Spurgeon, Charles Haddon - Das Evangelium des Reiches - Kapitel 13

Spurgeon, Charles Haddon - Das Evangelium des Reiches - Kapitel 13

(Unser König gibt sieben Gleichnisse von seinem Reich. V. 1-53.)

1. An demselbigen Tag ging Jesus aus dem Haus, und setzte sich an das Meer.

Er war nicht bange, von seinen Verwandten ergriffen zu werden, sondern ging frei umher. Wie gelassen war sein Benehmen. Er „setzte sich an das Meer“. Dies muss eine große Erleichterung für Ihn gewesen sein. Er hörte auf von dem Streit im Haus und auf der Gasse und kam in ruhige Gemeinschaft mit der Natur. Am Ufer unter freiem Himmel ließ Er seiner Phantasie größeren Spielraum und fing hier an, in Gleichnissen zu reden.

2. Und es versammelte sich viel Volk zu Ihm, also, dass Er in das Schiff trat, und saß; und alles Volk stand am Ufer.

Viel Volks verlangte seine Lehre zu hören und seine Wunder zu sehen. Dieses drängte so eifrig um Ihn, dass Gefahr da war, Er werde ins Meer gestoßen werden, und besonders, als es nicht ein zerstreuter Haufe war, sondern das Volk sich zu Ihm versammelte, - sich um seine Person drängte. Das Schiff wurde seine Kanzel, und der kleine Raum zwischen demselben und dem Ufer gab Ihm freien Raum zum Atmen und setzte noch mehr Volk in den Stand, Ihn zu hören. Das abschüssige Ufer und der blaue Himmel bildeten einen großartigen Hörsaal mit Raum für „alles Volk“. Alles Volk, ein sehr umfassender Ausdruck. Der Lehrer saß und die Leute standen. Wir würden weniger Schlaf in den Versammlungen haben, wenn diese Sitte noch herrschte.

3. Und Er redete zu ihnen mancherlei durch Gleichnisse und sprach: Sieh, es ging ein Sämann aus, zu säen.

Er hatte viel Belehrung zu geben und Er tat es in Gleichnissen. Welche wunderbaren Bilder waren es! Welchen Reichtum von Bedeutung haben sie für uns sowohl wie für die, welche sie damals hörten! Dieses Gleichnis vom Sämann ist eine Goldmine von Lehren über das Reich, denn der Same war „das Wort vom Reich“ (s. V. 19).

„Sieh“: jedes Wort ist der Aufmerksamkeit würdig. Mag sein, dass der Prediger auf einen Ackersmann am Ufer hinwies, der eine der Terrassen zu besäen begann. „Ein Sämann“, lest: „Der Sämann.“ Jesus, unser Herr, hat dies Geschäft des Säens auf seines Vaters Geheiß übernommen. Der Sämann „ging aus“. Seht Ihn seines Vaters Haus verlassen, mit diesem einen Zweck in seinem Herzen, „zu säen.“

4. Und indem er säte, fiel etliches an den Weg; da kamen die Vögel und fraßen es auf.

Als Er säte, fiel etliches an den Weg. Selbst wenn der Haupt-Sämann bei der Arbeit ist, gedeiht nicht aller Same. Wir wissen, Er sät den besten Samen und in der besten Art, aber etlicher fällt auf den betretenen Pfad, liegt deshalb unbedeckt und wird nicht in den Boden aufgenommen. Dieser Boden war hart und vom Verkehr niedergetreten. Hier am Weg treffen wir Staub, der blind macht, Pfützen, die beschmutzen, und Vögel, die aufpicken; es ist kein guter Platz für guten Samen. Kein Wunder, da der Same unbedeckt lag, dass die Vögel kamen und ihn fraßen. Wenn die Wahrheit nicht in das Herz hinein kommt, so nehmen böse Einflüsse sie bald fort.

5. 6. Etliches fiel in das Steinige, da es nicht viel Erde hatte; und ging bald auf, darum, dass es nicht tiefe Erde hatte. Als aber die Sonne aufging, verwelkte es, und dieweil es nicht Wurzel hatte, ward es dürre.

In das Steinige oder auf den seichten Boden, unter dem der harte Felsgrund war, fiel der Same, denn wenn der Sämann solche Plätze ganz gemieden hätte, so hätte er leicht etwas von dem guten Land übergehen können. In diesem Steinigen ging der Same bald auf, weil der Fels ihm alle Wärme gab, die auf ihn selber fiel, und so das Keimen beschleunigte. Aber, bald auf, bald nieder. Als die Zeit kam, wo die Sonne ihre Kraft aussandte, verschmachteten und erstarben die wurzellosen Pflanzen sogleich. Sie hatten keine tiefe Erde und keine Wurzel, was konnten sie tun, als völlig verdorren? Alles ging in Hast mit ihnen. Der Same hatte keine Zeit, Wurzel zu schlagen, und so fand der rasche Pflanzenwuchs schleunigst seinen raschen Tod. Keine Spur blieb nach.

7. Etliches fiel unter die Dornen; und die Dornen wuchsen auf, und erstickten es.

Der Boden war ursprünglich ein Dorngebüsch und war gereinigt worden durch das Abhauen der Dornen, aber bald trieben die alten Wurzeln neue Schösslinge, und anderes Unkraut kam mit ihnen auf. Das Gestrüpp der Disteln, Dornen, Nesseln und was noch sonst, erdrückten die zarten Schösslinge des Weizens. Die eingeborenen Pflanzen erstickten den armen Fremdling. Sie wollten dem aufsprießenden Korn nicht gestatten, das Feld mit ihnen zu teilen. Das böse beansprucht den alleinigen Besitz unsrer Natur. So haben wir an drei Stellen den Samen zu einem vorzeitigen Ende kommen sehen.

8. Etliches fiel auf ein gutes Land, und trug Frucht, etliches hundertfältig, etliches sechzigfältig, etliches dreißigfältig.

Dies entschädigte für alle Verluste, besonders bei dem höchsten, hier gegebenen Anschlag der Vervielfältigung. An drei Stellen ist der Same durch Vögel, Sonnenbrand und Unkraut verloren gegangen, doch bleibt glücklicherweise noch eine Stelle, die Scheuer zu füllen. Das Säen des guten Samens kann nie völlig fehlschlagen, „etliches fiel auf ein gutes Land.“

Die Ernte war nicht gleich groß auf jedem Fleck fruchtbaren Bodens; sie war verschieden, von hundertfältig zu dreißigfältig. Aller gute Boden ist nicht gleichmäßig gut; und außerdem mag die Lage verschieden sein. Ernten sind nicht alle gleich auf demselben Landgut, zu derselben Jahreszeit und unter demselben Landwirt, und doch mag jedes Feld eine recht gute Ernte liefern. Herr, wenn ich nicht das Hundertfältige erreichen kann, lass mich wenigstens gutes Land sein, in dem ich dreißigfältig trage.

9. Wer Ohren hat, zu hören, der höre!

Dies erinnert an einen Offizier, der zu seinen Leuten spricht: „Achtung!“ Er spricht, der als Herr über alles ein Recht hat, gehört zu werden. Die Ohren sind zum Hören. Gebraucht sie am meisten, wenn Der spricht, der das Ohr gemacht hat.

10. Und die Jünger traten zu Ihm, und sprachen: Warum redest Du zu ihnen durch Gleichnisse?

Vielleicht hatte sich die Menge gegen die Jünger beklagt, dass sie nicht begreifen könnten, worauf der Meister abziele. Die Apostel mögen sich unfähig gefühlt haben, zu antworten. Da die Sache sie in Verlegenheit setzte, taten sie wohl, ihren unfehlbaren Lehrer zu befragen, lieber als eine Erklärung zu erfinden, die sich als ganz und gar falsch hätte erweisen können.

11. Er antwortete und sprach: Euch ist’s gegeben, dass ihr das Geheimnis des Himmelreichs vernehmt; diesen aber ist’s nicht gegeben.

Die gewöhnlichen Gründe für den Gebrauch der Gleichnisse wären gewesen, die Wahrheit klarer zu machen, die Aufmerksamkeit zu fesseln und die Lehren dem Gedächtnis einzuprägen. Aber in diesem Fall erfüllte der Herr durch seine Gleichnisrede den Richterspruch, der lange vorher über das abgefallene Volk gefällt war, von dem Er so unwürdige Behandlung erfuhr. Sie waren verurteilt, das Licht zu haben und eigenwillig im Finsteren zu bleiben. Seinen eigenen Jüngern wollte der Herr das Gleichnis erklären, aber nicht dem ungläubigen Haufen draußen. Wenn jemand in der Menge aufrichtig wünschte, des Herrn Meinung zu verstehen, so wurde er sein Jünger, und dann wurde ihn „das Geheimnis des Himmelsreichs“ gelehrt; aber die, welche den Messias verwarfen, sollten, während sie auf Gleichnisse horchten, „hören und nicht verstehen, sehen und nicht merken.“ Das äußere Wort hören, ist ein gewöhnliches Vorrecht; „die Geheimnisse zu vernehmen,“ ist eine Gabe der unumschränkten Gnade. „Euch ist gegeben,“ „diesen aber ist es nicht gegeben.“ Ernste Worte; demütigende Wahrheiten. Das Heil und die Erkenntnis, durch welche es kommt, werden gegeben, wie der Herr will. Es gibt eine Gnade, die einen Unterschied macht, mögen die modernen Theologen diese Lehre schmähen, wie sie wollen.

12. Denn wer da hat, dem wird gegeben, dass er die Fülle habe; wer aber nicht hat, von dem wird auch genommen, das er hat.

Diejenigen, welche ein Verständnis geistlicher Wahrheit hatten, kamen zu noch klarerem Licht, aber die, welche vorsätzlich im Finsteren lebten, wurden in Gegenwart des Lichtes immer verwirrter und gewannen nichts als die Entdeckung, dass sie nicht wüssten, was sie zu wissen glaubten. Ein unwissender Mensch, der in ein Museum geht oder eine gelehrte Vorlesung hört, fühlt sich nur noch unwissender. Er lernt nichts, weil er nicht die Anfangsgründe der Wissenschaft versteht. Es ist ebenso mit fleischlichen Menschen; durch geistliche Wahrheit werden sie eher blind, als erleuchtet.

13. Darum rede ich zu ihnen durch Gleichnisse, denn mit sehenden Augen sehen sie nicht, und mit hörenden Ohren hören sie nicht; denn sie verstehen es nicht.

Dies war der Grund, warum Er zu ihnen in Gleichnissen redete; sie konnten geistliche Dinge nicht verstehen, und deshalb gab Er ihnen keine nackte Lehre, denn dann würden sie gar nicht zugehört haben. Sie sahen nicht wirklich, was sie sahen, und hörten nicht, was sie hörten. Je deutlicher die Lehre, desto mehr wurden sie dadurch verwirrt. Sie waren sittlich und geistlich so krank, dass das einzige, was sie wahrnahmen, das anziehende Gewand einer Wahrheit war, denn für die Wahrheit selbst hatten sie keine Liebe und kein Wahrnehmungsvermögen. Bis auf diesen Tag sind die Wunder der Schöpfung, die Werke der Gnade, die Taten der Vorsehung und die religiösen Handlungen alle wie stumme Musik oder gemalte Sonnen für fleischliche Menschen; denn sie hören ihre Lehre nicht und fühlen ihre Macht nicht.

14. Und über ihnen wird die Weissagung Jesaias’ erfüllt, die da sagt: Mit den Ohren werdet ihr hören, und werdet es nicht verstehen; und mit sehenden Augen werdet ihr sehen, und werdet es nicht vernehmen.

Jenes wundervolle sechste Kapitel des Jesaias wird beständig im Neuen Testament angeführt. Wie klar stellt es das Geschick des schuldigen Israel dar! Diejenigen, welche sich weigern zu sehen, werden bestraft, indem sie unfähig werden zu sehen. Die Strafe der Sünde besteht darin, dass wir in der Sünde gelassen werden. Die Juden in unseres Herrn Tagen wollten mit dem spielen, was sie hörten, und so wurden sie dahingegeben zu hören ohne zu verstehen. Selbst der Engel des Bundes sprach vergeblich zu ihnen.

15. Denn dieses Volks Herz ist verstockt, und ihre Ohren hören übel, und ihre Augen schlummern, auf dass sie nicht dermaleinst mit den Augen sehen, und mit den Ohren hören, und mit dem Herzen verstehen, und sich bekehren, dass ich ihnen hülfe.

Sie haben ihre Fähigkeiten getötet. Verkehrtheit und Sünde hat sie herzlos, taub und blind für alle geistlichen Dinge gemacht. So haben sie sich den Weg des Heils versperrt und ihren größten Fleiß gebraucht, ihre eigene Bekehrung zu hindern. Es war nur gerecht, dass die Wahrheit in einer Weise zu ihnen kam, die sie eher verdammte, als bekehrte. Wenn sie in irgend einer anderen Form als der Gleichnisrede gekommen wäre, hätten sie sich nicht einmal herabgelassen, sie zu hören. In dieser Form würde die Wahrheit klarer gesehen worden sein, als in jeder anderen, wenn sie willig gewesen wären; aber da sie nicht willig waren, so wurde das Sinnbild eine dunkle Laterne, die das Licht von ihnen ausschloss. Wenn die Menschen absichtlich ihre Augen schließen, so soll selbst das Licht sie blind machen. Wenn der Herr an einigen vorübergeht, so liegt das an ihrer Sünde, aber wenn Er einige erwählt, so ist es nicht, weil sie besser sind, sondern damit Er sie besser mache. Diese Stelle lehrt, dass der Besitz von Fähigkeiten ein Geringes ist, wenn wir sie nicht in geeigneter Weise gebrauchen. Die Menschen sollten mit den Augen sehen, mit den Ohren hören und mit ihren Herzen verstehen. Wenn sie sich zu Christo wenden, will Er sie heilen, selbst von verstockten Herzen und tauben Ohren und geschlossenen Augen. Aber ach! es gibt ein Geschlecht, das nicht bekehrt werden will, denn es ist stolz auf seine Blindheit und Verstocktheit.

16. 17. Aber selig sind eure Augen, dass sie sehen, und eure Ohren, dass sie hören. Wahrlich, ich sage euch: Viele Propheten und Gerechte haben begehrt, zu sehen, das ihr seht, und haben es nicht gesehen; und zu hören, das ihr hört, und haben es nicht gehört.

Glückliche Menschen, zu einem solchen Vorrecht erwählt zu sein! Die Gnade hat eure Augen und Ohren geöffnet. Selig sind eure Augen, dass sie sehen. Welche Wunder, Schätze und Offenbarungen sehen sie! die Augen sind selig, die auf die Geheimnisse der göttlichen Liebe schauen. Selig sind eure Ohren, dass sie hören; etwas Lieblicheres hören, als den Gesang der Engel, nämlich die Stimme der ewigen Liebe von dem Herzen Jesu. Ihr habt das große Geheimnis gelernt; der Rat des Herrn ist euch geoffenbart, und ihr seid selig. Euch unter dem Evangelium ist kund getan, was die größten und besten Menschen unter dem Gesetz nicht entdecken konnten. Der kürzeste Sommertag ist länger als der längste Wintertag; und ihr, ihr Armen und Geringen, seht in der Weltzeit des Evangeliums mehr von der Wahrheit in Jesu, als die besten Heiligen sehen konnten, ehe Er kam. Es ist kein Zweifel daran, denn Jesus setzt das Siegel seines „Wahrlich, ich sage euch“ darauf. Bevorzugt vor allen anderen sind die, deren wiedergeborene Fähigkeiten die Wahrheit Gottes sehen und hören. Sind wir unter dieser seligen Zahl? Wenn das, so lasst uns den Herrn für ein so großes Gut preisen. Wahrlich, das Evangelium zu hören und seine Segnungen zu sehen, ist eine große Bevorzugung. Die Liebe und Dankbarkeit, welche wir dafür beweisen, sollte in der Tat groß sein!

18. So hört nun dieses Gleichnis von dem Sämann.

Weil ihr hinter den Vorhang seht und euch Gnade gegeben ist, den inneren Sinn in dem äußeren Bild wahrzunehmen, so kommt und hört die Erklärung dieses Gleichnisses von dem Sämann.

19. Wenn jemand dieses Wort von dem Reich hört, und nicht versteht, so kommt der Arge, und reißt es hin, was da gesät ist in sein Herz; und der ist’s, der an dem Wege gesät ist.

Das Evangelium ist „das Wort von dem Reich“: es trägt königliche Autorität in sich, es verkündigt und offenbart den König Jesus, und es führt die Menschen zum Gehorsam gegen seine Herrschaft. Hören, aber nicht verstehen, heißt den guten Samen an der Außenseite eurer Natur lassen und ihn nicht in euch selber aufnehmen. Nichts kann nach solchem Hören kommen.

Satan ist stets auf der Lauer, um das Wort zu hindern: „So kommt der Arge“, selbst in dem Augenblick, wo der Same fiel. Er ist immer bange, die Wahrheit auch nur in harter und trockener Berührung mit einer Seele zu lassen, und deshalb „reißt er es hin“ sogleich, und es wird vergessen oder nicht geglaubt. Jedenfalls ist es dahin, und wir haben in unseres Hörers Herzen nicht ein Kornfeld, sondern eine Landstraße, hart und viel betreten. Der Mann war kein Gegner, er nahm den Samen an, aber er nahm die Wahrheit an, so wie er war, bis der böse Höllenvogel ihn hinwegnahm, und da hatte es ein Ende. So weit die Wahrheit in sein Herz gesät war, war es in sein natürliches, unerneuertes Herz, und deshalb ward sie nicht lebendig darin. Wie viele solcher Hörer haben wir! Ihnen predigen wir vergeblich, denn was sie lernen, das vergessen sie, und was sie annehmen, das verwerfen sie fast gleich nachher.

Herr, lass keinen von uns undurchdringlich für Dein königliches Wort sein, sondern lass uns unsere Seele auftun für den kleinsten Samen der Wahrheit, wenn er darauf fällt!

20. 21. Der aber auf das Steinige gesät ist, der ist’s, wenn jemand das Wort hört, und dasselbige bald aufnimmt mit Freuden; aber er hat nicht Wurzel in sich, sondern er ist wetterwendisch; wenn sich Trübsal und Verfolgung erhebt um des Worts willen, so ärgert er sich bald.

Hier war der Same derselbe und der Sämann derselbe, doch das Resultat ein etwas anderes. In diesem Fall war Erde genug da, den Samen zu bedecken, und Wärme genug, ihn schnell wachsen zu lassen. Der Neubekehrte war aufmerksam und leicht zu überzeugen, und schien das Evangelium sogleich fröhlich anzunehmen. Er war sogar eifrig, begeistert und freudenvoll und zeigte seine Freude. Er hört das Wort und nimmt dasselbe bald auf mit Freuden. Gewiss, dies sah sehr verheißungsvoll aus, aber der Boden war in Wirklichkeit schlecht, unfruchtbar, oberflächlich. Der Mann hatte kein lebendiges Eingehen in das Geheimnis des Evangeliums, keine Wurzel in sich selber, keine Grundsätze, kein erneuertes Herz, mit dem er die Wahrheit festhielt, und so blühte er eiligst und prächtig eine Zeitlang, aber nur eine Zeitlang. Es ist kurz und knapp ausgesprochen: er ist wetterwendisch. Wenn es heiß wird für die Christen, entweder durch Trübsal vom Herrn oder Verfolgung von der Welt, ist der zeitweilige Gläubige so saftlos, so wurzellos, so ohne alle Feuchtigkeit der Gnade, dass er vertrocknet und sein Bekenntnis verdorrt. So sind wiederum des Sämanns Hoffnungen getäuscht und seine Arbeit ist verloren. Bis steinigte Herzen umgewandelt sind, muss es immer so sein. Wir treffen viele, die schnell heiß werden, aber ebenso schnell wieder erkalten. Sie nehmen das Wort „bald“ auf und verlassen es wieder „bald.“ Alles ist auf der Oberfläche und deshalb hastig und nicht wahrhaft. Mögen wir alle zerbrochene Herzen und vorbereitete Gemüter haben, damit die Wahrheit, wenn sie kommt, in uns Wurzel fasse und bleibe.

22. Der aber unter die Dornen gesät ist, der ist’s, wenn jemand das Wort hört, und die Sorge dieser Welt und Betrug des Reichtums erstickt das Wort, und bringt nicht Frucht.

Mit dieser Klasse von Hörern haben wir persönliche Bekanntschaft in dieser geschäftigen Zeit. Sie hören das Wort, sie werden von dem Evangelium berührt, sie nehmen es als Same in ihre Seele auf und es wächst eine Zeitlang gut. Das Herz aber kann nicht zu gleicher Zeit zweien Gegenständen angehören, die es völlig in Anspruch nehmen, und darum können diese Menschen sich nicht lange der Welt und zugleich Christo hingeben. Die Sorge, Geld zu erwerben, die Habgier, die Kniffe und Sünden, welche daraus entstehen, dass man eiligst reich werden will, oder sonst Stolz, Luxus, Bedrückung und andere Sünden, welche daraus entspringen, wenn man Reichtum erworben hat, hindern den Menschen daran, in religiösen Dingen nützlich oder auch nur aufrichtig gegen sich selbst zu sein; „er bringt nicht Frucht.“ Er hält sein Bekenntnis aufrecht, er nimmt seinen Platz ein, aber seine Religion wächst nicht; in der Tat, sie weist traurige Zeichen davon auf, dass sie erstickt und gehemmt wird durch Weltlichkeit. Das Blatt äußerlicher Frömmigkeit ist da, aber es sind keine Körner darin. Das Unkraut hat den Weizen überwuchert und ihn erstickt. Wir können nicht zu gleicher Zeit Dorn und Korn ziehen. Der Versuch bringt der Ernte für Jesum Unheil. Sehet, wie der Reichtum hier verbunden wird mit Sorge, Betrug und Unfruchtbarkeit. Er ist ein Gegenstand, der mit Sorgfalt gehandhabt werden muss. Warum sind die Menschen so begierig, ihr Dornenfeld noch dichter von Dornensträuchern zu machen?

Würde ein guter Ackersmann die Dornen und das Gestrüpp nicht ausrotten? Sollten wir nicht so viel wie möglich uns frei halten von der Sorge, weltliche Reichtümer zu erlangen, zu bewahren, zu vermehren und aufzuspeichern? Unser himmlischer Vater wird zusehen, dass wir genug haben, warum quälen wir uns um irdische Dinge? Wir können unsere Seele nicht diesen Dingen und auch dem Reich Gottes hingeben.

23. Der aber in das gute Land gesät ist, der ist’s, wenn jemand das Wort hört, und versteht es, und dann auch Frucht bringt, und etlicher trägt hundertfältig, etlicher aber sechzigfältig, etlicher dreißigfältig.

Hier ist die Geschichte von dem Erfolg des Wortes. Dieses vierte Stück Land wird alle Kosten bezahlen. Natürlich lehrt kein Gleichnis die ganze Wahrheit, und deshalb wird hier des Pflügens nicht erwähnt, das stets einer guten Ernte vorangeht. Kein Menschenherz ist gut von Natur, sondern der gute Herr hat dieses Stück Feld zu „gutem Land“ gemacht. Hier ist beides, Gedanke und Herz, von der göttlichen Botschaft hingenommen, und der Mensch „hört das Wort und versteht es.“ Dadurch, dass die Wahrheit mit Liebe verstanden wird, geht sie in den Menschen ein, und dann fasst sie Wurzel, wächst, trägt Frucht und belohnt den Sämann. Wir müssen nach dem inwendigen Ergreifen und Begreifen des Wortes Gottes streben, denn nur auf diesem Weg können wir durch dasselbe fruchtbar gemacht werden.

Lasst uns danach streben, zu denen zu gehören, welche hundertfältig Frucht tragen! O, wir möchten unserem Herrn zehntausendfältig geben, wenn wir könnten. Für jede Predigt, die wir hören, sollten wir versuchen, hundert fromme, barmherzige oder selbstverleugnende Handlungen zu tun. Unser göttlicher Sämann mit solchem himmlischen Samen verdient es, durch eine glorreiche Ernte belohnt zu werden.

24. Er legte ihnen ein ander Gleichnis vor, und sprach: Das Himmelreich ist gleich einem Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte.

Um uns oft den Schlüssel zu diesem Evangelium zu geben, spricht unser Herr wieder von dem „Himmelreich,“ und fährt fort, die Wahrheit so deutlich zu machen, dass nur die eigenwillig Blinden sie nicht zu sehen vermögen, indem Er ein anderes, klares und inhaltreiches Gleichnis vorlegt. Wir kennen gut genug diesen „Menschen, der guten Samen auf seinen Acker säte.“ Gut säte Er ihn, Er säte ihn auf sein eignes Feld, „seinen Acker;“ und gut war der Same, den Er säte. Er ist in sein himmlisches Haus gegangen und hat seinen Acker der Sorge seiner Knechte überlassen. Ach, diese Besorgung ist keineswegs so, wie sie sein sollte!

25. Da aber die Leute schliefen, kam sein Feind, und säte Unkraut zwischen den Weizen, und ging davon.

Die Knechte sind nur zu geneigt zum Schlafen. Es gibt eine Zeit, wo die Natur Schlaf erfordert, und es gibt andere Zeiten, wo sündige Trägheit sie zur Hingabe an denselben überredet. Gute, leichte Leute, die nicht glauben können, dass jemand ihres Herrn Feld Schaden tun werde. Außerdem ist es unangenehme Arbeit, Eindringlingen aufzupassen und sie zu verjagen. „Ketzerriechen“ ist Spottname für Wachsamkeit. „Strenger Puritanismus“ ist der verächtliche Titel für sorgfältige Zucht. „Bigotterie“ ist der Name, mit dem Treue bezeichnet wird. „Da aber die Leute schliefen.“ Konnte irgend ein Gebildeter dem Zeitgeist widerstehen und wach bleiben?

„Kam sein Feind.“ Wir wissen wer der Feind ist. Seine Zeit zum Wirken ist in der Nacht. Er schläft nicht, wenn die Wächter tief im Schlummer liegen, sondern ist dann ganz besonders tätig. Stille, lustig, unbemerkt säte dieser Boshafte den Lolch, etwas dem Weizen so Ähnliches, dass niemand es unterscheiden konnte, ehe beides zu reifen begann. Er brachte diejenigen hinein, welche das „neuere Denken“ und die weltlichen Vergnügungen liebten, die ihren Reden nach Christen waren und ihrem Prahlen nach sehr geistlich. Nachdem er sie schlau hineingebracht, ging er davon. Er hätte in Verdacht kommen können, wenn er auf dem Schauplatz seiner List verweilt hätte, und darum „ging er davon,“ um anderswo das Gleiche zu tun. Seine lieben Kinder erklärten alle, dass er gar nicht existiere, sondern eine bloße Mythe sei, und da er weggegangen war, zogen viele daraus den Schluss, dass sie recht hätten. Satan ist nicht allgegenwärtig, aber das verwandelt er schlau in einen Vorteil, denn er kann oft mehr durch seine Abwesenheit tun, als durch seine Anwesenheit. Ein Teufel, den man kennt, ist nur ein halber Teufel.

26. Da nun das Kraut wuchs, und Frucht brachte, da fand sich auch das Unkraut.

Guter Same wächst, und ach! böser Same ist ebenso voll von Kraft, sich zu vervielfältigen. Satans Grundsätze haben eine furchtbare Lebendigkeit und Stärke in sich. Beide Samen waren eine Zeitlang verborgen, aber als der eine „wuchs,“ da „fand sich auch“ der andere.

Der Lolch sprosst ebenso schnell auf wie der Weizen und sieht ihm so ähnlich, dass sie beide dasselbe zu sein scheinen. Das Feld ist verdorben, der Ertrag ist vergiftet durch die Vermischung mit einer schädlichen Pflanze. Was hat der Feind für sich selber gewonnen? Nichts; es war genug für ihn, dass er dem, den er hasste, Schaden getan.

27. Da traten die Knechte zu dem Hausvater, und sprachen: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher hat er denn das Unkraut?

Nun wachen sie auf. Es wäre besser gewesen, wach zu bleiben. Sie sehen das Böse wachsen, obwohl sie es nicht säen sahen. Überwältigt von dem Anblick des verdorbenen Feldes, eilten sie, es ihrem Herrn zu erzählen mit großer Verwunderung, wie dies zugegangen sei. Welche Frage an ihren Herrn: „Woher hat er denn das Unkraut?“ Sie waren gewiss, dass er „guten Samen“ gesät hatte und nichts anderes, und dachten augenscheinlich, dass er wissen würde, wer den unechten Weizen gesät hätte. Auch wir wundern uns, wie so viel Böses in eine Gegend kommen kann, in die Christus seine Prediger gestellt hat, und wir rufen staunend: „Woher hat er denn das Unkraut?“ Die Frage bleibt am Besten dem Herrn überlassen, aber dass wir sie tun, ist ein Bekenntnis, dass wir geschlafen haben.

28. Er sprach zu ihnen: Das hat der Feind getan. Da sprachen die Knechte: Willst du denn, dass wir hingehen und es ausjäten?

Der Hausvater hatte nicht geschlafen. Er wusste, wer das grausame Unrecht getan. Der, welcher der Feind Gottes und der Menschen ist, und der allein hatte dies Stück Bosheit verübt. Es mag den Anschein gehabt haben, als wäre es ein gelehrter Doktor, oder ein begabter Dichter, oder ein verräterischer Redner, der den Zweifel unter den Menschen ausstreute und Zweifler in die Gemeinde einführte, aber der wirkliche Urheber des Unheils ist allemal der Teufel selber.

Die Knechte waren begierig, den Schaden sogleich zu heilen in der Weise, die ihnen zuerst in den Sinn kam. Heraus mit dem falschen Weizen, damit der echte wachsen kann! Etwas, was leichter gesagt als getan war, aber etwas, was ganz natürlich allen wahren Knechten in den Sinn kam, denen ihre Versäumnis leid tat und die es gern gut machen wollten. Wäre anderes Unkraut im Korn gewesen, so hätte die Hacke es entfernen können, aber dieser Lolch wuchs zwischen dem Weizen und glich dem Weizen, und war deshalb ein treues Bild derjenigen in Gemeinde und Welt, die dem Namen nach Christen und gute Moralisten sind, aber nichts von dem göttlichen Leben wissen. Wir können von diesen nicht frei werden, und doch, wie oft wünschen wir, dass wir es könnten!

29. Er sprach: Nein! auf dass ihr nicht zugleich den Weizen mit ausrauft, so ihr das Unkraut ausjätet.

Der Lolch war in solcher Fülle da, so vermischt mit dem Korn und ihm so ähnlich, dass es nicht möglich gewesen wäre, den einen auszujäten, ohne den anderen mit auszuraufen. In der Tat, es war ein falscher Weizen, der zwischen dem echten Korn wuchs, und beides zu trennen, wäre gefährlich für die Ernte gewesen. Durch hastige Zucht wird oft das Beste weggeworfen und das Schlechteste behalten. Wo das Böse klar und offen ist, dürfen wir nicht zaudern mit unserem Verfahren, aber wo es zweifelhaft ist, tun wir besser, unsere Hand zurückzuhalten, bis wir genauere Leitung haben.

30. Lasst beides miteinander wachsen bis zu der Ernte; und um der Ernte Zeit will ich zu den Schnittern sagen: Sammelt zuvor das Unkraut, und bindet es in Bündlein, dass man es verbrenne; aber den Weizen sammelt mir in meine Scheuer.

Lasst die zwei Samen eine Zeitlang zusammen bleiben, damit sie später um so wirksamer geschieden werden können. Es ist wahr, das Böse wird das Gute hindern und hemmen, aber selbst dies wird besser sein, als dass ihr aus Versehen das Gute hinauswerft. Eine Zeit der Scheidung wird kommen, und das wird „um der Ernte Zeit“ sein, wenn beide völlig entwickelt sein werden. Das wird eine passende Zeit sein, wo die Scheidung vorgenommen werden kann, ohne dass dadurch Schaden geschieht. Die dann angestellten „Schnitter“ werden ihre Arbeit richtig, wirksam, allgemein und endgültig tun. Der falsche Weizen wird in Bündeln verbrannt werden, der wahre wird in des Herrn Scheuer gesammelt. Dies wird eine vollkommene Trennung sein, und uns wird geheißen, darauf zu warten. Unsres Herrn: „Ich will zu den Schnittern sagen,“ mag uns wohl abhalten, hastige Worte an die Ältesten der Gemeinde oder die Obrigkeit des Landes zu richten, um sie zu hastiger und nicht großmütiger Disziplin anzureizen. Dornen und Disteln können sie ausjäten, aber der Lolch ist eine andere Sache. Obrigkeiten und Gemeinden können die offenbar Bösen aus ihrer Gesellschaft entfernen, aber die äußerlich Guten, die innerlich wertlos sind, müssen sie lassen, denn das Richten der Herzen liegt über ihren Bereich hinaus.

Unser Herr erklärt, dass das Geschick des falschen Weizens, der unechten Bekenner, schrecklich ist. „Bindet es in Bündlein.“ Gleiches zu Gleichem, Sünder zu Sündern. „Dass man es verbrenne.“ Keine Worte können eine schrecklichere Zerstörung andeuten. Welchen ruhigen, friedlichen Ton hören wir darauf in den Worten: „Aber den Weizen sammelt mir in meine Scheuer.“ Aller Weizen wird gesammelt, aller anerkannt als des Herrn eigen und in seine Scheuer eingebracht.

31. 32. Ein anderes Gleichnis legte Er ihnen vor, und sprach: Das Himmelreich ist gleich einem Senfkorn, das ein Mensch nahm und säte auf seinen Acker; welches das kleinste ist unter allem Samen; wenn es aber erwächst, so ist es das größte unter dem Kohl, und wird ein Baum, dass die Vögel unter dem Himmel kommen, und wohnen unter seinen Zweigen.

Das Senfkorn ist das kleinste unter allem Samen im Verhältnis zu dem, was daraus kommt; aber es hat ein eigentümliches Leben in sich, und darum erzeugt es ein so großes Gewächs. Den Mann in dem Gleichnis kennen wir; sein Acker ist die Gemeinde oder das Herz. Er nimmt den Samen, den andere vielleicht vernachlässigen, weil sie ihn für so klein halten; er sät den lebendigen Samen in seinen eigenen Acker und wacht darüber. Der Same wächst und wächst, bis er zuletzt das größte unter dem Kohl wird und einem Baume gleicht. Die Resultate des göttlichen Lebens in der Seele sind keineswegs klein, sondern große Gnaden. Große Pläne und große Taten werden dadurch erzeugt. Das Gnadenwerk in der Gemeinde und in dem einzelnen ist so sichtbar, dass Leute, die so wenig von himmlischen Dingen wissen, wie Hänflinge und Sperlinge, kommen und Schutz finden unter den heiligen und wohltätigen Einflüssen und Anstalten, die daraus hervorgewachsen sind.

Wir hätten nicht vermuten können, dass unser Herr und seine zwölf Apostel die Myriaden Gemeinden der Christenheit hervorbringen würden. Wir könnten auch jetzt nicht sagen, wozu eine geringe Anstrengung, Gutes zu tun, heranwachsen mag. Wir wissen nicht, wozu unser inneres Leben noch kommen wird. Es hat eine ausdehnende Kraft in sich und es wird jedes Band zersprengen, und zu etwas wachsen, das Schatten gewähren, Frucht bringen und Schutz verleihen wird. Wenn der Herr den unvergänglichen Samen in uns gepflanzt hat, so ist seine Bestimmung eine große.

Guter Meister, beschleunige diese gesegnete Entwicklung. Wir haben beinahe genug von dem Senfkorn gesehen, nun lasst uns den Baum sehen.

33. Ein anderes Gleichnis redete Er zu ihnen: Das Himmelreich ist einem Sauerteig gleich, den ein Weib nahm, und vermengte ihn unter drei Scheffel Mehls, bis dass es ganz durchsäuert ward.

Viele Ausleger behaupten, dass dies sich auf die Macht des Bösen in der Gemeinde oder in den Herzen bezieht. Bei dieser Auslegung sehen wir, warum ein Weib den Sauerteig nahm und warum sie damit so heimlich tat, dass es heißt, sie verbarg ihn. Nach der Regel, die beim Gebrauch dieses Sinnbilds beobachtet wird, muss Sauerteig als das Bild des Bösen genommen werden, und wenn die Regel in diesem Fall anzuwenden ist, so ist die Lehre einleuchtend und wertvoll. Der Sauerteig begann bald seinen verderblichen Einfluss in der Gemeinde, und er wirkt in der einen oder anderen Weise immer noch fort.

Aber der Zusammenhang führt uns nicht zu dieser Auslegung. Das Gleichnis beginnt mit denselben Worten wie die anderes: „Das Himmelreich ist gleich;“ und es ist kein Wort da, uns anzuzeigen, dass das Thema verändert sei und unser Herr jetzt nicht von dem Reich selber, sondern von dem Bösen in dem Reich spräche. Überdies sagt unser Herr nicht: „Wird gleich sein,“ sondern „ist gleich,“ und bezieht sich deshalb auf etwas, was schon in Tätigkeit war. Wir können wirklich nicht sehen, dass das Weib damals schon den Sauerteig verborgen hatte, viel weniger ihn verborgen hatte „in drei Scheffel Mehl,“ d.h. in einer großen Gemeinde. Ist nicht der Sauerteig hier einfach gebraucht als ein anderes Bild von einem Einfluss, der schwach erscheint, aber sich als tätig, überwindend und zuletzt alldurchdringend erweist? Dieser, obwohl in Dunkelheit verborgene, inmitten der Völker, den „drei Scheffeln Mehl“ vergleichbar, wirkte mit geheimnisvoller Schnelligkeit und wird noch immer fortfahren in der ganzen Rasse der Welt zu wirken und die Völker zu bezwingen. Mögen unsere Freunde zwischen diesen beiden Auslegungen ihre Wahl treffen und aus einer oder aus beiden eine gute Lehre ziehen. Vor bösem Sauerteig bewahre der Herr uns, und mögen heilige Einflüsse auf uns alle einwirken!

34. 35. Solches alles redete Jesus durch Gleichnisse zu dem Volk, und ohne Gleichnis redete Er nicht zu ihnen; auf dass erfüllt würde, das gesagt ist durch den Propheten, der da spricht: Ich will meinen Mund auftun in Gleichnissen und will aussprechen die Heimlichkeiten von Anfang der Welt.

Dieser Prophet war David oder Assaph. Der Psalm 78 beginnt: „Höre, mein Volk, mein Gesetz.“ Von wem konnte dies gesprochen werden als von Gott? Und doch spricht in dem dritten Vers diese selbe Person von „unseren Vätern,“ und muss darum ein Mensch sein. Hier in diesem 78. Psalm ist also die heilige Person, welche sowohl Gott als Mensch ist, und werden diese Worte höchst passend von dem Evangelisten auf unseren Herrn Jesum Christum angewandt. Unser Herr spricht Verborgenes und stellt Heimlichkeiten in einem offenen Gleichnis dar, welches von denen verstanden wird, denen die Augen des Verständnisses geöffnet sind, während die, welche sich selbst geblendet, den Sinn nicht verstehen. Diese Gleichnisse enthalten alte und tiefe Geheimnisse, und es mag sein, dass mehr Weissagung in ihnen ist, als wir bis jetzt wahrgenommen haben.

36. Da ließ Jesus das Volk von sich, und kam heim. Und seine Jünger traten zu Ihm, und sprachen: Deute uns das Gleichnis vom Unkraut auf dem Acker.

Möglicherweise hatten sie das Senfkorn und den Sauerteig verstanden, aber der Lolch blieb ihnen ein Rätsel. Dies tut uns nicht leid, da wir durch ihre Unwissenheit unseres Herrn eigene Auslegung erhalten. Wir würden ohne dieselbe gewiss unseren Weg verfehlt haben.

37. Er antwortete und sprach zu ihnen: Des Menschen Sohn ist’s, der da guten Samen sät.

Er kam in diese Welt in der Absicht, das Himmelreich darin zu säen. Alle Gnade und Wahrheit und alles geistliche Leben unter uns ist von Ihm gesät.

38. Der Acker ist die Welt. Der gute Same sind die Kinder des Reichs. Das Unkraut sind die Kinder der Bosheit.

Der Acker ist die Welt, die Gemeinde eingeschlossen. Aber der Acker ist nicht ausschließlich die Gemeinde, denn „der gute Same“ oder „die Kinder des Reichs“ ist ziemlich dasselbe wie die Gemeinde; und der böse Same sind Personen, die sich mit dem Volk Gottes vermischen und mit ihm in notwendigen Verbindungen in dem großen Acker der Welt leben. Kirchengemeinschaft ist hier nicht gerade gemeint, obwohl sie in dem gebrauchten Ausdruck mit einbegriffen ist. Scheinheilige Menschen haben versucht, Ketzer auszurotten, und Nationalkirchen haben sogar unorthodoxen Denkern verboten, im Land zu bleiben, aber alle Versuche, irgend eine Gegend vor Ungläubigen oder vor Ketzern zu sichern, sind zur Verfolgung versauert. Nirgends auf Erden können wir eine Niederlassung von lauter Heiligen erlangen. In vielen Fällen ist die grausame Behandlung der besten Menschen durch die Vorstellung veranlasst, dass sie Irrlehrer seien und deshalb nicht geduldet werden dürften. Ernstlich gegen den Irrtum kämpfen mit geistlichen Mitteln ist recht und nötig, aber fleischliche Waffen und andere Zwangsmittel gebrauchen, ist wahre Torheit und Bosheit. Diese Welt ist jetzt ein Acker von gemischten Gewächsen und muss so bis ans Ende bleiben.

39. Der Feind, der sie sät, ist der Teufel. Die Ernte ist das Ende der Welt. Die Schnitter sind die Engel.

Der Teufel ist der Säer der bösen Menschen. Es gab keine solche, ehe er ins Paradies kam, aber jetzt sind sie allenthalben, nicht nur auf dem Acker der Welt, sondern in dem Garten der Gemeinde. Nun ist die Zeit des Wachsens, aber die Ernte rückt heran und die Schnitter sind schon von dem großen Hausvater gewählt. Wir mögen uns freuen, dass Engel, und nicht Menschen, die Schnitter sind. Zu welcher Stunde die Vollendung des Zeitalters kommen wird, wissen wir nicht, aber sie nähert sich sicherlich.

40-42. Gleich wie man nun das Unkraut ausjätet, und mit Feuer verbrennt, so wird’s auch am Ende dieser Welt gehen. Des Menschen Sohn wird seine Engel senden; und sie werden sammeln aus seinem Reich alle Ärgernisse, und die da Unrecht tun, und werden sie in den Feuerofen werfen; da wird sein Heulen und Zähnklappern.

Welch eine Beschreibung! Das Aussammeln aller Ärgernisse und aller, welche andere Menschen zum Straucheln bringen und Böses tun, wird eine Vollendung sein, die sehr zu wünschen ist. Nicht nur die offenbar Bösen, sondern die vorgeblich Frommen, der falsche Weizen, sollen hinweg genommen werden. Dies wird die Reinigung nicht der Gemeinde, sondern des Reiches sein, das zu der Zeit den ganzen Acker der Welt einschließen wird. Wir könnten diese Säuberung nicht bewerkstelligen, aber des Herrn Engel können und werden es. Dies soll „am Ende dieser Welt“ sein, dem Ende und dem Höhepunkt dieser Weltzeit. Das Schicksal dieser Ungöttlichen wird Feuer sein, die schrecklichste aller Strafen, aber dies wird sie nicht vernichten, denn sie werden die sichersten Zeichen lebendigen Wehes geben - „Heulen und Zähnklappern“. Früher oder später muss es mit bösen Menschen dahin kommen. Obgleich sie in dieser Welt auf demselben Acker mit Gläubigen wachsen und kaum von ihnen unterschieden werden können, sollen sie doch aus solcher ehrenvollen Gesellschaft entfernt und mit dem Auswurf des Weltalls in jenen großen Feuerofen geworfen werden, dessen Rauch aufsteigt von Ewigkeit zu Ewigkeit. Dies wird „des Menschen Sohn“ tun nach der Ihm zukommenden Macht. Die Engel sind einfach die Vollstrecker des Zorns des Lammes.

43. Dann werden die Gerechten leuchten wie die Sonne in ihres Vaters Reich. Wer Ohren hat zu hören, der höre!

Frei von der Wolke, die durch gezwungene Verbindung mit bloßen Namenchristen erzeugt war, werden die Gerechten leuchten. Das Reich war immer ihres Vaters, und nun sollen sie als seine Erben gesehen werden, und zwar als die Erben seiner Herrlichkeit und Freude. Bis dahin müssen sie in großem Maß durch diejenigen verdeckt bleiben, die ihre unwürdige Gegenwart aufdrängen und sie in teilweiser Dunkelheit halten durch ihre Vermischung mit der Welt. Nachdem die Eindringlinge durch die Engel entfernt sind, wird der Charakter der Gerechten deutlich offenbar werden, und ihre Trefflichkeit wird so klar gesehen werden wie die Sonne am Mittag. Dies ist etwas Gutes für sie zu hören, und da sie „Ohren zu hören“ haben, so mögen sie es mit wonnevoller Aufmerksamkeit hören.

44. Abermals ist gleich das Himmelreich einem verborgenen Schatz im Acker, welchen ein Mensch fand, und verbarg ihn, und ging hin vor Freuden über demselbigen und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker.

Noch immer ist das Thema: „das Himmelreich.“ Der Mensch fand einen verborgenen Schatz; vielleicht während er pflügte oder grub. Er suchte nicht danach, aber er fand ihn. Steht nicht geschrieben: „Ich werde gefunden von denen, die mich nicht suchten?“ Um ein Recht an dem vergrabenen Schatz zu erhalten, musste der Finder den Acker kaufen, und um dies zu tun, gab er alles hin, „was er hatte.“ So handeln Menschen, wenn sie die Reichtümer des Evangeliums entdecken. So kaufte Jesus selber mit den äußersten Kosten die Welt, um seine Gemeinde zu erwerben, den Schatz, den Er begehrte. Die besondere Anwendung dieses Gleichnisses überlassen wir dem Leser. Er wird gut tun, der Haupt-Handelnde bei einer ähnlichen Gelegenheit zu sein. Fröhlich mag er alles aufgeben, was er hat, um sich des Himmelreichs zu versichern.

45. 46. Abermal ist gleich das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte. Und da er eine köstliche Perle fand, ging er hin, und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte dieselbige.

Beachtet, dass in diesem Fall die köstliche Sache nicht zufällig gefunden ward, sondern nach verständigem Suchen. Das erste Gleichnis beschreibt den gewöhnlichen Menschen, zu dem das Evangelium kommt, wenn er seinem Beruf nachgeht und keineswegs geistliche Dinge sucht. Er stößt beim Pflügen an einen Topf mit Gold, und da er Verstand genug hat, Gold den Erdschollen vorzuziehen, so kauft er den Acker und den Schatz. In dem vorliegenden Gleichnis ist der Handelnde kein Pflüger, sondern ein Kaufmann, der mit köstlichen Dingen handelt. Dieser steht höher, als der andere, kennt den Wert von Juwelen und macht es zu seinem Lebensgeschäft, sie zu suchen. Er ist ein nachdenkender, ernster Mann, der die besten Dinge begehrt, und darum liest, hört, überlegt und sucht er, eben wie ein Juwelier es tun würde, der gute Perlen sucht. Er entdeckt das Evangelium und urteilt mit Recht, dass „das Himmelreich“ die Perle der Perlen sei und opfert deshalb alles andere, um es in seinen Besitz zu bringen. In beiden Fällen ward alles verkauft, um den Preis zu gewinnen, und so müssen auch wir, wie immer unsere Bekehrung stattfindet, alles für Christum aufgeben, nicht gezwungen, sondern willig. Es muss uns ein Vergnügen sein, Opfer zu bringen. In der Tat, wir müssen sie nicht als Opfer betrachten, gerade wie diese zwei Männer begierig und eifrig waren, ihr ganzes Eigentum zu verkaufen, um in den Besitz des einen Schatzes zu kommen, der sie fürs Leben reich machte.

47. 48. Abermal ist gleich das Himmelreich einem Netz, das ins Meer geworfen ist, damit man allerlei Gattung fängt. Wenn es aber voll ist, so ziehen sie es heraus an das Ufer, sitzen, und lesen die guten in ein Gefäß zusammen; aber die faulen werfen sie weg.

Hier unter den Menschen ist das Evangelium gleich einem Schleppnetz. Es umfasst eine große Wasserfläche und allerlei Geschöpfe, die sich im Meer bewegen, werden darin verstrickt. Das Auswerfen des Netzes hat Erfolg, denn das Netz fängt und ist voll Doch mag der Erfolg nicht so groß sein, als er scheint, denn der Inhalt des Netzes ist verschiedenartig, es fängt allerlei Gattung. So lange es im Wasser ist, enthält es notwendig schlechte und gute Fische. Es kann nicht anders sein, und es wäre verkehrt, ans Sortieren zu gehen, so lange es noch im Meer ist. Am Ufer wird der Platz für die Scheidung sein: Die Wertlosen, Nutzlosen, Verdorbenen werden weggeworfen werden, auch wenn sie einmal in dem Netz gewesen sind, aber die wahrhaft Guten werden aus dem Netz genommen und ihrem Herrn dargebracht. Wir müssen jetzt stehen und fischen, das Netz werfen und auf einen Zug warten; nicht vor dem Ende werden wir niedersitzen und unseren Fang fordern. Viele versuchen, das letzte zuerst zu tun.

49. 50. Also wird es auch am Ende der Welt gehen; die Engel werden ausgehen und die Bösen von den Gerechten scheiden, und werden sie in den Feuerofen werfen; da wird Heulen und Zähneklappern sein.

Die Trennung zwischen den Bösen und den Gerechten, welche in dem Reich sind, wird am Schluss der Weltzeit sein. Sie wird durch die Boten Gottes, die dazu bestimmten Engel, vollzogen werden: sie wird unfehlbar, rasch, völlig und schließlich sein. Das Urteil der Gottlosen wird in Ausdrücken beschrieben, die im höchsten Grade schrecklich sind. Diejenigen, welche wollen, dass wir leicht von der Strafe der Ungöttlichen denken, haben keinen Rückhalt dafür in der Lehre des Herrn Jesu. Ebensowenig findet die Vorstellung, dass Feuer Vernichtung bewirke, in dem hier gebrauchten Bild eine Stütze; denn „in dem Feuerofen wird Heulen und Zähnklappern sein.“

51. Und Jesus sprach zu ihnen: Habt ihr das alles verstanden? Sie sprachen: Ja, Herr.

Das ist eine sehr wichtige Frage. Die Wahrheit zu verstehen, ist wesentlich, alles zu verstehen, ist wünschenswert. Der bloße Buchstabe oder das Gleichnis ohne ein Verständnis der Bedeutung wird weder lebendig machen noch heiligen. Wie die Speise gegessen, verdaut und angeeignet werden muss, so muss die Wahrheit aufgenommen und in die Seele hineingenommen werden. Könnten wir sprechen: „Ja, Herr,“ wenn Er uns so fragte? Verstehen wir auch nur die sieben Gleichnisse, welche Er uns hier gegeben hat? Begriffen die, welche sprachen: „Ja, Herr,“ des Meisters Lehre, wie sie es hätten tun können? Wahrscheinlich war ihre Ansicht von ihrem Verständnis nicht so demütig, wie sie es hätte sein können.

52. Da sprach Er: Darum, ein jeglicher Schriftgelehrter, zum Himmelreich gelehrt, ist gleich einem Hausvater, der aus seinem Schatz Neues und Altes hervorträgt.

Unser erster Wunsch sollte sein, dass wir selber „zum Himmelreich gelehrt“ wären. Ein merkwürdiges Wort. Wenn dies der Fall ist, ist jeder von uns bestimmt, einem Hausvater gleich zu sein, und wird verantwortlich dafür gemacht, dass er seine Kenntnis als Speise für alle im Haus benutzt. Was wir verstehen, müssen wir lehren. Was wir in unseren Schatz aufgenommen haben, müssen wir hervortragen. Wenn der Herr uns zum Himmelreich gelehrt hat, so ist es um anderer willen. Gegen diese müssen wir handeln wie einer, der haushält und Vorräte für die Familie hervorbringt. Einiges ist beiseite gelegt zum Reifen, und dieses bringt der Haushalter seiner Zeit hervor, anderes ist besser frisch aus dem Garten, und dieses tischt Er sogleich auf. Er hält nichts zurück, aber Er beschränkt seine Vorräte nicht auf eine einzige Sache. Er ist des Alten nicht müde und Er ist nicht bange vor dem Neuen. Alte Wahrheit wird durch lebendige Erfahrung neu gemacht. Neue Ansichten der Wahrheit, wenn es in der Tat Wahrheit ist, sind nur die alten in frischem Licht. Wir müssen bei unsrer Unterweisung anderer uns der Mannigfaltigkeit befleißigen, aber wir müssen nicht die Kinder mit tödlichen Tränken vergiften, um ihnen neue Gerichte zu geben. Nur Dinge, die es wert sind, in einen Schatz getan zu werden, sind es wert, für den Haushalt hervorgetragen zu werden. Jener Schriftgelehrte muss gut unterrichtet sein, der ein ganzes Leben lang mannigfaltige köstliche Wahrheiten auszuteilen hat.

Herr, mache uns hierzu tüchtig. Unterweise uns, dass wir unser Haus unterweisen mögen. Mögen wir nichts für uns behalten, sondern für Deine Kinder alles hervortragen, was Du uns in Verwahrung gegeben. O, dass wir von Dir am Tage Deiner Wiederkehr angenommen würden, weil wir treu in dem uns Anvertrauten gewesen sind!

53. Und es begab sich, da Jesus diese Gleichnisse vollendet hatte, ging Er von dannen.

Er blieb nicht, um durch überflüssige Worte dem zu schaden, was so gut getan war. Als Er „vollendet“ hatte, hörte Er auf. Wenn seine Predigt an einem Ort beendigt war, „ging Er von dannen.“

(Der König in seinem Vaterlande. V. 54-58.)

54. Und kam in seine Vaterstadt, und lehrte sie in ihrer Schule, also auch, dass sie sich entsetzten, und sprachen: Woher kommt diesem solche Weisheit und Taten?

Mit welchen Gefühlen ging der Herr in sein Vaterland zurück? Wie bereit war Er, sich mit früheren Freunden zu verbinden, denn Er „lehrte sie in ihren Schulen.“ Wie begierig versammelten sie sich, ihren jungen Landsmann zu hören, der eine solche Aufregung hervorgebracht! Wie erstaunten sie über die meisterhafte Art, in der Er große Gegenstände berührte und große Taten verrichtete. Erstaunen führte zur Nachfrage. Sie begannen zu fragen, wie es sein konnte. Die Frage: „woher kommt diesem solche Weisheit und Taten?“ hätte ehrfurchtsvoll getan werden und zu einer lehrreichen Antwort Veranlassung geben können, aber einige würzten ihre Frage mit boshaftem Unglauben, und dies kam ihn teuer zu stehen.

Herr, gib, dass meine Fragen nie eine Beimischung von Unglauben haben. Lass mich erstaunt sein über das, was Du tust, und doch nicht erstaunt sein, dass Du im Stande bist, solche mächtige Werke zu tun.

55. 56. Ist Er nicht eines Zimmermanns Sohn? Heißt nicht seine Mutter Maria? und seine Brüder Jakob und Joses und Simon und Judas? Und seine Schwestern, sind sie nicht alle bei uns? Woher kommt Ihm denn das alles?

Sein Stammbaum schien ihnen ein sehr niedriger. Er war unter ihnen aufgewachsen. Der, welcher für seinen Vater galt, war ein Handwerker des Dorfes, seine Mutter war die einfache Maria, und seine Verwandten ganz gewöhnliche Menschen. Dies hätte sie befriedigen und ermutigen sollen, aber das war nicht der Fall. Sie wurden beißend und verweilten bei den Familiennamen Jakob und Joses und Simon und Judas. Sie deuteten an, dass Er nicht viel Weisheit in eines Zimmermanns Werkstatt gelernt haben könnte, und da Er nicht unter den Rabbinern gewesen sei, um eine höhere Bildung zu erlange, so könnte Er in Wirklichkeit nicht viel wissen. Wie konnte Er solche Höhe erreicht haben? Er war ganz unbedeutend. Wie? sie hatten Ihn gekannt, als seine Eltern Ihn verloren, da sie zu Fest nach Jerusalem gingen! Sie konnten nicht der Rede eines Zimmermannssohnes zuhören.

57. Und ärgerten sich an Ihm. Jesus aber sprach zu ihnen. Ein Prophet gilt nirgends weniger denn in seinem Vaterland und in seinem Haus.

Sie strauchelten über das, was ihnen ein Trittstein hätte sein sollen. Arme Seelen! Wie gleichen sie vielen in diesen Tagen, die Glanz und Schimmer haben müssen, denn sonst halten sie nichts von der tiefsten Weisheit! Wenn sie eine Predigt verstehen können, so meinen sie, es könne keine gute gewesen sein. Wenn ein Mensch einfach und natürlich handelt, so kann er in ihren Augen nicht vieler Beachtung wert sein. Noch immer ist es gewöhnlich so, dass, wo ein Mann bekannt ist, seine Nachbarn es schwer finden, zu denken, dass er wirklich groß sein könne. Entfernung leiht Zauber; eine Wolke vergrößert den scheinbaren Umfang. Dies ist Torheit.

58. Und Er tat daselbst nicht viel Zeichen um ihres Unglaubens willen.

Unglaube band seine Hände. Warum sollte Er seine heilige Kraft unter Leuten gebrauchen, die keinen Nutzen davon haben würden? Wo Er gern am meisten getan hätte, war Er gezwungen, am wenigsten zu tun, weil Er sah, dass alles bei ihnen vergeblich sein würde. Der Herr errette uns von einem solchen Seelenzustand! Gib uns, o Herr, vollen Glauben, damit du für uns und in uns und durch uns viele mächtige Taten der Gnade tun könnest!

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