Spurgeon, Charles Haddon - Predigt-Entwürfe - 69. Viel Vergebung.
„Er bekehre sich zum Herrn, so wird Er sich seiner erbarmen, und zu unserem Gott, denn bei Ihm ist viel Vergebung.“ Jes. 55,7.
Der Prophet stellt die Mission Jesu dar (V. 4. 5), und wendet sich dann sogleich den Sündern zu, denn Jesus kommt zu Sündern; Er verkündigt ihnen Vergebung, denn diese bringt Jesus. Der Ruf fordert praktisch Glauben und Buße. Der Beweggrund dazu ist die reichliche Vergebung aus freier Gnade. Es gibt keinen mächtigeren Beweggrund, um auf Sünder einzuwirken.
I. Lasst uns die Fülle der göttlichen Vergebung betrachten. Wir können das um so besser tun, wenn wir erwägen:
- Die wunderbare Eigenschaft Gottes, aus welcher sie entspringt. Alle Eigenschaften und Vollkommenheiten Gottes sind unendlich und harmonisch, aber uns wird gesagt, dass „Gott ist die Liebe,“ und dies wird nicht von der Gerechtigkeit oder Macht gesagt. „Deine Gnade reicht, so weit der Himmel ist.“ Ps. 108,4; Ps. 119,64; Ps. 136.
- Die Menge der Begnadigten. Von dem Tage Adams bis jetzt hat Gott viele aus allen Nationen, Klassen und Altersstufen begnadigt. Wir verlieren bald die Geduld, wenn wir viele sündigen sehen; nicht so unser Gott. „Du hast vergeben diesem Volk aus Ägypten bis hierher.“ 4 Mose 14,19.
- Die vielen Sünden, welche vergeben sind. Wer kann zählen die Gedanken, Worte und Werke, welche vergeben sind? Sünden gegen Gesetz und Evangelium, gegen Licht und Liebe, in der Jugend und im hohen Alter. Doch Gott nimmt sie weg, wie die zahllosen Heuschrecken vom Winde vertrieben, oder wie die Tautropfen von der Sonne aufgesogen werden. Welche überschwängliche Fülle von Sünden! Manche waren geplant und sind wohlüberlegt ausgeführt. Manche sind wie ein Nest von Spinnen, wo es von Sünden schwärmt. Manche sind lüstern, grausam, lästerhaft, unklug. Manche sind oft wiederholt und werden dadurch strafbarer. Und doch weiß der Herr auch das eingewurzelte Gift der Sünde wegzunehmen.
- Die überschwänglichen Mittel der Vergebung. Das Sühnopfer des Sohnes und seine Gerechtigkeit. Das unendliche Verdienst des stets lebenden Vertreters. Der Heilige Geist, der stets da ist, um die Heilsgüter anzueignen.
- Die überschwänglich leichten Bedingungen, Vergebung zu erlangen.. Keine harten Forderungen und Bußübungen und Fegefeuer rc. Nur bitten und nehmen; bereuen und vertrauen. Selbst die erforderliche Buße und der Glaube wird gegeben.
- Die überschwängliche Fülle der Vergebung. Sie erstreckt sich auf alle früheren, gegenwärtigen und zukünftigen Sünden. Sie ist höchst wirksam und sicher, beständig und unwiderruflich; begleitet von zugerechneter Gerechtigkeit. Vergebung wäscht und Rechtfertigung bekleidet und verschönert.
- Die überschwänglichen Segnungen, welche sie begleiten. Befreiung aus dem geistlichen Gefängnis, gesetzlichen Banden rc. Freiheit von der Herrschaft inwohnender Sünde. Aufnahme in Gottes Familie. Eine so völlige Annahme, dass wir Ankläger herausfordern können. Beschäftigung: in Vertrauensdiensten. Gemeinschaft mit dem dreimal heiligen Gott. Erhörung unserer Gebete ebenso, als ob wir vollkommen rein wären. Schließliche Aufnahme in den Himmel.
II. Lasst uns die rechten Schlussfolgerungen daraus ziehen, und diese sollen den praktischen Schluss unserer Predigt bilden.
- So ist da kein Grund zum Verzweifeln. Wenn der Herr nur dann und wann vergäbe, wäre es geraten, diese Gunst auf den bloßen Zufall hin nachzusuchen; nun aber lasst uns in der sicheren und gewissen Hoffnung der Vergebung uns zu Ihm wenden.
- So ist hier eine dringende Aufforderung, Buße zu tun, denn wer könnte einen so guten, freundlichen Herrn beleidigen?
- Hier ist ein besonderer Ruf an die größten Sünder, da viel Vergebung gerade für sie passt; und nicht weniger sollten die weniger Schuldigen kommen, weil sie gewiss Vergebung finden werden.
- So ein vielvergebender Gott verdient es, viel geliebt zu werden, und das Leben der Begnadigten sollte es beweisen, dass, wem viel vergeben ist, auch viel liebt.
- Wenn solche Barmherzigkeit verachtet wird, so zieht das sicher großen Zorn nach sich.
Einladende Klänge.
Die Sünde, welche nicht zu groß ist, aufgegeben zu werden, ist nicht zu groß, vergeben zu werden.
In uns ist die Barmherzigkeit nicht mehr als ein Tropfen; in Gott ist sie ein Ozean; in uns ist sie nicht mehr als ein kleines Bächlein; in Gott ist sie eine sprudelnde Quelle. Eine Quelle läuft beständig, ein Ozean ist nie zu erschöpfen. Was ist ein kleiner Feuerfunken, wenn er ins Meer fällt? So sind die Sünden eines Bußfertigen, wenn die Barmherzigkeit Gottes damit zu tun hat. Thomas Horton.
Einer von den gefangenen Nachfolgern des Herzogs von Monmuth wurde Jakob II. vorgeführt. „Du weißt, dass es in meiner Macht steht,“ sagte der König, „dich zu begnadigen.“ „Ja,“ sagte der Gefangene, der seinen grausamen Charakter wohl kannte; „aber es liegt nicht in Ihrer Natur.“ Wie unweise die Antwort auch war, ihre Wahrheit zeigte sich sehr bald. Glücklicherweise wissen wir, dass Gott nicht nur die Macht, sondern auch die Neigung hat, Barmherzigkeit zu erweisen. Vor Dir ist die Vergebung.“
Herr Fleming erzählt in seiner „Erfüllung der Heiligen Schrift“ einen Fall von einem sehr verstockten Sünder, welcher zu Ayr enthauptet wurde. Es gefiel dem Herrn, ihn während seiner Kerkerhaft zur Buße zu führen, und seine Gewissheit von der vergebenden Barmherzigkeit war so groß, dass er, als er auf der Hinrichtungsstätte ankam, es nicht lassen konnte, unter dem Bewusstsein der Vergebung dem Volk zuzurufen: „O, Er ist ein großer Begnadiger! Er ist ein großer Begnadiger!“ und er fügte hinzu: „Nun hat die vollkommenen Liebe die Furcht ausgetrieben. Ich weiß, Gott hat nichts gegen mich, denn Jesus Christus hat alles bezahlt; und welche der Sohn frei macht, die sind recht frei.' G. S. Bowes.
Herr, ehe ich eine Sünde begehe, erscheint sie mir so flach, dass ich meine, trockenen Fußes und frei von irgend welcher Schuld hindurch waten zu können; aber wenn ich sie getan habe, erscheint sie mir so tief, dass ich ihr, ohne ertränkt zu werden, nicht entrinnen kann. So bin ich stets extrem; entweder sind meine Sünden so klein, dass sie keiner Buße bedürfen, oder so groß, dass keine Vergebung dafür zu finden ist. Leihe mir, o Herr, ein Maß aus Deinem Heiligtum, damit ich den Umfang meiner Vergehungen richtig ermesse. Aber o, indem Du mir mehr von meinem Elend offenbarst, zeige mir auch mehr von Deiner Barmherzigkeit, damit nicht, wenn nach meiner Auffassung meine Wunden sich weiter ausdehnen, als Dein Pflaster reicht, meine Seele verzage. Wenn meine Schlechtigkeit nur einen Augenblick, nur um eines Haares Breite größer erscheint als Deine Güte, dann ist das genug, mich in ewige Verzweiflung zu versenken. Thomas Fuller.