Spurgeon, Charles Haddon - Die Frage unseres Herrn an die Blinden.
Gehalten am Sonntagabend, den 13. Mai 1877.
(Bei dieser Gelegenheit überließen die Mitglieder der Gemeinde ihre Sitze den Fremden.)
“Und da Jesus von dannen fürbass ging, folgten ihm zwei Blinde nach, die schrien und sprachen: Ach, du Sohn Davids, erbarme dich unser. Und da er heim kam, traten die Blinden zu ihm. Und Jesus sprach zu ihnen: Glaubt ihr, dass ich euch solches tun kann? Da sprachen sie zu ihm: Herr, ja. Da rührte er ihre Augen an und sprach: Euch geschehe nach eurem Glauben. Und ihre Augen wurden geöffnet.“
Matth. 9, 27-30.
In unseren Straßen treffen wir hier und da einen blinden Bettler an, aber ihrer sind eine Menge in den Städten des Orients. Ophthalmie ist die Geißel Ägyptens und Syriens; Volney erzählt, dass in Kairo von 100 Personen, die er antraf, 20 ganz blind waren, 10 nur Ein Auge hatten und 20 andere mehr oder weniger an den Augen litten. Noch jetzt fällt Jedem die ungeheure Zahl der Blinden im Orient auf und es stand wahrscheinlich noch schlimmer zu unseres Heilands Zeit. Wir sollten sehr dankbar sein, dass Aussatz, Ophthalmie und gewisse andere Krankheitsformen unter uns in den neueren Zeiten sehr in Schranken gehalten sind, so dass die Pest, welche unsere Stadt vor 200 Jahren verheerte, jetzt unbekannt ist und unsere Hospitäler nicht mehr mit Aussätzigen gefüllt sind. Blindheit wird jetzt oft verhütet und häufig geheilt; und ist keinesfalls so häufig, dass sie eine der Hauptquellen der Armut im Land wäre. Weil es so viele Blinde in unseres Heilands Tagen gab und sich so viele um ihn sammelten, lesen wir gewöhnlich von seinen Heilungen der Blinden. Das Erbarmen kommt dem Elend entgegen. Wo menschliches Leiden am meisten hervortrat, da war die göttliche Macht am mitleidigsten. Nun, in diesen Tagen ist es etwas sehr Gewöhnliches, dass die Menschen geistlich blind sind, und deshalb hege ich große Hoffnung, dass der Herr Jesus in seiner früheren Weise handeln wird und seine Macht in dem weitverbreiteten Übel ente kalten wird. Ich denke, es sind Einige hier zu dieser Stunde, die sich sehnen, geistlich sehend zu werden, sich besonders sehnen, gleich den zwei Blinden in unserem Text, Jesum zu sehen, dessen Anblick das ewige Leben ist. Wir sind heut Abend gekommen, um zu denen zu sprechen, welche ihre geistliche Blindheit fühlen und nach dem Lichte Gottes schmachten dem Licht der Vergebung, dem Licht der Liebe und des Friedens, dem Licht der Heiligkeit und Reinheit. Unser inniger Wunsch ist, dass das Leichentuch der Finsternis aufgehoben werden möge und der göttliche Strahl einen Weg finde in die inwendige Düsterkeit der Seele, damit die Macht der Natur auf immer verschwinde. O, dass der Augenblick des Tagesanbruches für Viele von euch, die „inwendig blind“ sind, jetzt da wäre. Sofortige Erleuchtung ist der Segen, den ich auf euch herabflehe. Ich weiß, dass die Wahrheit Jahre lang im Gedächtnis bleiben kann und zuletzt Frucht hervorbringt; aber zu dieser Zeit ist unser Gebet um unmittelbare Resultate, denn diese allein entsprechen der Natur des Lichtes, von dem wir reden. Am Anfang sprach Jehova nur: „Es werde Licht,“ und es ward Licht; und als Jehova Jesus hienieden weilte, rührte er nur die Augen der Blinden an und sofort erhielten sie das Gesicht1). O, dass ebenso schnelles Werk in dieser Stunde getan würde! Menschen, die an der Hand zu Jesu geführt wurden oder ihren Weg an der Mauer entlang tasteten bis zu dem Ort, wo seine Stimme seine Anwesenheit kund tat, wurden von seinem Finger berührt und gingen heim ohne einen Führer, froh, dass Jesus ihre Augen aufgetan. Solche Wunder kann Jesus noch immer tun; und im Vertrauen auf den Heiligen Geist wollen wir sein Wort predigen und nach den mitfolgenden Zeichen aussehen, in der Erwartung, sie sogleich wahrzunehmen. Warum sollten nicht hunderte von euch, die in dieses Tabernakel kamen in der Finsternis der Natur von demselben hinweggehen mit dem Licht des Himmels gesegnet? Dies ist jedenfalls unseres Herzensinnerster und höchster Wunsch und wir streben danach mit Aufgebot all' unserer Kräfte. Kommt mit uns denn zum Text und seid freundlich genug, willig zu sein, die Wahrheiten an euch wirken zu lassen, die er euch vorführen wird.
I. Zuerst, indem wir die vorliegende Stelle erklären, müssen wir eure Aufmerksamkeit auf die Suchenden selber lenken.
Die zwei Blinden. Es ist etwas an ihnen, das der Nachahmung würdig ist von Allen, die errettet werden wollen. Wir nehmen sogleich wahr, dass die zwei Blinden es sehr ernst meinten. Das Wort, das ihre Bitte beschreibt, ist „schrien“ und hierunter wird nicht bloßes Sprechen verstanden, denn es heißt: „sie schrien und sprachen.“ Nun, Schreien bedeutet ernstes, energisches inbrünstiges Bitten, Suchen und Flehen. Ihr Ton und ihre Gebärden zeigten, dass es keine Feiertagsgrille bei ihnen war, sondern tiefes, leidenschaftliches Verlangen. Versetzt euch selber in diesen Fall. Wie würdet ihr euch nach dem Lichte sehnen, wenn ihr Jahre lang in dem hättet weilen müssen, was Milton „das immerwährende Dunkel“ nennt. Sie hungerten und dürsteten nach dem Sehen. Nun, wir können nicht unser Heil hoffen, bis wir mit derselben Kraft es suchen, und doch, wie Wenige wünschen ernstlich errettet zu werden. Wie ernstlich nehmen es Einige mit ihrem Gelde, ihrer Gesundheit oder ihren Kindern! Wie warm sind sie in Politik und Gemeindesachen; aber sowie ihr mit ihnen von wahrer Gottseligkeit anfangt, sind sie kalt wie der Polarschnee. O, Menschen, wie kommt das? Meint ihr, errettet zu werden, während ihr halb im Schlafe seid? Hofft ihr, Vergebung und Gnade zu finden, während ihr in gedankenloser Gleichgültigkeit verharrt? Wenn das, so seid ihr in verhängnisvollem Irrtum, denn „das Himmelreich leidet Gewalt, und die Gewalt tun, reißen es an sich.“ Tod und Ewigkeit, Gericht und Hölle sind keine Dinge zum Spielen; das ewige Schicksal der Seele ist keine Kleinigkeit, und Seligkeit durch das teure Blut Christi ist nichts Geringes. Die Menschen werden nicht vom Hinuntergehen ins Verderben errettet durch ein Niesen oder Blinzeln. Ein her gemurmeltes Vaterunser oder ein eiliges „Herr, erbarme dich meiner“ genügt nicht. Diese Blinden wären blind geblieben, hätten sie es nicht ernstlich mit dem Öffnen ihrer Augen genommen; ebenso bleiben Viele in ihren Sünden, weil sie nicht ernstlich trachten von ihnen frei zu werden. Diese Menschen waren ganz wach. Lieber Hörer, bist du es? Kannst du sprechen:
„Lachten alle Welten meiner,
Dennoch, dennoch fleh' ich dich,
Flehte also auch nicht Einer,
Fleh' ich: überströme mich
Mit dem Geiste deines Lebens!
Nein, mein Fleh'n ist nicht vergebens,
Seh' ich gleich dein Angesicht,
Christus, hier im Staube nicht.“
Diese Blinden waren durchaus beharrlich in Folge ihres Ernstes, denn sie folgten Christo und fuhren fort, ihre Bitte vorzubringen. Wie machten sie es, den Bewegungen des Herrn zu folgen? Wir wissen es nicht; es muss sehr schwierig gewesen sein, da sie blind waren, aber sie fragten ohne Zweifel Andere, welchen Weg der Meister genommen und sie hielten ihr Ohr für jeden Ton offen. Ohne Zweifel sagten sie: „Wo ist er? Wo ist Jesus? Leitet uns, führt uns. Wir müssen ihn finden!“ Wir wissen nicht, wie weit unser Herr gegangen war, aber wir wissen dies, dass sie gefolgt waren, soweit er gegangen.
Sie beharrten so mutig, dass sie, nachdem sie das Haus erreicht, wo er war, nicht außen vor warteten, bis er wieder heraus kam, sondern sie drängten sich in das Zimmer, wo er saß. Sie waren unersättlich in ihrem Wunsch. Ihr ernstliches Geschrei unterbrach ihn im Predigen, er hielt inne und horchte, als sie sprachen: „Du Sohn Davids, erbarme dich unser.“ So siegt die Beharrlichkeit. Keiner geht verloren, der die Kunst dringlichen Gebetes versteht. Wenn du entschlossen bist, niemals die Gnadenpforte zu verlassen, bis der Türhüter dir auftut, so wird er sicher die Tür aufriegeln. Wenn du den Engel des Bundes festhältst mit dem Vorsatz, „ich lasse dich nicht, du regnest mich denn,“ so wirst du als Überwinder den Kampfplatz verlassen. Ein offener Mund in niemals endendem Gebet wird offene Glaubensaugen erlangen. Bete deshalb in Dunkelheit, selbst wenn keine Hoffnung auf Licht da ist; denn wenn Gott, der das Licht selber ist, einen armen Sünder bewegt, zu ihm zu schreien und zu flehen, mit dem feierlichen Entschluss, darin fortzufahren, bis der Segen kommt, so hat er keinen Gedanken daran, des armen, schreienden Herzens zu spotten. Beharrlichkeit im Gebet ist ein gewisses Zeichen, dass der Tag des Auftuns der Augen nahe ist.
Die Blinden hatten ein bestimmtes Ziel in ihren Bitten. Sie wussten, was sie brauchten, sie waren nicht wie Kinder, die um Nichts schreien, oder gierige Geizige, die um Alles schreien; sie brauchten Sehkraft und wussten dies. Zu viele blinde Seelen sind sich ihrer Blindheit nicht bewusst und bitten deshalb, wenn sie beten, um Alles, nur um das Eine nicht, was Not tut. Viele sogenannte Gebete bestehen in dem Sagen sehr hübscher Worte, sehr schöner, frommer Aussprüche, aber Gebet ist nicht da. Das Gebet ist für die Erretteten Gemeinschaft mit Gott, und für die, welche Errettung suchen, ist es die Bitte um das, was sie brauchen und die Erwartung, dies zu erhalten durch den Namen Jesu, in welchem sie zu Gott beten. Aber was für eine Art Gebet ist das, in welchem kein Gefühl des Bedürfnisses, keine direkte Bitte, kein klares Nachsuchen ist? Lieber Hörer, hast du in deutlichen Ausdrücken den Herrn gebeten, dich zu erretten? Hast du ausgesprochen, dass du ein neues Herz nötig hast, nötig hast, in dem Blut Christi gewaschen zu werden, nötig hast, ein Kind Gottes und in seine Familie aufgenommen zu werden? Es ist kein Gebet, ehe ein Mensch weiß, um was er betet und anfängt, darum zu beten, als ob er sich um nichts Anderes kümmere. Wenn er ernst und dringlich ist und dabei unterwiesen und voll bestimmter Wünsche, so wird er sicher erhört werden. Mit starkem Arm spannt er den Bogen des Wunsches, legt auf die Sehne den scharfen Pfeil des leidenschaftlichen Verlangens, und dann zielt er mit dem geübten Auge der klaren Vorstellung, und deshalb können wir erwarten, dass er gerade den Mittelpunkt des Zieles trifft. Bitte um Licht, Leben, Vergebung, Errettung und bitte darum mit ganzer Seele, und so gewiss wie Christus im Himmel ist, wird er dir diese guten Gaben geben. Wem schlug er sie je ab?
Diese Blinden ehrten Christum in ihren Gebeten, denn sie sprachen: „Du Sohn Davids, erbarme dich unser.“ Die Großen des Landes waren abgeneigt, unseren Herrn als von königlichem Samen entsprossen anzuerkennen, aber diese Blinden proklamierten den Sohn Davids mit großer Freude. Sie waren blind, aber sie konnten ein gut Teil mehr sehen als Einige mit scharfen Augen; denn sie konnten sehen, dass der Nazarener der Messias war, von Gott gesandt, das Reich Israel wieder aufzurichten. Sie entnahmen hieraus, dass Jesus als der Messias, welcher blinde Augen öffnen sollte, auch ihre blinden Augen auftun könnte; und deshalb wandten sie sich an ihn, mit der Bitte, die Zeichen seines Amtes zu tun, und ehrten ihn so durch wirklichen, praktischen Glauben. Dies ist die Art Gebet, welche stets gen Himmel steigen wird, das Gebet, was den Sohn Davids krönt. Betet, verherrlicht Christum in euren Gebeten, macht viel aus ihm, beruft euch auf das Verdienst seines Lebens und Todes, gebt ihm herrliche Namen, weil eure Seele tiefe Ehrfurcht und große Achtung vor ihm hat. Gebete, die Jesum verehren, haben die Kraft und Schnelligkeit von Adlersflügeln in sich, sie müssen zu Gott emporsteigen, denn die Bestandteile himmlischer Macht sind reichlich in ihnen. Gebet, das wenig aus Christo macht, ist ein Gebet, aus dem Gott wenig machen wird; aber das Gebet, in welchem die Seele den Erlöser verherrlicht, steigt gleich einer wohlriechenden Säule von Weihrauch aus dem Allerheiligsten auf und der Herr selbst riecht den süßen Geruch.
Beachtet auch, dass diese zwei Blinden in ihrer Bitte ihre Unwürdigkeit bekannten. „Du Sohn Davids, erbarme dich unser.“ Sie beriefen sich allein auf Barmherzigkeit. Da war keine Rede von Verdienst, kein Geltendmachen der vergangenen Leiden, ihrer beharrlichen Versuche oder ihrer Entschlüsse für die Zukunft, sondern „Erbarme dich unser.“ Der wird nie einen Segen von dem Herrn erlangen, der ihn fordert, als hätte er ein Recht darauf. Wir müssen zu Gott kommen, wie der verurteilte Verbrecher sich an seinen Fürsten wendet, indem er um die Ausübung des königlichen Begnadigungsrechtes bittet. Wie ein Bettler um Almosen in der Straße bittet, in dem er seine Bedürftigkeit geltend macht und eine Gabe um der Barmherzigkeit willen in Anspruch nimmt, so müssen wir uns zu dem Höchsten wenden, uns berufen ad misericordiam2), und unser Flehen an die Freundlichkeit und milde Barmherzigkeit des Herrn richten. Wir müssen so bitten: „O Gott, wenn du mich verwirfst, so habe ich es verdient. Wenn mir niemals ein tröstender Blick von deinem Angesicht werden sollte, so kann ich nicht klagen. Aber rette einen Sünder, Herr, um deiner Barmherzigkeit willen. Ich habe keinen Anspruch vor dir, aber, weil du voll Gnaden bist, blicke auf eine arme, blinde Seele, die gern dich erblicken möchte.“
Meine Brüder, ich kann nicht schöne Worte zusammen setzen. Ich habe nie in der Schule der Beredsamkeit gesessen. In Wahrheit, meine Seele verabscheut den bloßen Gedanken, schön zu reden, wenn Seelen in Gefahr sind. Nein, ich bemühe mich geradezu in euer Herz und Gewissen hineinzureden, und wenn in dieser horchenden Menge Einige sind, die in der rechten Weise zuhören, so wird Gott das Wort an ihnen segnen. „Und welche Art des Zuhörens ist das?“, fragt ihr. Nun, die, wenn ein Mann sagt: „So weit ich wahrnehme, dass der Prediger das Wort Gottes sagt, will ich ihm folgen, und ich will tun, was nach seiner Beschreibung der suchende Sünder tut. Ich will heute Abend beten und flehen und will in meinen Bitten beharren, streben, den Namen Jesu zu verherrlichen und zu gleicher Zeit meine eigene Unwürdigkeit bekennen. So, in dieser Art will ich um Gnade von der Hand des Sohnes Davids bitten.“ Glücklich ist der Prediger, wenn er weiß, dass dies der Fall ist.
II. Nun wollen wir eine Minute innehalten und bemerken, zweitens, die Frage, die ihnen vorgelegt ward.
Sie suchten, das Auftun ihrer Augen. Sie standen beide vor dem Herrn, den sie nicht sehen konnten, der sie indes sehen konnte und sich ihnen durch ihr Hören offenbaren. Er begann sie zu fragen, nicht, damit er sie kennt, sondern damit sie sich selber erkennen. Er tat nur Eine Frage: „Glaubt ihr, dass ich euch solches tun kann?“ Nun, ich glaube, zwischen jedem suchenden Sünder und Christo ist nur diese Eine Frage: „Glaubst du, dass ich dir solches tun kann?“ und wenn jemand mit Wahrheit antworten kann, wie die Zwei in der Erzählung: „Ja Herr,“ so wird er sicher die Antwort erhalten: „Dir geschehe nach deinem Glauben.“
Lasst uns also diese sehr gewichtige Frage mit sehr ernster Aufmerksamkeit betrachten. Sie betraf ihren Glauben. „Glaubt ihr, dass ich euch solches tun kann?“ Er fragte sie nicht, ob sie dächten, es gäbe vielleicht einen geheimnisvollen Arzt, der ihre Augen in einem künftigen Zustand heilen werde. Nein. Neugierige Fragen und müßige Spekulationen werden nie von dem Herrn Jesu eingegeben. Seine Nachfragen waren alle zusammengefasst in ein Verhör über einen Punkt und dieser Eine Punkt war Glaube. Glaubten sie, dass er, der Sohn Davids, sie heilen könnte? Warum legt unser Herr überall, nicht nur in seinem Predigtamt, sondern auch in der Lehre der Apostel, immer so viel Gewicht auf den Glauben? Warum ist der Glaube so wesentlich? Es ist wegen seiner aufnehmenden Kraft. Eine Börse macht einen Menschen nicht reich, und doch, ohne irgendwelchen Platz für sein Geld, wie könnte ein Mensch Reichtum erwerben? Der Glaube an sich könnte keinen Pfennig beitragen zur Seligkeit, aber er ist die Börse, die einen kostbaren Heiland in sich hält, ja, er enthält alle Schätze der göttlichen Liebe. Wenn ein Mann durstig ist, sind ein Seil und ein Eimer an sich ihm nicht viel nütze, aber doch, wenn ein Brunnen nahe ist, so ist ein Eimer und ein Seil gerade das, was nottut, wodurch das Wasser emporgezogen werden kann. Der Glaube ist der Eimer, durch den ein Mensch Wasser aus dem Brunnen des Heils schöpfen kann und zur vollen Befriedigung seines Herzens trinken. Ihr seid vielleicht manchmal einen Augenblick an einem Brunnen in der Straße stillgestanden und habt gewünscht zu trinken, aber ihr konntet nicht, denn der Trinkbecher war nicht da. Das Wasser floss, aber ihr konntet es nicht bekommen. Es war eine Tantalusqual, an dem Brunnen zu stehen und doch durstig zu sein aus Mangel an einem kleinen Becher. Nun, der Glaube ist dieser kleine Becher, den wir empor halten an den fließenden Quell der Gnade Christi; wir fühlen ihn, und dann trinken wir und werden erquickt. Daher die Wichtigkeit des Glaubens.
Es wäre unseren Vorvätern ein müßiges Ding erschienen, ein Kabel unters Meer von England nach Amerika zu legen und es wäre jetzt vergeblich wenn die Wissenschaft uns nicht gelehrt, durch den Blitz zu sprechen; doch ist jetzt das Kabel selbst von äußerster Wichtigkeit, denn die besten Erfindungen der Telegraphie würden von keinem Nutzen für die transatlantischen Kommunikation sein, wenn der Verbindungsdraht zwischen beiden Kontinenten nicht wäre. Der Glaube ist gerade dies: er ist der Verbindungsdraht zwischen unseren Seelen und Gott und die lebendige Botschaft zuckt längs desselben in unseren Seelen. Der Glaube ist manchmal schwach und nur einem sehr dünnen Faden vergleichbar; aber er ist darum doch etwas sehr Köstliches, denn er ist der Anfang großer Dinge. Vor Jahren wollte man eine schwebende Brücke über einen mächtigen Abgrund errichten, durch welchen tief unter ein schiffbarer Strom floss. Von Klippe zu Klippe wollte man eine eiserne Brücke hoch in der Luft aufhängen, aber wie sollte dies angefangen werden? Man schoss einen Pfeil von der einen Seite zu der anderen und er trug einen dünnen Faden über den Abgrund. Dieser unsichtbare Faden war genug, um damit zu beginnen. Die Verbindung war hergestellt; nach und nach zog der Faden ein Stück Bindfaden, dieser ein dünnes Seil und dieses zog bald ein Kabel hinüber und zu seiner Zeit kamen die eisernen Ketten und alles Übrige, was für den Übergang nötig war. Nun, der Glaube ist oft sehr schwach, aber selbst in diesem Fall ist er vom äußersten Wert, denn er bildet eine Verbindung zwischen der Seele und dem Herrn Jesu Christo. Wenn du an ihn glaubst, so ist eine Kette zwischen dir und ihm; deine Sündigkeit ruht auf seiner Gnade, deine Schwachheit hängt an seiner Kraft, dein Nichts verbirgt in seiner Allgenügsamkeit; aber wenn du nicht glaubst, bist du getrennt von Jesu und kein Segen kann auf dich fließen. So hat die Frage, die ich heute Abend in meines Meisters Namen an jeden suchenden Sünder zu richten habe, mit seinem Glauben zu tun und mit nichts anderem. Es kümmert mich nicht, ob du ein Mann von 100.000 Pfund bist oder ob du ein paar Schilling die Woche verdienst, ob du ein Adeliger oder ein Armer, ob du Fürst oder Bauer bist, gelehrt oder unwissend. Wir haben dasselbe Evangelium jedem Mann, Weib oder Kind zu verkünden, und wir haben auf denselben Punkt den Nachdruck zu legen: Glaubst du?“ Wenn du glaubst, wirst du selig werden, aber wenn du nicht glaubst, kannst du nicht an den Segnungen der Gnade teilnehmen.
Beachtet ferner, dass die Frage ihren Glauben an Jesum betraf. „Glaubt ihr, dass ich euch solches tun kann?“ Wenn wir den erweckten Sünder fragen müssten: „Glaubst du, dass du dich selber retten kannst?“ so würde seine Antwort lauten: „Nein, das tue ich nicht; ich weiß es besser. Meine Selbstgenügsamkeit ist tot.“ Wenn wir ihm die Frage vorlegen wollten: „Glaubst du, dass religiöse Gebräuche, Gnadenmittel und Sakramente dich retten können?“ wenn er ein vernünftiger, erweckter Bußfertiger ist, wird er erwidern: „ich weiß es besser. Ich habe sie versucht, aber an und für sich sind sie bloße Eitelkeit.“ Wahrlich, es ist so, es bleibt in uns und um uns nichts, worauf die Hoffnung bauen kann, nicht einmal für eine Stunde. Aber die Frage geht über unser Ich hinaus und wirft uns allein auf Jesum, indem sie uns heißt, den Herrn selber fragen zu hören: „Glaubt ihr, dass ich euch solches tun kann?“ Nun, Geliebte, wir sprechen nicht von einer bloß historischen Person, wenn wir von dem Herrn Jesu Christo reden; wir sprechen von Einem, der über alle Andern ist. Er ist der Sohn des Höchsten und doch kam er auf diese Erde und wurde als Kindlein zu Bethlehem geboren. Er schlief auf eines Weibes Schoß und wuchs auf wie andere Kinder. Er ward ein Mann in der Fülle der Kraft und Weisheit und lebte hier 30 Jahre und darüber und tat Gutes. Zuletzt starb dieser herrliche Gott in menschlichem Fleisch, „der Gerechte für die Ungerechten, auf dass er uns zu Gott brächte,“ er stand an der Stelle und Statt des schuldigen Menschen, um des Menschen Strafe zu tragen - damit Gott gerecht sei und doch der Gerechtmacher dessen, der da glaubt. Er starb und ward begraben, aber nur auf kurze Zeit konnte das Grab ihn halten; früh am Morgen des dritten Tages stand er auf und verließ die Toten, um nie mehr zu sterben. Er weilte hier lange genug, dass Viele ihn lebendig und wahrhaft im Leibe sehen konnten. Kein Ereignis der Geschichte ist so wohl beglaubigt als die Auferstehung Christi, er ward von Einzelnen allein gesehen und von zweien und von zwanzig und von mehr als 500 Brüdern auf einmal. Nachdem er hier eine kleine Weile gelebt hatte, fuhr er in Gegenwart seiner Jünger gen Himmel auf und eine Wolke nahm ihn vor ihren Augen hinweg. In diesem Augenblick sitzt er zur Rechten Gottes in menschlichem Fleisch; derselbe Mann, der am Kreuzesstamm starb, sitzt nun auf dem Thron im höchsten Himmel als Herr über Alles, und jeder Engel freut sich, ihm zu huldigen. Die Eine Frage, welche er euch heute Abend tut durch diese schwachen Lippen ist diese: „Glaubst du, dass ich dich erretten kann; dass ich, der Christ Gottes, jetzt im Himmel, dich retten kann?“ Alles hängt von eurer Antwort auf diese Frage ab. Ich weiß, was eure Antwort sein sollte. Gewiss, wenn er Gott ist, so ist nichts unmöglich oder auch nur schwer für ihn. Wenn er sein Leben hingegeben hat, um eine Versöhnung zu stiften und Gott diese Versöhnung angenommen hat, indem er ihm erlaubte, von den Toten aufzustehen, so muss Kraft in seinem Blut sein, mich zu reinigen, selbst mich. Die Antwort sollte sein: „Ja, Herr Jesus, ich glaube, dass du dies tun kannst.“
Aber nun will ich den Nachdruck auf ein anderes Wort meines Textes legen, und ich möchte, dass auch ihr Nachdruck darauf legtet: „Glaubt ihr, dass ich euch dieses tun kann?“ (Engl. Üb.) Nun es hätte diesen Blinden nichts genügt, zu sagen: „Wir glauben, dass du die Toten aufwecken kannst. „Nein,“ sagt Christus, das, warum es sich handelt, ist das Auftun eurer Augen. Glaubt ihr, dass ich dieses tun kann?“ Sie hätten erwidern können: „Guter Meister, wir glauben, dass du das blutflüssige Weib heiltest, als sie deines Kleides Saum anrührte.“ „Nein,“ sagt er, „das ist nicht die Frage. Es handelt sich jetzt um eure Augen. Ihr braucht Sehkraft, und es fragt sich, glaubt ihr, dass ich dieses tun kann?“ Ach, Einige von euch können für andere Menschen glauben, aber wir müssen euch die Frage noch näher bringen und sagen: „Glaubst du, dass Christus dich retten kann sogar dich? Kann er dieses tun?“ Möglicherweise rede ich zu Einem, der sehr weit in Sünden gegangen ist. Es mag sein, mein Freund, dass du sehr viel Missetat in einem kurzen Zeitraum angehäuft hast. Du wolltest ein kurzes und lustiges Leben, und nach deinen jetzigen Aussichten wirst du wahrscheinlich ein kurzes haben, aber die Lustigkeit ist beinahe schon für dich vorüber, und wenn du auf dein Leben zurück blickst, so denkst du, dass nie ein junger Mann oder ein junges Mädchen das Leben törichter weggeworfen als du? Nun denn, wünscht du errettet zu werden? Kannst du von Herzen sagen, dass du es tust? Antworte mir denn auf diese weitere Frage: Glaubet du, dass Jesus Christus dieses tun kann, nämlich, alle deine Sünden austilgen, dein Herz erneuern und dich heute Abend erretten? „O ja, ich glaube, er kann Sünde vergeben.“
Aber glaubst du, dass er deine Sünde vergeben kann? Du selbst bist der Fall, der vorliegt. Wie steht's um deinen Glauben in diesem Punkt? Lass Andere in Ruhe eben jetzt und betrachte dich selbst. Glaubst du, dass er dieses tun kann? Dieses, diese deine Sünden, dieses vergeudete Leben, kann Jesus damit fertig werden? Von deiner Antwort auf diese Frage hängt Alles ab. Es ist ein eitler Glaube, der wähnet, an die Macht des Herrn über Andere zu glauben, aber erklärt, dass er für sich selber kein Vertrauen auf ihn hat. Du musst glauben, dass er dieses tun kann, dieses, was dich betrifft, sonst bist du tatsächlich ein Ungläubiger.
Ich weiß, ich rede zu sehr Vielen, die sich nie in die Laster der Welt gestürzt haben. Ich danke Gott für euch, dass ihr auf dem Wege der Sittlichkeit, Mäßigkeit und Ehrlichkeit erhalten seid; doch weiß ich, dass Einige von euch fast wünschten oder wenigstens ist euch der Gedanke gekommen, dass ihr fast wünschen möchtet, - dass ihr große, offenkundige Sünder gewesen wäret, dass zu euch gepredigt würde wie zu Solchen und dass ihr eine Veränderung in euch sehen möchtet, eben so groß, wie die, welche ihr in einigen von diesen gesehen, an deren Bekehrung ihr niemals zweifeln könntet. Gebt keinem so unweisen Wunsche Raum, sondern hört zu, während ich diese Frage auch an euch stelle. Euer Fall ist der eines Moralisten, der jede äußere Pflicht getan, aber seinen Gott vernachlässigt hat - der Fall eines Moralisten, der fühlt, als wenn Buße für ihn unmöglich sei, weil er so lange von der Selbstgerechtigkeit schon angefressen ist, dass er nicht weiß, wie er den Krebs herausschneiden soll. Der Herr Jesus kann dich eben so leicht von der Selbstgerechtigkeit erretten, wie er einen Andern von seinen sündigen Gewohnheiten errettet. Glaubst du, dass er dieses tun kann? Komm nun, glaubst du, dass er diesem gewachsen ist, deinem eigenen, besonderen Fall? Gib mir „ja“ oder „nein“ auf diese Frage.
„Ach,“ ruft Einer von euch, „mein Herz ist so hart.“ Glaubst du, dass er es erweichen kann? Gesetzt, es wäre so hart wie Granit: glaubst du nun, dass der Christ Gottes es in einem Augenblick in Wachs verwandeln kann? Gesetzt, dein Herz wäre so unbeständig wie Wind und Wellen des Meeres: kannst du glauben, dass er dich beständig machen, für immer auf dem Fels des Heils feststellen kann? Wenn du an ihn glaubst, will er dies für dich tun, denn nach deinem Glauben soll dir geschehen. Aber ich weiß, der Knoten liegt hier. Jeder versucht, fortzulaufen zu dem Gedanken, dass er an die Macht Christi für Andere glaubt, aber er zittert für sich selber; aber ich muss einen Jeden bei dem Punkte halten, der ihn selbst betrifft, ich muss euch beim Knopfloch fassen und euch auf die wirkliche Probe stellen. Jesus fragt einen Jeden von euch „Glaubst du, dass ich dir dieses tun kann?“
„Wie?“ sagt Einer, „es würde das wunderbarste Ding sein, das der Herr Jesus je tat, wenn er mich heut' Abend errettete?“ Glaubst du, dass er es tun kann? Willst du ihm vertrauen, dass er es jetzt tun wird? „Aber es wird ein so sonderbares Ding sein, ein solches Wunder!“ Der Herr Jesus wirkt sonderbare Dinge: es ist seine Weise. Er war stets ein Wundertäter. Kannst du glauben, dass er im Stande ist, dies für dich zu tun, sogar das, was jetzt nötig ist, dich zu retten?
Es ist wundervoll, welche Macht der Glaube hat - Macht über den Herrn Jesum selbst. Ich habe oft erfahren in kleinen Dingen, wie das zutrauen euch überwindet. Seid ihr nicht oft überwunden worden durch das Vertrauen eines kleinen Kindes? Die einfältige Bitte war zu vertrauensvoll, um abgeschlagen zu werden. Hat dich je ein Blinder angefasst beim Übergang über die Straße, dir gesagt: „Herr, wollen Sie mich über die Straße führen?“ Vielleicht hat er etwas schlau gesagt, „ich erkenne an dem Ton Ihrer Stimme, dass Sie freundlich sind. Ich fühle, dass ich mich Ihnen anvertrauen kann.“ Dann habt ihr gefühlt, dass ihr dazu verbunden wärt, ihr konntet ihn nicht gehen lassen. Und wenn eine Seele zu Jesu sagt: „ich weiß, du kannst mich retten, mein Herr: ich weiß, du kannst es, deshalb traue ich dir,“ wohlan, dann kann er sie nicht abschütteln, er kann nicht wünschen es zu tun, denn er hat gesagt: „Wer zu mir kommt, den will ich nicht hinausstoßen.“ Ich erzähle zuweilen eine Geschichte, um dies deutlich zu machen; sie ist einfach genug, aber sie zeigt, wie der Glaube über alles gewinnt. Vor vielen Jahren war mein Garten mit einer Hecke umgeben, die grün aussah, aber ein armseliger Schutz war. Eines Nachbars Hund besuchte sehr gern meinen Garten und da er nie meinen Blumen gut tat, so gab ich ihm nie ein herzliches Willkommen. Als ich eines Abends ruhig umherging, sah ich ihn Schaden anrichten. Ich warf einen Stock nach ihm und riet ihm heimzugeben; aber wie antwortete mir das gute Geschöpf? Es kehrte sich um, wedelte mit dem Schwanz und nahm in der fröhlichsten Manier meinen Stock auf, brachte ihn und legte ihn zu meinen Füßen. Schlug ich ihn? Nein, ich bin kein Ungeheuer. Ich hätte mich geschämt, wenn ich ihn nicht gestreichelt und ihm gesagt hätte, zu kommen, wann er wollte. Er und ich waren sogleich Freunde, denn, wie ihr seht, er traute mir und überwand mich. Nun, einfach wie die Erzählung ist, das ist gerade die Weisheit des Glaubens an Christum. Wie der Hund den Menschen besiegte, indem er ihm vertraute, so besiegt ein armer, schuldiger Sünder den Herrn selber durch Vertrauen, wenn er zu ihm spricht: „Herr, ich bin ein armer Hund von einem Sünder, und du kannst mich hinweg treiben, aber ich glaube, du bist zu gut, um das zu tun. Ich glaube, du kannst mich erretten, und siehe! ich vertraue mich dir an. Ob ich verloren oder errettet werde, ich übergebe mich dir.“ Ah, liebes Herz, du wirst nimmer verloren gehen, wenn du so vertraust. Der, welcher sich Jesu anvertraut, hat Antwort auf die Frage gegeben: „Glaubst du, dass ich dir dieses tun kann?“ und für ihn ist nichts mehr zu tun, als seines Weges zu gehen und sich zu freuen, denn der Herr hat seine Augen geöffnet und ihn errettet.
III. Nun drittens, diese Frage war eine sehr folgerichtige.
„Glaubt ihr, dass ich euch dieses tun kann?“ Gebt mir eine Minute, lasst euch zeigen, dass es sehr folgerichtig war, wenn Christus sie tat, und ebenso sehr, wenn ich sie vielen hier Gegenwärtigen ans Herz lege. Unser Herr Jesus Christus hätte sagen können: „Wenn ihr nicht glaubt, dass ich dies tun kann, warum folgtet ihr mir? Warum folgtet ihr mir mehr als irgendeinem Andern? Ihr seid hinter mir die Straße entlang gekommen und in dies Haus hinein. Warum das, wenn ihr nicht glaubt, dass ich eure Augen auftun kann?“ Ein großer Teil von euch, die heute Abend hier sind, besuchen ein Gotteshaus; ihr seid gern da, aber warum, wenn ihr nicht an Jesum glaubt? Weshalb geht ihr hin? Sucht ihr einen Heiland, der euch nicht retten kann? Sucht ihr töricht einen, dem ihr nicht trauen könnt? Ich habe nie von solchem Wahnsinn gehört, dass ein Kranker einem Doktor nachläuft, in den er kein Vertrauen setzt. Und kommt ihr hier heute Abend und geht in eure Gotteshäuser zu anderen Zeiten, ohne irgend Glauben an Jesum zu haben? Warum seid ihr denn gekommen? Was für inkonsequente Leute müsst ihr sein?
Wiederum: diese Blinden hatten Jesum gebeten, ihre Augen aufzutun, aber warum baten sie? Wenn sie nicht glaubten, dass Jesus sie heilen konnte, so waren ihre Bitten ein Spott. Würdet ihr Jemand bitten, etwas zu tun, wovon ihr wüsstet, dass er es nicht könnte?
Muss nicht das Gebet immer gemessen werden nach der Menge des Glaubens, den wir hinein tun? Nun, ich weiß, Einige von euch haben die Gewohnheit zu beten, seit sie kleine Kinder waren; ihr geht kaum abends je zu Bett, ohne die Gebetsformel zu wiederholen, die eure Mutter euch lehrte. Weshalb tut ihr das, wenn ihr nicht glaubt, dass Christus euch retten kann? Warum ihn um etwas bitten, wovon ihr nicht glaubt, dass er es tun kann? Welche sonderbare Inkonsequenz: zu beten ohne Glauben!
Noch mehr, diese zwei Blinden hatten Jesum den „Sohn Davids“ genannt. Warum bekannten sie so ihn als den Messias? Die Meisten von euch tun dasselbe. Ich vermute, dass in dieser Versammlung sehr Wenige sind, welche an der Gottheit Christi zweifeln. Ihr glaubt an das Wort Gottes; ihr zweifelt nicht daran, dass es von Gott eingegeben ist; ihr glaubt, dass Jesus Christus gelebt hat, gestorben und in die Herrlichkeit eingegangen ist. Wohlan denn, wenn ihr nicht glaubt, dass er euch retten kann, was meint ihr denn, wenn ihr sagt, er sei Gott? Gott und doch nicht fähig? Ein sterbendes, blutendes Versöhnungsopfer, und doch nicht fähig zu retten? Mann, dein mündliches Glaubensbekenntnis ist nicht dein wahres. Wenn du dein wahres Bekenntnis niederschreiben solltest, würde es ungefähr so lauten: „Ich glaube nicht an Jesum Christum als den Sohn Gottes, oder daran, dass er ein völliges Sühnopfer für die Sünde dargebracht hat, denn ich glaube nicht, dass er mich erretten kann.“ Würde das nicht richtig und alles aus einem Gusse sein?
Wohlan denn, ich beschwöre euch bei eurem öfteren Hören des Wortes, bei eurer Gewohnheit zu beten, und bei eurem Bekenntnis, an diese ehrwürdige, alte Bibel zu glauben, antwortet mir: - Wie kommt es, dass ihr nicht an Jesum glaubt? Mann, er muss im Stande sein, dich zu retten. Weißt du, es ist ungefähr 27 Jahre, seit ich mein Vertrauen auf ihn setzte und ich muss von ihm sprechen, wie ich es finde. In jeder Stunde der Dunkelheit, in jeder Zeit des Verzagens, in jeder Periode des Leidens hab' ich ihn treu und wahr erfunden; und was das Anvertrauen meiner Seele betrifft, wenn ich tausend Seelen hätte, so wollte ich sie ihm anvertrauen; und wenn ich so viele Seelen hätte, als Sandkörner am Meer, würde ich nicht nach einem zweiten Heiland fragen, sondern würde sie alle in jene teure Hand legen, die mit dem Nagel durchbohrt war, damit er uns erfassen und uns auf ewig halten könnte. Er ist eures Vertrauens würdig, und euer Vertrauen ist alles, was er von euch fordert; er weiß, dass er im Stande ist und ihr könnt nicht zweifeln, dass er willig ist, da er starb - und er bittet euch, in dem Glauben zu handeln, dass er fähig ist, euch zu retten und euch ihm anzuvertrauen.
IV. Nun darf ich euch nicht viel länger aufhalten und deshalb will ich die Antwort betrachten, welche diese Blinden auf seine Fragen gaben.
Sie sagten zu ihm: Ja, Herr.“ Nun, ich habe mit dieser Frage in euch gedrungen und ich wiederhole sie. Glaubt ihr, dass Christus euch retten kann, dass er dies tun kann und in eurem ganz besonderen Fall euch helfen? Nun, eure Antwort. Wie Viele wollen sagen: „Ja, Herr.“ Ich bin halb geneigt, es euch laut sagen zu lassen; aber ich will euch lieber bitten, es in eurem Inneren zu sagen: „Ja, Herr.“ Und nun möge Gott, der Heilige Geist euch helfen, es sehr deutlich zu sagen, ohne Rückhalt und ohne geheimen Vorbehalt: „Ja, Herr.“ Blindes Auge, stumme Zunge, kaltes Herz - ich glaube, du kannst all' dieses verwandeln und ich verlasse mich auf dich, um durch deine göttliche Gnade erneuert zu werden.“ Sagt es und meint es. Sagt es bestimmt und entschieden, mit eurem ganzen Herzen, „Ja, Herr.“
Bemerkt, dass diese Zwei sogleich antworteten. Sobald die Frage aus Christi Munde kam, gaben sie die Antwort: „Ja, Herr.“ Es geht nichts über rasche Antworten, wenn ihr Jemanden eine Frage tut und sagt: „Glaubst du, dass ich dies tun kann?“ und er zögert, sich die Stirne reibt, seinen Kopf streicht und zuletzt sagt: „Ja, ja,“ lautet nicht ein solches „Ja“ außerordentlich gleich „Nein“? Das beste „Ja“ in der Welt, ist das „Ja“, was sogleich hervorbricht. „Ja, Herr, schlecht wie ich bin, ich glaube, du kannst mich retten, denn ich weiß, dein kostbares Blut kann jeden Flecken hinwegnehmen. Obgleich ich ein alter Sünder bin, obgleich ich ein großer Sünder bin, obgleich ich Einer bin, der von seinem religiösen Bekenntnis abgewichen ist und ein Rückfälliger, obgleich ich ein aus der Gesellschaft Ausgestoßener scheine, obgleich ich noch nicht fühle, wie ich möchte, und das gerade Gegenteil von dem bin, was ich sein sollte, dennoch glaube ich, wenn Christus für Sünder gestorben ist, wenn der ewige Sohn Gottes in den Himmel gegangen ist, um für Sünder zu bitten, dann muss er „selig machen können immerdar, die durch ihn zu Gott kommen, und ich komme heute Abend durch ihn zu Gott und glaube, dass er sogar mich retten kann.“ Das ist die Art von Antwort, die ich von Allen ersehne. Möge der Geist Gottes sie bewirken!
V. Dann seht unseres Herrn Erwiderung auf ihre Antwort.
Er sprach: „Euch geschehe nach eurem Glauben.“ Als wenn er gesprochen: Wenn ihr an mich glaubt, so ist Licht für eure blinden Augen da. So wahr der Glaube, so wahr das Sehen. Wenn ihr entschieden und völlig glaubt, so soll nicht Ein Auge aufgetan oder beide halbgeöffnet werden, sondern euer ganzes Gesicht wird euch gegeben. Entschiedener Glaube soll jeden Flecken wegnehmen und euer Gesicht stark und klar machen. Wenn eure Antwort rasch ist, so soll meine es auch sein. Ihr sollt in einem Augenblick sehen, denn ihr glaubtet sogleich. Des Herrn Macht hielt Schritt mit ihrem Glauben. Wenn ihr Glaube wirklich war, so war seine Heilung wirklich. Wenn ihr Glaube völlig war, so war seine Kur völlig, und wenn ihr Glaube sogleich „Ja“ sagte, so gab er ihnen sogleich das Gesicht. Wenn ihr lange wartet, ehe ihr „ja“ sagt, so werdet ihr lange warten, ehe ihr Frieden erhaltet; aber wenn ihr heute Abend sprecht: „Ich will es wagen, denn ich sehe, dass es so ist; Jesus muss mich erretten können, ich will mich ihm übergeben;“ wenn ihr das sogleich tut, so werdet ihr augenblicklich Frieden haben - ja, da auf dem Sitze, junger Mann, der du heute Abend eine Bürde trägst, sollst du Ruhe finden. Du wirst dich wundern, dass die Bürde verschwunden ist, und dich umblicken und finden, dass sie fort ist, weil du auf den Gekreuzigten blickst und alle deine Sünden ihm überlassen hast. Deine schlechten Gewohnheiten, die du vergebens zu überwinden strebst, die frische Retten geschmiedet haben, um dich zu halten, du wirst sie abfallen sehen wie Spinngewebe. Wenn du nur darauf trauen kannst, dass Jesus sie zerbrechen wird und dich ihm hingibst, um erneuert zu werden, so soll es geschehen und heute Abend geschehen, und die ewigen Gewölbe des Himmels sollen wiederhallen von dem Preise der freien Gnade.
So hab' ich die ganze Sache euch dargestellt. Meine einzige Hoffnung ist, dass Gott der Heilige Geist euch dahin führen wird, zu suchen, wie die Blinden suchten und besonders zu vertrauen, wie sie vertrauten.
Dieses letzte Wort. Es gibt Einige, die besonders fleißig sind im Auffinden von Gründen, warum sie nicht errettet werden sollten. Ich habe mit einigen Solchen halbe Stunden lang gestritten und sie enden immer mit „Ja, das ist wahr, mein Herr, aber.“ - Und dann suchen wir das „Aber“ in Stücke zu hacken; aber nach einer Weile finden sie ein anderes und sagen: „Ja, ich sehe nun diesen Punkt ein, aber.“ So stützen sie ihren Unglauben mit „Aber“. Wenn hier Jemand wäre, der wünschte, dir 1000 Pfund zu geben, kannst du mir einen Grund sagen, warum er's nicht sollte? Ich meine, wenn er käme und euch eine Banknote zu dem Betrage böte, so würdet ihr euch nicht abquälen, Einwendungen zu entdecken. Ihr würdet nicht immerfort sagen: „ich möchte gern das Geld, aber…“ Nein, wenn irgendein Grund da wäre, warum ihr es nicht haben solltet, so würdet ihr Andern es überlassen, den zu finden. Ihr würdet nicht arbeiten und euer Gehirn martern, um Beweise gegen euch selber zu finden; ihr seid nicht so sehr eure eigenen Feinde. Und doch handeln die Menschen in Betreff des ewigen Lebens, welches unendlich wertvoller ist als alle Schätze dieser Welt, höchst abgeschmackt und sagen: „Ich wünsche es ernstlich und Christus kann es tun, aber…“ Welche Torheit ist es, gegen euch selber zu beweisen. Wenn ein Mann im Gefängnis zum Tode verurteilt wäre und morgen früh hingerichtet werden sollte, und der Richter käme und sagte: „Da ist Begnadigung für dich“, meint ihr der Mann würde anfangen, Einwendungen zu machen? Würde er rufen: „ich möchte gerne noch eine halbe Stunde, um meine Lage zu überdenken und Gründe ausfindig zu machen, warum ich nicht begnadigt werden sollte?“ Nein, er würde gleich zugreifen. O, dass ihr auch gleich zugriffet heut Abend. Der Herr gebe euch ein solches Gefühl von Gefahr und Schuld, dass ihr schnell rufet: „Ich glaube; ich will an Jesum glauben.“
Sünder sind nicht halb so vernünftig als Sperlinge. David sagt in einem Psalm: „Ich wache und sitze wie ein einsamer Sperling auf dem Dache.“ Wohl, habt ihr den Sperling beachtet? Er hält seine Augen offen und so wie er ein Weizenkorn oder etwas zu essen unten in der Straße sieht, so fliegt er hin, es zu holen. Ich sah ein, dass er auf Jemand wartete, der ihn einlüde, viel weniger, ihn bäte und flehte, zu kommen und zu essen. Er sieht die Nahrung und sagt zu sich selbst: „Hier ist ein hungriger Sperling, und da ist ein Stück Brot. Diese zwei Dinge passen gut zusammen, sie sollen nicht lange getrennt sein.“ Hinunter fliegt er und isst alles, was er finden kann und so bald er's findet. O, wenn ihr halb so viel Vernunft wie ein Sperling hättet, so würdet ihr sagen: „Hier ist ein schuldiger Sünder, und hier ist ein teurer Heiland. Diese zwei Dinge passen gut zusammen, sie sollen nicht lange getrennt sein. Ich glaube an Jesum und Jesus ist mein.“
Der Herr gebe, dass ihr Jesum heut Abend finden möget ehe ihr dies Haus verlasst. Ich bete darum. In diesen Stühlen und Gängen blickt auf Jesum Christum und glaubt. Der Glaube ist nur ein Blick, ein Blick einfachen Vertrauens. Es ist Zuversicht, ein Glauben, dass er dies tun kann, ein Vertrauen, dass er es tun wird und jetzt tun wird. Gott segne einen Jeden von euch und mögen wir uns im Himmel Alle finden, um Christi willen. Amen.