Spurgeon, Charles Haddon - Der Gott der Berge und der Gott der Gründe.

Gehalten am Sonntag Morgen, den 27. August 1876.

„Und es trat ein Mann Gottes herzu und sprach zum Könige Israels: So spricht der Herr: Darum, dass die Syrer haben gesagt, der Herr sei ein Gott der Berge und nicht ein Gott der Gründe, so habe ich allen diesen großen Haufen in deine Hand gegeben, dass ihr wisset, ich sei der Herr.“
1. Kön. 20,28.

Die Syrer waren von den Israeliten, die sie verachteten, geschlagen worden. Dieser Sieg war von einer so kleinen Anzahl über ein großes Heer errungen worden, so dass die Syrer zu dem Schluss gekommen waren, es müsse etwas Übernatürliches dabei sein, und sie schrieben ihre Niederlage dem Gott Israels zu. Sie hatten Recht, dies zu tun. Brüder, lasst diese Heiden uns nicht beschämen. Sie wussten, wem die Krone des Sieges gehörte, und, so wenig sie auch Jehova verstanden, doch erkannten sie an, dass seine rechte Hand und sein heiliger Arm seinem Volk den Sieg gewonnen hatten. Nun, wenn der Herr euch Glück gegeben, wenn in eurer Seele Friede und Freude herrscht, oder wenn ihr im Dienste des Herrn Erfolg gehabt, hütet euch, dass ihr nicht euer Horn erhöht und euch selber die Ehre nehmet. Gebt alle Ehre Gott, dem sie gebührt. Lasst diesen Psalm: „Nicht uns, nicht uns, sondern deinem Namen gieb Ehre,“ immer auf eurem Herzen sein und oft auf eurer Zunge. Der Hang des menschlichen Herzens zum Stolz ist sehr stark, und Satan, der große Thronräuber, ist immer geschäftig, und aufzustacheln, Gott seine Ehre zu rauben. Doch ist nichts dem Frieden schädlicher, nichts erzürnt Gott mehr, nichts bringt sicherer Zeiten des Kummers und der Noth über uns. „Der Herr, dein Gott, ist ein eifriger Gott,“ und er ist unter anderem auch hierin eifersüchtig, dass er seine Ehre keinem Andern geben will. Er will nicht denen, welche er zu seinen Zwecken braucht, erlauben, ihre Siege sich selber zuzuschreiben; der Herr allein muss erhoben werden. Was immer durch uns getan ist, der große Werkmeister, der uns gebrauchte, muss dafür gepriesen werden. Wir sind nichts mehr als die Axt in Gottes Hand gewesen, wenn wir die Ceder gefällt haben, nichts mehr als das Netz, wenn wir die Fische an’s Ufer gebracht haben. Ihm sei daher Preis auf ewig. So viel lasst uns von den heidnischen Syrern lernen.

Während die Syrer so ihre Niederlage Jehova zuschrieben, irrten sie sich doch sehr in Betreff seines Wesens, denn sie hielten ihn für den Gott eines bestimmten Ortes, wie ihre eignen eingebildeten Gottheiten. Sie hatten Götter für Berge und Götter für die niedern Hügel, Götter für die Flüsse, Götter für die Felder, Götter für ihre Häuser, Götter für ihre Gärten, und diese sogenannten Götter waren außerhalb ihres Bereiches machtlos. Sie stellten sich den einzigen wahren und lebendigen Gott wie ihre Götzen vor. Lasst uns solche Verunehrung Gottes verabscheuen und diese Sünde meiden, indem wir es nie wagen, uns einen Gott nach unsern eignen Gedanken zu machen. Die Kunst des Gottmachens ist sehr häufig unter den Menschen. Anstatt zur Offenbarung zu gehen und zu sehen, was Gott ist, und demütig an ihn zu glauben, wie er sich offenbart, sitzen die Menschen nieder und überlegen, was für eine Art von Gott er sein sollte, und indem sie das tun, sind sie nicht weiser, als der Mensch, der einen Gott aus Lehm oder Holz oder Stein macht. Wenn wir einen Gott in unsern eignen Gedanken machen, nach unsern eignen Ideen, haben wir dem Wesen nach ein Gleichnis von Ihm gemacht, dem kein Geschöpf verglichen werden kann, wir haben versucht, den Unbegreiflichen zu begreifen und den Schrankenlosen zu beschränken, und indem wir das tun, sind wir Götzendiener, denn wir haben ein Gleichnis von etwas gemacht, das in unserm eignen Verstande und folglich unten auf Erden ist, und obgleich es kein körperliches bild ist, so haben wir doch im Geiste das erste und zweite Gebot übertreten. Niemand weiß, was Gott ist, ausgenommen so weit er sich geoffenbart hat, und Gedanken und Einbildungen, die darauf nicht fußen, sind abgöttisch. Glaube du, was er offenbart, aber beginne nicht nach Art der Syrer, dir einen Begriff von ihm nach der Dunkelheit deines eignen schwachen und törichten Geistes zu machen. Ben-Hadad’s Ratgeber kamen in ihrem Irrtum dazu, eine Lästerung auszusprechen; sie sagten: „Er ist ein Gott der Berge und nicht der Gründe,“ und ich weiß nicht, zu was für Lästerungen unsere eignen stolzen Gedanken uns führen könnten.

Es ist der Beachtung wert, dass es Gott um dieser Lästerung der Syrer willen gefiel, sein Volk Israel zu erretten. Es ist bei Weitem nicht das einzige Mal, wo die Lästerungen der Gegner Gutes für das Volk Gottes bewirkt haben. Ihr hättet denken sollen, Gott würde gesagt haben: „Es macht nichts aus, was diese unwissenden Heiden sagen. Wer kümmert sich um ihre verleumderischen Lügen?“ Aber unser Gott ist eifersüchtig – er wird beständig in der Schrift als eifrig für seine Ehre dargestellt; und deshalb, obgleich Israel schuldig war und sein König Ahab verabscheuenswert, so beschließt Gott dennoch, dass Ahab und Israel Ben-Hadad und Syrien schlagen sollen um deswillen, was Syrien gesprochen. Ich möchte euch Alle, die ihr für die Lade des Herrn zittert, auffordern, aus der frechen Sprache der Ungöttlichen Mut zu schöpfen. Wenn der Ungläubige Gottes spottet, so trauerst du über seine Sünde, aber du kannst Hoffnung fassen, dass Gott nun in’s Mittel treten wird. „Es ist Zeit, dass der Herr dazu tue, denn sie haben dein Gesetz zerrissen.“ Wenn ihr eine zweifelnde Philosophie, wie es heutzutage der Fall ist, immer kühner und frecher gegen die Wahrheit Gottes werde sehet, so lasst deshalb den Mut nicht sinken, sondern sprecht lieber: „Sie werden den Herrn erzürnen und bald wird er seine Rechte aus seinem Busen ziehen, er wird die Himmel zerreißen und hernieder fahren, und die Berge werden zu seinen Füßen zerschmelzen; er wird dem Evangelium große Macht geben, so dass seine Wahrheit triumphieren wird und seine Gegner wissen werden, dass wahrhaftig ein Gott in Israel ist.“ Wie die Chemie gute Arznei aus giftigen Stoffen zieht, so können wir Trost aus dem lästerlichen Briefe des Rabsake schöpfen und aus der frechen Rede des Ben-Hadad, denn Gott wird über sie erzürnt sein und sich aufmachen, sein erwähltes Volk zu rächen und seiner eignen Sache zu helfen.

Nun, heute Morgen habe ich eine Lehre zu bringen, diese: Wie die Syrer in große und lästerliche Sünde fielen dadurch, dass sie glaubten, Gott sei der Gott eines bestimmten Ortes, ein Gott der Berge und nicht der Gründe, so können wir in viel Böses hineingeraten durch dieselben Einbildungen. Das Thema unserer Predigt heute Morgen soll eine Warnung sein, dass wir nicht die Syrer nachahmen, indem wir die Heiligen von Israel unter irgendwelchen Umständen einschränken. Wir können so bei verschiedenen Gelegenheiten tun und auf verschiedene Weise.

I.

Wir können den Herrn einschränken, indem wir dem Erfolg seiner Sache misstrauen.

Wir sind oft in Versuchung, für die Lade des Herrn zu zittern und eine vermessene Hand auszustrecken, um sie zu halten, wie Usia tat. Unsere Väter sagen uns, und wir gehen etwas auf ihre Denkweise ein, dass wir in bösen Tagen und erwarteten Zeiten leben; wir haben sie ihre Häupter schütteln sehen und das jetzige Zeitalter eins der Lästerung und Frechheit nennen hören, und obgleich wir nicht ganz ebenso gedacht haben, denn es ist noch genug Jugend in uns übrig, um hoffnungsvoller auf die Dinge zu blicken, - wir haben gesagt und wir denken, nicht mit Unrecht, dass dies gute und hoffnungsvolle Zeiten sind und dass es viele Dinge giebt, die dem Christen eine heitere Aussicht und Hoffnung auf bessere Zeiten geben; dennoch haben wir in gewissem Grade ihre Befürchtungen geteilt. Die Versuchung kommt zuweilen schwer über uns, zu denken, das Evangelium könne nicht die Welt besiegen, die Wahrheit Jesu könne sich nicht ausbreiten in der dichten Finsternis, die uns umgiebt, die gute alte Sache fiele in einen verzweifelten Zustand und dass vielleicht der Sieg, den wir erwartet haben, gar nicht kommen werde. Hier lasst uns uns überführen, dass wir Gott für den Gott der Berge und nicht den Gott der Gründe gehalten haben, denn wir haben meist unsere Furcht darauf gegründet, dass die Fronte der Schlacht sich verändert hat. In alten Zeiten war die Kirche Gottes über alles Maß verfolgt; der Ofen ward siebenmal heißer gemacht; Ausrottung war das Wort, die römischen Kaiser beschlossen, das Christentum zu vertilgen, als wenn es eine Krankheit wäre und sie gelobten, sogar den Namen desselben hinwegzutun. Aber die Kirche Gottes triumphierte über allen Widerstand. Wie ein gutes Schiff in stürmischem Wasser stieg sie auf den Wellen empor, die sie zu verschlingen drohten und ward vorwärts getrieben durch die Winde, die um sie heulten. Wir nehmen alle wahr, dass Gott mit seiner Kirche war in jenen stürmischen Zeiten und doch sind wir geneigt zu fürchten, dass die kleinlichen Verfolgungen, die unsere Dorfgemeinden leiden und die kalte Verachtung, welche die gebildete Gesellschaft oft auf christliche Männer ausgießt, zu viel für die Gläubigen werden wird. Denn Gott, der den Christen helfen konnte, nämlich zu handeln in dem Amphitheater zu Rom und sie fähig machen, auf dem Scheiterhaufen oder dem Rost zu sterben, wird dennoch nicht getraut und wir wagen, zu argwöhnen, dass er nicht den Sieg gewinnen wird in dem Kampfe, der von ein paar armen Bauern in einem Dorfe gegen einen papistischen Priester und einen verfolgungssüchtigen Gutsherrn geführt wird. Schande über uns! Wähnen wir wirklich, dass er der Gott der Berge und nicht der Täler ist? Wir haben gute Leute misstrauisch sprechen hören von einem andern Gesichtspunkte aus. Sie sagen, dass Verfolgung im Grunde der Kirche nicht schade; sie sichte dieselbe nur und treibe die Spreu aus; aber dies seien viel schlimmere Tage, denn das Wohlergehen untergrabe die Frömmigkeit. Die Christen nehmen es leicht, und es sind so viele falsche Bekenner, so viele, die den Namen haben, dass sie leben, während geistlicher Tod überall vorherrscht und alles der Kirche Gottes verderblich ist. Verlasst euch darauf, da Satan die Kirche nicht töten konnte, indem er sie wie ein Löwe anbrüllte, so versucht er es nun, sie zu erdrücken, indem er sie umfasst, wie ein Bär. Es ist Wahrheit in all’ diesem, aber es ist nicht die ganze Wahrheit. Denkt ihr wirklich, meine Brüder, dass Gott die Kirche nicht in dieser Versuchung erhalten kann, durch die sie jetzt geht? Ist er ein Gott der Berge der Verfolgung, aber nicht ein Gott der Täler des Wohlergehens? Treibt den Gedanken fort. Außer diesem, mein Bruder, bist du in großer Furcht, weil eine neue Ketzerei aufgesprossen ist oder eine alte neu belebt? Schreckliche Lehren machen dich bange; du bist traurig über eine Lehre, die den Nerv des Christentums angreift und so trügerisch ist, dass es schwerlich ist, ihr entgegenzutreten und du sagst: „Jeder andern hätte die Kirche widerstehen können, aber diese wird ihr Leben ertöten, sie frisst um sich wie der Krebs.“ Was, meine Brüder, seid ihr jetzt erschreckt? Denkt ihr daran, wie die Kirche einst voll garstischer Ketzerei war und wie nachher der Arianismus sie bedrückte? Habt ihr nicht von den Zeiten gelesen, wo die Gottheit Christi beinahe allgemein geleugnet ward, und doch blieb das Evangelium lebendig? Jede Wahrheit ward der Reihe nach angegriffen und die bekennende Kirche selber war Jahrhunderte lang fast allgemein abtrünnig; und doch ist das Evangelium nicht tot, noch seine Stimme zum Schweigen gebracht. Der Herr war der Gott der Berge und warf diese Ketzerei nieder und trat sie unter die Füße, wie Stroh für den Dunghaufen getreten wird. Und lasst neue Ketzereien kommen, lasst Menschen das Evangelium mit neuen Irrtümern angreifen, Gott ist Gott der Täler sowohl als der Berge und wird sie einen nach dem andern niederwerfen, wie sie aufkommen. Ritualismus, Spiritualismus und Materialismus werden den Weg aller andern Feinde des Herrn gehen; im Rauch werden sie verfliegen.

„Aber,“ sagt Einer, „der Unglaube wuchert jetzt so und er nimmt die Form der Wissenschaft und Philosophie an und ruft gerade das Nachdenken des Menschen zur Hilfe, das früher auf Seiten des Evangeliums war; deshalb ist viel Grund zur Besorgnis da.“ Dennoch wollen wir nicht fürchten, denn manche ungläubige Lehren haben geleuchtet und sind ausgestorben wie ein nächtliches Meteor. Sie kommen wie Schatten und verschwinden wie Schatten; wie ein Sommer nach dem andern eure Ernten von Blättern auf den Bäumen des Waldes bringt, die im folgenden Herbst verwelken und vergehen, eben so haben neue ungläubige Lehren geblüht und sind verwelkt, aber Gottes ewige Wahrheit scheint fort wie immer, gleich der Sonne am Himmel ohne Veränderung oder einen Schatten von Wechsel. Traut auf den Herrn immerdar. Er, der die ersten Geschlechter der Lästerer seiner heiligen Sache verwirrte und ihre Klugheit in Torheit wandelte und die Weisen wahnwitzig machte, kann dasselbe wiederum tun, ja, und will es tun bis an’s Ende. Wenn die Kirche in irgend einer neuen Art angegriffen wird durch neue Weisen satanischen Einflusses oder frische Erfindungen menschlicher Kunst und Philosophie, lasst uns nie einen Zweifel hegen an der Sache, deren Banner Christus mit seinem Herzblut besprengt hat und deren Ehre die ewige Kraft und Gottheit des Allmächtigen aufrecht zu erhalten geschworen hat. Lasst die Zeiten wechseln und sich ändern, wie sie wollen, Gott ist der Herr der Zeiten. Umstände verändern eine Sache, aber sie verändern nicht Gott. Neue Angriffsweisen mögen uns mit neuen Befürchtungen drohen, aber sie bringen nicht wirklich Gefahren mit sich, denn Gott, der alle Dinge kennt, kann den neuen Gegner treffen und ihn zu Schanden machen, wie seine Feinde vor Alters.

ich habe diese Verzagtheit des Herzens aus einer andern Ursache entstehen sehen. „Ach,“ sagen Einige, „ich weiß nicht, was aus der Kirche werden soll, es ist wahr, sie hatte in jenen alten Zeiten große Feinde, aber da hatte sie auch große Männer in ihrer Mitte. Seht auf die Väter und wie sie fochten; denkt an die Reformatoren und die Männer, auf die ihr Mantel fiel, die gottesfürchtigen und gelehrten Puritaner; betrachtet die großen Namen der Kirchengeschichte und sagt, wo ihr solche Männer in unsern Tagen findet. Leben wir nicht in einem Zeitalter kleiner Männer und Unbedeutender?“ Wohl, gesetzt, es wäre so; ich sehe daraus keine schlimmen Folgen entstehen, da große Männer nur Männer sind und kleine Männer doch noch Männer; der Gott, der diese Männer brauchte, die wir groß nennen, machte sie erst groß; sie waren nichts in sich selber, und er kann ebensowohl die Männer brauchen, die wir klein nennen und sie soviel ausrichten lassen, dass die nächste Generation sie für eben so groß halten wird, wie die, welche ihnen vorangingen. Die sogenannte Größe oder Kleinheit der Menschen muss doch zuletzt von der Kraft Gottes abhängen, die sich in ihnen zeigt. Ich wage zu hoffen, dass, wenn die Werkzeuge immer wenige rund weniger die Ehre des Erfolgs für sich in Anspruch nehmen, so werden sie mehr und mehr tauglich, von dem Herrn, unserm Gott, gebraucht zu werden; deshalb erwarte ich sogar größere Entfaltungen der göttlichen Macht in dieser Zeit vermeintlichen Verfalls. Er ist der Gott der Berge, gewiss, Gott Augustin’s und Luther’s, der Gott des Knox und Whitfield, aber er ist der Gott der Täler auch und deshalb unser Gott und unsere Zuversicht. Er kann die Männer unserer Zeit brauchen, um seine Kirche aufzubauen und die Völker zu bekehren.

„Ach,“ sagt Einer, „aber ich beklage nicht so sehr den Mangel an hervorragenden Männern, als das Fehlen des großartigen alten Geistes der ersten Kirche.“ Was war denn dieser Geist, meinst du? Es war eine Frische, ein Enthusiasmus, ein Heldenmut in den ersten Christen, die wir jetzt nicht sehen. Ich gebe dies zu; aber wenn es wirkliche Macht war, woher kam sie denn, als den dem Heiligen Geiste; und hat der Heilige Geist aufgehört, die Seelen zu erleuchten, stärken und lebendig zu machen? Ist der Geist des Herrn eingeschränkt? Träufeln die Himmel nicht länger mit Tau? Ist das Horn des Salböls geleert? Ist kein heiliger Odem da, um die geweihten Flammen in der Kirche anzufachen? Nein, meine Brüder, der Geist Gottes hat nicht aufgehört zu wirken. Wenn wir den Enthusiasmus der Jugendzeit der Kirche nicht an den Tag legen können, so wollen wir die stete Beharrlichkeit ihres Mannesalters beweisen und vorwärts trachten und streben mit Gottes Hilfe, bis unser Herr erscheint; denn der Tag muss und wird kommen, wenn die Wahrheit siegen wird und der Gott der Wahrheit erhöht, und in die Löcher der Maulwürfe und Fledermäuse werden die Dämonen, Götter und ihre Bilder auf immer geworfen werden. Entehret Gott nicht durch euren Unglauben; schwachherzige Krieger, erleidet keine Niederlage durch feige Furcht. Glaubt an Gott, so werdet ihr gestärkt werden. Gott wartet, bis ihr an ihn glaubt, und wenn seine ganze Kirche mit mutiger Zuversicht des Sieges gewiss sein wird, so wird der Sieg ihr sicherlich werden. Der Herr mehre unsern Glauben und lasst uns von nun an nimmer wähnen, dass Jehova, der Gott der Berge, nicht der Gott der Gründe sei.

II.

Wir können die Sünde der Syrer begehen, indem wir an der Hilfe zweifeln, die der Herr uns senden wird.

Manchmal geraten wir in tiefe Noth und bilden uns dann ein, dass der Herr uns nicht helfen wolle, wie er den alten Heiligen half, von denen wir in der Bibel lesen. Wir können alles von Abraham, Moses und David glauben, aber wir zweifeln, ob der Herr uns helfen will. Wir blicken auf diese Männer, wie auf die großen Berge, und wir betrachten uns als die Täler und wagen nicht zu hoffen, dass der Herr mit uns handeln wird, wie mit seinen Knechten vor Alters. Nun, heißt das nicht, Gott zum Gott eines bestimmten Ortes machen? Sollten wir nicht denselben Glauben an Gott haben, wie Abraham, Isaak und Jakob ihn hatten? Und wenn wir solches Gottvertrauen hätten, würden wir nicht gleiche Wunder sehen; vielleicht nichts Übernatürliches, aber etwas eben so Staunenswertes? Gott würde seine Zwecke durch gewöhnliche ausführen, aber der Zweck würde eben so sicher erreicht, als wenn Wunder vollbracht wären. Lasst uns nie den Gedanken zulassen, dass die göttlichen Verheißungen jetzt nur Schein wären und dass göttliche Hilfe nicht gewährt würde. Der Gott der Patriarchen und Propheten ist nicht müde noch matt, er ist unser Gott für und für, und ist derselbige gestern und heute und in Ewigkeit. Nun, da Jesus Christus im Fleisch erschienen ist, ist der Herr nicht weniger gnädig. Er erweist sich stets noch stark für die, welche auf ihn trauen und es ist kein Grund zum Zweifel da.

Wenn wir in tiefe Noth geraten, sind wir geneigt, nicht allein die alten Zeiten zu vergessen, sondern auch die früheren Freundlichkeiten des Herrn gegen uns zu übersehen oder sie als Ausnahmefälle zu betrachten, die wir nicht wieder erwarten können. Wir denken ungläubig: „Der Herr half mit, als ich zuerst mein Vertrauen auf ihn setzte, aber ich kann nicht erwarten, dass er mir nun hilft. In meinen jungen Tagen war ich voller Kraft – der Herr war mir sehr gnädig und wirkte Wunder; aber jetzt bin ich nicht so kräftig, meine jugendliche Energie ist dahin, ich kann es mit Schwierigkeiten nicht mehr so aufnehmen wie früher und kann nicht erwarten, dass der Herr mir jetzt helfe.“ Ich schäme mich fast, solche Befürchtungen zu erwähnen, sie sind eines Christen so unwürdig, und wer sie in sich geduldet hat, sollte sie von Herzen bereuen. Hat der Herr sich geändert? Weil ihr älter und hinfälliger seid, ist er darum schwächer? Hilft er uns nur, wenn wir uns selber helfen können und verlässt uns in der äußersten Noth? Gott verhüte. Er spricht: „Ich bin Gott, bei mir ist kein Wechsel. Ich will euch tragen bis in’s Alter und bis ihr grau werdet. Ich will es tun, ich will heben und tragen und erretten.“ Dennoch ist es so; wir bilden uns leicht ein, dass die Verschiedenheit der Zeit die Hoffnung göttlicher Errettung ändert. O Toren und trägen Herzens, so der unveränderlichen Liebe und unfehlbaren Weisheit zu misstrauen. In jeder Zeit der Noth wird Gott uns erretten, denn wie er die Seinen geliebt hat, so liebt er sie bis an’s Ende.

Die Beschaffenheit unsers Leidens giebt auch einen Grund zum Unglauben, wenn wir in diesem Zuge einmal sind. „Der Herr half mir, als ich sehr arm war,“ sagt der Eine, „und wenn ich wieder arm wäre, so könnte ich ihm darin trauen, aber jetzt muss ich Schmach und Schande tragen und das ist viel bitterer für meine Seele.“ Dein Herz setzt ungläubigerweise voraus, dass du nun durch die Hand des Feindes fallen wirst; aber, lieber Bruder, denkst du wirklich, dass Gott uns nur in einer Art von Leiden helfen kann und dass er uns im Stich lassen wird, wenn wir in neue Prüfungen kommen? „O, aber das Ganze ist so anders; ich könnte ihm vertrauen, wenn ich wie früher zu leiden hätte, aber dies ist so überraschend für mich.“ Ist es auch für Gott neu? Du bist verwirrt; ist er verwirrt? Du weißt nicht aus noch ein, weiß er es auch nicht? Denke daran und wähne nicht, dass der, welcher dir gestern helfen konnte, dich heute oder morgen verlassen wird. Wenn deine Lage noch tausendmal schlechter wird, so hat das wenig zu bedeuten, wenn dein Glaube sich nur an dem unwandelbaren Gott festzuhalten vermag.

Ich habe sogar Christen sagen hören: „Ich kann nicht zu Gott mit meinen Nöthen gehen, sie sind so alltäglich und gewöhnlich. Ich kann um geistliche Dinge beten, aber darf ich um zeitliche bitten? Ich kann meine Sünden und Bürden ernster Sorge zu ihm bringen, aber kann ich in Betreff kleiner häuslicher Leiden bitten?“ Wie könnt ihr diese Frage tun? Er sagt euch, dass die Haare auf eurem Haupte alle gezählt sind; die sind sicher keine geistlichen Dinge. Euch ist geheißen, alle eure Sorge auf ihn zu werfen. Ist er der Gott der Berge, der höheren geistlichen Interessen seiner Kinder, und nicht der Gott der Täler, ihrer stündlichen Verlegenheiten? Heißt er uns nicht ihn bitten, uns Tag für Tag unser tägliches Brot zu geben? Hat er nicht seinen Engeln befohlen, uns auf Händen zu tragen, dass wir unsern Fuß nicht an einen Stein stoßen? Hat er nicht von seinem Volk gesagt, dass es ihnen an keinem Guten fehlen wird? O, wie irrt sich der Unglaube in Betreff Gottes und was für Fragen wirft er auf, die nie aufgeworfen werden sollten. Bekümmerter, du kannst zu deinem himmlischen Vater mit Allem und Jedem gehen. Er wird dir in jeder Noth helfen, wo du auch bist; obgleich die Sache klein ist, so denke, dass vor ihm Alles klein ist und der Unterschied zwischen einem Erzengel und einem Sperling nicht so sehr groß vor Gott. Der Unterschied zwischen dem Regieren des Königreiches und dem Leiten eurer Klasse in der Sonntagsschule mag euch groß scheinen, aber er ist beinahe unsichtbar für Gott, vor dem die Nationen wie ein Tropfen am Eimer sind. Wenn ihr fühlt, dass ihr ihm in großen Leiden trauen könnt, so verlasst euch auch nur auf ihn in den kleineren; ja, erzählt ihm alle eure Bekümmernisse und werft alle eure Bürden auf ihn. Wahrlich, er ist der Gott der Berge, aber er ist auch der Gott der Gründe.

Zuweilen entsteht diese Furcht, dass Gott uns nicht helfen wird, aus einer Veränderung in unserer innern Erfahrung. „O,“ sagt der Eine, „ich bin in den tiefen Wassern der Seelennot schon früher gewesen und der Herr hat mir geholfen; ich habe mit Drachen gefochten und mich mit den Fürsten der Finsternis in dem Tal der Todesschatten geschlagen, und Jesus war mit mir, und das wunderte mich nicht, denn der Kampf schien eines Gottes würdig; aber jetzt ist es ein kleiner Dorn im Fleische, der mich peinigt und ich wage kaum, den Herrn zu bitten, ihn von mir zu nehmen oder mir zu helfen, ihn zu tragen. Ich mache Erfahrungen, die ganz von denen früherer Tage verschieden sind; ich werde kalt, fühllos, gleichgültig, sorglos; ich scheine nicht mehr das großartige kämpfende Leben zu führen, wie einst, als ich mit riesenhaften geistlichen Anfechtungen vertraut war und hohe Entzückung genoss; kann ich erwarten, dass Gott mir jetzt helfe? Wird er mich aus der Schlafsucht herausreißen? Wird er mich zur Andacht erwecken, wenn ich fühle, dass ich nicht beten kann? Wird er mich zu meinen geistlichen Empfindungen zurückbringen, wenn ich mich erstarrt fühle und tot für alles, den Schmerz ausgenommen? Kann der Herr Laodicea beleben? Kann er die Lauen wieder heiß machen? Kann er eine solche tote Masse, einen solchen Klumpen leblosen Fleisches, wie ich bin, beleben?“ O, mein Bruder, tue nicht solche Fragen; es giebt keinen zustand, in den ein Gläubiger geraten kann, aus dem Gott ihm nicht heraushelfen kann und will; es giebt keine Leiden und keine Versuchung, wie niedrig, gemein oder entwürdigend sie auch sei, in welcher der Herr dir nicht eben so beistehen kann, als in den höheren Kämpfen eines edleren Lebens. Befiehl dich Gott und hege keine Furcht in Betreff seiner Allgenugsamkeit und Treue.

Aber du sagst, „ich wollte keine solche Furcht hegen, wenn ich den großen Heiligen gleich wäre, aber ich stehe tief unter den gottesfürchtigen Männern, von denen ich lese und höre. Ich bin unbekannt und unbedeutend; ich habe wenig Talent, und noch weniger Gnade. Ich bin Nichts.“ Sei es so; aber ist unser Gott der Gott der Berge und nicht der Gott der Täler? Will Gott Oliver Cromwell helfen und nicht einem gewöhnlichen Soldaten, der auf Gott traut und sein Pulver trocken hält? Will Gott einem Whitfield helfen und nicht einem armen Reiseprediger, der auf dem Rasenplatze predigt? Will er dem ernsten Prediger beistehen, der zu Tausenden redet und das schlichte Mädchen verlassen, das einem Dutzend Kindern „die alte, alte Geschichte“ vom Kreuze erzählt? Ist dies Gotte Weise, die Hohen zu bevorzugen und die Niedrigen zu vernachlässigen? Verachtet Jesus die geringen Tage? Gewiss, ihr habt die Schrift falsch gelesen, wenn ihr das meint, denn der Christus der Evangelien bemerkte die zwei Scherflein der Wittwe und freute sich über das Hosianna von Knaben und Mädchen. Er war froh, dass sein Vater diese großen Dinge nicht den Weisen und Klugen offenbarte, sondern den Unmündigen; und er berief zu seinem Werke nicht die Hohenpriester und Philosophen, sondern die Fischer und Zöllner. So beginnt nicht zu denken, weil ihr einen Unterschied zwischen euch und Andern seht, und eine Änderung in der Beschaffenheit eurer Leiden, dass der himmlische Vater euch verlassen will, sonst muss ich euch wiederum sagen, dass er der Gott der Gründe sowohl wie der Gott der Berge ist.

III.

Es ist sehr leicht, in diese Sünde zu fallen, indem wir unsere Erfahrungen und die Anderer vergleichen und entgegenstellen.

Einige Gemüt sind schroff und rau, ungestüm und hin und her geworfen. Ihr erstaunt, wenn ihr in ihnen die großen Risse des Kampfes und schrecklichen Klüfte des Unglaubens seht. Ihre Herzen tragen entsetzliche Spuren, wo die Stürme der Linden alles vor sich weggefegt haben und die Wurzeln ihres Seins bloßgelegt haben; und dann auf der andern Seite zeigen sie wundervolle Erhabenheit des Gedankens, ihre Seelen erheben sich oft über die Wolken in die heitere Bläue, wo Gott wohnt, und hören unaussprechliche Worte. Alles an ihnen ist staunenerregend, majestätisch, erhaben oder furchtbar; und kleine Menschen, die von ihren furchtbaren Erfahrungen gehört haben, fragen argwöhnisch, ob solche Gefühle und Kämpfe sich mit der Gnade Gottes vertragen können. Doch, wer wollte von den rauen und einsamen Bergen sagen, dass der Herr nicht da sei? War er nicht auf Sinai? Kam er nicht von Paran? Ist nicht die Stärke der Hügel das Erbteil des Herrn? Unter den wolkenhohen Alten wird Jehova’s Stimme oft gehört und die Felsen werden von seinen Feuerflammen gespalten. Die gedankenvolle Seele mag oft das Rauschen der Säume von Jehova’s Gewändern hören in der Stille dieser einsamen Berge. Gott ist in den schroffen Felsenseelen, in den Schluchten eines zerbrochenen Herzens und in den Höhlen entsetzlicher Verzweiflung; er herrscht über den Wirbelwind der Versuchung und der Stürme der satanischen Lästerung, und wiederum wird er in den Bergen der Hoffnung und dem Sonnenschein der vollen Zuversicht gesehen. Der Herr ist in jedem heldenmütigen Kampfe gegen die Sünde und in dem ängstlichen Hangen am Worte, das in so manchen versuchten Seelen gesehen wird. Dennoch richten Menschen ihre Brüder und sagen: „Der Herr kann da nicht sein,“ selbst wo er sich mächtig erweist. Auf der andern Seite habe ich Leute, die dieser rauen Art waren, niederblicken sehen auf das sanfte, ruhige Leben des nützlichen, weniger gedankenvollen und vielleicht weniger mit Verstand begabten Christen, der dem Tale gleicht, und sagen: „Herr, was soll Dieser? Er hat kein Verständnis für meine Seelenleiden, er hat wenig oder kein Gesetzeswerk, er fasst nicht meine großen Anschauungen von der Wahrheit, er dringt nicht in die tiefen Dinge Gottes ein.“ Bedenkt, dies kann wahr sein und dennoch kann der Bruder ein viel besserer Mann sein, als ihr. Er mag eins der Felder sein, die der Herr gesegnet hat, ein niedrig liegendes Tal, von dem Geiste Gottes angebaut, bis es goldne Garben trägt, von denen große Mengen sich nähren. Wenn er Vielen durch seine ruhige, echte Frömmigkeit zum Segen wird, wer bist du, dass du ihn verdammen solltest? Bruder aus dem Tal, beurteile den Bewohner der Berge nicht falsch, und du, der du auf der Felsenspitze lebst, blicke nicht mit Verachtung auf den, der in der Ebene weilt, denn Gott ist in euer Beider Leben; Gott ist in dem stürmischen Leben des Leidenden und Gott ist in dem ruhigen Frieden des Bescheidenen und Zufriedenen. In dem prüfungsvollen Leben und in dem nützlichen Leben, tut Gott sich, wenn auch in verschiedener Weise, gleichmäßig kund, und ich bitte euch immer, Gott in all’ den Seinen zu sehen, so viel er da gesehen werden kann. Erkenne die Tugenden deines Bruders, an denen es dir gebricht, und nicht die Gnaden, woran es ihm mangelt. Verurteile nicht den, den Gott gebilligt hat. Er ist der Gott der Berge und er ist der Gott der Täler, freue dich an beiden.

Dann, was dich betrifft, lieber Freund, traure nicht klagend: „Ach, ich habe nie das erfahren, was meinem Bruder im Herrn zu Teil geworden ist. Er hat eine tiefe, harte, furchtbare Erfahrung vom Kampfe mit dem Teufel und vom Ringen mit seinem eignen Verderben; ich weiß sehr wenig von all’ diesem.“ Wünsche es nicht zu kennen, denn wenn du Christum kennst, das genügt. Oder, wenn du andererseits mit Fäusten geschlagen und umhergeworfen wirst, verdamme dich nicht und sage nicht, du seist kein Kind Gottes, weil du nicht die beständige Freude, Süßigkeit und Ruhe anderer Gläubigen fühlst; es ist genug für dich, dass Christus dein ist. Du bist ein Christ der jähen Klippen, sei zufrieden, dass deine Füße gehalten werden auf dem hohen Platze, da du stehst, Gott ist der Gott der Berge, so gewiss er der Gott der Gründe ist. So habe ich gezeigt, wie wir auf einem dritten Wege in diesen Irrtum fallen können, aber die Zeit fehlt mir, ich kann nicht weiter darauf eingehen. Möge der Heilige Geist euch darin ferner unterweisen in aller Weisheit und Klugheit.

IV.

Eine sehr gewöhnliche Form dieser Sünde ist das Einschränken der Macht des Evangeliums.

Hört dies, die ihr gerne errettet wäret, aber fürchtet, dass ihr es nicht werden könnt. Ich habe gesehen, dass ihr die macht des Evangeliums einschränkt, indem ihr meint, dass es nur gewisse Sünder retten kann. Du hörtest von einem großen Trunkenbold, der bekehrt ward, oder von einem Flucher, der sich zu Gott wandte, und du sprachst zu dir selber: „Ich wünsche nicht, ein Trunkenbold oder Flucher zu sein, aber ich habe viele von dieser Art Leuten errettet gesehen, und ich, der ich ein sittlich reines Leben geführt, bin nicht im Herzen erneuert; es macht mich neidisch auf jene.“ Lieber Freund, warumsolltest du nicht auch das Heil erlangen? Ist Jesus der Heiland offenkundiger und grober Sünder und nicht derer, die mehr im Verborgenen sündigen? Ist die Schändlichkeit der Sünde eine Hilfe zum Heilen? Unmöglich! Es ist sicherlich in dem Evangelium kein Mangel an Angemessenheit für die von Natur sittlich Vortrefflichen, und ihr müsst dies nicht denken. Jesus, der Zöllner und Huren rettet, segnet auch die Wahrheitsuchenden und sät auf das gute und redliche Land. Wenn du von Dem und Dem liest, der ein großer Übeltäter gewesen, aber plötzlich niedergeworfen und zu Gott bekehrt, so wünscht du nicht, ihm in seiner Sünde gleich zu sein, aber du könntest das Übel ertragen, wenn nur in dir eine ebenso offenbare Veränderung gesehen werden könnte, wie in ihm. Ich kenne dies Gefühl, aber es beruht auf einem Irrtum, und trägt dazu bei, die Vorstellung zu nähren, dass Gottes Gnade in dem einen Falle mehr sich zeigt, als in dem andern. Wahre Bekehrung ist in allen Fällen das Werk Gottes und folglich eine Erweisung der Allmacht. Der Herr bietet das Evangelium jeder Creatur an und wer an Jesum glaubt, ob er ein großer Übeltäter oder nur ein gewöhnlicher Sünder ist, soll selig werden durch das Blut der Versöhnung. Jesus ist nicht der Heiland einer Klasse, sondern seine Macht ist für alle und mit allen, die glauben. Seine Gnade erstreckt sich über Menschen aller Arten; er segnet beides, Berge und Täler.

„Ach,“ sagt ein Anderer, „ich könnte an Jesum glauben, was immer meine Sünden gewesen wären oder nicht gewesen wären, wenn ich die furchtbare Sündenerkenntnis und das schmerzliche Gefühl der Sünde gehabt hätte, das Einige gekannt haben. Ich las von Einem, der fast Hand an sich gelegt hätte in der Gewissensqual; ich habe so nie gefühlt. Ich weiß, meine Sünde ist etwas Schreckliches, aber ich werde nicht zur Verzweiflung dadurch getrieben, wie ich Andere habe sagen hören; denn dann wollte ich glauben.“ Freund, denkst du, dass Christi Fähigkeit, zu retten von deinem entsetzlichen Schuldgefühl abhängt? O Seele, er ist nicht bloß der Gott der Berge, sondern auch der Täler. Er rettet einen Saul von Tarsus, den er niederwirft als einen stolzen Bergsünder, aber er rettet auch Lydia, deren Herz er der Wahrheit öffnet, als eine, die in der Ebene wohnt. Die, welche auf sanfte Weise zu Christo geführt werden, wenn sie nur in ihm ruhen, sind eben so wirklich errettet, wie die, welche durch heftige Schrecken und furchtbare Vorboten des zukünftigen Zornes zu ihm getrieben werden. Jesus ist wesentlich für jede errettende Erfahrung, aber keine Form der Erfahrung ist wesentlich, um einen Menschen für Jesum passend zu machen.

„Doch,“ ruft ein Anderer, „mir ist bange, der Herr Jesus wird nie die Art der Sünde besiegen, die in meiner Seele die Herrschaft gewonnen hat. Ich glaube, er kann aus den Menschen ihre großen und schreienden Sünden austreiben, aber meine Neigungen sind feiner und schädlicher. Ich fühle, dass eine fürchterliche Gleichgültigkeit über meine Seele sich schleicht; wo soll ich erweckt und erleuchtet werden?“ Ich erwidere, du wirst Hilfe finden, um deine Sünde zu besiegen, gerade da, wo der Lästerer und der Trunkenbold sie findet, nämlich, in Christo Jesu und der heiligenden Macht seines Heiligen Geistes. Jesus kann eine Sünde sowohl überwinden, wie die andere. Es ist keine Sünde in dem ganzen Katalog, deren Schuld das Blut Christi nicht abwaschen könnte und deren Macht über die Seele das Wasser, das mit dem Blute herausfloss, nicht hinwegnehmen könnte. Jesus kann uns die doppelte Befreiung geben, sowohl von der Schuld als der Knechtschaft der Sünde, ob die Sünde vom Berge oder vom Tale ist. Trauet nur auf ihn und die Herrschaft der Sünde wird gebrochen werden.

Ihr christlichen Leute, ich will nun zu euch reden und euch erinnern, dass ihr zu häufig, wenn ihr von Jesu und seiner Liebe reden wollt, einen Wunsch fühlt, eure Zuhörer auszuwählen. In eurem Herzen träumt ihr, dass gewisse Personen durch die Kraft Gottes leichter überwunden werden könnten, als andere. „Es hilft nichts, nach der Bekehrung von So und So zu streben,“ sagt ihr. Ihr schreibt gewisse Charaktere in’s schwarze Buch und betrachtet sie als hoffnungslos, während ihr für andere mehr Hoffnung habt und mit mehr Frische unter ihnen arbeitet. Seid ihr nicht bis zu einem gewissen Grade in die Sünde Syriens gefallen? Ist nicht euer Christus augenscheinlich der Gott der Berge und nicht der Gott der Gründe? Eure Aufgabe ist, das Evangelium jeder Klasse von Sündern zu predigen, jeder Art von Geistern und jedem Range von Personen; und wenn ihr das tut in dem Glauben, dass das Evangelium in den Händen des Heiligen Geistes eine allmächtige Kraft hat und nach allen Seiten wirkt, und unter allen Klassen von Leuten, dann werdet ihr die Hand Gottes mächtig mit euch wirken sehen.

V.

Über den letzten Punkt dürfen wir nur einen oder zwei Winke geben: wir können, nach der Art Syriens, die Macht Gottes beschränken, indem wir nicht erwarten, dass seine göttliche Hilfe uns in seinem Dienste gegeben werde.

Wenn wir aufgefordert werden, für den Herrn zu arbeiten, so sind wir in Versuchung, uns mit verschiedenen Gründen zu entschuldigen und wir sprechen, als wenn wir auf göttlichen Beistand nicht rechnen könnten. Oft machen wir geltend, dass unsere Gaben und Talente zu gering sind. Dies mag ganz wahr sein, aber es hindert nicht, dass der Herr uns zu seinen gnädigen Absichten braucht. Gott ist der Gott der Reichbegabten und Begnadigten, aber er ist auch der Gott dessen, der nur Ein Pfund hat und ihn zu verherrlichen sucht. Wir werden angenommen nach dem, was wir haben und nicht nach dem, was wir nicht haben. „Aber ich habe eine so besondere Gemütsart, ich bin so zurückhaltend, dass ich nicht auf einen Segen hoffen kann.“ Bruder, ist dies ein Argument, was Stich hält? Ist Gott der Gott der Unverschämten und Kühnen, aber nicht der Gott der Bescheidenen? Wird die Gnade denen gegeben, die eherne Stirnen haben, aber nicht denen, die sanft und demütig sind? Ich bin überzeugt, das ist nicht der Fall. Gieb solche leere Entschuldigungen auf. „Ach, aber der Kreis, in dem ich lebe, bietet viel Schwierigkeiten dar. Ich wohne unter solchen sonderbaren Leuten. Ich finde keine Sympathie, und sehr Wenige unterstützen mich in dem, was ich unternehme.“ Ach, du möchtest einen Kreis, der eigends für dich gemacht wäre, nicht wahr? Und wenn du ihn hättest, so würde es nicht nötig sein, dass du darin arbeitetest, weil all’ das Gute schon darin getan wäre. Hier ist eine gut leuchtende Lampe! Sie will nicht aufgehängt werden, wo es dunkel ist; sie möchte lieber im Sonnenschein hänge. Aber wozu nützt eine Lampe beim Tageslicht? Und was nützt ein Christ an einem Ort, wo alles schon ist, wie er es zu haben wünscht? Wenn der Diener des Herrn weise ist, so wird er das Bedürfnis der Leute als einen Ruf zur Arbeit ansehen; er wird Nachteile als Vorteile betrachten und Schwierigkeiten als Dinge, die zu überwinden sind. In der Tat, für den Gläubigen ist sogar Unmöglichkeit nur ein anderer Name für eine Sache, in welche der Name Gottes sich mehr als gewöhnlich kund tun soll in Erhörung des gläubigen Gebetes. Der Mann, der weiß, dass sein Gott stark ist und große Taten tut, hält dafür, dass alle Dinge für den Herrn gleich leicht sind und weiß nichts von einem Gott der Berge, der nicht auch ein Gott der Täler ist.

„Ah,“ sagt Einer, „aber ich kann nicht erwarten, dass Gott mich segnet, denn ich fühle mich so unwürdig.“ Meinst du denn, dass diejenigen, welche Gott sehr segnet, würdig sind? Wenn du je einen Mann antriffst, der sich würdig fühlt, gesegnet zu werden, so ist es gerade Der, den Gott ganz und gar nicht segnet. Die am meisten Begünstigten fühlen, dass sie solcher Gunst unwert sind. Dein Gefühl der Unwürdigkeit muss nicht als ein Grund angenommen werden, weshalb Gott dich nicht segnen könnte; es kann eher an sich selbst als ein Segen betrachtet werden.

„Doch,“ sagst du, „ich weiß nicht, wie es ist, aber ich zittere so für mein Werk und den Ort, wo ich lebe und die Leute, unter denen ich arbeite.“ Nun, um kurz zu sein, dies Gefühl ist dein großes Hindernis und du musst davon frei werden. Es ist kein Grund zum Zittern da, wenn du dem Dinge in’s Gesicht siehst. Hat Gott dich gesandt? Dann ist Gott mit dir und warumsolltest du fürchten? Wenn du dich ganz Gott hingiebst, und wünscht, dass er jedes Atom in dir gerade so brauchen sollte, wie es ihm gefällt und wo es ihm gefällt, dann kann kein Grund zur Furcht sein. Alle Dinge sind gleich möglich bei Gott und jeder Wirkungskreis ist gleich hoffnungsvoll, wenn Gott den Weg führt; jede Zeit und jedes Alter und jeder Mensch sind in der Hand des allmächtigen und ewigen Gottes. Wenn Gott dich sendet, mit Ezechiel den verdorreten Gebeinen zu weissagen oder mit Jonas den Niniviten zu predigen, wird er in beiden Fällen mit dir sein und du wirst eben so glücklich in deinem Predigen sein, als wenn er dich sendete, den Berrensern die Schrift auszulegen oder frommen und „ehrbaren Weibern“ Jesum zu verkündigen. Deine Umgebung sollte kein Grund zur Furcht für dich sein, denn sie fällt nicht sehr in’s Gewicht. Ist der Vater mit dir? Ist Jesus mit dir? Ist der Heilige Geist mit dir? Dann, wenn du gleich nur Ein Mann bist, wie Simson, der einsame Kämpfer, und keine Waffe zum Streit hast, als die, welche deine Feinde eines Eselskinnbacken vergleichen, dennoch ergreife sie, Mann, und wirf dich auf das ganze Heer von Feinden und Haufenweise werden sie vor dir liegen. Größer ist der, der mit dir ist, als alle die, welche gegen dich sind. „Wer bist du, du großer Berg, der doch vor Serubabel eine Ebene sein muss?“ Höre ich dich seufzen: „Wollte Gott, ich könnte diesen Glauben erlangen und bewahren. Ich bitte den Herrn, dir zu helfen, denn wenn du alles, was du nur kannst, von deinem Herrn glaubst, so wird es nicht eine Spanne zu viel sein. Wenn du ihm ganz unbedingt glaubst, so wirst du ihm nicht zu völlig trauen. Du wirst dich oft deines Unglaubens schämen, aber niemals deiner Hoffnung; du wirst oft erröthen, wenn du denkst, dass du zweifeltest, aber nie, weil du vertrautest. Niemand wird je dir begegnen, nicht einmal ein Teufel, und sprechen: „Du Tor, du hast dich zu sehr auf den Herrn verlassen.“ Die Zeit wird das Gegenteil beweisen. Deshalb ruhe in dem Gott der Gründe und in dem Gott der Berge, und rühme dich seiner immerdar.

Es ist für Unbekehrte möglich, in die Sünde zu fallen, von welcher wir reden, und ich möchte ihnen gerne diese Warnung geben, ehe ich sie entlasse. Hoffen einige von euch Unbekehrten der Strafe zu entgehen, die Gott über die Gottlosen verhängen wird? Wenn ihr das tut, so sind eure Gründe vergeblich und werden sich als Lügen erweisen. Gott strafte Pharao und Andere in diesem Leben und er wird alle Gottlosen im künftigen Leben strafen. So gewiss er vor Zeiten die Sünder schlug, so gewiss wird er in Kurzem dich schlagen. Du magst sagen: „Ich bin kein Dieb oder Trunkenbold.“ Sehr wohl; aber er, der der Gott der Berge ist, ist der Gott der Täler, und wenn du unwiedergeboren bleibst, auch wenn du nie ein offenbarer Sünder gewesen bist, so wirst du für deine Herzenssünden heimgesucht werden. Gott wird die Talsünder sowohl schlagen, wie die Bergsünder, und obgleich du sprichst: „Ich habe immer das Haus Gottes besucht und die äußern Mittel gebraucht,“ dennoch wird sicherlich Gott, der die gedankenlosen Heiden straft, den noch schuldigeren Hörer des Wortes strafen, der das Blut Christi verwirft. Gott wird gleiche Gerechtigkeit gegen alle Menschen üben. Er ist der Gott beides, der Berge und der Täler, und kein unbußfertiger Sünder wird der Rute seiner Gerechtigkeit entgehen. Wenn du nicht an Christum glaubst, so gehst du verloren, wer du auch sein magst. Wenn du jetzt Christo trauen willst, so sollst du gerettet sein, ob du auf dem Berge oder im Tale wohnest. Gott gebe dir Gnade, sogleich zu glauben, um Christi willen. Amen. 

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