Spurgeon, Charles Haddon - Jakobusbrief (Andachten)
Jakobus 1,5
So aber jemand unter euch Weisheit mangelt, der bitte von Gott, der da gibt einfältiglich jedermann und rückt es niemand auf, so wird sie ihm gegeben werden.
„So aber jemand unter euch Weisheit mangelt.“ Es ist kein „So“ in der Sache, denn ich bin gewiss, dass sie mir mangelt. Was weiß ich? Wie kann ich meinen eignen Weg lenken? Wie kann ich andre führen? Herr, ich bin eine Masse von Torheit, und Weisheit habe ich nicht.
Du sprichst: „Der bitte von Gott.“ Herr, ich bitte jetzt. Hier zu Deinen Füßen bitte ich, mich mit himmlischer Weisheit zu versehen für die schwierigen Dinge dieses Tages, ja, und für die einfachen dazu; denn ich weiß, ich kann sehr Albernes tun, sogar in einfachen Dingen, wenn Du mich nicht vor Schaden behütest.
Ich danke Dir, dass das Bitten alles ist, was ich zu tun habe. Was für Gnade ist es von Dir, dass ich nur im Glauben zu beten brauche, und dass Du dann mir Weisheit geben willst! Du verheißest mir hier eine gute Erziehung, und diese dazu ohne einen zornigen Lehrer und einen scheltenden Schulmeister. Du willst sie auch ohne Bezahlung gewähren - sie einem Toren gewähren, dem es an Weisheit mangelt. O Herr, ich danke dir für dieses bestimmte und ausdrückliche Wort: „so wird sie ihm gegeben werden.“ Ich glaube es. Du willst Dein Kind heute die verborgene Weisheit erkennen lassen, welche die fleischlich Klugen niemals lernen. Du willst mich nach Deinem Rat leiten und mich zuletzt mit Ehren annehmen.
Jakobus 1,12
Selig ist der Mann, der die Anfechtung erduldet; denn nachdem er bewähret ist, wird er die Krone des Lebens empfangen, welche Gott verheißen hat denen, die Ihn liebhaben.
Ja, er ist selig, während er die Prüfung erduldet. Kein Auge kann dies sehen, bis es mit himmlischer Augensalbe gesalbt ist. Aber er muss sie ertragen und sich weder gegen Gott empören, noch von seiner Lauterkeit ablassen. Der ist selig, der durch das Feuer hindurch gegangen und nicht als etwas Unrechtes verzehrt worden ist.
Wenn die Probe vorüber ist, dann kommt das Siegel des göttlichen Beifalls: „die Krone des Lebens.“ Als wenn der Herr spräche: „Lasst ihn leben; er ist in der Waage gewogen und nicht zu leicht erfunden.“ Leben ist der Lohn: nicht bloßes Dasein, sondern heiliges, glückliches, wahres Sein, die Verwirklichung des Zweckes, den Gott mit uns hat. Schon jetzt krönt eine höhere Form des geistlichen Lebens und Genusses diejenigen, welche die stärksten Anfechtungen des Glaubens und der Liebe bestanden haben.
Der Herr hat die Krone des Lebens denen verheißen, die Ihn lieb haben. Nur Liebhaber des Herrn werden in der Stunde der Versuchung feststehen; die übrigen sinken entweder oder schmollen oder schleichen zurück in die Welt. Komm, mein Herz, liebst du deinen Herrn? Wahrhaft? Tief? Völlig? Dann wird diese Liebe geprüft werden; aber „viele Wasser werden sie nicht auslöschen, noch die Ströme sie ersäufen“. Herr, lass Deine Liebe die meinige nähren bis ans Ende.
Jakobus 4,6
Den Demütigen gibt er Gnade.
Demütige Herzen suchen Gnade und erhalten sie deshalb. Demütige Herzen geben sich den lieblichen Einflüssen der Gnade hin, und deshalb wird sie ihnen immer reichlicher verliehen. Demütige Herzen liegen in den Tälern, wo die Ströme der Gnade fließen, und darum trinken sie daraus. Demütige Herzen sind dankbar für Gnade und geben dem Herrn die Ehre dafür, deshalb verträgt es sich mit Seiner Ehre, sie ihnen zu geben.
Komm, lieber Leser, nimm einen niedrigen Platz ein. Sei klein in deiner eignen Achtung, damit der Herr viel aus dir mache. Vielleicht bricht der Seufzer hervor: „Ich fürchte, ich bin nicht demütig.“ Es mag sein, dass dies die Sprache wahrer Demut ist. Einige sind stolz darauf, dass sie demütig sind, und dies ist eine der schlimmsten Arten des Stolzes. Wir sind bedürftige, hilflose, unwürdige, Hölle verdienende Geschöpfe, und wenn wir nicht demütig sind, so sollten wir es doch sein. Wir wollen uns demütigen um unserer Sünden gegen die Demut willen, und dann wird der Herr uns Seine Huld empfinden lassen. Es ist die Gnade, die uns demütig macht und die Gnade findet in dieser Demut einen Anlass, noch mehr Gnade einzugießen. Lasst uns hinuntergehen, damit wir hinaufsteigen! Lasst uns arm im Geist sein, damit Gott uns reich mache. Lasst uns demütig sein, damit wir nicht nötig haben, gedemütigt zu werden, sondern durch die Gnade Gottes erhoben werden mögen.
Jakobus 4,8
Nahet euch zu Gott, so nahet Er sich zu euch.
Je näher wir Gott kommen, desto gnädiger will Er sich uns offenbaren. Wenn der verlorne Sohn zu seinem Vater kommt, läuft sein Vater ihm entgegen. Wenn die wandernde Taube zur Arche zurückkehrt, tut Noah seine Hand heraus und nimmt sie zu sich. Wenn das zärtliche Weib ihres Gatten Gesellschaft sucht, kommt er auf den Flügeln der Liebe zu ihr. Komm also, lieber Freund, wir wollen uns zu Gott nahen, der uns so gnädig erwartet, ja, uns entgegenkommt.
Beachtetet ihr je die Stelle in Jesaja 58,9? Da scheint sich der Herr zur Verfügung seines Volkes zu stellen, indem Er zu ihnen spricht: „Hier bin ich.“ Als wollte Er sagen: „Was habt ihr mir zu sagen? Was kann ich für euch tun? Ich warte darauf, euch zu segnen.“ Wie können wir zaudern, uns zu nahen? Gott ist nahe, um zu vergeben, zu segnen, zu trösten, zu helfen, zu beleben, zu befreien. Lasst es für uns die Hauptsache sein, Gott nahe zu kommen. Dies getan, alles getan. Wenn wir uns andren nahen, so mögen sie binnen kurzem unserer müde werden und uns verlassen; aber wenn wir den Herrn allein suchen, über den wird keine Veränderung kommen, sondern Er wird fortfahren uns näher und immer näher zu kommen durch immer völligere und freudigere Gemeinschaft.
Jakobus 5,8
Seid ihr auch geduldig und stärket eure Herzen, denn die Zukunft des Herrn ist nahe.
Das letzte Wort im Hohenlied der Liebe lautet: „Eile, mein Freund,“ und in den letzten Worten der Offenbarung des Johannis lesen wir: „Der Geist und die Braut sprechen: Komm!“ worauf der himmlische Bräutigam antwortet: „Ja, ich komme bald.“ Die Liebe sehnt sich nach der herrlichen Erscheinung des Herrn und freut sich der süßen Verheißung: „Die Zukunft des Herrn ist nahe.“ Dies stärkt unsre Herzen für die künftige Zeit. Wir blicken mit Hoffnung aus diesem Fenster hinaus.
Dies heilige „Fenster von Kristall“ lässt eine Flut von Licht auf die Gegenwart herein und setzt uns in die gute Verfassung für sofortiges Wirken oder Leiden. Werden wir versucht? Dann flüstert uns die Nähe unserer Freunde Geduld zu. Werden wir müde, weil wir keine Ernte von dem Säen unsres Samens sehen? Wiederum ruft uns diese herrliche Wahrheit zu: „Seid geduldig.“ Machen unsre vermehrten Versuchungen uns auch nur im geringsten wanken? Dann predigt uns die Zusicherung, dass binnen kurzem der Herr hier sein wird, über diesen Text: „Stärket eure Herzen.“ Seid entschlossen, beständig, beharrlich, fest, unbeweglich und nehmet immer zu in dem Werke des Herrn.„ Bald werdet ihr die silbernen Posaunen hören, die das Kommen eures Königs ankündigen. Seid nicht im geringsten bange. Haltet die Feste, denn Er kommt; ja, Er mag noch heute erscheinen.
Jakobus 5,16
„Betet füreinander.“
Es ist eine große Aufmunterung zur gegenseitigen, aus der Liebe fließenden Fürbitte, wenn wir bedenken, dass solches Gebet das lieblichste ist, das Gott je vernimmt, denn die Gebete Christi sind Gebete aus fürbittender Liebe. In all dem Räuchwerk, das unser großer Hohepriester ins goldene Rauchfass Seines Gebets gibt, ist auch kein einziges Körnlein für Ihn selbst. Seine Fürbitte muss vor aller Andern Gott angenehm sein und darum ist auch unser Gebet Ihm umso lieblicher, je mehr es dem Gebet Christi ähnlich ist; und wenn auch unsere Gebete für unsere eigenen Anliegen Gott wohlgefällig sind, so ist unser Flehen für Andere, dieweil es mehr Früchte des Geistes, mehr Liebe, mehr Glauben, mehr brüderliche Liebe in sich schließt, durch das unvergleichliche Verdienst Jesu Christi das süßeste Opfer, das wir Gott darbringen können, das Fett und Mark unseres Opfers. Beachte zugleich, dass die Fürbitte außerordentlich kräftig ist. Was für Wunderwerke hat sie nicht vollbracht! Das Wort Gottes ist überschwänglich reich an Erzählungen ihrer wunderbaren Wirkungen. Liebe gläubige Seele, du hast ein mächtiges Werkzeug in deiner Hand; gebrauche es fleißig, gebrauche es unaufhörlich, gebrauche es gläubig, so wirst du gewisslich deinen Brüdern Gutes erweisen. Wenn dir des Königs Ohr geneigt ist, so rede mit Ihm der leidenden Glieder Seines Leibes halben. Wenn dir die Gnade zu Teil wird, dass du dich Seinem erhabenen Throne ungehindert nahen darfst, und der König zu dir spricht: „Bitte, so will ich dir geben, was du begehrest,“ so lege ein Wort ein, nicht für dich bloß, sondern für die Vielen, die Seiner bedürftig sind. Wenn du der Fürbitte nicht obliegst, dann magst du zwar wohl begnadigt sein, aber diese Gnade ist klein wie ein Senfkorn. Dann ist dir gerade Gnade genug geschenkt, um Deine Seele über die Sandbank hinwegzusteuern; aber dir fehlen die tiefen Fluten der Gnadenströme, sonst würdest du im lustigen Schifflein eine kostbare Ladung der Bedürfnisse Anderer mit dir führen und brächtest für sie von deinem Herrn eine reiche Segensfülle mit zurück, die sie vielleicht ohne dich nie erlangt Hätten.
Ein Gebet, das Jesus lehrt,
Wird gewiss von Ihm erhört.“
(Goldstrahlen Februar 6)