Spurgeon, Charles Haddon - Predigt-Entwürfe – 39. Gute Botschaft für die Elenden.
„Denn Er wird des Armen nicht so ganz vergessen, und die Hoffnung der Elenden wird nicht verloren sein ewiglich.“ Psalm 9, 19.
Der praktische Wert eines Textes hängt mit von dem ab, an den er sich richtet. Die dürftigsten Spuren sind für die Indianer mit ihrem scharfen Blick von großer Bedeutung, während sie dem Blassgesicht nichts sagen. Der Anblick des Leuchtturms ermutigt den Matrosen, denn er kann sich nun zurecht finden. So werden die geistlich Armen und Elenden begierig diese Verheißung ergreifen, sie hoch schätzen und davon zehren.
Es ist buchstäblich wahr, dass der Herr der Armen gedenkt, und wenngleich sie von menschlichen Gesetzen übersehen werden, wird Er einst doch diesen Irrtum berichtigen. In besseren Zeiten wird Er die Regierung so ordnen, dass auch die besonderen Interessen des Armen beachtet werden. Indem wir den Text geistlich anwenden, sehen wir:
I. Zwei bittere Erfahrungen beendet.
1. Des Armen wird nicht so ganz vergessen werden.“ Ihr seid vergessen worden: von früheren Freunden und Bewunderern; bei getroffenen Einrichtungen und entworfenen Plänen; bei gebildeten Urteilen und ausgestreuten Lobeserhebungen; bei schätzenswerter Hilfeleistung und ausgedrücktem Vertrauen.
In Wirklichkeit bist du bei Berechnungen gar nicht in Betracht gezogen worden; man hat deiner als eines Toten vergessen. Das hat dich tief verwundet, denn es gab eine Zeit, da man dich zuerst mit zu Rate zog. Doch das wird nicht immer so sein.
2. „Die Hoffnung der Elenden wird nicht verloren sein ewiglich.“ Du bist bisher enttäuscht worden: in deiner natürlichen Erwartung von der Gerechtigkeit, der Dankbarkeit, der Verwandtschaft, dem Alter, der Liebe; in deinem Vertrauen auf Menschen; in deinem Urteil über dich selbst; in deinen Erwartungen von der Vorsehung.
Diese Enttäuschung ist nur eine zeitweilige. Deine Erwartung soll nicht ewig verloren sein; du wirst noch mehr empfangen, als du erwartet hast.
II. Zwei bange Befürchtungen beseitigt.
Befürchtungen, die hervorgerufen wurden durch das, was du bereits erfahren hattest.
1. Nicht immer wird deiner vergessen werden; nicht so ganz und völlig wirst du Vergessenheit erfahren in den Tagen ernster Trübsale, in der Nacht des Kummers über die Sünde, in der Stunde des Todes.
2. Noch sollst du in deiner Erwartung getäuscht werden: deine Schwäche soll Gottes Stärke nicht aufhalten; deine Sünde soll die Gnade Gottes nicht beschränken; deine angeborenen Schwächen sollen deine Niederlage nicht herbeiführen; deine zukünftigen Trübsale sollen nicht zu schwer für dich sein.
III. Zwei liebliche Verheißungen gegeben.
1. „Nicht ganz vergessen.“ Du sollst nicht übersehen werden: in den Anordnungen der Vorsehung; am Gnadenthron, wenn du betest; von der Kanzel und in dem Wort, wenn deine Seele hungrig ist; beim Brotbrechen, wenn du dich sehnst nach Gemeinschaft mit deinem Herrn; in deinen Leiden und Diensten, bei denen es dir ein großer Trost sein wird, zu wissen, dass der Herr deiner gedenkt; nicht vergessen von Engeln und anderen geistlichen Mächten, vom Vater, vom Sohn, vom Heiligen Geist.
2. „Die Hoffnung nicht ewig verloren.“ Du sollst nicht enttäuscht werden, sondern: Friede soll dein Herz wieder erfüllen; Sünde soll draußen und drinnen überwunden werden; die Barmherzigkeit wird in Trübsal und aus der Trübsal erretten; Gewissheit und starkes Vertrauen soll dich wieder erfüllen; hervorragende Freuden und ein reichlicher Eingang in die Herrlichkeit soll dir bereitet werden.
Der Arme hoffe auf Gott. Er zehre von der Zukunft, wenn er die Gegenwart dürftig findet. Vor allem vertraue er der Verheißung eines treuen Gottes.
Erleuchter.
Ein bejahrter Christ, der im Zustande äußerster Schwäche auf dem Sterbebett lag und oft nicht wusste, was um ihn her vorging, wurde nach der Ursache seines beständigen Friedens gefragt. Er antwortete: „Wenn ich imstande bin, zu denken, so denke ich an Jesum, und wenn ich nicht an Ihn denken kann, so weiß ich, dass Er an mich denkt.“
Bei der Wahl eines Predigers, wie bei allen anderen Gemeindeangelegenheiten, lasst uns sicher sein, dass wir der Armen der Herde gedenken; sie sollten eigentlich doppelt in Betracht gezogen werden, denn der Herr will nicht, dass sie übersehen werden. Sie sollten nicht auf den Gedanken kommen können, dass sie vergessen werden.
Hüten wir uns, einen Elenden zu enttäuschen. Er verlässt sich auf ein Versprechen, wenn er der Hilfe sehr bedarf, und wenn ihm diese nicht zur rechten Zeit wird, gerät er in große Not. Lasst uns nie einen von des Herrn Armen enttäuschen, denn Er selbst tut es auch nicht. Welche Vergeltungen wird es im ewigen Zustande geben und welch ein Wechsel der Stellung wird stattfinden! Nicht nur die Leiber, sondern auch der Ruf wird eine Auferstehung erfahren. Entehrung und Vernachlässigung wird mit Herrlichkeit und Ehre belohnt werden. Enttäuschung durch ungerechtes Vorenthalten wird doppelt durch überraschende und unerwartete Glückseligkeit entschädigt werden. Das Rad wird sich drehen, und der Teil, welcher den Staub berührt hat, wird nach oben kommen. Die Worte „nicht ganz“ und „nicht verloren ewiglich“ sind ein wunderbarer Balsam für die Wunden der Trübsale dieses Lebens.