Spurgeon, Charles Haddon - Der Ackermann.
„Pflügt oder brachet, oder arbeitet auch ein Ackermann seinen Acker immerdar zur Saat?“
Jes. 28, 24.
Wenn ein Acker nicht gebaut wird, so trägt er Disteln und Dornen. Dieses mag uns als Spiegel dienen.
Es sei denn, dass uns der große Weingärtner durch seine Gnade bebauet, so bringen wir keine guten, sondern nur böse Früchte. Wenn ich einen dieser Tage höre, dass ein Land gefunden sei, wo der Weizen wächst ohne die Arbeit des Landmannes, so mag ich auch einen Menschen zu finden hoffen, der ohne die Gnade Gottes ein heiliges Leben führt. Bis heute hat alles Land, worauf der Fuß des Menschen trat, Arbeit und Pflege gebraucht, und so ist auch unter den Menschen das Bedürfnis geistlicher Pflege allgemein. Jesus sagt zu uns Allen: „Ihr müsset von neuem geboren werden.“ Wenn der Heilige Geist nicht das Herz mit dem Pfluge des Gesetzes aufbricht und den Samen des Evangeliums hineinsät, so werden wir kein Körnlein Heiligkeit zum Vorschein bringen, obgleich wir von guten Eltern abstammen und von unseren Mitmenschen als ausgezeichnete, sittliche Lente betrachtet werden.
Aber der Pflug wird nicht allein gebraucht, um den Boden für den guten Samen zu bereiten, sondern auch um das Unkraut zu zerstören. Es gibt Krankheiten, welche sich nach und nach verlieren und nicht wieder auftreten, und so mag es auch Laster geben, welche unter veränderten Umständen nicht mehr so häufig vorkommen, als früher; jedoch die menschliche Natur ist zu allen Seiten dieselbe, und darum werden zu allen Zeiten üppige Ernten der Sünde auf den Herzensfeldern der Menschen gefunden werden, und nichts kann dieselben unterdrücken, als die geistliche Bearbeitung durch den Heiligen Geist. Ihr könnt das Unkraut nicht durch gute Ermahnungen zerstören, es muss etwas Schärferes und Wirksameres dahinter kommen. Gott muss selbst seine Hand an den Pflug legen, sonst werden die Disteln der Sünde niemals dem Weizen der Heiligkeit Raum geben. Das Gute ist bei dem unerneuerten Menschen niemals natürlich, und das Böse wird nie vertrieben, bis die Pflugschar der allmächtigen Gnade hindurchgefahren ist.
1.
Der Text führt uns in dieser Richtung und gibt uns praktische Anleitung durch die einfache Frage: „Pflügt oder brachet, oder arbeitet auch ein Ackermann seinen Acker immerdar zur Saat?“ Diese Frage mag bejahend beantwortet werden: „Ja, in der geeigneten Zeit pflügt der Ackermann seinen Acker immerdar zur Saat.“ Die Frage kann dagegen aber auch verneint werden: „Der Ackermann pflügt nicht jeden Tag seinen Acker zur Saat; er hat, je nach der Jahreszeit, auch andere Arbeit zu tun.“
Wenn die Zeit zum Pflügen da ist, so bleibt der Ackermann dabei, bis die Arbeit getan ist, wenn es einen, oder zwei, oder zwanzig Tage dauert, er bleibt dran, wenn die Witterung es gestattet. So pflügt auch Gott die Menschenherzen. Bei Manchen von uns war der Pflug schon frühe im Felde, denn unsere frühesten Erinnerungen haben es mit dem Gewissen zu tun, welches schmerzliche Furchen durch unser jugendliches Gemüt zog. Als wir noch klein waren, erwachten wir Nachts mit einem Gefühl von Schuld. Die Lehren unseres Vaters und die Gebete unserer Mutter machten tiefe Eindrücke auf uns. Und obwohl wir damals unsere Herzen noch nicht dem Herrn weihten, so waren wir doch angeregt und durchaus nicht gleichgültig gegenüber der Religion. Als Schulknaben konnte das Vorlesen eines Schriftabschnittes, der Tod eines Spielkameraden, eine kräftige Predigt, oder sonst eine religiöse Handlung uns Wochen lang beunruhigen. Die Regungen des Heiligen Geistes in unserem Inneren ermahnten uns, an höhere und bessere Dinge zu denken. Obschon wir den Geist dämpften, obschon wir gegen unsere Überzeugung handelten, so trugen wir doch die Zeichen der Pflugschar an uns; Furchen wurden durch die Seele gezogen und gewisse Unkrautspflanzen mit der Wurzel ausgerissen, obwohl noch kein Samen der Gnade ins Herz ausgesät war. Manche haben Jahre lang in diesem Zustande gelebt - gepflügt, aber nicht gesät; aber, Gott sei Dank! bei Manchen von uns ist es nicht dabei geblieben, denn wir hatten kaum das Knabenalter hinter uns als der gute Same der Wahrheit in unsere Herzen fiel. Aber Andere ergeben sich leider dem Wirken der Gnade nicht sobald. Bei ihnen pflüget der Ackermann den ganzen Tag zur Saat. Ich habe junge Leute gesehen, die in die große Stadt kamen, ihren Versuchungen nachgaben, die giftigen Freuden der Sünde tranken, ihr Gewissen befleckten, und dabei waren sie beständig unglücklich, schrecklich aufgeregt und so unruhig wie das Land, durch welches der Pflug dahinfährt. Manche Jahre ist es so fortgegangen. Ja, ich habe Männer gekannt, welche auf der Höhe der Jahre angelangt waren, und dennoch hatte der gute Same bei ihnen keine Wurzel gefasst, noch war der Grund ihrer Herzen gründlich aufgebrochen. Jener Mann hat sein Geschäft fortgeführt ohne Gott; Tag für Tag ist er aufgestanden und wieder zu Bette gegangen mit ebenso wenig Christentum wie seine Pferde hatten; und während all dieser Zeit ertönten die Warnungen des Gerichts in seinen Ohren, und sein Gewissen strafte ihn, dass er keine Ruhe fand. Nach einer kräftigen Predigt konnte er kaum essen oder schlafen, denn immer wieder tauchte die Frage auf: „Was wird am Ende daraus werden?“ Der Ackermann pflügte den ganzen Tag, bis die Schatten des Abends lang wurden, und der Tag zur Neige ging. Welch eine Gnade ist es, wenn der gute Same endlich noch in die Furchen fällt, wächst und hundertfältige Früchte trägt.
Es ist traurig, daran zu denken, dass wir den Ackermann oft sehen mussten bei seiner Arbeit, bis die Sonne im Westen hinabsank; ja selbst dann noch hat der gütige Gott seine Arbeit fortgesetzt und pflügte, pflügte, pflügte, pflügte, bis die Nacht alles zu Ende brachte. Sollte ein Greis dieses lesen, dessen Gnadentag bald zur Neige geht, so möchte ich ihn herzlich bitten, seinen Zustand zu bedenken. Wie? Sechzig Jahre alt und noch nicht gerettet? Vierzig Jahre hatte Gott Geduld mit Israel in der Wüste, aber dich hat er sechzig Jahre mit Nachsicht getragen. Siebzig Jahre alt und noch unwiedergeboren! O mein Freund, du hast jedenfalls nur noch wenig Zeit übrig, deinem Heilande zu dienen, ehe du in den Himmel gehst. Aber wirst du überhaupt dahin kommen? Wird es nicht in der Tat schrecklich wahrscheinlich, dass du in deinen Sünden stirbst und ewig verloren gehst? Wie glücklich sind doch Diejenigen, welche in ihrer Jugend den Heiland finden. Doch bedenke:
„So lang der Tag der Gnade währt
Stehn Gottes Arme offen.“
Es ist spät, es ist sehr spät, aber es ist noch nicht zu spät. „Der Ackermann pflügt den ganzen Tag“ (engl. Übersetzung), und der Herr wartet, um dir gnädig zu sein. Ich habe viele alte Leute gesehen, die sich bekehrten, und darum möchte ich andere Greise aufmuntern, an Jesum zu glauben. Ich las einst eine Predigt, in welcher der Prediger behauptete, selten wahrgenommen zu haben, dass sich Leute, welche über vierzig Jahre alt waren, bekehrt hätten, wenn sie vorher regelmäßig das Wort Gottes gehört hätten. Sei dem wie ihm wolle, meine eigene Beobachtung lehrt mich anzunehmen, dass sich in jedem Lebensalter ungefähr gleichviel Leute bekehren, denn die jungen Leute sind viel zahlreicher als die alten. Es ist ein furchtbares Ding, so lange Jahre in der Sünde gelebt zu haben; aber die Gnade Gottes steht nicht still vor einem gewissen Alter; auch Diejenigen, welche um die elfte Stunde in den Weinberg eintraten, empfingen ihren Groschen, und die Gnade soll in den Alten ebenso wohl verherrlicht werden, wie bei der Jugend. Komm nur, alter Freund, Jesus ladet dich ein, jetzt zu ihm zu kommen. Du warst ein zäher Acker, und der Ackermann hat den ganzen Tag pflügen müssen, aber wenn zuletzt noch der Rasen gewendet und das Herz erweicht wird, so ist Hoffnung. Pflügt der Ackermann immer zur Saat? Ja, Gott ist gnädig, barmherzig und von großer Güte.
Der Text aber weist uns nicht allein auf die Geduld Gottes, sondern auch auf die Ausdauer hin, welche wir zeigen sollen. „Pflügt der Ackermann den ganzen Tag?“ Jawohl! Sollte ich denn entmutigt werden, wenn ich Christum suche und finde nicht sogleich Gnade? Die Verheißung ist: „Wer bittet, der empfängt, wer suchet, der findet, und wer anklopft, dem wird aufgetan.“ Es mag seine Ursache haben, dass die Türe nicht beim ersten Anklopfen geöffnet wird. Was dann? Pflügt der Ackermann den ganzen Tag, so will ich den ganzen Tag anklopfen, bitten, suchen. Aber wenn ihr angefangen habt, den Herrn zu suchen, so ist der kurze Weg der: „Glaube an den Herrn Jesum Christum, so wirst du selig.“ Tue das ohne Verzug. Im Namen Gottes tut's sogleich, und ihr seid sogleich gerettet. Aber wenn ihr im Suchen den Weg nicht klar vor euch seht, gebt nur nicht auf zu suchen. Geht unter das Kreuz, umschlingt dasselbe und schreit: „Wenn ich sterben muss, so will ich hier sterben. Herr, ich komme im Namen Jesu zu dir und suche Gnade, und wenn es dir nicht gefällt, mich sogleich gnädig anzublicken, so will ich rufen, bis es dir gefällt.“ Wenn der Geist Gottes einmal Jemand zu solcher Entschiedenheit bringt, so ist auch der Friede nicht mehr fern. Gleichgültiges, oberflächliches Wesen vor Gott hält die Leute in Fesseln. Aber sobald man einmal den Entschluss gefasst hat, zu suchen, bis man findet, dann ist das Ziel nicht ferne. Ich habe es gerne, wenn die Leute in der Schrift suchen, bis sie den Weg des Heils kennen, und das Wort Gottes hören, bis ihre Seelen in demselben Frieden gefunden haben. Wenn sie einmal entschlossen sind, den Pflug durch Zweifel, Furcht und Widerwärtigkeiten hindurchzutreiben, bis sie durchdringen, so werden sie durch Gottes Gnade bald zum Leben kommen.
Dasselbe gilt in dem Wirken für das Heil Anderer. „Pflügt der Ackermann den ganzen Tag?“ Jawohl, wenn es die Zeit ist zum Pflügen. So will ich anhalten und anhalten. Ich will beten und predigen, oder beten und lehren, wie lange auch der Tag dauern mag, welchen Gott für mich bestimmt. Lieber Mitarbeiter, fängst du an, etwas müde zu werden? Nur Mut, raffe dich auf und pflüge weiter um der Liebe Jesu und unsterblicher Seelen willen. Das Pflügen ist harte Arbeit, aber weil es keine Ernte ohne dasselbe gibt, so lasst uns alle Kraft aufbieten und nicht müde werden, bis wir den Willen Gottes getan und mit der Hilfe des Heiligen Geistes in unseren Mitmenschen Überzeugung gewirkt haben. Mancher Grund ist sehr hart, bei Anderen ist er voller Wurzeln oder Steinen; da bedarf es harter Arbeit, und wir müssen den Herrn bitten, uns stark zu machen, denn die Seelen müssen gerettet werden.
Ich hörte neulich von einem Prediger, welcher einen sterbenskranken Mann besuchen wollte, jedoch der Eingang wurde ihm verwehrt. Am folgenden Morgen sprach er wieder vor, ab unter einem nichtssagenden Vorwand wurde er wieder abgewiesen. Er kam jedoch wieder und wurde zwanzigmal weggeschickt. Das einundzwanzigste Mal endlich wurde er eingelassen, und durch Gottes Gnade gelang es ihm eine Seele vom Tode zum Leben zu führen. „Warum sagen Sie Ihrem Kinde etwas zwanzigmal?“ fragte jemand eine Mutter. „Weil ich finde, dass neunzehnmal nicht genug ist.“ Wenn man nun eine Seele pflügt, so mag es sein, dass hundert Furchen nicht hinreichen. Was dann? Ei, man muss den ganzen Tag anhalten, bis die Arbeit vollbracht ist. Die ihr Prediger, Missionare, Lehrer oder Privat-Seelenretter seid, werdet nicht müde, denn eure Arbeit ist herrlich und euer Lohn unaussprechlich. Die Gnade Gottes ist groß, dass wir solche Arbeit tun dürfen, noch größer zeigt sie sich, dass sie uns unterhält, und am herrlichsten ist sie darin, dass sie uns stärkt und hilft, bis wir ausrufen können: „Ich habe dein Werk vollendet, das du mir gegeben hast.“
Ich möchte alle unsere Kirchenglieder bitten, die Hand am Pfluge zu halten und vorwärts zu schauen. Pflügt der Ackermann den ganzen Tag, so sollten Christen dasselbe tun. Fangt nahe am Zaun an und pflüget tief, nahe am Graben und lasst nichts liegen. Wenn auch gefallene Frauen, Diebe und Trunkenbolde umher im Schlamm liegen, vernachlässigt keine derselben, denn wenn ihr einen Strich liegen und das Unkraut darauf wuchern lasst, so wird es bald wieder um sich greifen. Und wenn ihr am Ende des Feldes angekommen seid, was dann? Ei, fangt gerade wieder vorne an. Ihr habt jenen Distrikt mit Traktaten versehen. Besucht die Leute wieder, zweiundfünfzigmal im Jahr - vervielfacht die Furchen. Wir müssen lernen, Gutes tun und nicht müde zu werden. Eure ewige Bestimmung ist, ohne Aufhören Gutes zu tun, es ist deshalb gut, hier darin geübt zu werden. So pflüge fort und fort und erwarte die Resultate als Folgen deiner Ausdauer. Das Pflügen geschieht nicht mit Stößen und Sprüngen, der Ackermann pflügt den ganzen Tag. „Ruck und Zuck“ mag in manchen Dingen schon gehen, aber nicht beim Pflügen; hier muss das Werk regelmäßig und anhaltend geschehen. Manche Leute geben bald auf, die Arbeit ermüdet sie, sie bekommen Blasen in die feinen Hände, und sie müssen ihr Brod im Schweiße ihres Angesichts essen, mehr als ihnen lieb ist. Diejenigen aber, welche der Herr mit seiner Gnade erfüllt, halten an Jahr ein, Jahr aus, und wahrlich, ich sage euch, sie werden ihren Lohn erhalten. Pflügt der Ackermann den ganzen Tag, so lasst uns gleich also tun in der Hoffnung, dass eines Tages jeder Hügel und jedes Tal dick steht mit Korn, und die Engel werden zur Ernte herniederfahren und ihre Lieder singen, dass der Erntejubel Himmel und Erde erfüllt.
2.
Nun aber kann die Frage im Text auch verneint werden. Pflügt der Ackermann immer zur Saat? Nein, er pflügt nicht immer. Nachdem er gepflügt hat so eggt, sät, schneidet und drischt er. Der Ackermann hat manches Andere zu tun. Es ist Fortschritt in seiner Arbeit. Dies lehrt uns, dass es in Gottes und unserer Arbeit ähnlich so ist.
Es mag sein, dass bei Manchen von euch der Herr genötigt war, schmerzliche Dinge als Pflug anzuwenden. Ihr fühlt die Schrecken des Gesetzes, die Bitterkeit der Sünde, die Heiligkeit Gottes, die Schwachheit des Fleisches und die Schatten des zukünftigen Zorns. Soll dieser Zustand ewig währen? Soll er dauern bis das Leben sinkt, und die Seele dahin fährt? Hört: „Pflügt der Ackermann den ganzen Tag?“ Nein, er macht nur Vorbereitung für etwas Anderes - er pflügt zur Saat. So verfährt der Herr mit uns; deshalb fasse Mut, nach den Wunden und Schlägen kommen bessere Dinge. Ihr seid arm und dürftig, ihr sucht Labung und findet sie nicht. Eure Zunge klebt an eurem Gaumen, aber der Herr wird euch hören und helfen. Er wird nicht ewiglich zürnen. Er wird sich wenden und euch gnädig sein. Er wird nicht immerfort Furchen ziehen mit seiner Rute, sondern er wird den köstlichen Samen des Trostes in eure Herzen säen, denselben mit dem Tau des Himmels feuchten und wird mit dem Sonnenlicht der Gnade in eure Herzen lächeln. Bald wird die Frucht in euren Herzen sich entwickeln: erst der Halm, dann die Ähre, dann der volle Weizen, und zu seiner Zeit werdet ihr euch freuen in herrlicher Erntefreude. O ihr, die ihr verwundet klagt: „Wird der Herr uns immerdar durch die Schrecken der Sünde ängsten?“ hört: „Wollt ihr mir gehorchen, so sollt ihr des Landes Gut genießen.“ Und was ist der Ruf des Herrn an die, welche seinem Worte folgen? „Glaube an den Herrn Jesum Christum, so wirst du selig.“ Du sollst jetzt gerettet werden, jetzt Gnade finden, wenn du aufhörst auf dich und deine guten Werke zu bauen und dich statt dessen zu Dem wendest, der deine Sünden getragen hat an dem Holz. Der Herr ist gnädig, barmherzig und von großer Güte, er wird nicht immerdar strafen noch ewiglich Zorn halten. Viele eurer Zweifel und Ängsten kommen durch Unglauben, durch den Teufel, das Fleisch und sind nicht von Gott. Beschuldigt ihn nicht um das, was er nicht gesandt hat, und deshalb nicht wünscht, dass ihr es leiden sollt. Er hat Gedanken des Friedens über euch, denn er spricht: „Tröstet, tröstet mein Volk, spricht der Herr.“ „Ich tilge deine Übertretungen wie den Nebel, und wie eine Wolke deine Sünden; kehre dich zu mir, denn ich habe dich erlöst.“ Er schlägt, aber er liebt auch; er verwundet und heilt; er tötet und macht lebendig; darum wendet euch zu ihm und empfanget den Trost aus seiner Hand. Der Ackermann pflügt nicht immer, er will auch ernten; und der Herr wird nicht immerdar die Herzen ängsten, sondern zu seiner Zeit wird er sie heilen und trösten.
So seht ihr also, dass der Herr in den Herzen der Seinen Wachstum bewirkt. Er wird die Furchen hinwegnehmen, dass man sie nicht mehr sehen kann; der Weizen wird sie bedecken. Man wird dann der Schmerzen nicht mehr gedenken, denn der Herr sät den Samen seiner Gnade ins Herz, dass er reiche Früchte bringt. „O,“ sagt Jemand, „ich wünschte, dass es bei mir so werden möchte.“ Es wird so werden. Pflügt auch der Ackermann immerdar zur Saat? Werden nicht nach und nach die Felder mit der herrlichen Frucht bekleidet? So sieht man auch bald in den bußfertigen Herzen die Frucht der Vergebung emporwachsen. Seid darum nicht verzagt.
Ihr werdet ebenfalls zu herrlichen Erfahrungen fortschreiten. Hört den Ackermann, wie er hinter seinem Pfluge singt. Er hat nicht viel von den Gütern dieser Welt, und doch ist er vergnügt. Er denkt an den Tag, wenn er auf dem hochbeladenen Erntewagen sitzt und die Lieder der Schnitter ihn umtönen. So pflügt er auf Hoffnung in Erwartung der Ernte. Und so, liebe Seele, wird dir der Herr noch große Freude geben, wenn du von Herzen an den Herrn Jesum Christum glaubst. Freue dich, das Beste kommt hier zuletzt. Die göttliche Traurigkeit bringt selige Hoffnung, Glauben und Freude ohne Ende. Der Herr züchtigt nicht immerdar, sondern er führt dich von Kraft zu Kraft, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, bis du ihm ähnlich wirst.
Was aber, wenn das Pflügen des Herrn in dir keine göttliche Traurigkeit wirkte; wenn du der Stimme deines Gewissens immerfort widerstehen würdest? Dann würde der Herr dem Ackermann gebieten, seinen Pflug zurückzustellen, und den Wolken, dass sie nicht regnen auf das Land deines Herzens, und es wird reif zum Verbrennen. Mensch, Schlimmeres kann es nicht geben, als wenn Gott aufhört, dich zu umgraben und zu bauen - wenn Gott dich verlässt. Wahrlich, das ist Hölle. Wer böse ist, der sei immerhin böse. Die göttliche Ordnung besteht ewig. Hat Gott seinen Geist von dir abgezogen, so wird keine rettende Hand dir je mehr nahen. Was könnte dir Schrecklicheres begegnen?
Wir schließen mit der Bemerkung, dass diese Entwicklung auch für uns eine Lehre ist. Pflügt der Ackermann immerfort? Nein, er pflügt zur Saat. Manche Kirchen scheinen der Ansicht zu sein, dass sie beständig pflügen müssen; wenigstens sind sie immer dabei, den Rasen aufzukratzen und zu besprechen, was sie tun wollen. Es sind wohl schöne Redensarten, aber pflügt der Ackermann immerfort? Ihr möget ein langes Programm zurecht machen und große Dinge versprechen, aber bleibt dabei nicht stehen. Schneidet nicht immerfort Furchen, sondern fangt auch einmal zu säen an. Ich glaube, dass Diejenigen, welche am meisten versprechen, am wenigsten tun. Die Leute, welche am meisten wirken in der Welt, haben selten anfangs ein Programm, sondern ihr Weg bestimmt sich unter Gottes Beistand von selbst durch den inneren Drang des Geistes. Nicht Anschläge, sondern Handlungen sind ihre Sache. Sie pflügen nicht beständig, sondern sind wie der Mann im Gleichnis, von welchem der Herr sagt: „Es ging ein Säemann aus, zu säen seinen Samen.“
Der Prediger des Evangeliums muss ebenfalls diese Regel der Entwicklung wahrnehmen. Von der Predigt des Gesetzes muss er zu der Predigt des Evangeliums übergehen. Pflügt der Ackermann immerfort? Er pflügt, denn er könnte nicht in Hoffnung säen, wenn er nicht vorher gepflügt und den Boden vorbereitet hätte. Robbie Flockart, der während vieler Jahre in den Straßen Edinburghs predigte, sagt: „Es ist umsonst, mit dem seidenen Faden des Evangeliums nähen zu wollen, ohne vorher die scharfe Nadel des Gesetzes gebraucht zu haben. Manche meiner Brüder predigen nicht gerne über die Schrecken der Verdammnis. Das ist aber grausames Mitleid, denn sie führen Seelen ins Unglück dadurch, dass sie ihr Unglück vor ihnen verbergen. Wenn sie denn ohne Nadel nähen wollen, so will ich's ihnen nicht wehren; ich für mein Teil will nicht so töricht sein. Meine Nadel mag altmodisch sein, aber sie ist scharf, und wenn der seidene Faden des Evangeliums folgt, so gibt es gute Arbeit. Ihr könnt keine Ernte erwarten, wenn ihr den Boden nicht umwendet, und ihr werdet keine Seelen retten, wenn ihr sie nicht vor der Hölle warnt. Wir müssen dem Sünder sagen, was Gott von der Sünde, der Gerechtigkeit und dem Gericht uns offenbart hat. Aber, Brüder, wir müssen nicht immerfort pflügen. Nein, nein, das Predigen des Gesetzes ist nur vorbereitend für die Predigt des Evangeliums. Das Hauptteil unseres Auftrags ist, gute Botschaft zu bringen. Wir sind nicht Nachfolger Johannis des Täufers, sondern Christi Diener; nicht raue Propheten des Schreckens, sondern Herolde der Gnade. Seid nicht zufrieden mit vorübergehenden Auflebungen, sondern predigt die Lehre der Gnade, so dass das volle Gottesleben in den Seelen sich beständig fortentwickelt. Pflügen hatte seine Zeit, nun kommt das Pflanzen und Begießen an die Reihe. Zuerst sollen wir die Leute zu Jüngern machen und dann sie lehren Alles, was der Herr uns befohlen hat. Vom Legen des Fundaments geht es voran zum weiteren Ausbau des Werkes.“
Nun noch ein Wort an Solche, die bloß Hörer sind. Ich wünschte, auch ihr würdet vom Pflügen zu etwas Besserem übergehen, nämlich zum Glauben. Wie viel Jahre haben Manche von euch nun schon das Wort Gottes gehört! Sol es immer so bleiben? Wollt ihr niemals an Den glauben, von welchem ihr so viel hört? Ihr seid schon oft aufgeweckt worden. Wollte nicht einst euer Herz fast brechen? Gepflügt ist genug, aber ihr habt den Samen des ewigen Lebens noch nicht aufgenommen, weil ihr nicht glaubt. Es ist schrecklich, immerfort auf den Grenzen des ewigen Lebens zu stehen und doch nie zu leben. Es wird furchtbar sein, beinahe den Himmel zu besitzen und doch nie hinein zu kommen. Es ist verdrießlich, in den Bahnhof hinein zu stürmen, gerade wenn der Zug eben hinausdampft; ich möchte lieber eine halbe Stunde zu spät sein. Einen Zug wegen einer Sekunde Verspätung zu vermissen, ist höchst verdrießlich. Aber wenn ihr fortfahrt, wie schon seit Jahren, so habt ihr sozusagen die Hand auf der Klinke der Himmelstür und kommt nie hinein. O hütet euch - so nahe und doch verloren zu gehen; fast überredet, doch nicht ganz. Gott verhüte, dass ihr nicht unter Denen seid, wo gepflügt, gepflügt und gepflügt, aber niemals gesät wurde. Es wird nichts helfen, wenn ihr zuletzt rufet: „Herr, haben wir nicht mit dir gegessen und getrunken, und du hast gelehrt auf unseren Straßen? Wir hatten einen Stuhl in der Kirche gemietet, wir wohnten dem Gottesdienste bei in der Woche, wie am Sonntage, wir gingen in die Betstunden, verteilten Traktate, unterschrieben für gute Zwecke, wir mieden öffentliche Sünden, beteten auch und lasen jeden Tag ein Kapitel in der Bibel.“ Alles das kann geschehen und dabei doch der seligmachende Glaube an Christum fehlen. Gebt Acht, sonst möchte der Herr sagen: Bei allem dem war euer Herz ferne von mir; ich habe euch nie erkannt, weichet von mir in die Verdammnis. Manche von euch haben fast alles Gute, ausgenommen, dass ihr nie mit dem Heiland vereinigt worden seid durch den Glauben. O, wie bedauernswert ist dieser Zustand! Soll es immer so bleiben?
Zuletzt möchte ich zu euch, die ihr immer unter dem Pfluge und in Unruhe seid, sagen, geht doch ohne Verzug zum Glauben über. O, wenn die Leute nur wüssten, wie einfach es ist, zu glauben, sie würden sogleich gläubig werden. Aber sie wissen es nicht, und sie stellen sich die Sache um so schwieriger vor, weil sie so einfach ist. Die Schwierigkeit des Glaubens liegt darin, dass gar keine Schwierigkeit damit verbunden ist. „Wenn der Prophet etwas Großes von dir gefordert hätte, würdest du es nicht getan haben?“ O ja, du hättest es getan und hättest es leicht gefunden; weil er aber einfach sagt: „Wasche dich siebenmal im Jordan, so wirst du rein,“ deshalb macht der Hochmut und die Selbstsucht Schwierigkeiten. Wenn es euch wirklich ernst ist, euren Hochmut fahren zu lassen, und irgend Etwas zu tun, was der Herr verlangt, so ist weiter keine Vorbereitung mehr nötig: glaubt, und ihr werdet leben. Möge der Heilige Geist euch das „Ich“ im rechten Lichte darstellen und euch bereit machen, das Heil anzunehmen. Das Wort ist dir nahe, glaube es; es ist in deinem Munde, lass es ins Herz kommen; es ist in deinem Herzen, vertraue demselben. Mit deinem Herzen glaube und mit deinem Munde bekenne Jesum, und du wirst selig. Ein Hauptteil des Glaubens besteht darin, das Vertrauen in alles Andere aufzugeben. O, lasst auf einmal alle falsche Hoffnung fahren.
Ich sagte den heilsuchenden Seelen einst in einer Predigt, sie sollten sich nur in die liebenden Arme des Heilandes werfen. Ich meinte, ich hätte die Sache so deutlich gemacht, dass es Jeder verstehen könne. Nach der Predigt kam ein junger Mann zu mir und sagte: „Aber ich kann mich nicht in die Arme Jesu werfen.“ „Nun, so lassen Sie sich hinein fallen, und wenn Sie ohnmächtig hinein sinken; oder sterben Sie in Jesu Armen, nur so, dass Sie hinein kommen,“ sagte ich ihm. Viele reden immer davon, was sie tun oder nicht tun können, und ich befürchte, damit verfehlen sie den Hauptpunkt. Glauben heißt den „Kann“ und den „Kannnicht“ zu verlassen, und Alles dem Herrn anheim zu stellen, denn er kann es Alles, du aber kannst nichts tun. „Pflügt der Ackermann immerdar zur Saat?“ Nein, er macht Fortschritte und geht vom Pflügen zum Säen über. Gehe du hin und tue desgleichen. Säe im Geist den köstlichen Samen des Glaubens an Christum, und der Herr wird dir eine herrliche Ernte verleihen.