Spurgeon, Charles Haddon - Predigt-Entwürfe - 81. Ein durch seine Gedanken erschreckter Mann.
„Seine Gedanken erschreckten ihn.“ Dan. 5,6.
Für viele Menschen ist das Denken eine ungewohnte Beschäftigung. Und doch ist es ein Vorzug des Menschen, dass er denken kann. Kein Wunder, dass manche Menschen erschrecken, wenn sich ihnen Gedanken aufdrängen. Solches Erschrecken durch Gedanken ist heilsam; dadurch können sie zur Überzeugung und zur Bekehrung kommen; jedenfalls aber sind erschreckende Gedanken gleich dem Läuten der Sturmglocke, die den Sinn erwecken und die Seele warnen.
Lasst uns an Belsazar und an uns denken. Auch von uns mag gesagt worden sein: seine Gedanken erschreckten ihn.“ Wir müssen auf schlechtem Wege sein, wenn wir unsere Gedanken über uns selbst nicht ertragen können. Welches müssen dann Gottes Gedanken von uns sein?
I. Es schien nicht sehr wahrscheinlich, dass seine Gedanken ihn erschrecken würden.
- Er war ein unverantwortlich sorgloser Monarch. Er war aus einem wilden Stamm und der Sohn eines Vaters, der wegen seines hochfahrenden Sinnes bestraft worden war.
- Er hatte sein Herz durch Hochmut verhärtet (V. 22. 23). Daniel sagte: „Du hast dich wider den Herrn des Himmels erhoben.“
- Er war beim Weintrinken, und dieser hatte schon auf ihn gewirkt (V. 2).
- Er schwelgte in lustiger Gesellschaft: „seine Gewaltigen, seine Weiber und Kebsweiber“. Derartige Gesellschaft vertreibt womöglich alle Gedanken und fördert den Anführer in seiner Sorglosigkeit.
- Er verstieg sich weit in seiner Gottlosigkeit (V. 3); er wagte es, bei seinem Gastmahl die heiligen Geräte zu missbrauchen als Ausdruck der Verachtung des Gottes Israels, den er verachtete im Gegensatz zu den goldenen und silbernen und eisernen und hölzernen und steinernen Götzen. Vielleicht hatte er diese erwähnt als die Götter, welche triumphiert hatten; jedenfalls erwähnt der Prophet sie im verächtlichen Sinne in V. 4.
Kein Mensch wird durch den Weinbecher weise oder nachdenklich gestimmt. Kein Mensch ist außer dem Bereich der Pfeile Gottes. Kein Gewissen ist so tot, dass er es nicht erwecken könnte.
Viele Menschen in weit niedrigeren Stellungen zeigen gleichen und ähnlichen Hochmut, wie sich das auch in der gleichen Verachtung göttlicher Dinge offenbart.
Eine Parallele zwischen Belsazar und anderen Stolzen lässt sich leicht ziehen.
II. Dennoch mochten ihn seine Gedanken wohl erschrecken.
- Denn was er sah, war erschreckend: „Finger als eine Menschenhand“ rc. (V. 5). Gott gibt den Menschen zuweilen Warnungen, die sie beachten müssen.
- Was er nicht sehen konnte, ließ ihn viel vermuten. Wo war die Hand? Wo war der Schreiber? Wer hatte es geschrieben? Was mochte das bedeuten? In diesem Gesicht war ein schreckliches Geheimnis enthalten. Gott gibt den Menschen Winke hinsichtlich dessen, was nachkommen wird.
- Denn was er getan hatte, war beängstigend. Seine Vergangenheit tauchte vor ihm auf. Seine grausamen Kriege, Unterdrückungen, Lästerungen, Laster. Was er von seines Vaters Laufbahn wusste, vermehrte seine Schrecken. Was er selbst zu tun versäumt hatte, trat vor ihn hin: „Den Gott, der deinen Odem und alle deine Wege in seiner Hand hat, hast du nicht geehrt“ (V. 23). Was er aber in diesem Augenblicke getan, beunruhigte ihn. Er hatte mutwillig Jehovah, den Gott Israels, herausgefordert.
Sieh ihn zittern vor Dem, vor welchem alle zittern. Er hat einen seltsamen Zug aus diesen heiligen Geräten getan.
III. Und dürften nicht manchem von euch eure Gedanken erschrecken?
- Du bist sorglos, vergnügt, feierst gern Feste, trinkst gern Wein. Endet der Mutwille und die Lüsternheit jemals gut?
- Es gelingt dir alles, was du unternimmst. Werden nicht Tiere fett gemacht für den Schlachter?
- Du scherzt mit heiligen Dingen. Vernachlässigst, bespöttelst oder gebrauchst die göttlichen Dinge ohne jeglichen Ernst. Wird Er das dulden? Wird der Herr nicht gereizt, diese Verachtung zu rächen?
- Du mischt dich unter die Unreinen. Wirst du nicht mit ihnen umkommen?
- Deines Vaters Geschichte könnte dich belehren oder dich wenigstens erschrecken.
- Du speziell bist in der Waage gewogen und zu leicht erfunden. Dein Gewissen sieht die Waage in der Hand des untrüglichen Richters. Hüte dich, dass du nicht verfällst in den Zustand Belsazars, welchem Daniel keinen Rat zu geben hatte. Er legte ihm einfach die Worte aus, welche sein Urteil besiegelten.
Noch dürfen wir dir das Evangelium predigen, und wir tun es. Gottes Gedanken sind höher, als deine Gedanken. Er gebietet dir, deine Sünden zu bereuen und an seinen Sohn Jesus zu glauben, und dann werden dich deine Gedanken nicht mehr erschrecken.
Gedanken und Tatsachen.
Wie ein Ameisenhaufen, wenn er angerührt wird, seine lebendigen Insekten nach allen Richtungen hin in Bewegung setzt, so macht das Gewissen des Sünders, wenn es durch den Heiligen Geist oder durch die Gerichte Gottes erschreckt wird, tausende von Taten rc. lebendig, und sie erfüllen die Seele mit Angst und Weh. McCosh.
Der Herzog von Wellington sagte einst, dass er in einem Jahre tausend Männern das Leben hätte retten können, wenn er Feldprediger oder sonst christliche Helfer hätte haben können. Ihr unruhiges Gemüt wirkte auf ihre Körper ein und erhielt sie in beständigem Fieber, nachdem dasselbe sie einmal erfasst hatte. Es ist unsere selige Aufgabe, Einen verkündigen zu dürfen, dessen Gnade von dem „bösen Gewissen“ befreit und durch Den alle innere Furcht und alle Schrecken beseitigt werden. Karl IX. von Frankreich war in seiner Jugend sehr menschenfreundlich und zartfühlend. Der böse Feind, welcher ihn versuchte und sein Gewissen abstumpfte, war die eigne Mutter, die ihn geboren und erzogen hatte. Als sie ihm zuerst den Vorschlag machte, die Hugenotten ermorden zu lassen, fuhr er erschreckt zurück. „Nein, nein, Madame! Das sind meine getreuen Untertanen!“ Das war die kritische Stunde seines Lebens. Hätte er den natürlichen Widerwillen gegen das Blutvergießen genährt und sein Zartgefühl bewahrt, dann hätte die schreckliche Bartholomäusnacht die Geschichte seines Reiches nie verunglimpft, und er hätte sich die schreckliche Angst erspart, die ihn auf seinem Sterbebett quälte. In seinen letzten Stunden sagte er zu seinem Arzt: „Ob ich schlafe oder wache - immer sehe ich die verstümmelten Gestalten der Hugenotten an mir vorübergehen. Sie triefen von Blut und schneiden mir schreckliche Gesichter. Sie weisen hin auf ihre offenen Wunden und spotten meiner. O, dass ich wenigstens der kleinen Säuglinge an der Mutterbrust geschont hätte!“ Dann brach er in entsetzlich ängstliches Schreien und Stöhnen aus. Blutiger Schweiß perlte aus den Poren seiner Haut. Er war einer von den wenigen in der Geschichte, welche die Möglichkeit jener seltsamen Erscheinung, welche die Seelenqualen des Herren in Gethsemane begleitete, bestätigen. Das war die Folge davon, dass er vor Jahren das natürliche Zurückschrecken seines zarten Gewissens vor der entsetzlichen Schuld unterdrückte. Austin Phelps.