Spurgeon, Charles Haddon - Predigt-Entwürfe - 101. Die Trauer unterm Kreuz.
„Aber über das Haus Davids und über die Bürger zu Jerusalem will ich ausgießen den Geist der Gnade und des Gebets.“ Sach. 12, 10.
Beachte die merkwürdige Veränderung der Personen: „mich ansehen,“ „ihn klagen“. Solche Änderung zeigt Einssein an und gibt uns hinsichtlich der Einheit der Gottheit und der Dreieinigkeit der Personen einen deutlichen Wink.
Der hier spricht, ist Jehovah (V. 1), und doch sagt Er: „mich ansehen, welchen jene zerstochen haben.“ Es ist Jehovah-Jesus, welcher zerstochen wurde und welcher den Geist der Gnade ausgießt.
Es ist merkwürdig, dass Jesus gekreuzigt wurde, während das jüdische Gesetz die Steinigung forderte; sowie dass, als Er gekreuzigt war, der römische Kriegsknecht, der von der Prophezeiung nichts wusste, seine Seite mit dem Speer durchstechen musste.
Hier wird die Bekehrung der Juden verheißen; sie werden zu einem gekreuzigten Christus bekehrt werden. Mit ihrem Unglauben und Hass haben sie seinen Tod verschuldet; lasst uns beten, dass sie durch seinen Tod bald bekehrt werden.
Unser Text zeigt uns ihre Buße, und so muss auch unsere Buße sein. Evangelische Trauer über die Sünde ist der Gegenstand unserer Betrachtung. Betrachten wir sie:
I. Als geschaffen von dem Heiligen Geist. „Will ich ausgießen den Geist“ rc.
- Sie wird nicht bewirkt durch das Gewissen, noch durch Schrecken, noch durch die Anwendung irgend welcher Bußform; viel weniger durch Musik, Bilder rc.
- Sie wird uns als Gnadengabe: „Ich will ausgießen.“ Ver. stand erleuchtet, Herz erneuert rc. durch eine bestimmte Einwirkung des Heiligen Geistes, der vom Vater ausgeht.
- Sie ist vom Gebet begleitet: „und des Gebets.“ Darin unterscheidet sie sich von bloßen Gewissensqualen, die nicht zum Beten drängen.
- Sie ist fortdauernd, denn sie kommt mit dauernden Dingen, wie: geöffneter Born rc., und fließt ans einer dauernden Quelle, denn der Geist der Gnade und des Gebets bleibt in den Heiligen.
II. Als verursacht durch das Blicken auf Jesum. „Sie werden mich ansehen, welchen jene“ rc.
Deshalb kann die Buße auf diesen Blick nicht vorbereiten; wir sehen Jesum an, so wie wir sind; und das Schauen auf Ihn macht uns bußfertig.
- Wir sehen den schrecklichen Hass, welchen die Sünde gegen die Reinheit hat, denn sie tötete den Heiligen, und zwar, als Er am liebenswürdigsten und anziehendsten war.
- Wir sehen ihre Undankbarkeit gegen die Liebe. Sünde vergilt das unendliche Mitleid mit eingefleischtem Hass, darum kreuzigte sie Jesum.
- Wir sehen ihren Widerwillen gegen Gott. Sie würde Ihn töten, wenn sie könnte, und eigentlich tat sie es. Sünde ist ihrer Absicht und Neigung nach Gottesmord.
- Wir sehen, dass die schreckliche Schuld unserer Sünde eine der artige ist, dass nichts anderes als ein unendliches Opfer imstande ist, sie zu sühnen.
- Wir sehen, dass wir uns an der Sünde auf Golgatha durch unser Verhalten gegen den Herrn Jesum beteiligt haben, indem wir Ihn verwarfen und Ihm und seiner Sache widerstanden. Wir haben das Ver. brechen des Kreuzes wiederholt.
III. Als den größten Kummer. „Sie werden Ihn klagen, wie man“ rc.
- Vergleichbar mit furchtbarem Elternschmerz über einen einigen Sohn oder über ein erstgeborenes Kind. Beides sind besondere Quellen tiefen Schmerzes.
- Vergleichbar auch mit der nationalen Klage über Josia. (V. 11.) Nie erlitt ein Volk einen größeren Verlust als Juda, da es Josia verlor, und das Volk bewies das durch die nationale Klage. Derart ist der Schmerz des Bußfertigen über Jesu Tod.
- Der Schmerz ist persönlicher und privater Schmerz. Siehe V. 12-14.
IV. Als keine Reinigung von der Sünde an und für sich betrachtet.
Wir bekennen damit wohl die Sünde, aber können dieselbe dadurch nicht aufheben. Die uns gewordene Überzeugung ist ein Spiegel, der uns unsere Flecken zeigt, aber kein Bad, das uns davon reinigt.
- Darin anerkennen wir, dass wir eines Bornes bedürfen, aber sie selbst ist kein Born.
- Sie ist mit dem rettenden Blick auf Jesum verbunden, aber sie kann nie Jesu Stelle einnehmen.
- Sie lenkt uns ab vom eigenen Selbst und auch von sich selbst.
- Sie führt zu Jesu, wir klagen um Ihn; indem sie uns mit Jesu verknüpft, wirkt sie höchst heilsam auf unsere Herzen ein.
Komm, blutendes Herz, und blicke zwecks deiner Heilung auf Jesum! Komm, hartes Herz, und blicke auf Jesum, damit du zerbrochen wirst! Komm, gleichgültiges Herz, denn der Anblick Jesu könnte dich fesseln!
Um der Mannigfaltigkeit willen fügen wir einen zweiten Entwurf über denselben Text hinzu.