Spurgeon, Charles Haddon - Am fremden Joch
Ansprache von C. H. Spurgeon in einer Gebetsversammlung
Teure Freunde, ich habe hier ein Gesuch um eure Fürbitte für eine Frau, die früher einmal Mitglied dieser Gemeinde war, uns aber seit einer Reihe von Jahren nicht mehr angehört. Viele unter euch würden sie kennen, wenn ich ihren Namen nennen wollte. Die Ursache ihrer damaligen Entfremdung von uns war, dass sie einen ungläubigen Mann kennen lernte und sich bewegen ließ, denselben zu heiraten. Sie hatte nun die Folgen dieser törichten Handlungsweise zu tragen, die sich in solchen Fällen fast immer einzustellen pflegen. Als ich sie vor einigen Tagen sah, sagte sie zu mir: „Sie erinnern sich meiner nicht mehr, Herr Pastor?“ „Nein,“ erwiderte ich, „ich erinnere mich nicht.“ Das war etwas Außergewöhnliches, denn ich habe die merkwürdige Fähigkeit, mir Gesichter einzuprägen, die ich einmal gesehen habe. Sie sagte dann: „Mein Name ist oder war vielmehr ….; erinnern Sie sich nun?“ „O ja!“ antwortete ich, „nun weiß ich; aber wie haben Sie sich verändert! Entschuldigen Sie diese Bemerkung; aber Ihre Veränderung ist größer, als ich sie trotz der Reihe von Jahren für möglich gehalten hätte.“
Sie war kurz vorher aus einer Klinik entlassen worden, sagte mir aber, dass sie wieder dahin zurück müsse, da sie sehr, sehr krank sei. Sie bat mich, doch ein Wort für sie einzulegen, dass sie besucht würde, während sie sich wieder in der Klinik befinde, und ich versprach ihr, dafür Sorge zu tragen. „Aber,“ fragte ich, „wie sind Sie denn nur in die traurige Lage hineingeraten, in welcher Sie sich jetzt befinden?“ „O Herr Pastor,“ klagte sie, indem ihre Tränen flossen, „ich habe einen unbekehrten Mann geheiratet, und das hat all das Leid über mich gebracht, und damit habe ich mir viel, sehr viel Kummer bereitet.“
Dieses Übel ist viel mehr verbreitet, als viele Leute glauben mögen. Heute nachmittag hatte ich eine Unterredung mit einer vortrefflichen christlichen Frau, die da kam, um sich unserer Gemeinschaft anzuschließen. Auch sie hatte durch tiefe Wasser hindurch müssen und sagte zu mir: „Ich sehe es dennoch als eine große Barmherzigkeit von Gott gegen mich an. Er hätte mich härter behandeln können, denn ich hatte mich dadurch von Ihm und von seinem Volk abgewandt, dass ich mich überreden ließ, einen ungläubigen Mann zu heiraten.“ Glücklicherweise hat der Herr sie wieder zu sich gezogen.
In diesen Tagen hatte ich auch eine Unterhaltung mit meinem Freunde Archibald Brown, und er erzählte mir, dass er kürzlich in einem der schmutzigsten Hintergässchen im Osten Londons Besuche gemacht und dort unter anderem ein armes Weib gefunden habe, das kaum mit den nötigsten Kleidungsstücken bedeckt war. Ihre kleinen Kinder umringten sie und schrien nach Brot. Prediger Brown sagte zu ihr: „Ihrem Aussehen nach zu urteilen sind Sie nicht immer in dieser Lage gewesen, sondern haben auch einmal bessere Tage gekannt.“ Das arme Weib griff in die zerrissene Tasche und zog eine Mitgliedskarte hervor, wie sie von Browns Gemeinde den Mitgliedern verabreicht werden und sagte: „In jener Gemeinde war ich einst ein glückliches Mitglied, und nun trage ich diese Karte stets bei mir als Erinnerung an die Vorrechte und glücklichen Zeiten, die ich einst genießen durfte.“ „Aber,“ sagte Herr Brown, „wie sind Sie denn nur hierher gekommen?“ „O,“ antwortete sie gramerfüllt, „ich habe nicht widerstehen können, sondern habe einen ungläubigen Mann geheiratet, und das ist der Grund und zugleich der Gipfelpunkt alles meines Elends.“
Da mir diese Fälle so unmittelbar vor Augen traten oder mir in der eben beschriebenen Weise bekannt geworden sind, und da sie alle einen so betrübenden Ausgang genommen haben, dachte ich, es sei meine heilige Pflicht, allen christlichen Jünglingen und Jungfrauen die Warnung des Apostels Paulus an die Korinther vorzuführen:
„Ziehet nicht am fremden Joch mit den Ungläubigen!“
Ich erinnere mich einer Jungfrau, die zu mir kam, um hinsichtlich ihrer Verheiratung mit einem ungläubigen Mann, der um ihre Hand angehalten hatte, meinen Rat einzuholen. Ich erkannte bald, dass sie sich über den Schritt, den sie tun wollte, bereits schlüssig geworden war; denn das ist ja gewöhnlich der Fall. Aber was hat es für einen Zweck, den Prediger noch zu Rate zu ziehen, wenn ihr euch bereits darüber klar geworden seid, welchen Weg ihr einschlagen wollt? Soll es nur ein Pflaster auf das mahnende Gewissen sein, oder soll der Prediger nur dazu bekehrt werden, sein Ja zu einer ungöttlichen Verbindung zu sagen? Darauf schien diese Person auszugehen, denn sie sagte mir und suchte mich glauben zu machen, dass sie auf den jungen Mann, der sie heiraten möchte, einen so großen Einfluss habe, dass sie sich dessen ganz gewiss sei, dass sie ihn dem Heiland zuführen werde. Das hat sie nun nicht über ihn vermocht; vielmehr ist er das Mittel dazu geworden, sie abzulenken, so dass sie bald die Gemeinde nicht mehr besuchte und nach weniger Zeit ihre Mitgliedschaft verlor, und ich weiß nun nicht, wo sie heute ist und wie es ihr ergeht. Ich erinnere mich aber noch, dass ich damals zu ihr sagte: „Gut, wenn Sie glauben, dass das wahr ist, was Sie sagen, so will ich Ihnen sagen, was Sie vorher tun sollten. Gehen Sie nach Hause und versuchen Sie folgendes kleine Experiment. Wenn der junge Mann kommt, um Sie zu besuchen, dann steigen Sie auf den Küchentisch und versuchen Sie es, ihn zu sich hinaufzuziehen, sagen Sie ihm aber zugleich, dass er seinerseits versuchen sollte, Sie herunterzuziehen. Wenn es Ihnen gelingt, ihn trotz seiner Gegenanstrengungen hinaufzuziehen, dann denke ich, dass Sie ihn getrost heiraten können.“ Nun, das Resultat ist stets und muss stets sein, dass der, der unten ist, den anderen zu sich herunterzerrt, wenigstens habe ich es stets so gefunden, und habe in vielen solchen Fällen schmerzliche Erfahrungen an anderen machen müssen.
Meine liebe Schwester, setze dich einem solchen Risiko nicht aus, sonst wirst du es bitter zu bereuen haben. Selbst wenn eine Jungfrau einen Jüngling heiratet, der ein Gemeindemitglied ist, ist damit noch nicht immer ausgemacht, dass sie ein gutes Los gezogen hat; denn es gibt Männer, die nur zu dem Zweck Mitglieder einer christlichen Gemeinde geworden sind, um Herz und Hand eines anderen Mitgliedes erobern zu können. Es ist das äußerst betrübend und eine schmachvolle Sünde, und es tut mir wehe, sagen zu müssen, dass das sogar hier bei uns vorgekommen ist. Hüte dich, du junge und auch du ältere Freundin, und behalte ein offenes Auge; und wenn der Mann, der dein Bräutigam zu werden wünscht, den Herrn Jesum nicht lieb hat, so gib ihm dein Herz nicht; und mein Bruder, wenn das Mädchen oder die Jungfrau, zu der du dich hingezogen fühlst, den Herrn nicht liebt, so lass sie jemand anders finden, der zu ihrem gegenwärtigen Zustand besser passt denn du. Ich bin davon durchdrungen, dass diese Mahnung von euch allen, die ihr wahre Christen seid, zu Herzen genommen werden sollte. Wenn du ein Heuchler bist, magst du mit einem ungläubigen Ehegatten ganz gut fertig werden können; wenn du aber ein echtes, wahres Kind Gottes bist und dann nach dieser Richtung hin sündigst, so verlass dich darauf, dass du dir eine Rute bindest, die dein himmlischer Vater bei dir in Anwendung bringen wird. Das Beste, das sich aus solchem Ziehen am fremden Joch ergeben kann, wird betrübend für deine Seele und entehrend für deinen Herrn und Heiland sein. Beachtet, wie der Apostel uns vor sündigen Verbindungen mit den Ungläubigen warnt: „Denn was hat die Gerechtigkeit zu schaffen mit der Ungerechtigkeit? Was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis? Wie stimmt Christus mit Belial? Oder was für ein Teil hat der Gläubige mit den Ungläubigen? Was hat der Tempel Gottes für eine Gleiche mit den Götzen? Ihr aber seid der Tempel des lebendigen Gottes; wie denn Gott spricht: „Ich will unter ihnen wohnen und unter ihnen wandeln, und will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein.“ Darum geht aus von ihnen, und sondert euch ab, spricht der Herr, und rührt kein Unreines an, so will ich euch annehmen und euer Vater sein, und ihr sollt meine Söhne und Töchter sein, spricht der allmächtige Herr.“