da Rechenschaft geben sollen.“ Und wiederum: „Nun sucht man nicht mehr an den Haushaltern, denn dass sie treu erfunden werden: der Herr ist es aber, der mich richtet.“ Ich könnte mit gebogenen Knien um euer Mitleid für mich bitten, weil ich einer so großen Gemeinde zu predigen habe und einer so viel größeren da draußen, der ich wöchentlich durch die Presse predige. Weh mir „,wer ist hierzu tüchtig?“ Wer wird in einer solchen Stellung treu erfunden werden? Ich meine, alle Prediger könnten mit Tränen in den Augen zu euch schreien: „Brüder, betet für uns.“ Es ist mein höchstes Verlangen, rein von dem Blute aller Menschen zu sein. Wenn ich wie Georg Fox im Sterben sagen kann: „Ich bin rein, ich bin rein,“ das wäre fast der ganze Himmel, den ich wünschen könnte. O, dass man sein Predigtamt recht verwaltete, und fähig wäre, eine Rechenschaft abzulegen, wie Paulus, der sprach: „Ich habe einen guten Kampf gekämpft, ich habe Glauben gehalten.“ Dies ist meiner Seele Sehnsucht.
Ja, aber nicht nur Prediger, Diakonen, Älteste und solche, die eine hohe Stellung in der Gemeinde einnahmen, werden vor dem Richtstuhl Christi zu erscheinen haben, sondern auch die geringsten Glieder derselben und jene geheimen, die niemals wagten, überhaupt nur Mitglieder zu werden. Ihr werdet nicht imstande sein, euch für immer zu verbergen. Der Mann mit dem einen Talent muss vor seinen Herrn gefordert werden so gewiss wie der mit zehn, und von jedem wird Rechnung verlangt werden. In unseres Herrn Gleichnissen sind es stets des Königs eigne Diener, die vor ihn gerufen werden. „Der Herr dieser Knechte hielt Rechenschaft mit ihnen.“ Unser Herr wird zu jedem seiner Knechte sagen: „Tue Rechnung von deinem Haushalten.“ „Gott wird richten den Gerechten und den Gottlosen,“ „denn wir müssen alle stehen vor dem Richterstuhl Gottes.“ Ich habe keine Zeit oder Raum, in die Unterschiede dieses Gerichtes einzugehen mit Bezug auf die Gerechten und Gottlosen, sondern ich beschränke mich auf die eine Tatsache, dass das ganze Menschengeschlecht gerichtet werden wird nach dem Wort des Herrn Röm. 2, 5: „Der Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes, welcher geben wird einem jeglichen nach seinen Werken, nämlich Preis und Ehre und unvergängliches Wesen denen, die mit Geduld in guten Werken trachten nach dem ewigen Leben; aber denen, die da zänkisch sind und der Wahrheit nicht gehorchen, gehorchen aber dem Ungerechten, Ungnade und Zorn; Trübsal und Angst über alle Seelen der Menschen, die da Böses tun, vornehmlich der Juden und auch der Griechen; Preis aber und Ehre und Friede allen denen, die da Gutes tun, vornehmlich den Juden und auch den Griechen. Denn es ist kein Ansehen der Person vor Gott.“
Was für ein bunter Haufe wird vor jenem Gericht sich sammeln, von allen Nationen, Völkern und Zungen! Personen jedes Alters auch. Ihr Knaben und Mädchen, und ihr, die ihr ein langes Leben durchlebt. Könige und Fürsten werden da sein, um ihre gewichtige Rechnung abzulegen, und Ratgeber und Richter, um ihrem Richter zu antworten; und dann die Menge der Armen und Dürftigen, und diejenigen, welche Gottes vergaßen und ihre Seelen vernachlässigten, - sie müssen alle da sein. Es ist ein allgemeines Gericht. Johannes sagt: „Ich sah die Toten, beide, groß und klein, stehen vor Gott.“ Beide, Schafe und Böcke, sollen vor dem großen scheidenden Hirten sich versammeln; beide, die klugen und die törichten Jungfrauen sollen den Mitternachtsschrei hören; das Haus auf dem Felsen und das Haus auf dem Sand sollen in gleicher Weise durch den letzten furchtbaren Sturm geprüft werden; Unkraut wie Weizen soll reifen; schlechte Fische und gute sollen aus dem Netz heraus gelesen werden, während die Massen draußen, die Völker, die Gott nicht kannten, alle ohne Ausnahme mit Beben die Vorladung vor das furchtbare Tribunal hören werden.
Auch Heilige und Sünder sollen, nur auf sehr verschiedene Art, alle nach den Büchern, und nach dem Buch des Lebens gerichtet werden. So spricht das Wort des Herrn: „Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richtstuhl Christi, auf dass ein jeglicher empfange, nach dem er gehandelt hat bei Leibes Leben, es sei gut oder böse.“ Für die Heiligen wird das Urteil über das, was sie getan, voll Gerechtigkeit sein, denn ihre Taten sollen als ein Zeugnis betrachtet werden, dass sie wirklich mit Gott versöhnt waren. Der Richter wird sprechen: „Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbt das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt.“ Und dann wird der Beweis folgen: „Denn ich bin hungrig gewesen und ihr habt mich gespeist; durstig und ihr habt mich getränkt.“ Diese Früchte sollen der Beweis dafür sein, dass sie in Christo waren, der Beweis, dass sie durch den Glauben gerechtfertigt waren; während auf der andern Seite die saure und bittere Frucht der Ungöttlichen ein Beweis dafür sein soll, dass sie nicht vom Herrn gepflanzt waren: „Ich bin hungrig gewesen und ihr habt mich nicht gespeist; ich bin durstig gewesen und ihr habt mich nicht getränkt; krank und gefangen und ihr habt mich nicht besucht.“ Wir brauchen keine Furcht vor dem zukünftigen Gericht zu haben, wenn wir wissen, dass wir in Christo sind, denn wer fürchtet sich, vor die Schranken des Gerichts zu treten, wenn er weiß, dass er von der höchsten Autorität bereits freigesprochen ist. Wie völlig ist des Christen Sicherheit! Denn es wird kein Ankläger da sein. So glänzend wird die Gerechtigkeit eines Heiligen durch den Glauben sein, dass kein Ankläger erscheinen wird. Horch! Der Herold lässt die Herausforderung ertönen: „Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen?“ Durch den ganzen Gerichtshof schallt es; und Gott ist da - der treue und der allsehende Gott. Beschuldigt Er sie? Weit entfernt. „Es ist Gott, der gerecht macht.“ Außerhalb des Hofes erschallt die Stimme: „Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen?“ Sie hören es im Himmel, und Engel, die den Lauf jedes Gläubigen bewacht haben und gesehen, wie er dem Ziele nachgejagt hat, haben keine Anklage. Die Herausforderung wird in der Hölle gehört, wo Teufel die Gottesfürchtigen hassen, aber sie wagen es nicht, eine Lüge gegen sie zu schmieden. Glücklich der, welcher auch sprechen kann: „Hinfort ist mir beigelegt die Krone der Gerechtigkeit, welche mir der Herr an jenem Tage, der gerechte Richter, geben wird.“ Beachtet, Er will sie als Richter geben, und an jenem Tage; wer braucht sich denn zu fürchten, vor das Gericht zu treten, wenn jede Anklage zum Schweigen gebracht ist und ein Lohn erwartet wird?
Aber ihr sagt noch, dass der Gläubige gesündigt hat. Ja, aber diese Sünde ist vergeben worden, und er hat eine Gerechtigkeit, womit er dem Gesetz antworten kann. Ich will euch, ehe ich schließe, zeigen, wie der Christ gerichtet, verurteilt, seine Sache entschieden und das Urteil im wesentlichen schon vollzogen ist, so dass keine Verdammung sein kann. Daher diese zweite Herausforderung: „Wer will verdammen?“ Der Richter ist der einzige, der verdammen kann, und wir sind gewiss, dass Er es nicht will, denn „Christus ist hier, der gestorben ist, ja, vielmehr, der auch auferweckt ist, welcher ist zur Rechten Gottes und vertritt uns.“ Zittert deshalb nicht bei der Lehre, dass wir alle vor dem Richterstuhl Christi erscheinen sollen, sondern betet, dass wir, wie Johannes es nennt: „Freudigkeit am Tage des Gerichts“ haben mögen, weil, wie Judas sagt: der Herr Jesus „euch behüten kann, ohne Fehler, und stellen vor das Angesicht seiner Herrlichkeit unsträflich mit Freuden.“ Nicht ein einziger wird dem Gericht entgehen. Es wird kein Weglassen aus dem Kalender sein; jedes Wesen aus Adams Geschlecht soll für sich selber antworten. „Die Könige der Erde und die Großen und die Hauptleute und die Starken und jeder Freie und jeder Knecht“ müssen das Angesicht Dessen sehen, der auf dem Throne sitzt. Wir werden erscheinen müssen, wie die Leute es vor Gericht müssen, wenn ihnen bei Strafe befohlen wird, zu erscheinen. Das Wort Jesu ist: „Sieh, ich komme bald, und mein Lohn mit mir, zu geben einem jeglichen, wie seine Werke sein werden.“ Ach, wie ungern werden Empörer vor jenen Thron kommen! Pharao! du musst einen Größeren denn Moses sehen. Herodes! du musst das junge Kind auf seinem Throne sehen. Judas! du erhängtest dich, um dem Gericht deines Gewissens zu entgehen, aber auf keine Weise kannst du dem Gericht deines Gottes entgehen. Obgleich viertausend Jahre vergangen, seit die Menschen gestorben sind und ihre Leiber ganz dahin geschwunden sein mögen, dennoch sollen, wenn die Posaune den klaren und schrillen Ton gibt, ihre Leiber wiederum lebendig werden und sie müssen alle vortreten, jeder, um für sich selber zu antworten bei jener großen Gerichtssitzung vor dem Richter aller Welt, der nach dem Rechte mit einem jeglichen handeln wird. Lasst uns denn uns beugen vor der ernsten Wahrheit, dass Gott einen Tag bestimmt hat, an dem Er die Welt in Gerechtigkeit richten wird durch den Mann, den Er dazu verordnet hat.
II.
Die zweite Wahrheit, die wir so sehr hervortreten lassen müssen, wie wir es nur können, ist die, dass es ein persönliches Gericht für einen jeden sein wird. Dies ist der Kern von dem, was der Apostel sagt: „So wird nun ein jeglicher von sich selbst Gott Rechenschaft geben.“ Das Gericht wird nicht in einer summarischen, unterschiedslosen Weise vor sich gehen, nicht über ein Geschlecht oder einen Stamm, sondern ein jeder wird besonders stehen müssen und die abgelegte Rechnung wird nicht von einer Familie oder einem Verein sein, sondern von einem jeden einzeln für sich selbst. Beachte dies sorgfältig, o Mensch! Jeder von uns soll Rechenschaft ablegen für seine eignen Handlungen, für seine eignen Gedanken, für seine eignen Worte, für seine eignen Absichten; nein, nicht nur davon, sondern von sich selbst. Jeder soll Rechenschaft geben von dem Zustand seines eignen Herzens, von der Verfassung seines Gemüts vor Gott, ob er Buße getan, ob er geglaubt, ob er Gott geliebt, ob er eifrig gewesen, ob er wahr, ob er treu gewesen. Wenn die Rechenschaft sich nur auf Handlungen, Worte und Gedanken bezöge, so würde sie schon ernst genug sein, aber ein jeglicher muss von sich selbst Rechenschaft ablegen, von dem, was er war sowohl, als von dem, was er tat; von dem, was in seinem Herzen war sowohl, als von dem, was aus demselben hervorkam in seinen Taten. O, was für ein Verhör wird dies sein!
Wir sollen dann eine Rechnung ablegen von unserm Richten über andre. Wir sollen nicht das zu verantworten haben, was sie taten, sondern dass wir es wagten, sie zu richten und zu verurteilen. Dachtet ihr je daran, ihr, die ihr andre richtet, dass ihr damit den Maßstab aufstellt, nach welchem ihr selber gerichtet werden sollt? Ich finde gewöhnlich, dass diejenigen, welche am strengsten gegen andre sind, oft große Nachsicht in betreff ihrer selbst nötig haben und erwarteten, aber es wird nicht so am letzten Ende sein, denn so steht es geschrieben: „Mit welcherlei Gericht ihr richtet, werdet ihr gerichtet werden.“ Wie leicht wird es sein, die Tadler am jüngsten Tage zu richten! Der Richter wird nur zu sagen brauchen: „Sie haben sich schon selbst. verurteilt; sie haben ihre eignen Fehler verurteilt, wenn sie dieselben in andren sahen; sie haben die schärfsten Urteile über geringere Fehler als ihre eignen gefällt; aus ihrem eignen Munde lasst sie den Urteilsspruch nehmen und von hinnen weichen.“ Ihr werdet keine Rechenschaft für andre Leute zu geben haben, aber ihr habt für euch selber sie abzulegen und davon, wie ihr andre richtetet. Die letzte Rechenschaft wird ganz persönlich sein, darum seht euch vor.
Diese Rechenschaft wird nach meinem Text mit voller Unterwerfung verbunden sein. „So wahr als ich lebe, spricht der Herr, mir sollen alle Knie gebeugt werden.“ Du magst heute sagen: „Ich kümmere mich nicht um Gott;“ du wirst dich um Ihn zu kümmern haben. So wahr Gott lebt, wirst du dich zu beugen haben. Du magst sagen: „Was geht es mich an, was die Bibel sagt!“ Es wird dich angehen, so gewiss als Gott lebt, und das ist die stärkste Gewissheit, die es überhaupt gibt. Gott hat einen Eid darauf geschworen und erklärt, dass du seine Herrschaft anerkennen sollst. Du tätest besser, dich sogleich zu beugen, denn du musst entweder biegen oder brechen. Gott will seine Herrschaft von der ganzen Menschheit anerkannt haben. Hat Er uns nicht gemacht? Verdanken wir Ihm nicht alles? Er will nicht auf immer seine Kronrechte von uns verleugnet sehen. Er ist der Herr des Alls und Er schwört bei sich selber, dass jedes Knie sich beugen und Ihn anerkennen soll. Du wirst dahin kommen müssen, mein Freund. Danach wirst du zu bekennen haben; so sagt der Text. Hierunter verstehe ich, dass du zu bekennen haben wirst, dass Gott dein Herr und Meister ist, und ein Recht auf deine Dienste hat; dass du sein Gesetz hättest halten sollen; dass du, indem du sündigtest, Unrecht getan, und gehandelt, wie du nicht hättest handeln sollen. Dieses Bekenntnis wirst du nicht imstande sein zurückzuhalten. O, wie werden die Gottlosen sich auf die Zungen beißen, wenn sie gezwungen sind, ihre Torheit und ihr Unrecht zu erkennen! Aber es wird aus eines jeden Menschen Munde kommen müssen. Wenn Gott sein Urteil ausspricht und die Ungöttlichen in die Hölle hinab gesandt werden, so werden sie ihre eigne Zustimmung dazu geben, dass Er gerecht ist, indem Er sie verurteilt und straft. Der Ausspruch der Verworfenen in der Hölle ist, dass sie dieselbe verdienen; und dies ist in der Tat die Hölle der Hölle, dass sie nicht die Gerechtigkeit jener Pein leugnen können, die als Folge ihres Ungehorsams über sie kommen wird. Gott wird dahin sehen, dass wir Ihn entweder im Leben oder im Tode rechtfertigen, indem wir bekennen, dass Er gerecht ist.
Ich wende mich an euch, meine lieben Hörer, mit der Frage, ob die Rechnung fertig ist, die ihr vor Gott abzulegen haben werdet: habt ihr überhaupt eine geführt? Zuweilen, wenn Leute vor Gericht erscheinen, machen sie geltend, dass sie keine Bücher haben und das ist immer ein schlechtes Zeichen. Ihr wisst, was der Richter davon hält. Könnt ihr es wagen, euch zu prüfen und Fragen zu beantworten? Könnt ihr Rechnung geben von eurem Haushalten? Habt ihr sie richtig geführt oder habt ihr große Dinge in das „Haben“ eingetragen, die ihr in das „Soll“ hättet setzen müssen? Euer Betrug wird entdeckt werden, denn der große Rechnungsführer wird alles durchlesen und einen Irrtum in einem einzigen Augenblick wahrnehmen. Ist eure Rechnung richtig geführt und seid ihr bereit, sie in diesem Augenblick einzureichen? Christlicher Bruder, du und ich könnten ein wenig zaudern, ehe wir „Ja“ dazu sagten, und doch hoffe ich, könnten wir es, denn wir wissen, dass wir von Gott angenommen sind. Die aber, welche kaum an ihren Gott, ihren Schöpfer gedacht haben, was werden die tun? was können sie tun, wenn jeder von ihnen Rechnung ablegen muss vor Gott, und sie keine Rechnung haben, außer einer, die sie verurteilen wird, weil sie ihres Meisters Güter verschwendeten und den ewigen Gott um das betrogen, was Ihm gebührte, und an ihre Lüste das verwandten, was ihrem Gott hätte gewidmet sein sollen? Dieses Gericht also wird persönlich sein; du kannst nicht deine gottesfürchtige Mutter mit dir in die Waagschale tun; du kannst nicht deinen lieben alten Vater mit dir im Gericht vergesellschaften. O Kinder, ihr könnt nicht nach euren Ahnen gerichtet werden, sondern nach euren Taten. Denn es steht geschrieben: „Des Menschen Sohn wird kommen in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen Engeln; und alsdann wird Er einem jeglichen vergelten nach seinen Werken.“ O, richtet euch darauf; Gott helfe euch, es zu tun.
III.
Drittens: dieses Gericht wird ein göttliches sein. „Wir werden vor dem Richtstuhl Gottes stehen.“ Das Gericht wird allgemein, persönlich, göttlich sein; und weil es der Richtstuhl Gottes ist, wird das Gericht nach der Wahrheit sein. Gott wird keine Versehen machen: Er wird uns nicht unverdienterweise eines Unrechts beschuldigen, und Er wird uns nicht für gut halten, weil wir gut erscheinen. Er wird die Sache bis auf den tiefsten Grund erforschen. Seid ihr bereit, geprüft zu werden wie durchs Feuer? Prüfung durch Feuer ist nur ein dürftiges Bild von der Prüfung durch das forschende Auge des Allerhöchsten. Er wird uns prüfen nach dem hohen Maßstab vollkommener Gerechtigkeit. Wir beurteilen uns einer nach dem andern, und wenn wir ebenso freigebig, oder ebenso voll Gebet und Gnadengaben sind wie andre, so halten wir alles für gut. Aber die Wage des Heiligtums ist weit genauer. Da wirst nicht du in der einen Schale sein und ich in der andern; und ich, wenn ich ebenso fromm bin wie du, angenommen werden. Ach, nein; es ist ein andrer Maßstab da, als dieser, der Maßstab der Wahrheit und Gnade im Herzen, der wahren Liebe zu Gott und der Gleichheit mit dem Bilde Christi. Urteilt, ob ihr diese Prüfung bestehen könnt. Das Gericht wird ein sehr gründliches sein. „Der Herr erforscht die Herzen.“ Er wird nicht nach dem richten, was vor Augen ist, sondern unsre Geheimnisse erforschen. Dann sollen die Grundlagen geprüft werden, dann soll alles, worauf der Mensch ruhte und sich verließ, untersucht werden, ob es der Fels des Heils oder ob es bloßer Sand der Vemessenheit war. Es wird kein solcher Prüfungstag vorher oder nachher sein, als dieser Tag des Gerichtes Gottes. „Denn Gott wird alles Werk vor Gericht bringen, das verborgen ist, es sei gut oder böse.“ Dieses Gericht wird unparteiisch sein. Ihr und ich, wir sind immer parteiisch, wenn wir uns selber wägen. Wir fällen gewöhnlich den mildesten Spruch, ausgenommen wenn wir gerade in schwermütiger Stimmung sind, und dann sind wir krankhaft empfindlich. Aber Gott wird uns ohne Parteilichkeit richten. Reicher Freund, dieser Diamantring wird nichts an jenem Tage nützen: meine Damen, diese schönen Kleider werden keinen Eindruck auf jenen Gerichtshof machen. Mein gelehrter Freund, jener Henkel an deinem Namen wird nichts verschlagen; und du, feiner Herr, mit deiner Ritterwürde, deiner Grafenkrone oder deinem Herzogstitel wirst um nichts besser daran sein; denn Wappenschilder und selbst Königskronen gelten alle für nichts vor dem Throne Gottes, der die Person nicht ansieht.
Dieses Gericht wird endgültig sein. Der Spruch des höchsten Richters wird alles entscheiden. Sagt Er: „Geht von mir, ihr Verfluchten!“ Sie können nichts andres tun. Sagt Er: „Kommet her, ihr Gesegneten!“ O, wie selig, in die ewige Heimat einzugehen! Möge keiner von euch Ihn jemals sagen hören: „Geht hin von mir;“ denn Er wird niemals den Spruch aufheben: ihr werdet zu gehen haben, und fortfahren zu gehen, weiter, weiter und immer weiter von Ihm, der Hoffnung und Leben und Freude ist. Es ist keine Hoffnung gegeben, dass Er jemals sagen wird: „Kommt wieder zurück, ihr Verfluchten;“ aber nein: „Geht in das ewige Feuer in der Hölle.“ Gott rette uns vor einem solchen Endurteil, wie dieses.
Beim letzten Gericht werden gewisse Sünden sich als schwerwiegend erweisen. Ich will nicht mehr tun, als einige von ihnen nennen. Es gibt eine, die niemals von irgend einem Richter milde behandelt wird; es ist die Verachtung des Gerichtshofes. Gott wird bald genug diejenigen verdammen, die seine Autorität verachtet haben. Sind hier solche, welche den Herrn, ihren Gott, verachten und seinen Rat gering schätzen? Sie denken selten oder nie an Gott und sein Gesetz und halten nicht einmal seinen Tag heilig, sondern sagen: „Wer ist der Herr, dass wir seiner Stimme gehorchen sollten?“ Hütet euch, ihr Verächter, und wundert euch und kommt, denn der Herr, unser Gott, ist eifersüchtig auf seinen großen Namen, und hört die Stimmen derjenigen, die über Ihn spotten. Verwerfung der Gnade ist auch ein hohes Verbrechen und Vergehen. Der Richter, welcher auf dem Thron sitzen wird, hat schon euch allen Gnade angeboten, und die Unbekehrten haben sie ausgeschlagen. Gewiss, die verdienen die tiefste Hölle, welche die ewige Liebe geringschätzten. Wenn der Richter sagen kann: „Dem Gefangenen vor den Schranken ist die frohe Botschaft der Vergebung angeboten worden, aber er hat sich geweigert, sie anzuhören, oder nachdem er sie gehört und fast überredet war, hat er es doch bis zu einer gelegeneren Zeit aufgeschoben, und hier steht er als einer, der das Blut Christi mit Füßen getreten.“ Dies wird die grimmigste Hitze des ewigen Brennens sein. Ihr schlugt die Gnade aus; ihr stießet das ewige Leben fort und hieltet euch der Errettung für unwürdig. Diese Sünde wird ein Mühlstein um die Seele auf ewig sein.
Weiter ist das Verbrechen wissentlicher, überlegter, absichtlicher Sünde da. Sind einige von euch dessen schuldig gewesen und seid ihr nicht zu Christo geflohen? Wähltet ihr Sünde mit dem Bewusstsein, dass es Sünde war? Wählt ihr immer noch Sünde und lebt darin der Stimme eures Gewissens entgegen? Ach, glaubt es, wiederholte Sünde, fortgesetzte Sünde, wird schnelles und sicheres Verderben bringen. Diese Sünden gehen vorauf zum Richtstuhl und werden zu ernsten Anklagen gegen die Schuldigen.
Ich kann nicht schließen unter diesen Wolken. Brich hervor, o Sonne! Schlagt die Stelle auf, aus der Paulus die Worte anführte; denn da werdet ihr ein liebliches evangelisches Wort hören, das passend meine Rede enden wird. Paulus hatte Jes. 45, 23 im Gedanken. Er gab den Vers nicht wörtlich, aber dem Sinne nach. Hier ist die Stelle: „Ich schwöre bei mir selbst, und ein Wort der Gerechtigkeit geht aus meinem Munde, da soll es bei bleiben, nämlich: Mir sollen sich alle Knie beugen und alle Zungen schwören.“ Nun, welche Worte, meint ihr, gehen diesen vorher? Ihr sollt selbst nachsehen. Ich will warten, bis ihr eure Bibeln öffnet. Seht ihr jene gesegneten Zeilen? Gott erklärte, dass jeder vor Ihm sich beugen soll und seine Macht anerkennen; aber welches Wort der Ermahnung steht vor diesem seinem Eide? Ich wünschte, ich könnte es in diesem Augenblick in leuchtenden Buchstaben gleich Blitzstrahlen durch das ganze Gebäude zucken lassen: „Blickt auf mich und werdet errettet, aller Welt Ende; denn ich bin Gott und keiner mehr.“ Diese Botschaft der Gnade steht dicht neben der Weissagung des Gerichts. Kommt denn, liebe Seelen, ihr, die ihr schuldig seid, kommt und beugt euch vor Gott, ehe Er den Thron des Gerichts besteigt. Kommt und tut willig, was ihr sonst später gegen euren Willen tun müsst. Kommt nun und bekennt, dass Er Richter ist und geehrt werden muss; bekennt, dass Er König ist und Ihm gehorcht werden muss; bekennt, dass ihr seine Untertanen seid und verpflichtet, Ihm zu dienen; bekennt, dass ihr Unrecht getan habt, schweres Unrecht, indem ihr sein Gesetz gebrochen; kommt und schreibt eure eigne Anschuldigung; kommt und seid eure eignen Verkläger; kommt und verurteilt euch selber; kommt und beugt euer Haupt, wenn Gottes Gesetz euch verurteilt; kommt und bekennt, dass ihr den göttlichen Zorn verdient, und unterwerft euch des Herrn Gerechtigkeit. Dann blickt noch einmal auf euren Gott und Heiland und sagt: „Mein Herr, ich weiß, Du bist mein Richter; aber Du bist auch mein Erlöser; ich nehme die Stelle der Verurteilten an, aber ich sehe, dass Du hier um meinetwillen standest, der Gerechte für den Ungerechten, mein Stellvertreter, der meine Sünde und Strafe trug. Teurer Herr, ich nehme Dich als meinen Stellvertreter an; ich übergebe mich Dir; ich stehe nun verhört, verurteilt, bestraft, tot, wieder auferstanden in Dir, und deshalb begnadigt, freigesprochen, gerechtfertigt, geliebt, angenommen um Jesu willen.“ O, ist dies nicht ein gesegnetes Ende für eine ernste Predigt?
„Christi Blut und Gerechtigkeit,
Das ist mein Schmuck und Ehrenkleid,
Damit will ich vor Gott besteh'n,
Wenn ich zum Himmel werd' eingeh'n.“
Gott segne euch. Amen.