Spurgeon, Charles Haddon - Das Gleichnis vom Säemann.

Spurgeon, Charles Haddon - Das Gleichnis vom Säemann.

Da nun viel Volks bei einander war, und aus den Städten zu ihm eileten, sprach er durch ein Gleichnis: Es ging ein Säemann aus, zu säen seinen Samen; und indem er säte, fiel etliches an den Weg und ward vertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen es auf. Und etliches fiel auf den Fels; und da es aufging, verdorrete es, darum, dass es nicht Saft hatte. Und etliches fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten es. Und etliches fiel auf ein gutes Land; und es ging auf, und trug hundertfältige Frucht. Da er das sagte, rief er: Wer Ohren hat, zu hören, der höre.
Lukas 8, 4-8.

Wenn in unserem Lande der Säemann ausgeht, seinen Samen auszusäen, so ist es gewöhnlich in einem eingezäunten Felde; im Morgenlande hingegen waren die Getreidefelder eine nahe der Stadt sich befindliche offene Fläche. Dieselbe ist in verschiedene Felder eingeteilt, aber ohne sichtbare Grenzen, ausgenommen die alten Landmarken oder vielleicht eine Reihe Steine. Durch diese offenen Felder laufen Fußpfade, wovon die meistbetretenen Landstraßen genannt werden. Ihr müsst euch aber nicht vorstellen, dass diese Landstraßen unseren Fahrstraßen gleichen; es sind nur hartgetretene Pfade. Hie und da gewahrt man auch Nebenwege, die der Wanderer zieht, welcher die Landstraßen vormeiden will, und welche vielleicht etwas mehr Sicherheit bieten, wenn die öffentlichen Straßen von Räubern unsicher gemacht werden. Wenn Leute große Eile haben, gehen sie auch wohl geradeaus und öffnen somit neue Pfade. Wenn der Säemann nun ausgeht, seinen Samen zu säen, so findet er das Feld mit einem Pflug ein wenig aufgekratzt, wohin er dann seinen Samen reichlich ausstreut. Durch die Mitte des Feldes zieht sich ein Pfad, worauf manches Körnlein fällt. Dort ragt ein Felsen aus dem gepflügten Boden hervor, und auf sein moosbedecktes Haupt fällt ein Teil der Saat. Hier in einer Ecke aber stehen Dornen, und auch da hinein fliegt von dem Samen etwas. Dornen und Weizen wachsen mit einander empor, aber die Dornen sind am stärksten und ersticken das Getreide, dass es keine guten Früchte bringt. Die Erinnerung, dass die Bibel im Morgenlande geschrieben wurde, und dass ihre Bilder und Gleichnisse uns von morgenländischen Reisenden erklärt werden müssen, hilft uns oft einen Schriftteil viel besser verstehen, als wenn wir an unsere hiesigen Gebräuche denken.

Der Prediger des Evangeliums gleicht dem Säemann. Er macht den Samen nicht; derselbe wird ihm von seinem göttlichen Meister gegeben. Niemand könnte das kleinste Samenkörnlein, welches jemals auf Erden gewachsen ist, hervorbringen, viel weniger den göttlichen Samen des ewigen Lebens. Der Prediger geht zu seinem Heilande im Verborgenen und bittet, dass er ihn das Wort Gottes lehren möge, und so füllt er seinen Korb mit dem guten Samen des Himmelreichs. Dann geht er im Namen Gottes dahin, um den Samen der Wahrheit auszustreuen. Wenn er wüsste, wo der Beste Boden wäre, so möchte er sich vielleicht auf das beschränken, welches durch den Evangeliumspflug der Überzeugung am besten vorbereitet ist; weil er aber die Herzen nicht kennt, so ist es seine Sache, das Evangelium zu predigen aller Kreatur. Eine Hand voll fällt auf das verhärtete Herz, eine andere auf dasjenige, welches von den Sorgen und Lüsten der Welt überwachsen ist. Er muss den Samen der Pflege Dessen überlassen, der ihm denselben gab, denn er ist nicht verantwortlich für die Ernte, sondern nur dafür, dass er seine Arbeit mit Fleiß und Vorsicht tut. Und wenn der Schnitter sich nicht eines Halmes freuen könnte, so würde der Säemann dennoch seinen Lohn empfangen, wenn er mit aller Treue den Samen ausgestreuet hat. Wäre dies nicht der Fall, so müssten wir mit verzweifelndem Schmerz in die Klage des Propheten Jesaias einstimmen: „Wer glaubt unserer Predigt; und wem wird der Arm des Herrn offenbart?“

Unsere Pflicht wird nicht nach dem Charakter unserer Zuhörer, sondern nach dem Befehl Gottes bemessen. Es ist unsere Aufgabe, das Evangelium zu predigen, ob es die Leute hören wollen, oder nicht. Die Herzen der Menschen mögen sein, wie sie wollen, der Prediger muss ihnen das Evangelium predigen; er muss den Samen sowohl auf den Felsen, wie in die Furchen, auf den Weg, wie auf das gepflügte Feld ausstreuen.

Ich wende mich nun zu den vier Klassen von Zuhörern, von welchen unser Herr im Gleichnis redet. Zuerst finden wir Diejenigen, welche den Weg vorstellen - welche nur bloße Zuhörer sind; dann Die, welche unter dem Felsen vorgebildet werden. Auf sie macht das Wort vorübergehende Eindrücke, aber es bringt keine bleibende Frucht; dann Diejenigen unter den Dornen, auf welche ein guter Eindruck gemacht wurde, aber Sorgen des Lebens, der Betrug des Reichtums und die Lust der Welt ersticken den Samen; zuletzt Glieder der kleinen Herde, - Gott wolle sie tausendfach mehren - welche dem guten Lande gleichen, und in denen der Same des Worts reiche Früchte bringt.

1. „Etliches aber fiel auf den Weg und wurde von den Leuten zertreten, und die Vögel unter dem Himmel fraßen es auf.“ Viele von euch gehen nicht zur Kirche, um einen Segen zu erlangen. Es ist nicht eure Absicht, Gott zu dienen, oder durch das, was ihr hört, beeinflusst zu werden. Ihr seid wie die Landstraße, welche niemals für ein Getreidefeld beabsichtigt war. Wenn ein einziges Körnlein der Wahrheit in euer Herz fiele und aufwüchse, es wäre ein Wunder, wie wenn auf der Straße der Weizen gedieh. Wenn der Same allgemein ausgestreut wird, so mag manches auf euch fallen und eine Zeit lang eure Gedanken beschäftigen. Ihr versteht es freilich nicht, aber wenn es auf eine interessante Weise vorgetragen wird, so redet ihr darüber, bis euch eine andere Zerstreuung in Anspruch nimmt. Wollte Gott, wir dürften hoffen, dass unsere Worte in euren Herzen hafteten; aber solche Hoffnung wäre vergeblich, denn der Acker eurer Herzen ist durch die Weltlichkeit so hart getreten, dass kein Samkörnlein daselbst Wurzel fassen kann. Der Satan geht beständig darüber hin mit Lästerung, Lüsten, Lügen und Eitelkeit. Die Wagen des Hochmuts rollen darüber hin, und die Füße des habsüchtigen Mammons trampeln darauf herum, bis es so hart ist wie Stein. Schade für den guten Samen, er findet keinen Augenblick Aufnahme; Scharen gehen und kehren wieder darüber hin, ja eure Seele ist wie ein Marktplatz, wo sich die Füße Derer, welche mit Seelen handeln, beständig auf herum tummeln. Ihr kauft und verkauft und denkt dabei nicht, dass ihr die Wahrheit verkauft und kauft eure eigene Verdammnis. Ihr sagt, ihr habt keine Zeit, an die Religion zu denken. Nein, der Weg eures Herzens ist eine so belebte Landstraße, dass da kein Raum bleibt, wo der Weizen wachsen könnte. Wenn er anfinge zu keimen, gleich würde der junge Halm von rauen Füßen zertreten, ehe er noch zur Blüthe gelangte. Manchmal hatte der Same lange genug gelegen, um zu keimen; aber da bot sich gerade ein neues Vergnügen, und wie mit einem eisernen Tritt wurde der junge Lebenskeim zerstört. Wie könnte in Cheapside oder Broadway Weizen wachsen, wenn der Same auch noch so gut wäre; und diesen belebten Straßen gleichen eure Herzen, denn es ziehen so viele Sorgen und Sünden, so viele stolze, eitle, widerspenstige Gedanken gegen Gott darüber hin, dass der Same der Wahrheit keinen Raum zur Entwickelung findet.

Wir haben nun den harten Weg betrachtet. Lasst uns jetzt sehen, was es mit dem Samen gibt, welcher auf solche Herzen fällt. Derselbe wäre aufgewachsen, wenn er auf guten Boden gefallen wäre; aber er fiel auf den verkehrten Platz und bleibt deshalb so trocken, als er war, da er aus der Hand des Säemanns kam. Das Wort Gottes bleibt auf der Oberfläche solcher Herzen liegen, aber hinein kommt er nicht. Wie der Schnee, der oft auf unsere Straßen fällt und auf dem gepflasterten Fußsteig gleich hinwegschmilzt, so ist es mit diesen Leuten. Das Wort hat keine Gelegenheit, sich zu entfalten im Herzen, es liegt nur einen Augenblick da und kann keine Wurzel schlagen.

Warum kommen wohl die Leute, zu hören, wenn doch das Wort nie in ihre Herzen bringt? Diese Frage hat uns oft beschäftigt. Manche Zuhörer würden um keinen Preis von der Kirche zurückbleiben, sie haben Lust daran, mit uns hinauf zum Hause des Herrn zu gehen, aber niemals netzt eine Träne ihre Wangen, niemals erhebt sich ihre Seele auf den Flügeln des Dankes zum Himmel empor, noch bekennen sie ihre Sünde von Herzen. Sie denken nicht an den zukünftigen Zorn, noch an die Zukunft ihrer Seele. Ihre Seele ist wie Eisen, der Prediger möchte ebensowohl zu einem Haufen Steine reden, als zu ihnen. Was bringt diese gedankenlosen Sünder hierher? In der Tat, wir könnten ebensowohl hoffen, Löwen und Leoparden zu bekehren, als diese wilden, gefühllosen Herzen. Die unvernünftige Kreatur hat mehr Gefühl, als sie; die Menschen scheinen ihren gesunden Verstand verloren zu haben. Kommen diese Leute hierher, weil es anständig ist, in die Kirche zu gehen? Oder hilft ihnen ihr kommen dazu, behaglicher in der Sünde fortzuleben? Wenn sie fortblieben, so würde ihnen ihr Gewissen Vorwürfe machen, aber sie kommen zur Kirche, damit sie sich vorreden können, sie seien fromm. O meine Zuhörer, über euren Zustand möchten die Engel weinen. Die helle Sonne des Evangeliums scheint euch ins Gesicht, aber eure verblendeten Augen sehen kein Licht. Die Musik des Himmels ist an euch verloren, denn ihr habt keine Ohren, zu hören. Die Schönheit der Sprache, die Poesie einer Illustration könnt ihr beurteilen, aber die innere Bedeutung, das göttliche Leben, fasst ihr nicht. Ihr sitzt bei dem großen Hochzeitsmahle, aber genießt nicht die köstlichen Speisen; die Glocken des Himmels läuten Freude über erlöste Sünder; aber ihr bleibt unbekehrt, ohne Gott und ohne Christus. Obschon wir euch bitten, für euch beten und über euch weinen, so bleibt ihr trotzdem so hart, so gleichgültig und gedankenlos, als je. Möge Gott sich eurer erbarmen und eure harten Herzen zerbrechen, dass sein Wort in euren Herzen Wurzel fassen kann.

Das Bild ist jedoch noch nicht vollendet. Der Text sagt uns, dass die Vögel unter dem Himmel den Samen auffraßen. Ist hier wohl einer von den „Weg-Zuhörern“? Vielleicht wollte er diesen Vortrag gar nicht hören, und wenn er ihn gehört hat, dann wird er von einem gottlosen Kameraden zur Gesellschaft eingeladen. Er geht mit dem Versucher, und der gute Same wird von den Vögeln des Himmels gefressen. Es fehlt nicht an Verführern, welche bereit sind, den guten Samen von den Herzen wegzunehmen. Der Teufel selbst, dieser Fürst, der in der Luft herrscht, ist bereit, die Wahrheit aus dem Herzen zu reißen. Aber der Teufel ist nicht allein, er hat Legionen Helfershelfer. Er kann eines Mannes Gattin, Kinder, Freunde, Feinde, Kunden und Schuldner bewegen, den guten Samen zu zerstören, und diese tun dies oft sehr erfolgreich. O, Jammer und Schade, dass dieser göttliche Same zu Teufelsfutter wurde, dass Gottes Weizen diese Raubvögel füttern sollte!

O meine Zuhörer, die ihr von Jugend auf das Evangelium gehört habt, welcher Haufe von Predigten ist an euch verschwendet worden! In euren jungen Tagen hörtet ihr den Prediger So und So, und der teure Gottesmann pflegte für seine Zuhörer zu beten, bis seine Augen rot waren vom Weinen. Erinnert ihr euch der Sonntage, da ihr zu euch selbst sagtet: „Ich will auf mein Zimmer gehen und auf meine Knie fallen und beten“? Aber ihr tatet es nicht, die Vögel fraßen den guten Samen, und ihr ginget nach wie vor weiter in der Sünde. Seit jener Zeit, von einem geheimnisvollen Beweggrund getrieben, findet ihr euch regelmäßig im Gotteshause ein; aber nun fällt der Same des Evangeliums auf eure Seele, als wenn er auf einen eisernen Boden fiele; und dabei bleibts. Das Gesetz mag euch entgegen donnern; ihr spottet nicht, aber es rührt euch auch nicht. Jesus Christus mag euch vor die Augen gemalet werden, seine Wunden möget ihr sehen, sein Blut mag in Strömen vor euren Augen fließen, und wenn man euch sagt: „Schauer und betet, so ist das, als wenn man an das Ufer des Meeres sät. Was soll ich für euch tun? Soll ich hier stehen und Tränen regnen auf diesen harten Weg? O, meine Tränen können ihn nicht aufbrechen, er ist zu hart dazu. Soll ich mit dem Pflug des Evangeliums kommen? Ach, die Pflugschar dringt nicht in solchen harten Boden ein. Was soll ich tun? Mein Gott, du vermagst auch das härteste Herz zu erweichen mit dem Blute Christi. Tue es jetzt, wir bitten dich, und verherrliche deine Gnade, indem der Same aufgeht und eine himmlische Ernte bringe.

2. Ich wende mich nun zu der zweiten Klasse von Zuhörern. „Und etliches fiel auf den Fels; und da es aufging, verdorrete es, darum dass es nicht Saft hatte.“ Ihr könnt euch den mit dünnem Moos bedeckten Felskegel mitten im Felde leicht vorstellen, und freilich fällt auch von dem Samen darauf. Es keimt, es wächst schnell empor, es welkt und stirbt. Niemand als Derjenige, welcher die Seelen der Menschen liebt, kann sagen, welche Hoffnungen, welche Freuden und welche bitteren Täuschungen diese steinigen Plätze uns bereiten. Wir haben da eine Klasse von verhärteten Zuhörern, und doch gehören sie scheinbar zu den zartesten, gefühlvollsten Leuten. Während andere Leute nichts in der Predigt finden, weinen diese. Man predige über die Schrecken des Gesetzes oder die Liebe auf Golgatha, sie sind immer gleich angegriffen und gerührt. Sie mögen eben jetzt zuhören. Sie machen Entschlüsse, aber sie zaudern, dieselben auszuführen. Sie sind keine hartnäckigen Feinde Gottes, welche sich mit Stahl panzern, sondern scheinen sich dem Prediger des Evangeliums bloß zu legen. Mit Freuden schießen wir unsere Pfeile dahin ab, und sie dringen scheinbar durch aber, aber: ein verborgener Panzer stumpft jede Spitze ab, .und die Wunde wird nicht gefühlt. Das Gleichnis redet von diesen: „Und etliches fiel auf den Fels; und da es aufging verdorrete es, darum, dass es nicht Saft hatte.“ Oder wie es in einem andern Verse erklärt wird: „Die aber auf dem Fels sind die, wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an; und die haben nicht Wurzel; eine Zeit lang glauben sie, und zu der Zeit der Anfechtung fallen sie ab.“ Haben wir nicht Tausende von Zuhörern, welche das Wort mit Freuden aufnehmen? Sie haben keine tiefe Überzeugung, sie springen sozusagen in den Glauben hinein, sie bekennen plötzlich zum Glauben gekommen zu sein, und dieser Glaube erscheint uns wirklich als echt. Wir beobachten die Sache und bemerken, dass der Same wirklich gekeimt hat. Es scheint Leben da zu sein. Wir danken Gott, dass ein Sünder zur Herde zurückgebracht, dass eine Seele wieder geboren wurde. Aber unsere Freude ist verfrüht; sie gingen plötzlich auf und empfingen das Wort mit Freuden, weil sie nicht tiefe Erde hatten, und dieselbe Ursache, welche sie veranlasste, das Wort schnell aufzunehmen, veranlasst auch ihren schnellen Rückfall in der Hitze der Versuchung, im Sonnenbrand der Anfechtung. Solche Leute zu sehen, haben wir täglich Gelegenheit. Sie kommen, um sich der Gemeinde anzuschließen; sie erzählen, wie sie uns da oder dort predigen hörten, und wie das Wort ein Segen für sie gewesen, dass sie sich nie vorher in ihrem Leben so glücklich fühlten. „O mein Herr, ich fühlte, als solle ich von meinem Sitz emporspringen, als Sie von dem teuren Heilande predigten. Und da und dort bin ich gläubig geworden, davon bin ich überzeugt.“ Wir fragen solche Leute, ob sie denn auch jemals von ihrer Sündhaftigkeit überzeugt waren. Sie denken ja; aber eins wissen sie gewiss, nämlich, dass sie große Freude in der Religion finden. Wir fragen: „Denkt ihr denn, Ihr werdet aushalten? Ei, ohne allen Zweifel. Sie hassen, was sie einmal liebten, davon sind sie überzeugt. Es ist alles neu geworden. Und Alles ist so plötzlich gekommen. Wir fragen, wann denn das gute Werk angefangen habe und finden, dass es anfing da, wo es endete, d. h. es war keine Vorarbeit geschehen; der Boden war nicht aufgepflügt, sie sprangen plötzlich vom Tode ins Leben, als wenn ein Feld wie durch Zauber plötzlich von Weizen steht. Wir nehmen die Leute vielleicht in die Kirche auf, aber in einer Woche oder zwei bemerken wir, dass sie nicht mehr so regelmäßig sind wie früher. Wir machen ihnen ernste Vorstellungen, aber sie sagen uns, dass sie in ihrem Christentum auf so harten Widerstand stoßen, weshalb sie sich genötigt finden, ein wenig nachzugeben. Ein anderer Monat vergeht, und sie sind gänzlich aus unseren Kreisen verschwunden. Die Ursache ist, dass man sie ausgelacht, oder ihnen sonst etwaige Hindernisse in den Weg gelegt hat. Und was werden die Gefühle des Predigers unter solchen Umständen sein? Er steht da wie der Ackermann, wenn ihm der Nachtfrost seine schönste Saat im Keim ertötet hat. Er geht in sein Kämmerlein, wirft sich auf sein Angesicht und schreit: „Ich bin betrogen, meine Neubekehrten waren oberflächlich, ihr Leben ist verdorret, wie das grüne Kraut.“ In der alten Götterlehre heißt es, dass Orpheus die Leier so kunstreich zu spielen verstanden hätte, dass während seines Spiels Eichen und Steine zu tanzen anfingen. Das ist freilich nur eine Fabel, und doch ist es dem Prediger öfter passiert, dass sich nicht nur die Kinder Gottes gefreut haben, sondern auch Leute, die Eichen und Steine glichen, fingen an, sich freudig zu bewegen. Aber Eichen und Steine sind sie nichtsdestoweniger geblieben. Der Ton der Leier ist verklungen. Die Eiche wurzelt sich wieder fest, und der Stein fällt schwer zur Erde. Der Sünder, welcher, wie Saul, unter den Propheten war, geht wieder zurück, um aufs Neue gegen den Höchsten zu rebellieren.

Wenn es schlimm ist, als Zuhörer dem Wege zu gleichen, so ist es doch auch nicht viel besser, einem Felsen ähnlich zu sein. Die zweite Sorte Zuhörer macht uns jedenfalls mehr Freude als die erste. Sie sammeln sich gewöhnlich um einen neuen Prediger; und es hat mir schon scheinen wollen, als sei es ein Zeichen der göttlichen Güte, dass er diesen Leuten gestattet, sich um den jungen Mann zu scharen, während ihm wenige nur zur Seite stehen; diese Leute sind leicht gerührt, und wenn der Prediger ernstlich predigt, so fühlen sie es, sie stehen ihm zur Seite, und das gereicht ihm zur Aufmunterung. Aber die Zeit, welche Alles prüft, prüft sie auch. Sie schienen echtes Gold zu sein, aber als sie ins Feuer kamen, um geprüft zu werden, da verbrannten sie in der Schmelze. Manche dieser Oberflächlichen sind hier gegenwärtig. Ich habe sie angeschaut, während ich predigte, und gedacht: „Ich bin überzeugt, dieser Mann wird dieser Tage einen ausgehen von der Welt.“ Ich habe Gott dafür gedankt. Aber der Mann ist leider heute wie zuvor. Jahre und Jahre haben wir ihn umgraben und haben gesät, aber alles umsonst; und es ist zu befürchten, dass es so sein wird bis ans Ende, denn er hat keine Tiefe, er gibt dem Geiste Gottes nicht Raum. Soll es so bleiben? Soll ich an eurem offenen Grabe stehn und denken: „Hier liegt ein Halm, der niemals Früchte trug, ein Mann, an dem die Gnade wirkte, der sich ihr aber nie ganz ergab; der einigemal hoffnungsvolle Lebenszeichen von sich gab und dann zurücksank in ewigen Tod“? Gott rette dich! Ach, möge der Geist Gottes an dir wirken und dich, ja selbst dich, von diesem Tode zu göttlichem Leben und geistlicher Fruchtbarkeit führen, damit der Schmerzenslohn des Gekreuzigten an dir nicht verloren sei.

3. Ich wende mich nun in Kürze zu der dritten Klasse, und möge der Geist Gottes mir helfen, gewissenhaft mit euch zu handeln. „Und etliches fiel unter die Dornen, und die Dornen gingen mit auf und erstickten es.“ Dieses war gutes Land. Die beiden ersten Plätze taugten nicht zur Aussaat: weder auf dem Wege, noch auf dem Felsen kann man eine Weizenernte erwarten; aber dieses ist guter Boden, denn es wachsen Dornen auf demselben. Wo eine Distel aufwächst und gedeiht, da könnte ebenso wohl Weizen wachsen und gedeihen. Dies war fetter Boden. Kein Wunder deshalb, dass der Ackermann hier fleißig säte und eine Handvoll des Samens nach der andern da ausstreute. Sieh, wie fröhlich er aussieht, als er nach einiger Zeit den Acker betrachtet. Der Weizen ist aufgegangen. Freilich es zeigt sich dort ein verdächtiges Pflänzchen, ungefähr so groß wie der Weizen. „O,“ denkt er, „das ist von keiner Bedeutung. Der Weizen wird das schon unterdrücken. Wenn er einmal größer wird, so mag er die kleinen Dornen und Disteln schon vertreiben.“. Mein lieber Ackermann, du kennst nicht die Macht des Bösen, sonst würdest du dir so etwas nicht träumen lassen. Er kommt wieder, und der Weizen ist noch da, er hat zum Teil schon Ähren, aber Dornen und Disteln sind so emporgewachsen, und haben sich über dem Weizen geschlossen, dass kaum noch ein Sonnenstrahl hineindringt. Die Saat sieht bereits ganz gelb aus und ist am verwelken. Es wächst kümmerlich und welkt endlich ganz dahin. Der Schnitter kann seine Sichel hier nicht anschlagen.

Diese Klasse ist unter uns zahlreich vertreten. Sie hören das Wort und verstehen auch, was sie hören. Sie nehmen die Wahrheit mit heim, sie denken darüber nach, ja sie machen ein Bekenntnis von wahrem Christentum. Der Weizen bekommt Ähren und scheint bald völlig auszureifen. Urteile nicht zu früh, diese Männer und Frauen haben viel zu besorgen. Sie haben ein großes Geschäft zu verwalten, viele Leute sind in demselben angestellt, lasset euch mit Rücksicht auf ihr Bekenntnis nicht täuschen - sie haben keine Zeit zur Übung der Gottseligkeit. Sie werden euch sagen, dass sie doch leben müssen, sie können ihre irdischen Angelegenheiten nicht vernachlässigen, sie müssen sich um die Gegenwart bekümmern, für die Zukunft werden sie schon auch sorgen. Die Bibelstunden und Predigten werden wohl noch besucht, und das schwache Hälmchen ihres Christentums wächst nach der Mode. Mittlerweile sind die Leute reich geworden und kommen in der Kutsche nach der Kirche gefahren. Jetzt wird der Weizen wohl wachsen? Nein, nein. Freilich sind die früheren Sorgen verschwunden, das Geschäft ist aufgegeben, sie wohnen auf dem Lande, sie haben Geld genug, sie brauchen sich wegen Unterhaltung ihrer Familie keinen Kummer zu machen. Aber was ihnen früher fehlte, haben sie jetzt zu viel. Sie sind zu reich, um dankbar zu sein. „Aber,“ sagt Jemand, „sie könnten ja ihren Reichtum dazu verwenden, das Reich Gottes zu unterstützen.“ Ja gewiss könnten sie, aber sie tun es nicht, denn der Reichtum ist betrügerisch. Sie haben viele Besucher zu bedienen und in der Welt zu glänzen, das beansprucht Geld und Zeit, deshalb wird Christus und sein Werk vergessen.

Ja, aber sie fangen doch jetzt an, reichlich zu guten Zwecken beizutragen, sie müssen doch über diese Schwierigkeit hinaus sein, denn sie sind in der Tat liberal und mildtätig geworden. Jetzt wird die gute Frucht wachsen und reifen oder? Nein, denn siehe die Dornen der Vergnügungssucht. Sie sind liberal gegen Andere, nun dürfen sie sich doch auch selbst nichts versagen. Ihre eitlen Vergnügungen und Lustbarkeiten ersticken den Weizen des wahren Christentums. Der gute Same kann nicht wachsen, denn sie müssen dieser musikalischen Unterhaltung, jenem Ball und der lustigen Gesellschaft beiwohnen; wie könnten sie dabei an göttliche Dinge denken? Ich kenne verschiedene Exemplare dieser Klasse. Ich kannte einen in den Beamtenkreisen berühmten Mann, der sich mir gegenüber aussprach, er wünsche, dass er arm sei, denn dann habe er Hoffnung in das Reich Gottes zu kommen. Er sagte mir: „Ah, mein Herr, diese Politik, diese Politik! Ich wünschte ich wäre sie los, denn sie frisst mir mein Herz und mein Leben hinweg. Ich kann nicht Gott dienen, wie ich wünschte.“ Einen Andern habe ich gekannt, der sagte mir: „O, es ist ein schreckliches Ding, reich zu sein. Mit all der Welt an und um sich, kann Jemand nicht so in der Nähe seines Heilandes leben.“

O meine Zuhörer, ich will euch nicht wünschen, dass Gott euch aufs Krankenbett legen, euch eure Güter nehmen und in tiefe Armut stürzen möge; aber wenn er es tun sollte, um eure Seele zu retten, so wäre das der Beste Tausch, den ihr machen könntet. Wenn die Mächtigen, welche jetzt klagen, dass die Dornen über den Weizen emporwachsen, ihren Reichtum und ihre Vergnügungen aufgeben könnten, wenn Die, welche alle Tage herrlich und in Freuden leben, die Stelle des armen Lazarus vor des Reichen Türe einnehmen würden und auf diese Weise ihre Seelen retteten, so wäre das in der Tat ein glücklicher Wechsel. Ein Mensch mag reich und geehrt sein und deshalb doch in den Himmel kommen; aber es wird hart gehen, denn „Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gebe, denn dass ein Reicher in das Reich Gottes komme.“ Es werden schon manche Reichen in den Himmel kommen, aber sie haben einen harten Weg. Langsam, Jüngling, langsam! Jage nicht so nach dem Reichtum dieser Welt. Es ist dies ein Platz, wo schon manchem der Kopf verdreht wurde. Bitte nicht, dass Gott dich möge populär machen. Diejenigen, welche Popularität besitzen, haben schwer daran zu tragen. Bete mit Azur: „Reichtum und Armut gib mir nicht!“ Gott helfe mir die goldene Mittelstraße zu ziehen, und dass ich in meinem Herzen allezeit den guten Samen nähren möge, welcher hundertfältige Früchte trägt zur Verherrlichung seines Namens.

4. Ich schließe nun mit Schilderung der letzten Klasse der Zuhörer, welche dem guten Lande gleicht. Von diesen haben wir, wie ihr merkt, bloß einen Teil aus vier. Wird einer aus vieren von den Zuhörern mit einem guten Herzen den Samen des Worts aufnehmen?

Das Land wird als gut geschildert; nicht dass es von Natur gut war, sondern durch die Gnade Gottes ist es gut geworden. Gott hats gepflügt; tiefe Furchen der Selbsterkenntnis hat er gezogen mit dem Pfluge des Evangeliums, und da lags kahl und leer. Als nun das Wort vom Kreuz gepredigt wurde, fand es Aufnahme, denn die Seele sprach: „Das ist gerade der Segen, dessen ich bedürftig bin.“ Gnade ists, was ein armer Sünder bedarf. So gab das Evangelium diesem durch den Pflug aufgerissenen Herzen Frieden. Der Same fiel darauf und schlug Wurzel. Er brachte gründliche Liebe, Weitherzigkeit, gänzliche Hingabe an den Herrn zum Vorschein, wie der Same, welcher hundertfältige Früchte trägt. Der Mann wurde ein gewaltiger Diener Gottes, der sich darlegte und darlegen ließ für Christum. Er nahm seinen Platz in der Vorhut des Herrn, stand fest in der heißesten Schlacht und tat Großes für den Herrn, wie nur wenige - der Same brachte hundertfältige Frucht.

Der gute Same fiel in ein anderes, ähnliches Herz; der Mann konnte es nicht allen Andern vortun, aber er tat viel. Er ergab sich ganz dem Herrn, und in seinem Geschäft hatte er immer ein Wort für die Sache des Herrn zu reden. In seinem täglichen Wandel zierte er sein Bekenntnis mit Gottseligkeit, er ließ sein Licht leuchten vor den Leuten und trug sechzigfältige Frucht. Dann fiel der Same in ein anderes Herz, dessen Talente und Fähigkeiten nur gering waren. Er glänzte nicht wie ein Stern, sondern wie ein kleines Lichtlein; er konnte nicht Großes tun, aber er verrichtete die geringste Arbeit für den Herrn mit Freuden. Der Same hatte Früchte getragen, vielleicht zehnfach, zwanzigfach oder dreißigfach. Wie viele von diesen sind heute hier? Ist Jemand, der da betet: „Gott, sei mir Sünder gnädig“? Da ist der Same aufs rechte Land gefallen. Liebe Seele, dein Gebet soll erhört werden. Gott gibt Niemand das Verlangen nach Gnade, ohne dass er ihm das Gewünschte mitzuteilen beabsichtigt. Fleht ein Anderer: „Ach, dass ich selig wäre!“ Glaube an den Herrn Jesum Christum, so wirst du selig werden - und wärest du der vornehmste der Sünder. Vertraue dem Heilande, und die Last deiner Sünden wird verschwinden, wie der Mühlstein in der tiefen Flut. Ist Niemand da, der an den Herrn Jesum Christum glauben will? Sollte Gottes Geist gänzlich abwesend sein, dass keine Seele gerührt würde? Ach, dass doch in einer Seele göttliches Leben gewirkt werde! Wir wollen beten, dass der Geist des Herrn herabfahre und sein Wort nicht vergeblich verkündigt worden sei.

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