Spurgeon, Charles Haddon - Der Seelengewinner - Was unter „Seelen gewinnen“ zu verstehen ist.
“Ein Weiser gewinnt die Herzen.“
Spr. Sal. 11,30.
Wer Seelen gewinnt, der ist weise.“ N. d. engl. Üb.
Der Text sagt nicht: „Wer Silber gewinnt, der ist weise“, obgleich ein solcher sich ohne Zweifel weise dünkt, und vielleicht in diesen Tagen der Konkurrenz in einem gewissen Sinne es auch sein muss; aber solche Weisheit von der Erde endet mit der Erde, und es gibt eine andere Welt, wo die gangbaren Münzen von Europa nicht angenommen werden und frühere Besitzungen nicht als Zeichen von Reichtum und Weisheit gelten. Salomo erkennt in unserem Texte keine Krone der Weisheit den schlauen Staatsmännern zu, nicht einmal den tüchtigsten Regenten; er erteilt keine Diplome den Philosophen, den Dichtern oder den Männern von Geist und Witz; er krönt mit Lorbeeren nur die, welche Seelen gewinnen. Er erklärt nicht, dass der, welcher predigt, notwendig weise sei; und ach! es gibt viele, die predigen und viel Beifall und Auszeichnungen erlangen, die aber keine Seelen gewinnen und die finden werden, dass es am letzten Ende ihnen hart ergehen wird, weil sie aller Wahrscheinlichkeit nach „liefen“, ohne dass der Herr sie gesandt hatte. Salomo sagt nicht, dass der, welcher über das Seelengewinnen redet, weise sei, denn Regeln für andere aufstellen, ist etwas sehr Einfaches, aber selber danach handeln, ist weit schwieriger. Wer tatsächlich, wirklich und wahrhaftig Menschen von dem Irrtum ihres Weges zu Gott bekehrt und so das Werkzeug wird, sie von der Hölle zu retten, ist ein weiser Mann, auf welche Art er auch die Seelen gewinnen mag. Er mag ein Paulus sein, sehr logisch, tief in der Lehre, so dass er die Zustimmung aufrichtiger Beurteiler erlangt; und wenn er so Seelen gewinnt, ist er weise. Er mag ein Apollo sein, groß in der Rhetorik, und sein erhabener Genius mag bis zum Himmel der Beredsamkeit sich empor schwingen; wenn er Seelen auf diese Art gewinnt, ist er weise, aber sonst nicht. Oder er mag ein Kephas sein, rau und schroff, der wunderliche Bilder und strenge Reden gebraucht; aber wenn er Seelen gewinnt, ist er nicht weniger weise, als sein hochgebildeter Bruder oder sein logischer Freund. Die große Weisheit der Seelengewinner wird nach dem Text nur bewiesen durch ihren wirklichen Erfolg im Gewinnen der Seelen. Ihrem Herrn sind sie verantwortlich für die Art, in welcher sie zu Werke gehen, nicht uns. Lasst uns nicht die Prediger einander vergleichen und gegenüberstellen. Wer bist du, dass du einen fremden Knecht richtest? Die Weisheit wird in all ihren Kindern gerechtfertigt. Nur Kinder zanken über zufällige Methoden, Männer setzen auf große Resultate. Gewinnen diese Arbeiter von mannigfacher Art und verschiedenen Methoden Seelen, dann sind sie weise; ihr aber, die ihr sie kritisiert und selber unfruchtbar seid, seid nicht weise, ob ihr euch auch die Miene gebt, ihre Richter zu sein. Gott erklärt Seelengewinner für weise, bestreite das, wer's wagt. „Wer Seelen gewinnt, der ist weise,“ dies kann man sehr klar sehen. Wer durch Gottes Gnade ein solches Wunder vollbringen kann, der muss weise sein. Große Seelengewinner sind niemals Narren gewesen. Ein Mann, den Gott befähigt, Seelen zu gewinnen, könnte wahrscheinlich jedes andere tun, was ihm die Vorsehung zuwiese. Nehmt z. B. Martin Luther. Nun, der Mann war nicht nur tauglich, eine Reformation zu bewirken, er hätte ein Volk regieren oder eine Armee kommandieren können! Denkt an Whitefield und erinnert euch, dass die donnernde Beredsamkeit, die ganz England erregte, nicht mit einer schwachen Urteilskraft oder einem Mangel an Verstand verbunden war; der Mann war ein Meister der Redekunst, und wenn er sich dem Handel gewidmet hätte, so würde er einen der ersten Plätze unter den Kaufleuten eingenommen haben, oder wenn er ein Politiker gewesen, so nie jedes Parlament, das seinen Worten gelauscht, ihn bewundert haben. Wer Seelen gewinnt, ist gewöhnlich der Mann, der jedes andere hätte tun können, wenn Gott ihn dazu berufen. Ich weiß, der Herr gebraucht verschiedene Mittel, aber er gebraucht immer Mittel, die zum Zwecke passen; und wenn ihr mir sagt, dass David den Goliath mit einer Schleuder erschlug, so antworte ich: es war die beste Waffe in der Welt, um einen solchen Riesen zu treffen, und die passendste für David, weil er von Jugend auf darin geübt war. Gott gebraucht stets geeignete Werkzeuge; und obwohl der Ruhm nicht ihrer ist, sondern Gott zugeschrieben wird, so ist doch eine Vorbereitung und eine Tauglichkeit in ihnen, die Gott sieht, selbst wenn wir dieselbe nicht sehen.
„Wer Seelen gewinnt, der ist weise,“ weil er ein weises Ziel gewählt hat. Ich meine, es war Michel Angelo, der einst einige prächtige Statuen aus Schnee bildete. Sie sind dahin; das Material, das rasch durch den Frost verdichtet wurde, schmolz ebenso rasch in der Hitze. Viel weiser war er, als er den dauerhaften Marmor gestaltete und Werke hervorbrachte, die Jahrhunderte lang bleiben werden. Aber selbst der Marmor wird verzehrt und abgenutzt durch den Zahn der Zeit; und der ist weise, der zu seinem rohen Material unsterbliche Seelen wählt, deren Dasein das der Sterne überdauern wird. Wenn Gott uns segnet, so dass wir Seelen gewinnen, wird unser Werk bleiben, wenn das Holz und das Heu und die Stoppeln irdischer Kunst und Wissenschaft zu dem Staub zurückgekehrt sind, aus dem sie entsprangen. In dem Himmel selber wird der Seelengewinner Denkmäler seiner Arbeit für immer aufgestellt sehen. Er hat ein weises Ziel gewählt, denn was kann weiser sein, als erstens Gott verherrlichen und dann zweitens, unseren Mitmenschen im höchsten Sinne des Wortes Gutes tun; eine Seele dem Abgrund entreißen, der vor ihr gähnt, sie zu dem Himmel erheben, der verklärt; eine unsterbliche Seele aus der Knechtschaft des Satans erretten und sie in die Freiheit Christi hinein leiten? Was gibt es Trefflicheres als dies? Ich sage, dass ein solches Ziel sich allen Gutgesinnten empfiehlt, und dass selbst Engel uns arme Menschenkinder beneiden könnten, dass uns erlaubt ist, es zu unserem Lebenszweck zu machen, Seelen für Jesum Christum zu gewinnen.
Um ein solches Werk zu vollbringen, muss ein Mann weise sein. Gott selbst gewinnt Seelen nicht ohne Weisheit, denn der ewige Heilsplan ward von einem Verstand, der nicht irren kann, entworfen. Christus, der große Seelengewinner, ist „die Weisheit Gottes“ sowohl, als „die Macht Gottes.“ Es ist in der neuen Schöpfung ebenso viel Weisheit zu schauen wie in der alten. In einem erretteten Sünder ist ebenso viel von Gott zu sehen, wie in einem Weltall, das sich aus dem Nichts erhebt; also müssen auch wir, die wir Mitarbeiter Gottes sein sollen und mit ihm an das große Werk des Seelengewinnens gehen, weise sein. Es ist ein Werk, welches des Heilandes Herz erfüllte, ein Werk, welches den Geist Jehovas beschäftigte, noch ehe die Erde war. Es ist kein Kinderspiel, keine Sache, die halb im Schlafe getan werden kann, die ohne tiefe Überlegung versucht werden oder ohne die gnädige Hilfe des allein weisen Gottes, unseres Heilandes, ausgeführt werden kann.
Merkt euch wohl, meine Brüder, dass der, welchem das Gewinnen von Seelen gelingt, nach dem Urteil derer, welche das Ende sowohl als den Anfang sehen, sich als ein weiser Mann bewähren wird. Sogar, wenn ich ganz selbstsüchtig wäre und mich nur um mein eigenes Glück kümmerte, würde ich es wählen, ein Seelengewinner zu sein, denn niemals kannte ich vollkommenes, überfließendes, unaussprechliches Glück der reinsten und edelsten Art, bis ich zum ersten Mal von einer Frau hörte, die durch mich veranlasst war, den Heiland zu suchen und ihn gefunden hatte. Ich erinnere mich noch der Freude, die mich durchzuckte! Keine junge Mutter freute sich je so über ihr erstes Kind, kein Krieger frohlockte so über einen mühsam errungenen Sieg. O! die Freude, zu wissen, dass ein Sünder mit Gott versöhnt ist durch den Heiligen Geist vermittelst der Worte, die von unsern schwachen Lippen gesprochen sind. Seitdem habe ich nicht nur von Hunderten, sondern von Tausenden von Sündern gehört, die von dem Irrtum ihres Weges bekehrt sind durch das Zeugnis Gottes in mir, und der Gedanke an diese mir verliehene Gnade wirft mich in Beschämung darnieder. Mögen Trübsale kommen, mögen Leiden sich mehren, dennoch überwiegt diese Freude alles andere, die Freude, dass wir unter Gott „ein guter Geruch Christi“ sind an jedem Ort, und dass, so oft wir das Wort predigen, Herzen aufgeschlossen werden, Busen 'mit neuem Leben klopfen, Augen über Sünde weinen und die Tränen hinweggewischt werden, wenn sie den großen Stellvertreter sehen und leben.
Über jede Frage hinaus, es ist eine Freude, die Welten wert ist, wenn man Seelen gewinnt, und Dank sei Gott, es ist eine Freude, die nicht mit diesem sterblichen Leben aufhört. Es muss keine geringe Seligkeit sein, wenn wir unsern Flug hinauf zum ewigen Throne nehmen, die Flügel anderer neben uns rauschen zu hören, die sich zu derselben Herrlichkeit empor schwingen, um alsdann von ihnen die Worte zu vernehmen: „Wir gehen mit dir durch die Perlentore ein, du hast uns zum Heiland gebracht,“ und im Himmel von denen: bewillkommnet zu werden, die uns Vater in Gott nennen - Vater durch die Gnade und Vater für die Unsterblichkeit, Vater in besseren Banden, als denen der Erde. Es wird eine Seligkeit ohne Gleichen sein, in jenen ewigen Hütten die anzutreffen, die von uns, in Christo Jesu gezeugt sind, die. wir mit Ängsten geboren haben, bis dass Christus in ihnen eine Gestalt gewonnen. Dies heißt viele Himmel haben - einen Himmel in jedem für Christum Gewonnenen, nach der Verheißung des Herrn: „Die, so viele zur Gerechtigkeit weisen, werden leuchten wie die Sterne immer und ewiglich.“
Ich habe genug gesagt, Brüder, wie ich hoffe, um in einigen von euch den Wunsch zu erregen, Seelengewinner zu werden; aber ehe ich weiter auf den Text eingehe, möchte ich euch daran erinnern, dass diese Ehre nicht allein den Predigern zukommt; diese mögen ihr volles Teil davon haben, aber sie gehört jedem von euch, der sich Christo gewidmet hat, solche Ehre haben alle Heiligen. Jeder Mann hier, jedes Weib hier, jedes Kind hier, dessen Herz recht zu Gott steht, kann ein Seelengewinner sein. Kein Mensch wird durch Gottes Vorsehung an einen Platz gestellt, wo er nichts Gutes tun kann. Es ist kein Glühwurm unter der Hecke, der nicht ein notwendiges Licht gibt; es ist kein arbeitender Mann, kein leidendes Weib, keine Dienstmagd, kein Schornsteinfeger und kein Gassenkehrer, der nicht einige Gelegenheit hat, Gott zu dienen; und was ich von Seelengewinnern gesagt habe, gilt nicht allein von dem gelehrten Doktor der Theologie oder dem beredten Prediger, sondern von allen, die in Christo Jesu sind. Jeder von euch kann, wenn die Gnade Gottes ihn dazu fähig macht, die Glückseligkeit erlangen, Seelen zu Christo zu leiten.
„Wer Seelen gewinnt, der ist weise“; ich werde dies erläutern, indem ich zuerst das in dem Texte gebrauchte Bild „Seelen gewinnen“ erkläre; und dann zweitens, indem ich euch einige Lehren über das Gewinnen der Seelen gebe, durch welche sich, wie ich hoffe, jedem Gläubigen die Überzeugung aufdrängen wird, dass es zu dieser Arbeit der höchsten Weisheit bedarf.
I.
Zuerst lasst uns das in dem Texte gebrauchte Bild betrachten: „Wer Seelen gewinnt, der ist weise.“ Wir brauchen das Wort „gewinnen“ bei vielen Dingen. Zuweilen wird es in sehr schlechter Gesellschaft gefunden, bei jenen Glücksspielen und täuschenden Kunstgriffen, durch die manche Leute so gern gewinnen möchten. Mir tut es leid, zu sagen, dass sich auch in der religiösen Welt noch manche Täuschung findet. Es gibt Menschen, die behaupten, Seelen zu erretten durch gewisse Zeremonien und Handbewegungen. Durch ein paar Tropfen Wasser wird ein Kind zu einem Kinde Gottes, einem Gliede Christi und einem Erben des ewigen Lebens1) gemacht! Diese Art der Wiedergeburt geht über meinen Glauben hinaus, sie ist etwas, das ich nicht verstehe; die Eingeweihten allein können sie vollziehen. Es gibt auch eine Art, Seelen zu gewinnen durch Auflegen der Hände auf die Köpfe, nur müssen die Hände diejenigen eines Bischofs sein, dann können die Finger die Gnade Gottes übermitteln. Ich muss bekennen, dass ich diese geheime Wissenschaft nicht verstehe, brauche mich indes hierüber nicht zu wundern, denn Seelen können auf diese Weise nur errettet werden durch gewisse bevorzugte Personen, welche die apostolische Sukzession empfangen haben. Diese bischöfliche Konfirmation ist, wenn behauptet wird, dass durch die bloße Bewegung der Hände die Gnade Gottes übermittelt werde, eine Täuschung. Es ist kaum denkbar, dass es im neunzehnten Jahrhundert noch Menschen gibt, welche die Seligkeit durch Sakramente predigen, und in der Tat, die Seligkeit durch Priester! Es ist wirklich zu spät, noch mit solchen Dingen zu kommen. Sie mögen denen genügt haben, die nicht lesen konnten, in Zeiten, wo Bücher selten waren. Aber seit jenem Tag, wo Gott dem herrlichen Luther half, mit Donnertönen die befreiende Wahrheit zu verkünden: „Aus Gnaden seid ihr selig geworden durch den Glauben; und dasselbige nicht aus euch, Gottes Gabe ist es“, - seitdem ist zu viel Licht da gewesen für mittelalterliche Eulen. Lasst sie zurückgehen zu ihren Efeuumrankten Türmen und vor dem Monde klagen über die, welche in vorigen Zeiten ihr Reich der Dunkelheit zerstörten. Engländer sollten ihnen keine Ehrfurcht zollen. Der Puseyismus2) der neuen Zeit ist ein unechtes Papsttum, zu niedrig, zu veränderlich, zu doppelzüngig, um Menschen von ehrlichem Gemüte zu täuschen. Wenn wir Seelen gewinnen, soll es durch andere Künste sein, als die, welche Jesuiten und Puseyiten uns lehren können. Traut keinem, der behauptet, Menschen durch bloße Zeremonien selig machen zu können. Wir können Seelen nicht durch dergleichen Mittel erretten, und wir wollen es nicht, denn wir wissen, dass Satan dabei am meisten gewinnt und dass er über solche Lehrer lachen wird, wenn er am letzten Ende das Blatt gegen sie kehrt.
Wie gewinnen wir denn Seelen? Das Wort „gewinnen“ hat noch eine weit bessere Bedeutung. Es wird bei der Kriegführung gebraucht. Soldaten gewinnen Städte und Provinzen. Nun, eine Seele gewinnen, ist viel schwieriger, als eine Stadt gewinnen. Beobachtet den ernsten Seelengewinner bei seiner Arbeit; wie vorsichtig achtet er auf die Vorschriften seines großen Anführers, um zu wissen, wann er die weiße Fahne aufziehen und das Herz auffordern soll, sich der Liebe eines sterbenden Heilandes zu ergeben; wann er die schwarze Fahne der Drohung aushängen und zeigen soll, dass wenn die Gnade nicht angenommen wird, das Gericht sicherlich folgt; und wann er mit Grauen und Widerstreben die rote Fahne der Schrecken Gottes gegen hartnäckige, unbußfertige Sünder zu entfalten hat. Der Seelengewinner muss vor einer Seele niedersitzen wie ein Feldherr vor einer Festung; er muss seine Umschanzungs-Linien ziehen, die Schanzen aufwerfen und die Batterien auffahren. Er darf nicht zu rasch vorrücken, damit er nichts übertreibe; er darf sich nicht zu langsam bewegen; sonst möchte es scheinen, als wäre es ihm kein rechter Ernst, und er könnte Schaden anrichten. Dann muss er wissen, welches Tor anzugreifen ist, wie er seine Kanonen. vor dem Tor des Ohres aufzupflanzen, und wie er sie abzufeuern hat; wie er zuweilen die Batterien Tag und Nacht mit glühendroten Kugeln in Tätigkeit halten muss, um vielleicht eine Bresche in die Mauern zu machen; zu andern Zeiten still zu liegen und das Schießen einzustellen, und dann plötzlich alle Batterien mit furchtbarer Gewalt feuern zu lassen, um vielleicht die Seele durch einen Überfall zu nehmen oder unerwartet eine Wahrheit hineinzuwerfen, die gleich einer Bombe in der Seele platzt und in dem Gebiete der Sünde Schaden anrichtet. Der christliche Krieger muss verstehen, allmählich vorzurücken, jenes Vorurteil zu untergraben, jene alte Feindschaft zu unterminieren, jene böse Lust in die Luft zu sprengen und zuletzt die Citadelle zu stürmen. Es ist seine Sache, die Sturmleiter anzulegen und sich zu freuen, wenn er ein Klirren an der Mauer des Herzens hört, das ihm sagt, die Leiter habe gefasst und festen Halt gewonnen; und dann, den Säbel zwischen den Zähnen, hinaufzuklimmen, auf den Mann einzudringen, im Namen Gottes seinen Unglauben totzuschlagen, die Stadt zu erobern, die blutrote Fahne des Kreuzes Christi aufzupflanzen und zu sagen: „Das Herz ist gewonnen, endlich für Christum gewonnen!“ Dazu gehört ein gut ausgebildeter Krieger, ein Meister in seiner Kunst. Nach vielen Tagen des Angriffs, vielen Wochen des Wartens, mancher Stunde des Stürmens durch Gebet und des Beschießens durch dringendes Bitten den Malakoff3) des Verderbens zu erobern, dies ist die Arbeit, dies ist die Schwierigkeit. Ein Narr kann es nicht tun. Gottes Gnade muss einen Mann weise machen, damit er so die Seele erobert, ihr Gefängnis gefangen führt, und die Tore des Herzens weit öffnet, damit der Fürst Emanuel einziehen könne. Dies heißt eine Seele gewinnen.
Das Wort „gewinnen“ ward gewöhnlich bei den Alten gebraucht, um das Gewinnen im Wettkampfe zu bezeichnen. Wenn der Grieche die Lorbeer- oder Efeukrone zu gewinnen suchte, musste er lange vorher einen Kursus der Ausbildung durchmachen; und wenn er zuletzt zum Kampfe hervortrat, sah man gleich nach der ersten Anstrengung, wie jeder Muskel und jeder Nerv bei ihm entwickelt worden war. Er hatte einen starken Gegner und wusste das, und deshalb ließ er keine seiner Kräfte unbenutzt. Während des Ringens konnte man sehen, wie sein Auge jede Bewegung, jede Finte des Gegners bewachte, und wie seine Hand, sein Fuß und sein ganzer Körper an dem Kampfe teilnahmen. Er fürchtete, zu fallen; er hoffte seinen Gegner zu Fall zu bringen. Nun, ein wahrer Seelengewinner hat oft einen furchtbaren Kampf mit dem Teufel in den Menschen zu bestehen. Er hat zu ringen mit ihrem Vorurteil, mit ihrer Sündenliebe, mit ihrem Unglauben, mit ihrem Stolz, und dann wiederum ganz plötzlich, mit ihrer Verzweiflung; den einen Augenblick streitet er mit ihrer Selbstgerechtigkeit, den nächsten Augenblick mit ihrem Unglauben. Zehntausend Künste werden gebraucht, um den Seelengewinner zu hindern, Sieger in diesem Kampfe zu bleiben; aber wenn Gott ihn gesandt hat, so wird er nie die Seele loslassen, die er sucht, bis er der Macht der Sünde einen Stoß versetzt und wieder eine Seele für Christum gewonnen hat.
Außerdem gibt es noch eine andere Bedeutung des Wortes „gewinnen“, bei der ich hier nicht lange verweilen kann. Wir gebrauchen das Wort, wie ihr wisst, in einem sanfteren Sinne, als dem hier erwähnten, wenn wir von Herzen sprechen. Es gibt verborgene und geheimnisvolle Wege, auf denen die, welche lieben, den Gegenstand ihrer Neigung gewinnen. Ich kann euch nicht sagen, wie der Liebende seine Erwählte gewinnt, aber die Erfahrung hat es euch wahrscheinlich gelehrt. Die Waffe dieser Kriegsführung ist nicht immer die gleiche, aber wo der Sieg gewonnen ist, da wird die Weisheit der Mittel jedem Auge klar. Die Waffe der Liebe ist zuweilen ein Blick oder ein Wort, das sanft geflüstert und auf das begierig gehorcht wird; zuweilen ist es eine Träne; aber so viel weiß ich, dass die meisten von uns um ein anderes Herz eine Kette geworfen haben, welche dieses andere nicht gern brechen möchte, und welche uns beide in einer Haft gefesselt hält, die unser Leben verschönt hat. Ja, und das ist beinahe auch die Art, in welcher wir Seelen zu retten haben. Diese Illustration ist zutreffender, als eine der anderen. Liebe ist der wahre Weg zum Seelengewinnen, denn wenn ich vom Erstürmen der Wälle und vom Ringen sprach, so waren das nur Bilder, aber dieses ist dem wirklichen Sachverhalt ehr nahe. Wir gewinnen durch Liebe. Wir gewinnen die Herzen für Jesum durch Liebe, durch Teilnahme an ihren Leiden, durch unsere Angst, dass sie verloren gehen, durch Fürbitte bei Gott, dass sie nicht unerrettet sterben möchten, durch unsere Bitten an sie, dass sie um ihrer selbst willen bei Gott Barmherzigkeit und Gnade suchen möchten. Ja, Brüder, es gibt ein geistliches Werben und Gewinnen der Herzen für den Herrn Jesum; und wenn ihr dieses lernen wollt, so müsst ihr Gott bitten, euch ein weiches Herz und eine mitfühlende Seele zu verleihen. Ich glaube, viel von dem Geheimnis des Seelengewinnens liegt darin, dass jemand Eingeweide der Barmherzigkeit hat und eine Seele, die Mitgefühl haben kann mit menschlichen Schwachheiten. Haut einen Prediger aus Granit, und selbst wenn ihr ihm eines Engels Zunge gebt, so wird er doch niemanden bekehren. Stellt ihn auf die fashionabelste Kanzel, macht seinen Vortrag fehlerlos und den Inhalt seiner Rede ganz orthodox, aber so lange er in seiner Brust ein hartes Herz trägt, kann er nie eine Seele gewinnen. Seelengewinnen erfordert ein Herz, das stark gegen die Rippen schlägt. Es erfordert eine Seele, voll von der Milch menschlicher Freundlichkeit; dies ist das sine qua non des Erfolges. Dies ist die Haupteigenschaft, die ein Seelengewinner von Natur haben muss, und die, wenn Gott sie segnet, Wunder vollbringen wird.
Ich habe den Text im Hebräischen nicht nachgesehen, aber ich finde die Randbemerkung dabei: „Wer Seelen fängt, der ist weise“, ein Wort, das sich auf Fischen oder Vogelfangen bezieht. Jeden Sonntag, wenn ich hierher komme, sehe ich Leute mit Käfigen und gefangenen Vögeln, die überall auf Feldern und freien Plätzen arme kleine Sänger zu fangen suchen. Sie verstehen die Kunst, ihre Opfer anzulocken und zu bestricken. Seelengewinner könnten viel von ihnen lernen. Wir müssen Lockungen für die Seelen haben, solche, die anziehen, reizen und ergreifen. Wir müssen ausgehen mit unserem Vogelleim, unserer Lockspeise, unserem Netz, unserem Köder, damit wir die Seelen der Menschen fangen. Ihr Feind ist ein Vogelsteller, der die niedrigste und erstaunlichste Verschlagenheit besitzt; wir müssen ihn mit der Schlauheit der Ehrlichkeit, der Kunst der Gnade überlisten. Aber die Kunst kann nur durch göttliche Unterweisung gelernt werden, und wir müssen weise und willig zum Lernen sein.
Der, welcher Fische fängt, muss auch etwas Kunst in sich haben. Washington Irving, meine ich, ist es, der uns von drei Herren erzählt, die in Isaak Walton viel von dem Vergnügen des Fischfangs gelesen hatten. Deshalb wollten sie es auch beginnen und suchten die sanfte Kunst zu erlernen. Sie gingen nach New-York, kauften die besten Ruten und Schnüre, die zu haben waren und machten genau die Fliege für den besonderen Tag oder Monat ausfindig, damit die Fische sogleich anbissen und so zu sagen, mit Schnelligkeit in den Korb flögen. Sie fischten, und fischten, und fischten den ganzen langen Tag; aber der Korb blieb leer. Sie wurden eines Vergnügens überdrüssig, in dem kein Vergnügen war, als ein zerlumpter Knabe ohne Schuhe und Strümpfe daher kam und ihnen eine tiefe Demütigung bereitete. Er hatte einen Zweig vom Baume abgerissen und zog ein Stück Bindfaden und eine krumm gebogene Nadel hervor; er steckte einen Wurm daran, warfs hinein, und sogleich kam ein Fisch heraus, als wäre er eine Nadel, die zum Magneten gezogen würde. Wieder warf er die Leine hinein, und heraus kam ein anderer, und so weiter, bis der Korb ganz voll war. Sie fragten ihn, wie er es mache. Ach! erwiderte er, das könne er ihnen nicht sagen, aber es wäre leicht genug, wenn man es nur verstände.
Ungefähr ebenso ist es bei dem Fischen nach Menschen. Einige Prediger, welche silberne Schnüre und schöne Ruten haben, predigen sehr beredt und ungemein anmutig, aber sie gewinnen niemals Seelen. Ich weiß nicht, woher das kommt, aber ein anderer Mann kommt, mit sehr einfacher Rede, doch mit einem warmen Herzen, und sofort werden. Menschen zu Gott bekehrt. Gewiss, es muss ein Gleichgefühl zwischen dem Prediger und den Seelen, die er gewinnen will, da sein. Gott gibt denen, die er zu Seelengewinnern macht, eine natürliche Liebe zu dem Werke und eine geistliche Tauglichkeit dafür. Es ist ein Mitgefühl zwischen denen, die gesegnet werden sollen, und denen, welche das Werkzeug dazu sein sollen, und zum großen Teil werden, unter Gott, die Seelen durch dieses Mitgefühl gewonnen; aber es ist so klar wie der helle Tag, dass ein Mann weise sein muss, wenn er ein Menschenfischer sein will.
II.
Und jetzt, Brüder und Schwestern, die ihr von Woche zu Woche am Werke des Herrn arbeitet und Seelen zu gewinnen sucht, will ich euch zweitens einige der Arten zeigen, wie die Seelen zu gewinnen sind.
Der Prediger selbst gewinnt, glaube ich, die Seelen am besten, wenn er an die Wirklichkeit seiner Arbeit glaubt, wenn er an sofortige Bekehrungen glaubt. Wie kann er erwarten, dass Gott etwas tun soll, wovon er nicht glaubt, dass Gott es tun wird? Der hat am meisten Erfolg, der jedes Mal, wenn er predigt, Bekehrung erwartet. Nach seinem Glauben soll ihm geschehen. Ohne Bekehrungen zufrieden sein, ist die sicherste Art, um nie solche zu haben; einzig und allein auf Errettung der Seelen abzielen, ist der sicherste Weg zu einem nützlichen Wirken. Wenn wir seufzen und weinen, bis Menschen errettet sind, so werden sie errettet werden.
Dem wird es am besten gelingen, der sich am meisten an die seelenerrettende Wahrheit hält. Jede Wahrheit ist nicht seelenerrettend, obwohl jede erbauend sein mag. Wer sich an die einfache Geschichte vom Kreuze hält, den Menschen wieder und immer wieder sagt, dass, wer an Christum glaubt, nicht verdammt wird, dass zum Seligwerden nichts gehört, als einfaches Vertrauen auf den gekreuzigten Erlöser; der, dessen Predigt hauptsächlich besteht aus der glorreichen Geschichte vom Kreuze, den Leiden des sterbenden Lammes, der Barmherzigkeit Gottes, der Willigkeit des großen Vaters, die verlorenen Söhne aufzunehmen; der, welcher von Tag zu Tag ruft: „Siehe, das ist Gottes Lamm, welches der Welt Sünde trägt,“ der wird wahrscheinlich ein Seelengewinner sein, besonders, wenn er dabei viel Gebet für Seelen hat, viel ängstliches Verlangen, Menschen zu Jesu gebracht zu sehen, und dann im Privatleben ebenso wohl wie im öffentlichen Predigtamt andern von der Liebe des teuren Heilandes zu erzählen sucht.
Aber ich rede nicht zu Predigern, sondern zu euch, welche in den Stühlen sitzen, und deshalb will ich mich noch ausdrücklicher an euch wenden. Brüder und Schwestern, ihr habt verschiedene Gaben. Ich hoffe, ihr gebraucht sie alle. Vielleicht denken einige von euch, obgleich Gemeindeglieder, sie hätten keine; aber jeder Gläubige hat seine Gabe und sein Teil Arbeit. Was könnt ihr tun, um Seelen zu gewinnen?
Lasst mich denjenigen, welche meinen, sie könnten nichts tun, empfehlen, andere zum Hören des Wortes zu bringen. Dies ist eine Pflicht, die sehr vernachlässigt wird. Ich kann euch kaum bitten, jemand hierher zu bringen, aber viele von euch besuchen andere Gotteshäuser, die vielleicht nicht halb voll sind. Füllt sie. Murrt nicht über die kleine Zahl der Hörer, sondern macht sie größer. Nehmt zu der nächsten Predigt jemand mit euch, so wird die Versammlung sofort vergrößert. Geht hin mit dem Gebet, dass eures Pastors Predigt gesegnet werden möge, und wenn ihr selber nicht zu predigen vermögt, so könnt ihr das tun, was vielleicht das Nächstbeste ist, indem ihr andere zum Hören des Wortes bringt. Dies ist eine sehr alltägliche und einfache Bemerkung, aber lasst mich euch dieselbe einschärfen, denn sie ist von großem, praktischem Wert. In vielen Kirchen und Kapellen, die fast leer sind, möchte bald eine große Hörerzahl sich einfinden, wenn die, welche Nutzen von der Predigt haben, andern davon erzählten und sie bewegten, dahin zu gehen. Besonders in diesem unserem London, wo so viele nicht zum Gotteshause gehen wollen, überredet eure Nachbarn, mitzukommen; bekümmert euch um sie, lasst sie fühlen, dass es unrecht sei, sonntags vom Morgen bis zum Abend zu Hause zu bleiben. Ich sage nicht, tadelt sie, das nützt wenig; aber ich sage, lockt sie, überredet sie. Leiht ihnen z. B. mitunter eure Eintrittskarten4) fürs Tabernakel oder steht in den Gängen und lasst sie eure Sitze einnehmen. Bringt sie unter den Ton des Wortes, und wer weiß, was das Ergebnis sein mag? O, was für ein Segen würde es für euch sein, wenn ihr hörtet, dass das, was ihr nicht tun konntet - denn ihr vermöchtet kaum für Christum zu sprechen - durch die Kraft des Heiligen Geistes von eurem Pastor getan sei, dadurch, dass ihr jemand innerhalb Schussweite des Evangeliums brachtet!
Ferner, ihr Seelengewinner, versucht nach der Predigt. mit Fremden zu reden. Der Prediger mag das Ziel verfehlt haben, aber ihr braucht es nicht zu verfehlen; oder der Prediger mag das Ziel getroffen haben, und ihr könnt helfen, den Eindruck durch ein freundliches Wort tiefer zu machen. Ich erinnere mich, dass mehrere in die Gemeinde eintraten, die ihre Bekehrung den Predigten in der Musikhalle in Surrey5) zuschrieben, aber sie sagten, nicht diesen allein, sondern auch etwas anderem, das mitwirkte. Sie waren frisch vom Lande gekommen, und ein guter Mann ich kannte ihn wohl und glaube, dass er jetzt im Himmel ist traf sie an der Pforte, redete sie an, sagte, er hoffe, das Gehörte hätte ihnen gefallen, fragte ob sie am Abend wiederkämen und sagte, er würde sich freuen, wenn sie vorher eine Tasse Tee in seinem Hause trinken wollten; sie taten dies, und er sprach mit ihnen von dem Herrn Jesu. Am nächsten Sonntag war es ebenso, und zuletzt wurden die auf welche die Predigten zuerst nicht viel Eindruck gemacht, dahin geleitet, mit andern Ohren zu hören, bis sie allmählich durch dieses frommen Mannes überredende Worte und des Herrn Gnadenwerk zu Gott bekehrt wurden. Es ist ein guter Jagdgrund hier, in der Tat, in jeder großen Versammlung, für euch, die wirklich Gutes zu tun wünschen. Wie viele kommen jeden Morgen und Abend in dieses Haus ohne einen Gedanken daran, Christum anzunehmen! O, wenn ihr alle mir helfen wolltet, ihr, die ihr den Herrn liebt, wenn ihr alle mir helfen wolltet, indem ihr mit denen, die neben euch sitzen, sprächet, wie viel könnte vollendet werden! Lasst niemals jemand sagen: „Ich kam drei Monate lang zum Tabernakel und niemand sprach mit mir;“ sondern sucht mit einer sanften Vertraulichkeit, die immer im Hause Gottes gestattet sein sollte, andern die Wahrheit einzuprägen, die ich nur in das Ohr bringen kann, die ihr aber mit Gottes Hilfe in das Herz bringen könnt.
Weiter lasst mich euch, liebe Freunde, die Kunst, Bekannte und Verwandte beim Knopfloch zu fassen, empfehlen. Wenn ihr nicht vor Hundert predigen könnt, so predigt Einem. Nehmt Einen bei Seite und sprecht ruhig und liebevoll und mit Gebet zu ihm. „Einen!“ sagt ihr. Nun, ist das nicht genug? Ich kenne deinen Ehrgeiz, junger Mann; du wünschest hier, vor diesen Tausenden zu predigen; sei zufrieden und beginne mit Einzelnen. Dein Meister schämte sich nicht, auf dem Brunnen zu sitzen und einer zu predigen; und als er seine Predigt beendet, da hatte er in Wirklichkeit der ganzen Stadt Sichar wohlgetan, denn dieses Weib wurde eine Missionarin für ihre Bekannte. Schüchternheit hält uns oft ab, in dieser Weise zu wirken, aber wir müssen sie bekämpfen; es darf nicht geduldet werden, dass Christus unbekannt bleibt durch unser Schweigen und Sünder ungewarnt bleiben durch unsere Nachlässigkeit. Wir müssen uns dazu schulen und erziehen, persönlich mit den Unbekehrten zu verhandeln. Wir dürfen uns nicht entschuldigen, sondern uns zu der lästigen Arbeit zwingen, bis sie leicht wird. Dieses ist eine der ehrenvollsten Arten des Seelengewinnens; und wenn sie mehr als gewöhnlichen Eifer und Mut erfordert, so ist umso mehr Grund vorhanden, sie zu erlernen. Geliebte, wir müssen Seelen gewinnen, wir können nicht leben und Menschen verdammt sehen; wir müssen sie zu Jesu bringen. O! so erhebt euch denn und arbeitet, lasst niemand aus eurer Umgebung sterben, ohne dass ihr ihn gewarnt, über ihn geweint und für ihn gesorgt habt. Ein Traktat ist ein nützliches Ding, aber ein lebendiges Wort ist besser. Euer Auge, euer Gesicht und euere Stimme werden alle mithelfen. Seid nicht so feige, ein Stück Papier zu geben, wo euere Rede so viel besser sein würde. Ich beschwöre euch, tut dieses, um Jesu willen.
Einige von euch könnten Briefe für eueren Herrn und Meister schreiben. Bei entfernten Freunden mögen ein paar liebevolle Zeilen viel Gutes wirken. Seid wie die Männer von Sebulon, welche die Schreibfeder handhabten. Papier und Tinte werden niemals besser gebraucht, als zum Gewinnen der Seelen. Vieles ist auf diese Weise getan. Könntet ihr nicht etwas tun? Wollt ihr es nicht versuchen? Einige von euch, die nicht viel sprechen oder schreiben können, könnten jedenfalls viel leben. Das ist eine schöne Art des Predigens, das Predigen mit eueren Füßen - ich meine, durch euer Leben, eueren Wandel und euer ganzes Verhalten. Jenes liebende Weib, das im Geheimen über einen ungläubigen Mann weint, aber immer so freundlich gegen ihn ist; jener liebe Knabe, dessen Herz durch seines Vaters Lästerung gebrochen wird, der aber doch so viel gehorsamer ist, als er vor seiner Bekehrung zu sein pflegte; jener Diener, auf den sein Herr flucht, dem er jedoch seine Börse mit ungezähltem Golde anvertrauen könnte; jener Kaufmann, der als ein Presbyterianer verlacht wird, der aber dennoch gerade wie eine Schnur ist und keine schmutzige Handlung begehen würde, auch um alles Gold der Welt nicht; dieses sind die Männer und Frauen, welche die besten Predigten halten; dies sind praktische Prediger. Gebt uns euer heiliges Leben, und mit euerem heiligen Leben als Hebel wollen wir die Welt bewegen. Mit Gottes Segen wollen wir Zungen finden, wenn wir können, aber wir haben das Leben unserer Gemeindeglieder sehr nötig, um das zu illustrieren, was unsere Zungen zu sagen haben. Das Evangelium gleicht in etwa einem illustrierten Blatte. Des Predigers Worte sind die gedruckten Buchstaben, aber die Bilder sind die lebendigen Männer und Frauen, welche unsere Gemeinden bilden; und wie die Leute, wenn sie solche Zeitung in die Hand nehmen, sehr oft das Gedruckte nicht lesen, aber stets die Bilder ansehen, so ist es mit einer Gemeinde; die nicht dazu Gehörigen mögen nicht kommen, den Prediger zu hören, aber sie betrachten, beobachten und kritisieren stets das Leben der Mitglieder. Wenn ihr also Seelengewinner sein wollt, liebe Brüder und Schwestern, seht zu, dass ihr das Evangelium lebt. Ich habe keine größere Freude, denn die, dass meine Kinder in der Wahrheit wandeln.
Noch eins, der Seelengewinner muss ein Meister in der Kunst des Gebets sein. Ihr könnt nicht Seelen zu Gott bringen, wenn ihr nicht selbst zu Gott geht. Ihr müsst eure Streitaxt und eure Kriegswaffen aus dem Rüsthaus heiliger Gemeinschaft mit Christo entnehmen. Wenn ihr viel allein mit Jesu seid, so werdet ihr seinen Geist einsaugen; ihr werdet von dem Feuer entflammt werden, das in seiner Brust brannte und sein Leben verzehrte. Ihr werdet mit den Tränen weinen, die auf Jerusalem fielen, als er es ins Verderben gehen sah; und wenn ihr nicht so beredt sprechen könnt, wie er, so wird doch in dem, was ihr sagt, etwas von derselben Macht sein, mit welcher er die Herzen erbeben machte und die Gewissen der Menschen aufweckte. Meine lieben Hörer, besonders ihr Mitglieder der Gemeinde, mir ist immer so bange, dass einige von euch anfangen, auf ihren Lorbeeren zu ruhen und die Sache des Reiches Gottes leicht zu nehmen. Es sind einige von euch ich segne euch und lobe Gott bei der Erinnerung an euch, welche zur Zeit und zur Unzeit es ernst nehmen mit dem Gewinnen der Seelen, und ihr seid die wahrhaft Weifen; aber ich fürchte, es gibt andere, deren Hände träge sind, welche sich begnügen, mich predigen zu lassen, aber nicht selber predigen; welche diese Size mieten und in diesen Stühlen sitzen und hoffen, dass die Sache der Gemeinde gut geht; aber das ist alles, was sie tun. O, lasst mich euch alle voll Eifer sehen! Ein großes Heer von beinahe fünftausend Mitgliedern, was sollten wir nicht tun, wenn wir alle lebendig wären und alle eifrig! Aber ein solches Heer ohne Begeisterung, wird zu einem bloßen Pöbelhaufen, einer unlenksamen Masse, aus der Unheil erwächst und keine guten Früchte entspringen. Wenn ihr alle Feuerbrände für Christum wäret, so könntet ihr die Nation in Brand setzen. Wenn ihr alle Brunnen lebendigen Wassers wäret, wie viele durstige Seelen könnten trinken und erfrischt werden!
Geliebte, es ist eine Frage, die ich noch tun will, dann bin ich fertig, und diese ist: Sind eure eigenen Seelen gewonnen? Sonst könnt ihr keine andern gewinnen. Seid ihr selber errettet? Meine Hörer, jeder von euch, unter jener Galerie dort, und ihr hier hinten, seid ihr selber errettet? Wie, wenn ihr heute Nacht diese Frage einem Anderen und Größeren, als ich bin, beantworten müsstet? Wie, wenn der Knochenfinger des letzten großen Redners statt des meinen aufgehoben würde? Wie, wenn seine unbesiegbare Beredsamkeit jene Knochen in Stein wandelte und jene Augen gläsern machte und das Blut in euren Adern gefrieren ließe? Könntet ihr in eurer letzten Not hoffen, dass ihr errettet wäret? Wenn ihr nicht errettet seid, wie werdet ihr es je werden? Wann wollt ihr errettet werden, wenn nicht jetzt? Wird irgendeine Zeit besser sein, als die jetzige? Der Weg, errettet zu werden, ist einfach, dem zu vertrauen, was des Menschen Sohn tat, als er Mensch ward, und die Strafe erlitt für alle, die ihm vertrauen. Für all' die Seinen war Christus ein Stellvertreter. Die Seinen sind diejenigen, welche ihm vertrauen. Wenn ihr ihm vertraut, so ist er für eure Sünden gestraft worden, und ihr könnt nicht für sie gestraft werden, denn Gott kann die Sünde nicht zweimal strafen, erst in Christo und dann in euch. Wenn ihr Jesu vertraut, welcher jetzt zur Rechten Gottes lebt, so ist euch in diesem Augenblick vergeben und ihr sollt auf ewig errettet sein. O, dass ihr ihm jetzt vertrauen wolltet! Vielleicht mag es für dich „jetzt oder nie“ heißen. Möge es jetzt sein, gerade jetzt, und dann, wenn du Jesu vertraust, lieber Freund, hast du nicht nötig zu zaudern, wenn die Frage getan wird: „Bist du errettet?“ denn du kannst antworten: „Ja, das bin ich, denn es steht geschrieben: Wer an ihn glaubt, der wird nicht gerichtet.“ Vertraut ihm denn, vertraut ihm jetzt, und dann helfe dir Gott, ein Seelengewinner zu sein, so wirst du weise sein und Gott wird verherrlicht werden!